Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales/Jugend und Gesundheit
Gz: SJG
GRDrs 650/2011
Stuttgart,
09/21/2011


Gesetz zur Änderung des Vormundschaftsrechts - Schaffung zusätzlicher Stellen



Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
VerwaltungsausschussKenntnisnahmeöffentlich05.10.2011

Bericht:


1. Einrichtung der Dienststelle Vormundschaften und Pflegschaften

Im Rahmen der Organisationsentwicklung des Jugendamtes wurde die Trennung der Aufgabenbereiche Beistandschaften und Vormundschaften/Pflegschaften beschlossen und zum April 2010 vollzogen.
Nach Mannheim ist das Stuttgarter Jugendamt das zweite Jugendamt in Baden-Württemberg, das diese Trennung vollzog.
Die Dienststelle Vormundschaften und Pflegschaften wurde mit insgesamt 5,0 Stellen ausgestattet. Diese Stellen teilen sich auf in 3,5 Sachbearbeiterstellen (Vormünder/Pfleger), 0,5 Stelle für Vormünder- und Pflegervorschläge für Minderjährige, 0,5 Stelle Leitungsanteil und 0,5 Stelle Sekretariat.
Die rechtlichen Grundlagen sind die §§ 53, 55 – 56 SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfegesetz, und die einschlägigen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches mit ihren Änderungen durch das Gesetz zur Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts (Anlage).


2. Gesetz zur Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts

Der Bundestag hat am 14. April 2011 das Gesetz zur Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts verabschiedet. Wesentliche Teile treten am 5. Juli 2012 in Kraft.

Anlass für die Gesetzesänderung waren Misshandlungen und Vernachlässigungen von Mündeln mit der Folge schwerster Körperverletzungen und dem Tod eines Kindes in Bremen. Die Fälle haben zu umfangreichen Untersuchungen der Begleitumstände geführt. Es zeigte sich, dass Amtsvormünder zu viele Fälle hatten und die betroffenen Kinder kaum oder gar nicht persönlich kannten.

Die neuen gesetzlichen Regelungen im Einzelnen:

- Der Vormund hat mit dem Mündel persönlichen Kontakt zu halten. Er soll den Mündel in der Regel einmal im Monat in dessen üblicher Umgebung aufsuchen.
- Der Vormund hat die Pflege und Erziehung des Mündels persönlich zu fördern und zu gewährleisten.
- Der jährliche Bericht an das Familiengericht hat auch Angaben zu den persönlichen Kontakten des Vormundes zu dem Mündel zu enthalten.
- Vor der Übertragung der Aufgaben des Amtspflegers oder Amtsvormundes soll das Jugendamt das Kind oder den Jugendlichen zur Auswahl des Beamten oder Angestellten mündlich anhören, soweit dies nach Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen möglich ist.
- Ein vollzeitbeschäftigter Beamter oder Angestellter, der nur mit der Führung von Vormundschaften oder Pflegschaften betraut ist, soll höchstens 50 Vormundschaften oder Pflegschaften führen.


3. Fallzahlen und Personalausstattung

Für die neue Dienststelle Vormundschaften/ Pflegschaften bedeutet das neue Gesetz eine deutliche Ausweitung der Aufgaben des Vormundes. Zudem hat die Festlegung von maximal 50 Fällen pro Vormund/ Pfleger ebenfalls personelle Konsequenzen.

Derzeit werden 271 Vormundschaften und Pflegschaften (Stand: 31.07.2011) in der Dienststelle geführt (dies entspricht derzeit 77 Fälle je Vormund (271 Fälle: 3,5 SB).

2006 waren es am Stichtag 31.12. noch 218‚ Fälle, 2008 233 Fälle, 2009 251 Fälle und 2010 241 Fälle. Das Mittel der Jahre 2008 bis 2010 und 2011 (31.7.) beträgt 249 Fälle. Derzeit ist trotz geringer Schwankungen nicht mit rückläufigen Fallzahlen zu rechnen.
Die neue Vorgabe des Gesetzgebers, dass eine Vollzeitkraft maximal 50 Vormundschaften oder Pflegschaften betreuen soll, macht daher eine Aufstockung der Personalkapazität von 3,5 auf 5,0 Sachbearbeiterstellen in A 11 erforderlich. Dies ist beim Stellenplan 2012 zu berücksichtigen.


4. Werbung, Vorschlag, Schulung und Beratung von Einzelvormündern und Anhörung von Kindern und Jugendlichen

Nach § 53 SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfegesetz, hat das Jugendamt dem Vormundschaftsgericht geeignete Personen vorzuschlagen, die sich im Einzelfall zum Vormund oder Pfleger eignen. Grundsätzlich geht die Einzelvormundschaft der Amtsvormundschaft vor, §§ 1773 ff Bürgerliches Gesetzbuch.

Die Einzelvormünder haben Anspruch auf regelmäßige Beratung und Unterstützung durch das Jugendamt.

Dem Jugendamt steht für die Aufgabe Vormünder- und Pflegervorschläge für Minderjährige, inkl. der Bearbeitung von Fällen der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, der Überwachung von Einzelpersonen als Vormünder und Pfleger und die Beratung über das Elterngeld, eine 50 % Stelle in A 8 zur Verfügung.

Die Bearbeitung der Fälle Unbegleiteter Minderjähriger Flüchtlinge (UMF-Fälle) ist Ende 2008 als neue Aufgabe für das Sachgebiet hinzugekommen. Es handelt sich um die Wahrnehmung einer gesetzlichen Aufgabe (Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII) mit Kostenfolge.

Seit dem Jahr 2008 steigen die Fallzahlen der Inobhutnahmen von UMF: 17 Fälle im Jahr 2008, 76 Fälle im Jahr 2009 und 117 Fälle im Jahr 2010. Auch zu Beginn des Jahres 2011 ist die Tendenz vergleichbar bereits steigend.

Diese Aufgaben sind mit der vorhandenen Personalkapazität nicht zu bewältigen. Die Schaffung eines weiteren Stellenanteils im Umfang von 0,5 Stellen in A 8 ist unumgänglich.

Die Fallzahlen der Vormundschaften haben sich seit 2006 um 24 % erhöht, ohne dass dabei die Vormundschaften für die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge mitgezählt wurden. Für sie übernimmt die AG Dritte Welt die Aufgabe als Vereinsvormund. Immer wieder gelingt es auch, die Vormundschaft auf Privatpersonen zu übertragen. Jetzt ist geplant, mehr private Einzelvormünder zu werben und für ihre Aufgabe zu schulen. Es besteht das Ziel, so den Anstieg der Fallzahlen der Amtsvormundschaften zu bremsen und um den gesetzlichen Vorgaben Einzelvormund vor Amtsvormund gerecht zu werden.

Weiterhin soll das bisherige Aufgabengebiet „Vormünder- und Pflegervorschläge für Minderjährige“ der Dienststelle Vormundschaften/Pflegschaften um die neuen Aufgaben „Werbung und Schulung von Einzelvormündern und Pflegern“ und „Anhörung der Kinder und Jugendlichen“, sowie der daran anschließenden qualifizierten Überwachung erweitert werden. Dies resultiert zum einen aus der Anforderung „Einzelvormund vor Amtsvormund“ (§§ 1773 ff Bürgerliches Gesetzbuch) und dem neuen Gesetz zur Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts, welches die Anhörung der Kinder und Jugendlichen vor der Übertragung der Aufgaben auf den Amtsvormunds oder Amtspflegers dem Jugendamt verpflichtend auferlegt (§55 Abs. 2 Satz 2 (neu) SGB VIII). Diese Anhörung sollte durch eine dritte, neutrale Person und nicht den eigentlichen Amtsvormündern und –pflegern vorgenommen werden.

Diese Aufgaben erfordern einen weiteren zusätzlichen Stellenanteil in Höhe von 0,50 % in A 11.


Vormundschaften für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge bei der Arbeitsgemeinschaft Dritte Welt e.V.

Die Anzahl der geförderten Vormundschaften für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge bei der Arbeitsgemeinschaft Dritte Welt e.v ist derzeit auf max. 50 Fälle pro Jahr begrenzt. Aufgrund der Zunahme der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in den letzten Jahren hat der Träger berechtigterweise zum Doppelhaushalt 2012/2013 einen Antrag auf die Bezuschussung von max. 70 Fällen von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, verbunden mit einem jährlichen Mehrbedarf von 36.000 € für die Jahre 2012/2013, gestellt.


Finanzielle Auswirkungen

Die zusätzlichen Personalkosten für 1,5 Stellen in A 11, Amtsvormünder und –pfleger, belaufen sich jährlich auf 133.050 €.
Die zusätzlichen Personalkosten für Werbung, Vorschlag, Schulung und Beratung von Einzelvormündern und Pflegern und Anhörung von Kindern und Jugendlichen belaufen sich jährlich auf 35.150 € für 0,5 Stelle in A 8 und auf 44.350 € für 0,5 Stelle in A 11.

Die Mehrkosten für die Erhöhung der max. förderfähigen Anzahl von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen von 50 auf 70 Fälle betragen max. 36.000 € pro Jahr.


Beteiligte Stellen

Die Referate AK und WFB haben die Vorlage mitgezeichnet. Haushalts- und stellenrelevante Beschlüsse können erst im Rahmen der Haushaltsplanberatungen erfolgen.






Isabel Fezer
Bürgermeisterin





Gesetz zur Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechtes vom 29.Juni 2011 (Bundesgesetzblatt 2011, Teil I Nr.34)



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GRDrs 650_2011 Anhang.pdf