Stellungnahme zum Antrag
174/2011

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 05/07/2012
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 6111-07.00



Stellungnahme zum Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    SPD-Gemeinderatsfraktion
Datum
    04/29/2011
Betreff
    Leonhardsviertel
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:


Die Verwaltung nimmt wie folgt Stellung:

Im Leonhardsviertel gehen derzeit 20 – 40 Frauen der Straßenprostitution nach. In der Regel handelt es sich um ehemalige Prostituierte der im Viertel ansässigen bordellartigen Betriebe, die die Zimmermieten (120 – 160 Euro je Tag) nicht aus den Prostitutionseinnahmen bestreiten konnten und deswegen die Etablissements verlassen mussten. Da die Frauen nach dem „Rauswurf“ in der Regel weder über eine Unterkunft noch über finanzielle Mittel verfügen, bleibt vielen keine andere Möglichkeit, als sich für 50 – 60 Euro pro Tag ein Zimmer in einer gewerblichen Zimmervermietung anzumieten und auf der Straße in entsprechender Aufmachung um Freier zu werben. Dies führt oft zu heftigen Reaktionen seitens der Besitzer und insbesondere der Prostituierten der bordellartigen Betriebe. Bleibt die Kundschaft aus, droht ihnen das gleiche Schicksal wie den Straßenprostituierten.

Um die milieubedingten Störungen zu unterbinden, arbeiten der Ermittlungsdienst Prostitution des Polizeipräsidiums Stuttgart und die Landeshauptstadt Stuttgart bewährt eng zusammen. Täglich werden Betriebe, die Prostituierte beschäftigen oder beherbergen sowie Milieulokale und Wohnungen, in denen der Prostitution nachgegangen wird (sog. Prostitutionsobjekte) kontrolliert. Regelmäßige Überwachungsmaßnahmen finden außerdem an Örtlichkeiten statt, an denen nach polizeilichen Erkenntnissen der illegalen Straßenprostitution nachgegangen wird. Verstöße gegen die im Sperrbezirk geltenden Vorschriften oder gegen gaststättenrechtliche Auflagen werden konsequent verfolgt. Im Jahr 2011 hat das Amt für öffentliche Ordnung 140 Bußgeldverfahren und 330 Verwaltungsverfahren zur Erteilung und Durchsetzung von Aufenthaltsverboten für Prostituierte, Zuhälter und Freier eingeleitet.

Im Gegensatz zum Gaststätten- und Polizeirecht bietet das Ausländerrecht nahezu keine Eingriffsmöglichkeiten, da die Straßenprostituierten im Leonhardsviertel fast ausnahmslos aus EU-Ländern stammen und somit Freizügigkeit genießen. Ähnlich verhält es sich im Bereich des Gewerberechts. Weil sich die gewerbliche Tätigkeit der Zimmervermietungen nur auf das Vermieten von Zimmern, nicht aber auf die darin ausgeübte Prostitution bezieht, besteht für diese Betriebe in der Regel lediglich Anzeigepflicht. So können zwar Erkenntnisse über Zahl und Art der Betriebe gewonnen werden, eine Untersagung oder Erteilung von Auflagen ist aber zumeist nicht möglich.

Da die Straßenprostitution ohnehin untrennbar mit der Anzahl und der Kumulation von Prostitutionsobjekten zusammenhängt, kann den Nebenerscheinungen der Szene durch ordnungsbehördliche Maßnahmen alleine nicht wirksam entgegengetreten werden. Es gilt vielmehr, die Zunahme und die Gestaltung der Prostitutionsobjekte zu regulieren. Daher informiert das Amt für öffentliche Ordnung die entsprechend zuständigen Stellen über sämtliche polizeilichen Erkenntnisse hinsichtlich neuer Prostitutionsobjekte.

Für Gebäude, die früher in städtischem Eigentum standen oder für die eine sanierungsrechtliche Genehmigung erteilt wurde, bestehen zumeist Dienstbarkeiten in Form von Nutzungsverboten für bordellartige Vergnügungseinrichtungen. Kann ein entsprechender Verstoß nachgewiesen werden, fordert das Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung im Einvernehmen mit dem Amt für Liegenschaften und Wohnen die Einhaltung der Vereinbarung gerichtlich ein. Daneben prüft das Baurechtsamt die Untersagung der Nutzung als Prostitutionsobjekt, wenn die bauliche Nutzung ohne Genehmigung geändert wurde.

Da systematische Überprüfungen von Gebäuden (sog. Brandverhütungsschauen) jedoch nur bei bestimmten Nutzungen, wie z.B. Altenheimen, gesetzlich vorgeschrieben sind und der Betrieb einer bordellartigen Vergnügungseinrichtung in vielen Fällen nur schwer nachweisbar ist und während der oft langwierigen Verfahren weiterhin gegen die Auflagen verstoßen wird, entfalten diese Instrumente ihre Wirkung oft erst mittel- oder langfristig.

Auf Grund der rechtlichen Rahmenbedingungen kann prostitutionsbedingten Störungen vielfach erst nach umfangreichen Ermittlungen und dem Abschluss langwieriger gerichtlicher Verfahren wirksam entgegengetreten werden. Um das Verwaltungshandeln dennoch insgesamt effektiver gestalten zu können, wurde eigens eine Arbeitsgruppe „Leonhardsviertel“ unter Federführung des Referates RSO ins Leben gerufen. Aufgabe dieses Gremiums ist es, sämtliche Informationen über einzelne Prostitutionsobjekte zusammenzuführen und für konzertierte Maßnahmen mehrerer Stellen aufzubereiten, soweit es die rechtlichen Vorgaben zulassen. Durch das koordinierte Vorgehen können Synergien besser genutzt und daher eher Erfolge erzielt werden als seither.

Neben diesen bereits bestehenden Einwirkungsmöglichkeiten auf die Auswüchse des Milieus sind in naher Zukunft im neu gebildeten Unterausschuss Leonhardsviertel die konkreten Voraussetzungen zu definieren, unter welchen die Bordellnutzung im Leonhardsviertel legalisiert werden kann. Diese Voraussetzungen müssten in Verbindung mit einem aufzustellenden städtebaulichen Entwicklungskonzept festgelegt werden. Die stadtweit aufgestellte Vergnügungsstättenkonzeption trifft für das Leonhardsviertel lediglich noch zu spezifizierende Grundaussagen; so wird zum Schutz des Bodenpreisgefüges und zur Wahrung von Entwicklungs- und Sanierungsmöglichkeiten im Leonhardsviertel in der Vergnügungsstättenkonzeption empfohlen, Spielhallen und Wettbüros auszuschließen.

Für eine Änderung des Prostitutionsgesetzes sieht die Stadtverwaltung derzeit keine großen Chancen. Das Land Baden-Württemberg hat bereits mehrfach gesetzgeberische Initiativen mit dem Ziel unterstützt, eine Verbesserung der Rechtslage zu erreichen, um wirkungsvoller gegen die illegale Prostitution vorzugehen. Bisher führte dies zu keinem greifbaren Ergebnis.





Dr. Wolfgang Schuster





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