Protokoll: Verwaltungsausschuss des Gemeinderats der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
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GZ:
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Sitzungstermin: 19.11.2014
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: BM Dr. Schairer
Berichterstattung:Herr Schwarz (StatA)
Protokollführung: Herr Häbe
Betreff: Szenarien der möglichen Bevölkerungsentwicklung darstellen
- Antrag Nr. 305/2014 der Gemeinderatsfraktion Freie Wähler vom 20.10.2014

Der im Betreff genannte Antrag ist dem Originalprotokoll sowie dem Protokollexemplar für die Hauptaktei beigefügt.

Die zu diesem Tagesordnungspunkt gezeigte Präsentation ist dem Protokoll als Dateianhang hinterlegt. Dem Originalprotokoll und dem Protokollexemplar für die Hauptaktei ist sie in Papierform angehängt.


Von StRin von Stein (FW) wird der Antrag kurz begründet.

Nach der Information von BM Dr. Schairer, dass die aktuelle Einwohnerzahl von 593.133 zum 30.10.2014 exakt durch das Statistische Amt im Jahr 2009 prognostiziert wurde, erfolgt ein Sachvortrag von Herrn Schwarz. Zu der dabei gezeigten Präsentation trägt Herr Schwarz insbesondere vor, sein Amt habe vor gut einem Jahr die neue Einwohnerprognose für Stuttgart der Öffentlichkeit vorgestellt und im Monatsheft Nr. 11/2013 veröffentlicht. Den Antrag wolle er gerne zum Anlass nehmen, diese Prognose mit ihren verschiedenen Annahmen und den daraus resultierenden Ergebnissen vorzustellen. Zudem werde er noch eine Bewertung vor dem Hintergrund der aktuellen demografischen Entwicklung in der Landeshauptstadt Stuttgart vornehmen.


Das der Prognose zugrunde liegende Modell sei von seinem Amt über Jahrzehnte entwickelt worden. Mittlerweile komme dieses Modell nicht nur bundesweit, sondern auch international zum Einsatz. Bei den benötigten Eingabedaten stütze man sich auf die Entwicklung der Jahre 2000 bis 2012. Die Prognoserechnung beginne mit dem Jahr 2013. Verschiedene Annahmen müssten getroffen werden. Zum einen zur natürlichen Bevölkerungsentwicklung, welche sich aus Geburten und Sterbefällen sowie aus Zu- und Wegzügen zusammensetzt. Während die Annahmen zu den Geburten vergleichsweise einfach sind, seien die Annahmen zu den Zu- und Wegzügen schwierig. Ausgegangen werde davon, dass sich die seit längerem unveränderte Geburtenrate von 1,3 Kindern/Frau im Prognosezeitraum nicht verändert. Bei der Lebenserwartung habe man eine moderate Steigerung zugrunde gelegt.

Das Wanderungsgeschehen sei deutlich schwieriger vorherzusagen. Insbesondere treffe dies auf die Zuwanderung aus dem Ausland zu. Die Entwicklung in dem Bereich gehe oftmals auf politische Entwicklungen zurück. Hier komme es dann beispielsweise, wie aktuell zu beobachten ist, zu größeren Flüchtlingsbewegungen. Dies habe sich schon in den 90er-Jahren bedingt durch den Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien gezeigt. Um die Bandbreite der möglichen Entwicklungen aufzuzeigen, seien diesbezüglich zwei Szenarien berechnet worden. In der Variante 1 sei unterstellt worden, dass das Wanderungsgeschehen bis 2013 in etwa so wie zwischen 2009 und 2010 stattfindet. Demgegenüber sei in der Variante 2 davon ausgegangen worden, dass die momentan zu beobachtende Zuwanderungsintensität über den Prognosezeitraum anhält.

Darüber hinaus habe man zwei weitere, insbesondere auch für die regionale Bevölkerungsentwicklung bedeutsame, Ansätze gewählt. Prognostiziert würden bekanntlich auch die Entwicklungen in den Stadtbezirken. Hierbei werde die Entwicklung der Bauflächen bzw. der Bautätigkeit berücksichtigt. Die eine der zwei berechneten Varianten sehe vor, dass bis 2030 von einer jährlichen Bauleistung von 1.800 Wohnungen ausgegangen wird. Diese entstünden zum einen aus den Vorhaben der Zeitstufenliste Wohnen. Zudem seien Annahmen zu der sonstigen Bautätigkeit getroffen worden. Diese finde außerhalb der Zeitstufengebiete im Bestand erfahrungsgemäß ohnehin statt. Zusammengenommen führe dies in der Variante 3 zu einem Plus von ca. 1.800 Wohnungen/Jahr (Variante 4 plus 2.000/Jahr). Nach Einschätzung des Statistischen Amtes sei die Variante 3 die wahrscheinlichste. Mit dieser Variante sollte die Verwaltung die weiteren Planungsmaßnahmen vornehmen. In Varianten zu rechnen werde als wichtig angesehen, um Unsicherheiten und die Bandbreite der Annahmen darzustellen. Letztlich müsse man sich bei den Planungen auf eine Variante einigen, damit die planende Verwaltung konkrete Rechnungen durchführen kann. In allen Varianten werde von noch steigenden Einwohnerzahlen ausgegangen. Die Frage sei, wie lange dies anhält. In der Variante 1 (normale Zuwanderung analog dem letzten Jahrzehnt) steige die Einwohnerzahl bis 2016/2017 auf 593.000 Einwohner an, um dann auf 580.000 Einwohner zurückzugehen. Ein über einen langen Zeitraum sehr hohes Zuwanderungsniveau sei in der Variante 2 unterstellt (Anstieg der Einwohnerzahl auf 616.000).



Die als am wahrscheinlichsten angesehene Variante 3 gehe von einer Steigerung der Einwohnerzahl bis 2016 auf ca. 594.000 aus (anschließend Rückgang ungefähr auf das derzeitige Niveau). Auf der Grundlage von einer Bautätigkeit von 2.000 Wohnungen/Jahr (Variante 4) würde sich zunächst ein Anstieg auf 600.000 Einwohner ergeben (anschließend Rückgang auf 591.000 Einwohner).

Bewertungen dürften nicht angesichts der aktuellen Einwohnerzahl vorgenommen werden. Bewertungen erforderten vielmehr Betrachtungen über längere Zeiträume. Das Statistische Amt erachte es als notwendig, die laufenden Entwicklungen zu beobachten. Sollte die derzeitige Zuwanderung die nächsten zwei, drei, vier Jahre anhalten, werde eine neue Prognose berechnet. Solche neuen Prognosen würden ohnehin in Abständen von drei bis fünf Jahren vorgenommen. Die derzeitige Einwohnerzahl von 593.000 Einwohnern werde wohl Ende 2014 ungefähr noch Bestand haben. Damit habe Stuttgart wie schon im Jahr 2013 auch im laufenden Jahr 7.000 Einwohner hinzugewonnen. Damit sei die Variante 3 um 3.000 Einwohner überschritten bzw. bewege man sich bereits im Bereich der Variante 2. Eine exakte Vorhersage der Zuwanderung aus dem Ausland, die derzeit 80 % der Zuwanderung ausmacht, sei, wie dargestellt, allerdings nicht möglich. Mit dem Hinweis, dass dies alles im Monatsheft Nr. 11/2013 des Statistischen Amtes nachgelesen werden kann, schließt Herr Schwarz seinen Vortrag ab.

StR Sauer (CDU), StR Stopper (90/GRÜNE), StR Pfeifer (SPD), StR Rockenbauch (SÖS-LINKE-PluS) und StR Klingler (FDP) bedanken sich für den Bericht.

Die Aussagen zum Wohnungsbau zeigen StRin von Stein, dass das Thema Wohnen auf die Agenda des Gemeinderats gehört. Die Bemühungen z. B. im Bereich der Innenentwicklung gehörten verstärkt. Der aufgezeigte Bevölkerungsanstieg habe auch infrastrukturelle Auswirkungen. Die von ihr in diesem Zusammenhang genannten Themen Schulen, Kindertagesstätten und Pflegeplätze ergänzt StR Klingler um die Themen Straßenbau und ÖPNV-Ausbau. Er legt zudem Wert darauf, dass beim Wohnungsbau auf Angebote für Besserverdienende geachtet wird. Die von Herrn Schwarz genannte Zahl von 1.800 neuen Wohnungen/Jahr ist für StR Klingler eine Schlüsselzahl. Aktuell sei man von dieser Zahl weit entfernt, und daher müssten neue Wege bei der Akquirierung von Flächen gegangen werden (z. B. Überbauung von Straßen).

Ab 2020, so die Hoffnung von StR Pfeifer, werde sich die Angebotssituation auf dem Wohnungsmarkt in Stuttgart durch das dann zur Bebauung anstehende Rosensteinquartier deutlich verändern. Zu seiner Nachfrage, ob solche Entwicklungen in die Prognosen einfließen, und gegenüber StR Klingler teilt Herr Schwarz mit, bei der Variante 3 (1.800 Wohnungen/Jahr) habe die von der Stadt beschlossene Zeitstufenliste zeitlich und räumlich Eingang gefunden. Dazu sei die sonstige Bautätigkeit addiert worden. Insofern basiere diese Prognose auf konkreten Beschlüssen des Gemeinderates.

Wie StR Pfeifer spricht auch StR Rockenbauch davon, dass die heutigen Informationen nichts grundsätzlich Neues beinhalten. StR Rockenbauch erachtet Kontrastszenarien als wünschenswert, mit denen z. B. durchgespielt wird, welche Entwicklungen dann zu erwarten sind, wenn sich die derzeitigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verändern (sinkende Steuereinnahmen) und wenn durch eine Stagnation beim Wohnungsbau eine höhere Bevölkerungsdichte entsteht. Stuttgart habe in der Vergangenheit schon einmal mehr als 600.000 Einwohner gehabt, allerdings bei einer geringeren Anzahl von Wohnungen als heute. Über die seiner Einschätzung nach herrschende Annahme, dass nur über eine größere Anzahl von Wohnungen ein Einwohnerzuwachs erreicht werden kann, wünscht er sich eine Diskussion. Fakt ist für StR Klingler die Entwicklung in Großstädten hin zu mehr Singlehaushalten und zu größeren Wohnungen.

Nicht möglich sei es, so Herr Schwarz, unterschiedliche wirtschaftliche Szenarien durchzuspielen. In den angestellten Prognosen werde stets ein attraktiver Wirtschaftsstandort unterstellt, der auch eine Anziehungskraft auf Zuwanderer hat. Ein guter Teil der Zuwanderung gehe auf die wirtschaftliche Attraktivität der Landeshauptstadt zurück. In den Varianten 3 und 4 sei aber berücksichtigt, dass sich in der Vergangenheit der Wohnraum je Einwohner vergrößert hat. Die Annahmen gingen davon aus, dass sich diese Entwicklung zwar fortsetzt, allerdings deutlich abgeschwächt. Es gebe keine Hinweise darauf, dass diese Wohlstandserscheinung abrupt endet und sich wieder Verhältnisse wie in den 50er-Jahren einstellen.

Modellhaft sei in der Vergangenheit berechnet worden, dass ungefähr 1.300 Wohnungen/Jahr erstellt werden müssen, um nur den Wohnungsbestand zu sichern. Die Anzahl der Wohnungen reduziere sich z. B. durch das Zusammenlegen von Wohnungen. Beim Bau von 1.300 Wohnungen/Jahr sei also noch kein zusätzlicher Einwohner gewonnen. Den Varianten 3 und 4 werde ein Zusammenhang zwischen Wohnungsbautätigkeit und Einwohnerentwicklung unterstellt. Die Entwicklung sei nicht linear, sondern hier sei die Realität sehr kompliziert. Es gebe durchaus Verdichtungsphasen. Dies zeige sich aktuell, dies habe sich auch schon einmal in den 90er-Jahren gezeigt. Es würden sich also im Laufe der Zeit Schwankungen ergeben, aber über einen längeren Zeitraum betrachtet werde ein stabiler Zusammenhang zwischen Bautätigkeit und Einwohnerentwicklung gesehen.

Nachdem sich keine weiteren Wortmeldungen ergeben, schließt BM Dr. Schairer diesen Tagesordnungspunkt ab.
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