Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Allgemeine Verwaltung/Kultur und Recht
Gz: AKR
GRDrs 1404/2023
Stuttgart,
11/17/2023


Vergabe des Hannsmann-Poethen-Literaturstipendiums 2024



Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Ausschuss für Kultur und Medien
Verwaltungsausschuss
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
öffentlich
öffentlich
28.11.2023
29.11.2023

Bericht:


Für ihr transdisziplinäres Projekt Zwischenlandungen erhalten die Autorin Esra Canpalat und die Künstlerin Havîn Al-Sîndy das Hannsmann-Poethen Literaturstipendium 2024 der Landeshauptstadt Stuttgart. Eine Fachjury entschied über die Vergabe des spartenübergreifenden Stipendiums an die beiden Künstlerinnen in ihrer Sitzung am 11. Oktober 2023. Um das Stipendium hatten sich 40 Künstler*innen-Tandems beworben.

Als stimmberechtigte Juror*innen nahmen an der Sitzung zur Vergabe teil:

• Iris Dressler, Leitung Württembergischer Kunstverein
• Dominik Renneke, Dramaturg Burg Hülshoff - Center for Literature
• Dr. Nesrin Tanç, Literatur- und Kulturwissenschaftlerin
• Julian Warner, Künstler und Kurator

sowie Patrick Schindler und Neda Pouryekta als Vertretung der Abteilung Kulturförderung des Kulturamts.

Das Hannsmann-Poethen Literaturstipendium wird im zweijährigen Turnus an ein Künstler-Tandem vergeben. Es umfasst einen Förderbetrag von 15.000 Euro und wird zu gleichen Anteilen zwischen den beiden Stipendiatinnen aufgeteilt, die Mietkosten für einen dreimonatigen Aufenthalt im GEDOK-Haus Stuttgart sowie einen Zuschuss zum Projektbudget in Höhe von maximal 9.000 Euro.

Projektvorhaben

Das Projekt Zwischenlandungen behandelt das, was gemeinhin als „das Dazwischen“ bezeichnet wird: Zwischen den Kulturen, den Orten, den Zeiten, den Geschichten. Hinter der Sprache der Konzeptualisierung des „Dazwischen“ verbergen sich Problematiken, die nicht nur der gelebten Realität von Menschen in Zwischenpositionen deutlich widersprechen, sondern in ihrer Versprachlichung oftmals nicht mehr als reformistische oder kosmetische Änderungen der vorherrschenden Strukturen darstellen.
Das Projekt, das in Kooperation mit Schulen und Kulturbetrieben in Stuttgart entstehen soll, will performative Verhandlungsräume durch Literatur und Kunst schaffen. Ziel ist es, die Komplexität von Biografien und Erfahrungen jenseits vereinfachender Katego-risierungen sichtbar zu machen. Dabei werden auch Widersprüche innerhalb von Communities sowie Kontinuitäten kolonialer Verhältnisse thematisiert. Das Projekt versteht sich als Beitrag zu einer reflektierten Auseinandersetzung mit Zwischenpositionen und multiplen Verortungen.


Jurybegründung

Mit der Verleihung des HannsmannPoethen Literaturstipendiums an Esra Canpalat und Havîn Al-Sîndy hat die Jury zwei junge Künstlerinnen aus NRW ausgewählt, die mit ihrem Projekt Zwischenlandungen - Performatives Projekt die „Komplexität von Biografien und Erfahrungen jenseits vereinfachender Kategorisierungen“ fokussieren möchten. Beide Bewerberinnen zeichnen sich durch künstlerische Auseinandersetzung mit Genregrenzen und den Grenzen zwischen dem Kollektiven und dem Individuellen, dem Profanen und Ephemeren als auch dem situierten Wissen aus.

Der mehrdimensionale Blick beider Künstlerinnen auf das von Flucht und Migration geprägte Zeitgeschehen und ihre Ansätze zu den Ver- und Entortungen, gepaart mit einem tiefen Interesse am Dialogischen, haben die Jury überzeugt. Ebenso überzeugte das Duo durch die transparente Prozesshaftigkeit und den Wunsch nach kollaborativen Begegnungsformen. Canpalat und Al-Sîndy lassen mit ihrer Projektidee darauf hoffen, dass die künstlerische Forschung und künstlerische Produktion beider Stipendiatinnen neue Impulse und eine Annäherung und Verzahnung unterschiedlicher Akteur*innen der Kunst- und Kulturlandschaft Stuttgarts – und darüber hinaus – hervorbringt.


Die Stipendiatinnen

Esra Canpalat ist Autorin und Literaturwissenschaftlerin aus dem Ruhrgebiet. Sie studierte Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft (Komparatistik) sowie Kunstgeschichte an der Ruhr-Universität Bochum. Von 2014-2016 arbeitete sie als Infotrainerin im Hartware Medien-KunstVerein (HMKV) im Dortmunder U. Ab Oktober 2016 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin im DFG-Graduiertenkolleg 2132 „Das Dokumentarische. Exzess und Entzug“ an der Ruhr-Universität Bochum angestellt.
Sie schreibt Erzählungen, Essays, Rezensionen, wissenschaftliche Artikel und kulturvermittelnde Texte. 2012 erschien ihre erste Kurzgeschichte in der Anthologie „Druckstellen“ im Rahmen des zweiten Ruhrgebietsliteraturwettbewerbs. Weitere Veröffentlichungen folgten in Anthologien und Literaturzeitschriften. Zudem war sie von 2011-2017 Redaktionsmitglied des Online-Feuilletons „literaturundfeuilleton“.
Canpalat ist Preisträgerin des Förderpreises des Literaturpreises Ruhr 2021 und belegte den 3. Preis im Literaturwettbewerb „60 Jahre Migration aus der Türkei – Neue Hoffnungen“, der vom Dünya Verlag organisiert wurde. Derzeit arbeitet sie an einer Doktorarbeit zu dokumentarischen Gesten und Transkulturalität in türkischer Literatur der frühen 2000er Jahre und an einem Romanprojekt über (post)migrantische Erinnerung und intergenerationelle Traumata.

Havîn Al-Sîndy arbeitet in Berlin, Düsseldorf und Kurdistan. Al-Sîndy studierte an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart und an der Kunstakademie Düsseldorf. Sie schloss ihr Meisterschüler*innen Studium im Jahr 2018 ab. Parallel dazu studierte sie Biologie und Chemie an der Universität Duisburg-Essen.
Havîn Al-Sîndys Arbeiten sind im Feld der Bildhauerei, der Malerei und der bewegten Bilder anzusiedeln. Sie beschäftigt sich mit künstlerischen und wissenschaftlichen Prozessen der Sichtbarmachung, findet Sprachen für schwer Sagbares, sowie die Ambivalenzen im Herstellen von Sichtbarkeit selbst. Dabei ist ihre Arbeitsweise prozesshaft und meist kollaborativ. Immer wieder findet ein Dialog über Generationen hinweg statt – ein sich füreinander interessieren und aufeinander einlassen. Persönliche wie kollektive Erinnerungen und ihre Rekonstruktion, Verortung und Entortung sind Themen, die sie performativ und installativ darstellt, um Betrachtende in die räumliche Dimension ihrer Skulpturen einzubeziehen und sie zu einer Interaktion mit den Werken zu bewegen. So entstehen Räume der Begegnungen mit Erfahrungen, die nicht zwangsläufig die eigenen gewesen sein müssen, die aber Einladungen zum Verlernen vermeintlicher Selbstverständlichkeiten in sich tragen.

Beteiligte Stellen

keine


Vorliegende Anträge/Anfragen

keine
keine




Dr. Fabian Mayer
Erster Bürgermeister





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