Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales/Jugend und Gesundheit
Gz: SJG
GRDrs 582/2014
Stuttgart,
09/09/2014



Landesrahmenvereinbarung zur Umsetzung der Frühförderungsverordnung - Stellenbedarf bei der Interdisziplinären Frühförderstelle am Gesundheitsamt der Landeshauptstadt Stuttgart



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Sozial- und Gesundheitsausschuss
Verwaltungsausschuss
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
29.09.2014
01.10.2014



Beschlußantrag:

1. Die Interdisziplinäre Frühförderstelle der Landeshauptstadt Stuttgart (IFF) tritt spätestens zum 1. Januar 2015 der Landesrahmenvereinbarung zur Umsetzung der Verordnung zur Früherkennung und Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder (Frühförderungsverordnung–FrühV) bei.

2. Vom zusätzlichen unabweisbaren Personalbedarf in Höhe von 0,25 Stellen in Entgeltgruppe 8 für die neu hinzugekommenen Aufgaben (persönliches Erstgespräch im Sinne der Landesrahmenvereinbarung, Befundabstimmung für die Komplexleistung, Koordinierung der weiteren Abläufe) wird Kenntnis genommen. Die Entscheidung über die Stellenschaffung ist im Vorgriff auf den Stellenplan 2016 zu treffen.


Kurzfassung der Begründung:
Ausführliche Begründung siehe Anlage 1

Die Landesrahmenvereinbarung zur Umsetzung der FrühV in Baden-Württemberg ist am 1. Juli 2014 in Kraft getreten. Sie regelt und stärkt das Zusammenwirken der zuständigen Leistungsträger, der Interdisziplinären Frühförderstellen und der Sozialpädiatrischen Zentren zur Früherkennung und Frühförderung. Gegenstand der Vereinbarung ist eine Komplexleistung der beteiligten Dienste, um bei einer verlässlichen Finanzierungsgrundlage ein übergreifend formuliertes Therapie- und Förderziel zu erreichen.

Die Konsequenzen aus dieser Vereinbarung sind erweiterte Aufgaben, die zwar einen personellen Mehraufwand bedeuten, aber dafür besser vergütet werden.


Der Beitritt zur Landesrahmenvereinbarung ist für die IFF existenziell und Voraussetzung für die Weitergewährung der jährlichen Landesförderung in Höhe von 56.500 Euro (davon werden derzeit 8.500 Euro an den Körperbehinderten-Verein Stuttgart e. V. weitergeleitet). Die IFF kann jedoch nur der Vereinbarung beitreten, wenn sie über die notwendigen Personalressourcen verfügt. Die Landesrahmenvereinbarung sieht in jedem Fall ein Erstgespräch vor, in dem unter Inaugenscheinnahme des Kindes die Frage der interdisziplinären Diagnostik im Sinne einer Komplexleistung geklärt werden soll. Ergibt dieses Erstgespräch einen Bedarf an einer interdisziplinären Diagnostik im Sinne einer Komplexleistung, schließen sich weitere organisatorische Schritte an, die eine mehrseitige Abstimmung erfordern. Das Erstgespräch in der von der Landesrahmenvereinbarung vorgegebenen Form und die damit verbundenen weiteren Aufgaben sollen in der Interdisziplinären Frühförderstelle am Gesundheitsamt von einer medizinischen Fachangestellten/Kinderkrankenschwester erbracht werden.

Damit die IFF am Gesundheitsamt Stuttgart der Vereinbarung beitreten kann, ist eine Stellenschaffung von einer 0,25 Stelle in EG 8 für eine medizinische Fachangestellte zwingend notwendig.

Finanzielle Auswirkungen

Die vorgesehene Stellenschaffung kann durch die zusätzlichen Einnahmen in Höhe von 13.500 Euro gedeckt werden. Außerdem wird durch den Beitritt zur Vereinbarung die zurzeit einzig bekannte Voraussetzung (Koppelung an den Beitritt zur Landesrahmenvereinbarung) für den Erhalt des jährlichen Landeszuschusses von 56.500 Euro (abzüglich 8.500 Euro für den Körperbehinderten-Verein Stuttgart e. V.) erfüllt.


Beteiligte Stellen

Das Referat AK und das Referat WFB haben die Vorlage mitgezeichnet.




Isabel Fezer
Bürgermeisterin


Anlagen

Anlage 1 Ausführliche Begründung
Anlage 2 Landesrahmenvereinbarung
Anlage 3 Vergütungsverordnung zur Landesrahmenvereinbarung
Anlage 4 Ablaufschlema




1. Hintergrund

Frühförderung ist ein Hilfeangebot für entwicklungsauffällige, behinderte oder von Behinderung bedrohte Kinder von Geburt bis zur Einschulung und deren Eltern und Bezugspersonen. Der Begriff „Frühförderung“ dient dabei als Oberbegriff für die Gesamtaufgabe der Diagnostik, Beratung, Therapie, pädagogische Förderung und Ver­netzungsarbeit, die durch eine Frühförderstelle geleistet wird.

Nach der „Rahmenkonzeption Frühförderung 1998, Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder in Baden-Württemberg“ sind die wichtigsten Elemente des baden-württembergischen Frühfördersystems:

· die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sowie Therapeutinnen bzw. Therapeuten,
· die Kinderkliniken und Sozialpädiatrischen Zentren,
· der öffentliche Gesundheitsdienst,
· die Sonderpädagogischen Beratungsstellen,
· die Interdisziplinären Frühförderstellen und
· die Überregionale Arbeitsstelle Frühförderung.


Interdisziplinäre Frühförderung und Interdisziplinäre Frühförderstellen
In Deutschland besteht ab Geburt bis zur Einschulung ein Rechtsanspruch auf Interdisziplinäre Frühförderung i. R. der Bestimmungen des SGB IX, XII und der Verordnung zur Früherkennung und Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder (Frühförderungsverordnung – FrühV 2003). Die Erfahrung zeigt, und dies gilt insbesondere für Kinder, dass drohende Behinderungen oft vermieden und eingetretene Behinderungen und ihre Folgen gemildert oder möglicherweise sogar beseitigt werden können, wenn die Risiken und Auffälligkeiten möglichst frühzeitig erkannt werden und eine gezielte ganzheitliche Therapie und Förderung eingeleitet wird.

Interdisziplinäre Frühförderstellen sind nichtklinische, „familien- und wohnortnahe Dienste und Einrichtungen, die der Früherkennung, Behandlung und Förderung von Kindern dienen, um in interdisziplinärer Zusammenarbeit von qualifizierten medizinisch-therapeutischen und pädagogischen Fachkräften eine drohende oder bereits eingetretene Behinderung zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu erkennen und die Behinderung durch gezielte Förder- und Behandlungsmaßnahmen auszugleichen oder zu mildern“ (Frühförderungsverordnung – FrühV 2003). Sie bieten Eltern und ihren entwicklungsauffälligen, behinderten oder von Behinderung bedrohten Kindern Leistungen der Frühförderung von Geburt bis zum Eintritt in die Schule. Diese Leistungen werden in ambulanter, einschließlich mobiler, Form erbracht.

Die Angebote der Interdisziplinären Frühförderstellen richten sich an einen unterschiedlichen Personenkreis. Zu diesen gehören:



· Frühgeborene oder Säuglinge mit Entwicklungsrisiken, d. h. Kinder, die perinatal besondere Gefährdungen ausgesetzt waren,
· Kinder mit Entwicklungsverzögerungen oder Entwicklungsauffälligkeiten (z. B. in den Bereichen der Motorik, der Sprache, der Kognition und des Verhaltens),
· Kinder mit geistigen und Mehrfachbehinderungen,
· Kinder mit Körperbehinderungen (einschließlich Seh- und Hörschädigungen),
· Kinder mit Sprachstörungen,
· Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten und Lern- und Leistungsstörungen
(u. a. Aggressivität, Hyperaktivität, Ängstlichkeit, Teilleistungsstörungen) und

· entwicklungsgefährdete Kinder aus sozial benachteiligten Familien. Ziel der Interdisziplinären Frühförderung ist, bei Entwicklungsauffälligkeiten/-gefähr-dungen und Behinderungen von Kindern die Hilfen anzubieten, die individuell am besten dazu beitragen, dass die Kinder sich möglichst gut entwickeln, ihre Kompetenzen entfalten und sich in ihre Lebenswelt integrieren können. Dieses Ziel lässt sich auf verschiedenen Ebenen formulieren:

· Kindbezogen: Frühestmögliche Erkennung von Entwicklungsauffälligkeiten, Förderung zur Milderung oder zur Vermeidung der Beeinträchtigungen der Kinder und ihrer Auswirkungen auf die Entwicklung, Aneignung kompensatorischer Möglichkeiten, Erweiterung der Ressourcen zur Verbesserung von Entwicklungschancen, Förderung des Selbsterlebens und des Selbstwertgefühls und Hilfen zur Integration in ihre Lebenswelt
· Elternbezogen: Fachliche Anleitung und Beratung in Bezug auf die Entwicklungsbedürfnisse ihres Kindes und Begleitung und Unterstützung der Eltern in Ihrer Auseinandersetzung mit Ihrer Situation
· Bezogen auf gesellschaftliche Anliegen: Anstreben der Sicherstellung der Verfügbarkeit und Erreichbarkeit von notwendige Hilfen für die Familien. Grundsätze der Interdisziplinären Frühförderung sind Ganzheitlichkeit, Familienorientierung, Interdisziplinarität, Regionalisierung und Kooperation und Koordination aller Hilfen.

In den Interdisziplinären Frühförderstellen in Baden-Württemberg arbeiten insbesondere folgende Fachkräfte: Medizinische Therapeuten/-innen (Logopäde/-in, Ergotherapeut/-in, Physiotherapeut/-in), Sozialarbeiter/-innen, Sozialpädagogen/-innen, Diplom-Pädagogen/-innen, Sonderpädagogen/-innen, Heilpädagogen/-innen, Psychologen/-innen, Fachärzte/-innen, insbesondere Kinder- und Jugendärztinnen/-ärzte.

Der Zugang ist ohne ärztliche Zuweisung für Eltern und Kinder niederschwellig.

Interdisziplinäre Frühförderstelle (IFF) am Gesundheitsamt der Landeshauptstadt Stuttgart
Die Interdisziplinäre Frühförderstelle (IFF) am Gesundheitsamt wurde im Jahr 1997 durch Beschluss des Gemeinderats der Landeshauptstadt Stuttgart gegründet (GRDrs 177/1997).


Am 22. April 2013 wurde anlässlich des 15-jährigen Bestehens der IFF der Gemeinderat im Sozial- und Gesundheitsausschuss mit der GRDrs 145/2013 „15 Jahre Interdisziplinäre Frühförderstelle am Gesundheitsamt – Rückblick, aktueller Stand und Ausblick“ über die Arbeit der IFF informiert.

Träger der IFF am Gesundheitsamt sind die Landeshauptstadt Stuttgart, der Körperbehinderten-Verein Stuttgart e. V. und das Staatliche Schulamt Stuttgart. Die IFF am Gesundheitsamt arbeitet gemäß der Rahmenkonzeption Frühförderung Baden-Württemberg sowie der eigenen Konzeption mit einem interdisziplinären Team aus neun unterschiedlichen Berufsgruppen. Folgende Fachkräfte werden in der IFF beschäftigt:

· 1 Heilpädagogin vom Körperbehinderten-Verein Stuttgart e. V., Beschäftigungsgrad aktuell 50 %, ab 1. September 2014 75 % als Reaktion des Trägers auf die steigende Nachfrage und als Anpassung der Personalanforderung an den geplanten Beitritt zur Landesrahmenvereinbarung
· 1 Logopäde vom Gesundheitsamt Stuttgart, Beschäftigungsgrad 100 %
· 1 Ergotherapeutin vom Gesundheitsamt Stuttgart, Beschäftigungsgrad 50 %
· 1 Ärztin vom Gesundheitsamt Stuttgart, Beschäftigungsgrad 50 %
· 1 Sozialpädagogin vom Gesundheitsamt Stuttgart, Beschäftigungsgrad 50 %
· 1 Psychologe vom Jugendamt, Beschäftigungsgrad 50 %
· 1 Medizinische Fachangestellte vom Gesundheitsamt Stuttgart, Beschäftigungsgrad 50 %
· 2 Mitarbeiterinnen der Sonderpädagogischen Beratungsstellen vom Staatlichen Schulamt (aktuell: 1 Sonderpädagogin aus der Fachrichtung Geistigbehinderten-pädagogik und eine Fachlehrerin und Physiotherapeutin aus der Fachrichtung der Körperbehindertenpädagogik), Beschäftigungsgrad jeweils 9 Deputatstunden/Woche. Das Angebot der IFF richtet sich an entwicklungsauffällige, behinderte und von Behinderung bedrohte Kinder von Geburt bis zum Schuleintritt, die in Stuttgart wohnhaft sind.

Es umfasst folgende Bereiche:

· Diagnostik (z. B. Anamnese, Verhaltensbeobachtung, Fachspezifische Entwicklungsuntersuchung wie z. B. Sprachstandserhebung, Fragebögen, körperliche Untersuchung, Hör- und Sehtest, Entwicklungstests wie ET6 - 6, SON-R, K-ABC),
· Beratung (z. B. Beratung der Eltern und Bezugspersonen, Einzelfallbezogene Beratung von Institutionen, Erziehungsberatung, Systemische Beratung, Psychologische Beratung, Kriseninterventionen),
· Förderung (z. B. Hausfrühförderung, heilpädagogische Förderung, Spieltherapie, Förderung und Begleitung in der Kindertagesstätte),
· Therapie (Ergotherapie und Logopädie) und




· Vermittlung und Koordination von weiterführenden Hilfen (z. B. Kooperation mit anderen Fachkräften und Einrichtungen, Ärzten, Kliniken, SPZ, Gesundheitsamt und Sozialamt, niedergelassenen Therapeuten, Kindertageseinrichtungen, Schulkindergärten, Sonderpädagogischen Frühberatungsstellen, Kinderschutzzentren, Familienhebammen, Einrichtungen der Jugendhilfe, Familienkrankenschwestern, freie Beratungsstellen). Das Angebot ist für die Familien kostenlos und erfolgt ambulant und zum großen Teil mobil. Aufgrund der unterschiedlichen Fachrichtungen im Team ist es möglich, die kindliche Entwicklung, Familien- und Umfeldstrukturen sowie notwendige Diagnostik, Förder- und Therapieansätze aus unterschiedlichen fachlichen Aspekten zu beleuchten und einen individuellen und interdisziplinär abgestimmten Förder- und Behandlungsplan zu erstellen.

In der IFF werden jährlich über 300 Kinder aus dem gesamten Stadtgebiet betreut. Jährlich werden rund 200 Kinder angemeldet. Veranlasser der Anmeldungen sind u. a. Kindertageseinrichtungen, Ärzte und Kliniken, Gesundheitsamt, Jugendamt, andere Beratungsstellen und die Eltern selbst. Die Finanzierung einzelfallbezogener Leistungen erfolgt durch die Rehabilitationsträger. Kostenträger sind dabei je nach Leistung die jeweiligen Krankenkassen (medizinisch-therapeutische Leistungen) und das Sozialamt (heilpädagogische Leistungen).

Zur Finanzierung der Personalkosten beantragt die Landeshauptstadt Stuttgart im Namen der Träger Personalkostenzuschüsse nach Maßgabe der §§ 23 und 44 der Landeshaushaltsordnung Baden-Württemberg, den dazu ergangenen Verwaltungsvorschriften sowie den Fördergrundsätzen des Ministeriums für Arbeit und Soziales für Zuwendungen zu interdisziplinären Frühförderstellen vom 10. Oktober 2008. Diese Landesförderung ist eine zweckgebundene freiwillige Leistung des Landes und betrug für die IFF am Gesundheitsamt bisher 56.500 Euro jährlich. Davon werden 8.500 Euro für den Fachkraftanteil, beschäftigt zu 50 %, an den Körperbehinderten-Verein Stuttgart e. V. weitergeleitet.


2. Landesrahmenvereinbarung zur Umsetzung der Verordnung zur Früh­erkennung und Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder (Frühförderungsverordnung – FrühV) in Baden-Württemberg

Nach langjährigen Verhandlungen über eine Landesrahmenvereinbarung zur Umsetzung der Verordnung zur Früherkennung und Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder in Baden-Württemberg konnten die Verhandlungen im Frühjahr 2014 erfreulicherweise abgeschlossen werden. Bei laufendem Unterschriftsverfahren ist die Landesrahmenvereinbarung am 1. Juli 2014 in Kraft getreten. Sie regelt auf Grundlage der am 1. Juli 2003 in Kraft getretenen Frühförderungsverordnung (FrühV) das Zusammenwirken der zuständigen Leistungsträger, der Interdisziplinären Frühförderstellen und der Sozialpädiatrischen Zentren zur Früherkennung und Frühförderung gem. § 30 Abs. 1 und 2 des neunten Sozialgesetzbuches.



Mit dem Inkrafttreten der Landesrahmenvereinbarung am 1. Juli 2014 trat die zwischen den Rehabilitationsträgern und den beteiligten Verbänden der Liga der freien Wohlfahrtpflege geschlossene Übergangsvereinbarung zur Frühförderungsverordnung vom 9. März 2005 außer Kraft.

Gegenstand der Landesrahmenvereinbarung ist „die Gewährleistung von medizinisch-therapeutischen und heilpädagogischen Leistungen interdisziplinärer Frühförderstellen und Sozialpädiatrischer Zentren als Komplexleistung im Sinne der §§ 30 SGB IX, 56 SGB IX in Verbindung mit der Frühförderverordnung vom 24. Juni 2003 (siehe § 4).“ Die Erbringung von Einzelleistungen ist nicht Bestandteil einer Komplexleistung und erfolgt daher nicht nach dieser LRV.

Eine Komplexleistung liegt vor, „wenn für einen prognostisch festgelegten Zeitraum (in der Regel ein Jahr) sowohl medizinisch-therapeutische als auch heilpädagogische Leistungen im Sinne der §§ 2, 5 und 6 Frühförderverordnung notwendig sind und durch eine Interdisziplinäre Frühförderstelle oder ein Sozialpädiatrisches Zentrum erbracht werden, um ein übergreifend formuliertes Therapie- und Förderziel (Teilhabeziel) zu erreichen.“ Die Kommunalen Landesverbände, die Krankenkassen bzw. deren Verbände und die Verbände der freien Wohlfahrtspflege haben sich auf eine Vergütungs- und Abrechnungsvereinbarung zur Komplexleistung verständigt, die zunächst für drei Jahre gelten soll. Eine wissenschaftliche Evaluation soll zu den verfolgten Zielen und zu den Wirkungen der Vergütungs- und Abrechnungsvereinbarung durchgeführt werden.


Auswirkungen der in Kraft getretenen Landesrahmenvereinbarung auf die IFF am Gesundheitsamt
Mit der vorliegenden Landesrahmenvereinbarung soll für interdisziplinäre Frühfördereinrichtungen eine verlässliche Finanzierungsgrundlage geschaffen und das Zusammenwirken der medizinischen, psychologischen, pädagogischen und sozialen Dienste untereinander und mit den zuständigen Leistungsträgern gestärkt werden. Der Beitritt der örtlichen Sozialhilfeträger und Interdisziplinären Frühförderstellen erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Sozialministerium Baden-Württemberg.

Der Beitritt zur langjährig angestrebten Landesrahmenvereinbarung erfordert strukturelle Veränderungen der Arbeitsabläufe u. a. im Bereich der Erstanamnese/Inaugenscheinnahme mit bisher nicht notwendigen Vorgängen, Abstimmungen und Vorabgenehmigungen und setzt deshalb einen organisatorischen und personellen Mehraufwand voraus, der mit der vorhandenen Personalausstattung nicht bewältigt werden kann. Andererseits werden Abläufe und folgende, darauf bauende Abläufe vergütet, die bisher teilweise gar nicht oder geringfügiger vergütet wurden.





Voraussetzung für die Einleitung einer Komplexleistung ist ein auf das offene, nieder-schwellige Beratungsangebot oder die Empfehlung der Eltern, der/des Fachärztin/-arztes für Kinder- und Jugendmedizin, des Arztes, der Kindertageseinrichtungen oder einer anderen Empfehlung folgende Erstgespräch, das bisher nicht, nach Beitritt zur Landesrahmenvereinbarung jedoch mit 135 Euro vergütet wird (vgl. § 7 Abs. 2 der Vereinbarung). Das Erstgespräch dient der Abklärung der Frage, ob eine interdisziplinäre Diagnostik im Sinne einer Komplexleistung eingeleitet werden soll. Im Rahmen des Erstgesprächs findet eine Abfrage der bisher erfolgten Behandlungen und Therapien sowie sonstiger im Zusammenhang mit der Beeinträchtigung des Kindes stehender Informationen statt. Es beinhaltet die Inaugenscheinnahme des Kindes und kann sich über mehrere Sitzungen erstrecken.

Bisher verursachte das zumeist telefonisch geführte Erstgespräch einen durchschnittlichen Bearbeitungsaufwand von ca. 1,4 Stunden pro Fall. Das neue Verfahren mit dem zusätzlichen persönlichen Erstgespräch unter Inaugenscheinnahme des Kindes, der Befundabstimmung mit der Leitung der IFF, der Abstimmung mit der/dem an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Fachärztin/-arzt für Kinder- und Jugendmedizin zur Veranlassung der interdisziplinären Diagnostik und der Organisation der interdisziplinären Leistungen im Sinne einer Komplexleistung verursacht einen Gesamtaufwand von rund 3,5 Stunden pro Fall.

Wird nach dem persönlichen Erstgespräch und nach Abstimmung mit der/dem an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Fachärztin/-arzt für Kinder- und Jugendmedizin eine interdisziplinäre Diagnostik im Sinne einer Komplexleistung veranlasst, wird diese im Rahmen der Landesrahmenvereinbarung mit 230 Euro von den Krankenkassen vergütet.

Wird im Rahmen dieser Diagnostik ein Bedarf an einer Förderung oder Therapie im Sinne einer Komplexleistung festgestellt, muss ein Förder- und Behandlungsplan aufgestellt, mit dem zuständigen Kinderärztin/-arzt und den Eltern abgestimmt werden und durch den zuständigen Sozialhilfeträger und die zuständige Krankenkasse innerhalb von zwei Wochen entschieden werden. Wird dieser bewilligt, wird die Förderung oder die Therapie mit den dafür vorgesehenen Vergütungssätzen abgerechnet.


Zusammenwirken mit dem Sozialamt
Das Sozialamt hat bereits am 16. Juli 2014 als Sozialhilfeträger seinen Beitritt zur Landesrahmenvereinbarung erklärt. Als einer der Kostenträger für Frühförderung ist das Sozialamt an dem neuen Verfahren unmittelbar beteiligt. Die in Anlage 3 bei § 4 unter der Rubrik „Kommunale Träger“ dargestellten Vergütungssätze werden künftig in jedem Einzelfall geprüft und übernommen werden. Betroffen ist davon auch die Frühförderstelle "Fundevogel e. V.", mit der derzeit Verhandlungen über die o. a. Vergütungssätze geführt werden, weil diese für die kommunalen Träger nach § 1 Ziffer 3 nicht für verbindlich erklärt worden sind.



Entgegen der bisherigen Bearbeitung von Frühförderanträgen wird das Verfahren nun sehr viel differenzierter und aufwändiger. Die zentrale Abrechnung der kumulierten Jahresfallpauschalen an die Frühförderträger ist ab 2015 für die gemäß der Landesrahmenvereinbarung geleisteten Fälle im Sozialamt nicht mehr möglich. Zukünftig ist pro Kind dann bei der Sozialhilfesachbearbeitung individuell Eingliederungshilfe zu bewilligen. Dieser erhöhte Bearbeitungsaufwand wird sich im Stellenbemessungsverfahren der Sozialhilfe niederschlagen.

Notwendigkeit der Stellenschaffung
Um der am 1. Juli 2014 in Kraft getretenen Landesrahmenverordnung beitreten und die damit einhergehenden Aufgaben bewältigen zu können, ist eine Schaffung von zusätzlich 0,25 Stellen für eine medizinische Fachangestellte (Entgeltgruppe 8, entspricht 14.625 Euro) zwingend notwendig. Die von ihr zusätzlich erforderlichen Aufgaben werden durch die Vergütung der darin enthaltenen persönlichen Erstgespräche nahezu refinanziert. Seit Jahren beträgt die Anmeldungsrate an der IFF ca. 200 Anmeldungen pro Jahr. Die Vergütung von 135 Euro pro Erstgespräch wird hälftig von den Krankenkassen und vom Sozialhilfeträger getragen. Dies ergibt eine zusätzliche Einnahme von ca. 13.500 Euro. Zudem würden Mehreinnahmen folgen, die sich durch die darauf folgende interdisziplinäre Diagnostik und ggf. einer Förderung/Therapie im Sinne der Komplexleistung ergeben würden. Diese Mehreinnahmen sind jedoch an der Durchführung eines persönlichen Erstgesprächs unter „Inaugenscheinnahme des Kindes“ gekoppelt. Da die Höhe dieser Mehreinnahmen von mehreren Faktoren abhängig ist und zum jetzigen Zeitpunkt nicht gänzlich überblickt werden kann, basiert dieser Antrag auf die geplanten Mehreinnahmen durch die Erstgespräche (13.500 Euro).

Der Beitritt zur Landesrahmenvereinbarung ist für die IFF am Gesundheitsamt existenziell. In dem diesjährigen Zuwendungsbescheid der Landesförderung über 56.500 Euro vom 16. Juli 2014 wies das Regierungspräsidium explizit darauf hin, dass die Landesförderung interdisziplinärer Frühförderstellen in diesem Jahr letztmalig nach den bisherigen Fördergrundsätzen abgewickelt wurde.

Ferner wurden die Träger informiert, dass der Erlass der Verwaltungsvorschrift für die künftige Förderung Interdisziplinärer Frühförderstellen noch ausstehe. Das Sozialministerium plane „dabei, die künftigen Verwaltungsvorschriften für die Förderung an die Landesrahmenvereinbarung vom 1. Juli 2014 zu binden“. In aller Deutlichkeit weist das Regierungspräsidium Stuttgart die Träger der Frühförderstellen ganz besonders auf diesen Sachverhalt hin. Darüber hinaus werden die Träger gebeten, „ggf. notwendige Personalanforderungen bzw. Fachrichtungsanpassungen vorzunehmen, um auch künftig an der Landesförderung teilnehmen zu können.“

Die beantragte Stellenschaffung ist zum schnellstmöglichen Beitritt, spätestens zum 1. Januar 2015 und damit auch zur Sicherstellung der Landesförderung von 56.500 Euro unabdingbar. Von Seiten der IFF ist geplant, der Landesrahmenvereinbarung beizutreten, sobald die Stelle geschaffen wurde. Zum nächstmöglichen Termin werden die Arbeitsabläufe, der personelle Mehraufwand und die Finanzierung evaluiert, um ggf. die Ressourcen zum nächsten Stellenplan anpassen zu können.


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Anlage 2 zu GRDrs 582_2014.pdfAnlage 2 zu GRDrs 582_2014.pdfAnlage 3 zu GRDrs 582_2014.pdfAnlage 3 zu GRDrs 582_2014.pdfAnlage 4 zu GRDrs 582_2014.pdfAnlage 4 zu GRDrs 582_2014.pdf