Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
221
20
VerhandlungDrucksache:
397/2014
GZ:
RSO
Sitzungstermin: 16.07.2014
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BM Dr. Schairer
Berichterstattung:der Vorsitzende
Protokollführung: Herr Häbe
Betreff: Neubemessung der Gebühren für systematische Kontrollen bei Waffenbesitzern nach § 36 Waffengesetz

Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Recht, Sicherheit und Ordnung vom 01.07.2014, GRDrs 397/2014, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Die Satzung zur Änderung der Satzung der Landeshauptstadt Stuttgart über die Erhebung von Gebühren für öffentliche Leistungen (Verwaltungsgebührensatzung) wird gemäß Anlage 2 beschlossen.

2. Das private Interesse und das öffentliche Interesse an verdachtsunabhängigen behördlichen Kontrollen der Aufbewahrung von Waffen gem. §36 Abs. 3 WaffenG wird im Verhältnis 80 zu 20 gewichtet. Einer Erhebung von Verwaltungsgebühren in Höhe von 80 % der für diese Kontrollen anfallenden Verwaltungskosten wird zugestimmt.

Die Beratungsunterlage ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

Von BM Dr. Schairer werden die Inhalte der Vorlage eingehend dargestellt. Seine Ausführungen sind nachstehend im überarbeiteten Wortlaut wiedergegeben:



"Das Amt für öffentliche Ordnung führt seit 2012 systematische verdachtsunabhängige Vorkontrollen bei Waffenbesitzern nach § 36 Waffengesetz durch. Für diese Kontrollen ohne Beanstandung wurde eine Festgebühr in Höhe von 210 € festgesetzt und erstmals zum 01.01.2012 erhoben. Gegen diese Verfahrensweise sind über 100 Widerspruchsverfahren anhängig. Ein Klageverfahren (Musterprozess) davon führte mit Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13.08.2013 dazu, dass der Gebührenbescheid aufgehoben wurde. Das Gericht stellte fest, dass der neu geschaffene Gebührentatbestand - die Rahmengebühr 210 bis 420 € für Vor-Ort-Kontrollen - rechtsfehlerhaft ist. Die wesentlichen Gründe der Urteilsbegründung waren die nicht berücksichtigte wirtschaftliche und sonstige Bedeutung der öffentlichen Leistung für den Gebührenschuldner bei der Gebührenbemessung und, das hat das Gericht ausdrücklich erklärt, die fehlende Ermessensausübung des Gemeinderates bei der Beschlussfassung der Satzung. Dieses Ermessen müssen wir heute ausüben.

In diesem Zusammenhang ist noch bedeutsam, dass Gebühren seit der Entscheidung im September 2013 bei Vor-Ort-Kontrollen ohne Beanstandungen nicht mehr festgesetzt werden. Die Waffenbesitzer werden aber darauf hingewiesen, dass mit einem nachträglichen Gebührenbescheid zu rechnen ist. Also es gibt keinen Vertrauensschutz. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig.

Nun ist erforderlich, dass wir unter Berücksichtigung der Urteilsbegründung, und das ist in der Vorlage ausführlich ausgeführt, die Verwaltungsgebührensatzung im Hinblick auf die Gebühren nach § 36 neu fassen und auch mit der zugrunde liegenden Abwägung, die in der GRDrs ausgeführt ist, so beschließen. Wie sieht diese Neuregelung, diese Reparatursatzung aus? Wir gehen von folgenden Voraussetzungen aus: Basis ist der im Jahr 2011 errechnete Stundensatz von 70 €, den behalten wir bei. Wir haben ein neues Kalkulationsschema aufgelegt. Es wird von einer Rahmengebühr abgesehen und auf feste Gebührensätze umgestellt. Wir bleiben bei den Zeitansätzen. Zwischenzeitlich haben wir ja detaillierte Erfahrungen in der Praxis. Es wird von einem Grundaufwand für die Vor- und Nachbereitung inklusive der Wegezeiten zuzüglich des eigentlichen Kontrollvorgangs für eine Waffe beim Waffenbesitzer ausgegangen. Und jede kontrollierte zusätzliche Waffe wird extra berechnet. Dies ist kompliziert, aber sachgerecht.

Schwierig und kompliziert ist auch der Gebührenmaßstab. Die Kontrollen werden ja sowohl im öffentlichen als auch im privaten Interesse durchgeführt. Der Waffenbesitzer gibt den Anlass zu den verdachtsunabhängigen Kontrollen, denn er hat ein großes Interesse - so sehen wir das -, die Waffenerlaubnis zu behalten. Deshalb muss man auch bei verdachtsunabhängigen Kontrollen von einem privaten Interesse ausgehen. Außerdem, davon gehen wir aus und das ist unser Vorschlag, ist das Interesse des Waffenbesitzers an einem regelmäßigen Nachweis seiner Zuverlässigkeit und auch seiner Eignung zu berücksichtigen. Auch dies ist in seinem Interesse, dass wir das durchführen. Dies alles spricht dafür, dass wir den Schwerpunkt des Interesses beim Waffenbesitzer und die Gewichtung im Verhältnis von 80% privates zu 20% öffentliches Interesse ausgewogen ist.




Das heißt, 80 % des berechneten Verwaltungsaufwands wird als Gebühr erhoben bzw. dem Gebührenschuldner in Rechnung gestellt. Daraus ergibt sich, das sehen Sie aus den Anlagen, für die neuen Gebühren für die Vor-Ort-Kontrollen eine differenzierte Betrachtung. Je nach Anzahl der Waffen wird von 126,90 € bei einer Waffe bis zu etwa 229,20 € bei 12 Waffen in Zukunft eine Gebühr anfallen.

Die Änderung kann und darf rückwirkend zum 01.01.2012 in Kraft treten. Die Rückwirkung, das haben wir rechtlich geprüft, ist zulässig, weil, wie ich eingangs sagte, kein Vertrauensschutz darüber besteht, dass in Zukunft keine Kosten anfallen, nur weil eine Satzung fehlerhaft ist. Dieser Vertrauensschutz konnte nicht entstehen, man hat auch die Gebührenschuldner darauf hingewiesen. Für den rückwirkenden Zeitraum ist die Gebühr auf 210 bzw. 215 € begrenzt. Über die haushaltsrechtlichen und Haushaltsauswirkungen haben wir Ihnen in der Vorlage berichtet, das möchte ich jetzt im Einzelnen nicht ausführen, was das dann insgesamt kostet. Die Neuregelung ist ausgewogen, wir wollen damit Rechtssicherheit schaffen. Allerdings ist die Gebühr damit immer noch deutlich höher als in vielen Gemeinden um Stuttgart herum. Ein weiterer Rechtsstreit kann daher nicht ausgeschlossen werden. Nach den zahlreichen Widersprüchen erwarten wir auch einen solchen.

Ein Sonderproblem ist die Frage, wie mit den bezahlten rechtskräftig gewordenen Gebührenbescheiden umgegangen werden soll. Auch dafür haben wir eine Lösung. Es ist beabsichtigt, diese auf Antrag neu zu berechnen und auch teilweise, soweit sie dann zu hoch sind gegenüber den heutigen Sätzen, zurückzuerstatten. Ich bitte, dieser Vorlage in der Vorberatung zuzustimmen.“

StR Kanzleiter weist auf einen Druckfehler in der Vorlage hin. Auf Seite 3 im 1. Absatz fehlt in der zweiten Zeile beim ersten Wortteil ein "w".

Seine Fraktion, so StR Stopper (90/GRÜNE), stimme dem Beschlussantrag zu. Die Ausführungen der Verwaltung in der Vorlage sowie die dort durchgeführte Abwägung würden geteilt. Ebenfalls zustimmend äußern sich StR Sauer (CDU), StR Kanzleiter (SPD) und StR Zeeb (FW). Laut StR Sauer werden in der Vorlage die richtigen und angemessenen Konsequenzen aus dem Gerichtsurteil getroffen.

Für StR Klingler (FDP) kommt bezogen auf Sportschützen die Unterscheidung, wer aus welchem Grund mit einer Waffe zu tun hat, zu kurz. Gegenüber diesem Ratsmitglied unterstreicht der Vorsitzende, nach Einschätzung der Verwaltung werde es wohl eine weitere rechtliche Auseinandersetzung geben. Die Verwaltung sei jedoch von der Korrektheit der Neubemessung der Gebühren überzeugt. Seitens der Verwaltung werde kein sachlicher Grund für eine Differenzierung zwischen Jagd- und Sportschützen gesehen. Was den Aufwand der Waffenkontrolle angeht, gebe es hier keine Unterschiede. Dasselbe gelte hinsichtlich der Aspekte Zuverlässigkeit und Gefahr für die öffentliche Sicherheit.





Zur Frage von StR Zeeb, ob jede einzelne Waffe eine Gebühr hervorrufen muss, trägt BM Dr. Schairer vor, für jede einzelne Waffe ergebe sich ein Aufwand. Im Sinne von Rechtsklarheit, Rechtssicherheit, Transparenz und Nachvollziehbarkeit werde dem Kommunalabgabengesetz entsprechend eine nach der Zeit bemessene Gebühr für richtig angesehen.

Abschließend stellt BM Dr. Schairer fest:
zum Seitenanfang