Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Jugend und Bildung
Gz: JB
GRDrs 732/2021
Stuttgart,
09/13/2021



Umsetzung von Sofortmaßnahmen zur Förderung von Kindern an Ganztagsgrundschulen in Bezug auf pandemiebedingte Problemstellungen



Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
VerwaltungsausschussBeschlussfassungöffentlich22.09.2021



Beschlußantrag:

1. Der Umsetzung der geplanten Sofortmaßnahmen zur Förderung von Kindern an Ganztagsgrundschulen in Bezug auf pandemiebedingte Problemstellungen zum Schuljahr 2021/22 wird zugestimmt.

2. Die Maßnahmen im Schuljahr 2021/22 werden aus dem Budget sozialraumorientierte Förderung von Ganztagsschulen finanziert. Hierfür stehen im THH 400 – Schulverwaltungsamt, Amtsbereich 4002110, Kostenartengruppe 44500 jährlich Mittel in Höhe von 885.000 Euro zur Verfügung.


Begründung:



1. Ausgangslage

Die Erfahrungen in der täglichen Arbeit der Ganztagsgrundschulen und insbesondere der Träger der freizeitpädagogischen Angebote während der Corona-Pandemie und aktuell zeigen, dass während der Schulschließungen und des Homeschoolings nicht nur Lernrückstände entstanden sind, sondern bedingt durch die fehlenden sozialen Kontakte auch erhebliche Problemstellungen im sozial-emotionalen Bereich. Zuvor schon bestehende Bildungsbenachteiligungen haben sich während der Pandemie dramatisch verschärft. Aus diesem Grund schlägt die Schulverwaltung vor, aus dem zum Doppelhaushalt 2020/2021 beschlossenen Budget für die sozialraumorientierte Förderung von Ganztagsgrundschulen (GRDrs. 276/2019 und GRDrs. 435/2021) mittels einer zeitlich befristeten Aufstockung personeller Ressourcen der Träger des Ganztags Soforthilfen zu ermöglichen.

Dieses Anliegen wurde insbesondere von den Trägern der Ganztagsgrundschulen beim Runden Tisch Ganztagsschule am 7. Juni 2021 thematisiert. Der Vorschlag, über das Budget für die sozialraumbezogene Förderung von Ganztagsgrundschulen ausgewählten Ganztagsgrundschulen schnelle Hilfen zu ermöglichen, erfuhr in diesem Gremium, in dem neben den Trägervertretern das Staatliche Schulamt, der geschäftsführende Schulleiter der Grundschulen sowie die Kinderbeauftragte vertreten sind, breite Unterstützung. Auf Grundlage dieser Diskussion wurde im Rahmen des Netzwerks zur Konzeption der sozialraumbezogenen Förderung von Ganztagsgrundschulen (GRDrs. 435/2021) eine AG „Corona Sofortmaßnahmen“ eingesetzt, die eine schnelle Umsetzung von Maßnahmen an ausgewählten Schulen beginnend ab September 2021 für das Schuljahr 2021/2022 anstrebt.

Die Arbeitsgruppe hat pandemiebedingte aktuelle Problemstellungen an den Ganztagsgrundschulen zusammengetragen, ebenso wie Praxisbeispiele, die sich in der Zeit der Schulschließungen im Verantwortungsbereich der Träger des Ganztags bewährt haben. Aus der Summe der Erfahrungen und aktuellen Problemstellungen hat die Arbeitsgruppe Umsetzungsvorschläge für Sofortmaßnahmen zur Unterstützung von Kindern im Ganztagsbereichs von Schulen mit besonderen Herausforderungen in der Schülerschaft abgeleitet. Als Kriterium für die Auswahl der Schulen wurde der Anteil der Kinder mit BonusCard an der Grundschule herangezogen.

Es wird darauf hingewiesen, dass die Auswahl für die langfristige Konzeption der sozialraumbezogenen Förderung auf einem breiteren Indikatoren-Set beruhen soll, das derzeit in einer dafür eingerichteten Arbeitsgruppe „Förderindex, Schulauswahl“ unter Federführung des Schulverwaltungsamts gemeinsam mit der Abteilung Stuttgarter Bildungspartnerschaft und dem Statistischen Amt erarbeitet wird (s. GRDRs. 435/2021). Einzelne Abweichungen der Schulauswahl für die Sofortmaßnahmen von der Schulauswahl für die langfristige sozialraumbezogene Förderung sind daher möglich.

In dem vorliegenden Umsetzungspapier werden zunächst Problemstellungen und Erfahrungen dargestellt, die das pädagogische Fachpersonal der Träger in der Zeit der Schulschließungen, aber auch in der Zeit der Öffnung der Schulen gemacht haben –und weiterhin machen. Im zweiten Teil werden konkrete Umsetzungsvorschläge gemacht. Die Sofortmaßnahmen sollen ab dem neuen Schuljahr 2021/2022 beginnen.


2. Bericht zu Erfahrungen während der Schulschließungen und des Homeschoolings in den Ganztagsgrundschulen und zu Auswirkungen, die das pädagogische Fachpersonal bei den Kindern beobachtet

In einer aktuellen Befragung des Caritasverbands für Stuttgart unter den Teamleitungen an Ganztagsgrundschulen wurden u.a. folgende Beobachtungen rückgemeldet (Juni 2021):
Aus der Notbetreuung und der Rückkehr in den Regelbetrieb werden u.a. folgende Beobachtungen rückgemeldet:
Ähnliche Erfahrungen schildern auch die anderen Träger des Ganztags an den Stuttgarter Ganztagsgrundschulen: Im Rahmen der AG „Corona-Sofortmaßnahmen“ berichteten die Träger, dass sie während der Zeit der Schulschließungen mit der Arbeit in Kleinstgruppen sehr gute Erfahrungen gemacht haben. Angebote für Kinder, für die kein Homeschooling möglich war, wurden z.B. Kinder- und Jugendhäusern oder in ausführlichen Telefonaten beim Distanzlernen unterstützt. Dies war personell allerdings nur aufgrund der Schulschließungen und der dadurch bedingten zur Verfügung stehenden Personalressourcen möglich. Als weitere Problemstellungen wurden von Trägerseite eine deutlich erhöhte Mediennutzung während der Zeit der Schulschließungen, Konflikte in Familien und Überforderungssituationen von Eltern genannt, die sich in einem erhöhten Beratungsbedarf der Eltern durch Trägerpersonal niederschlugen.

Die Abteilung Stuttgarter Bildungspartnerschaft hat im Herbst 2020 verschiedene Zielgruppen in einer breit angelegten Studie zum Thema „Corona und Bildung“ befragt. In diesem Kontext haben sich u.a. 149 pädagogische Fachkräfte an einer Onlinebefragung beteiligt, die mit Kindern im Grundschulalter arbeiten.

Die Ergebnisse zu der Frage, welche Gruppen von Kindern und Jugendlichen während der Schulschließungen weniger gut erreicht wurden, zeigt sehr deutlich, dass die bekannten Risikogruppen (leistungsschwache Schülerinnen und Schüler, Schülergruppen aus bildungsfernen Schichten, mit belasteten Lebensverhältnissen und geringen Deutschsprachkenntnissen) weniger gut erreicht wurden und damit stärker von Defiziten betroffen sind. Eltern, Lehr- und Fachkräfte sind sich darüber hinaus einig, dass Entwicklungsdefizite insbesondere in den Bereichen Motivation, Arbeits- und Lernbereitschaft sowie Konzentrationsfähigkeit aufgefallen sind.

In Bezug auf die in der Studie gestellte Frage, welche Maßnahmen die Befragten für geeignet halten, um entstandene Defizite mittelfristig auszugleichen, herrscht bei den Befragten Einigkeit über die Notwendigkeit der folgenden Maßnahmen:
Insgesamt zeigt sich sowohl in der Befragung der Caritas als auch in der Studie zum Thema „Corona und Bildung“ der Abteilung Stuttgarter Bildungspartnerschaft, wie wichtig eine gute Betreuung in möglichst kleinen Gruppen mit festen Bezugspersonen für die Kinder ist, gerade unter den herausfordernden Bedingungen der Pandemie. Dies gilt noch mehr für Kinder, die sozial schwierigere Startbedingungen mitbringen und die durch das Homeschooling eine weitere Benachteiligung erfuhren: Kinder aus sozial schwächeren Familien hatten häufig kein eigenes Zimmer, in dem sie ungestört am Unterricht teilnehmen konnten, kein WLAN und keine Unterstützung durch das Elternhaus beim Homeschooling.

Die durch die Schulschließungen verursachten Probleme sind tiefgreifend und werden die Arbeit in Schulen und im Ganztagsbetrieb noch länger begleiten. Im Regelbetrieb fehlen im Ganztag jedoch die personellen Ressourcen, um die notwendige intensive Betreuung in Kleinstgruppen bis hin zu Eins-zu-Eins-Settings zu leisten. Diese intensive Betreuung mit festen Bezugspersonen ist jedoch von großer Bedeutung – gerade für Kinder mit sozial-emotionalen Problemen, aber auch für Kinder, die das Lesen, Schreiben oder Sprechen wieder neu lernen müssen, weil sie es in der Zeit der Schulschließungen verlernt haben.

Die soziale Schere ist während der Pandemie weiter auseinandergegangen. Um dem entgegenzuwirken brauchen Kinder vor allem mehr individuelle Zuwendung von Erwachsenen, die Zeit für sie haben und die herausfinden, wie sie die Kinder erreichen, wofür sich die Kinder interessieren, was sie begeistert und was sie beschäftigt. Um den geschilderten Problemstellungen zu begegnen, werden vom Schulverwaltungsamt daher folgende, von der AG „Corona-Sofortmaßnahmen“ gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertreter der Träger erarbeiteten Maßnahmen, vorgeschlagen.


3. Vorschlag „Corona-Sofortmaßnahmen“ aus dem Budget der sozialraumorientierten Förderung von Ganztagsgrundschulen

Die Förderung der Sofortmaßnahmen bewegt sich ausschließlich im Finanzierungssystem Ganztagsschule und schafft keine Konkurrenz zum Unterricht.

Die Konzeption der langfristigen sozialraumbezogenen Förderung von Ganztagsgrundschulen ist davon abzugrenzen und wird parallel in den kommenden Monaten ausgearbeitet. Die Umsetzungsschritte der langfristigen Förderungen sind in GRDrs. 435/2021 skizziert.

Weiterhin abzugrenzen sind die mit dieser Vorlage vorgeschlagenen Corona-Sofortmaßnahmen für Ganztagsgrundschulen aus dem Budget der sozialraumbezogenen Förderung von Ganztagsgrundschulen (GRDrs. 276/2019, Maßnahme 6.1.) von dem von der Abteilung Stuttgarter Bildungspartnerschaft entwickelten Konzept „well.come.back – Schulstart 2021/22 mit neuem Elan zur Stärkung der Klassengemeinschaften“ (GRDrs. 575/2021).

Im Unterschied zur sozialraumbezogenen Förderung von Ganztagsgrundschulen wurde well.come.back für alle Stuttgarter Grundschulen und weiterführenden Schulen konzipiert. Die Finanzierung der Konzeptumsetzung erfolgt hierbei in geteilter Verantwortung zwischen Stiftungen bzw. Unternehmen und der Landeshauptstadt Stuttgart.


Finanzielle Auswirkungen


Die Maßnahmen im Schuljahr 2021/22 werden aus dem Budget sozialraumorientierte Förderung von Ganztagsschulen finanziert. Hierfür stehen im THH 400 – Schulverwaltungsamt, Amtsbereich 4002110, Kostenartengruppe 44500 jährlich Mittel in Höhe von 885.000 Euro zur Verfügung.



Beteiligte Stellen

Referat WFB




Isabel Fezer
Bürgermeisterin


Anlagen

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