Stellungnahme zum Antrag
297/2013

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 09/17/2013
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 7710 - 00



Stellungnahme zum Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    SPD-Gemeinderatsfraktion, Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion
Datum
    07/05/2013
Betreff
    Weinbau in Terrassen: Stuttgarter Kulturgut muss auch weiter ein Markenzeichen sein!
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:

Zu Ziffer 1

Die konstituierende Sitzung der Arbeitsgruppe „Erhalt der vom Weinbau geprägten Kulturlandschaft in der Landeshauptstadt Stuttgart“ findet am 17.09.2013 statt. Mitglieder der Arbeitsgruppe sind die nachstehenden Personen:

Gemeindesratsfraktion / OrganisationMitgliedStellvertretung
Bündnis 90/DIE GRÜNENAndreas WinterPeter Pätzold
CDUFritz Currle
SPDMonika WüstManfred Kanzleiter
Freie WählerKonrad Zaiß
FDPBernd Klingler
SÖS/LINKEUlrike Küstler
Ministerium Ländlicher RaumMatthias Sickmann
Regierungspräsidium StuttgartPatrick SchreieckBernhard Ritz
Weinbauverband WürttembergJens Bauer
WG Bad CannstattGerhard Schmid
WG RohrackerEdgar VeithMarkus Wegst
Weingärtner MühlhausenFriedrich RaithChristoph Ruck
Amt für Stadtplanung und StadterneuerungWolfgang MaierHermann Degen
Amt für UmweltschutzHubert OttRenate Kübler
Amt für Liegenschaften und WohnenBernhard NanzAndreas Siegele


Zu Frage 2

Aus dem städtischen Naturschutzfonds werden unter bestimmten Auflagen zum Trockenmauerbau zwischen 100 € und 200 € je m² Ansichtsfläche als Zuschuss gewährt. Dies allerdings auch nur, sofern die Summe aller städtischen Förderungen maximal 7.500.- € innerhalb von 3 Steuerjahren nicht übersteigt, da sonst gemäß der De-Minimis Regelung gegen EU-Recht verstoßen würde. Weiterhin ist eine Förderung aus dem städtischen Naturschutzfonds nur möglich, wenn keine Förderung desselben Fördertatbestandes nach dem Marktentlastungs- und Kulturlandschaftsausgleich (MEKA) oder der Landschaftspflegerichtlinie (LPR) erfolgt. Ausgenommen davon ist die Steillagenförderung nach MEKA, da diese die allgemeine Erschwernis bei der Bewirtschaftung von steilen Hanglagen vergütet, nicht jedoch gezielt die Erhaltung und Sanierung von Trockenmauern.

Zu weiteren seitens der „öffentlichen Hand“ bereits bestehenden Programmen und Maßnahmen zur Förderung des Weinbaus in Steillagen hat der Weinbaureferent des Regierungspräsidiums Stuttgart wie folgt Stellung genommen:

1. Steillagenabgrenzung

Voraussetzung für viele Fördermaßnahmen im Weinbau ist die Abgrenzung der Steillagen im Rebenaufbauplan. Diese Abgrenzung wurde von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Regierungspräsidien teilflurstücksgenau erstellt und kartiert. Im Regierungsbezirk Stuttgart liegt der größte Anteil der Steillagenweinbergsflächen im Land.

Im Stadtkreis Stuttgart sind von rund 548 ha Rebfläche ca. 114 ha als Steillagenfläche im Rebenaufbauplan abgegrenzt.

2. Erhöhte Hektarhöchsterträge

Die Vermarktungsmenge von Weinbauerzeugnissen ist aufgrund EU-rechtlicher Vorgaben begrenzt. Für Flächen, die innerhalb der Steillagenabgrenzung liegen, beträgt der Hektarhöchstertrag statt 11.000 Liter pro Hektar insgesamt 15.000 Liter pro Hektar. Vermarktungskontingente aus Flach- und Steillagen können innerbetrieblich verrechnet werden. Betriebe, die Steillagen bewirtschaften, haben somit höhere Vermarktungskontingente. Dies kann zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit der Steillagenflächen führen.

Hiervon können alle Bewirtschafter von abgegrenzten Steillagenweinbergen profitieren.

3. Investitionszuschüsse

Der Bau von Transporteinrichtungen in Steillagenweinbergen, beispielsweise die Einschienenzahnradbahnen, können durch Investitionszuschüsse mit 60 % der förderfähigen Investitionssumme bzw. mit 500 € pro Ar gefördert werden. Prüfungs- und Genehmigungsbehörde sind die Regierungspräsidien.

Diese Förderung können alle Bewirtschafter von abgegrenzten Steillagenflächen beantragen.
4. Förderung der Umstrukturierung und Umstellung von Rebflächen

Die Fördersätze beim Förderprogramm „Umstrukturierung oder Umstellung von Rebflächen“ sind hangneigungsabhängig. Dies bedeutet, dass bei der Neuanlage eines Weinbergs die steilen Lagen mit bis zu 15.000 € pro Hektar gefördert werden können. Handarbeitsmauersteillagen, bei denen keine Mechanisierung möglich ist, können mit bis zu 28.000 € pro Hektar bezuschusst werden.

5. EU-Anbaustopp und Pflanzrechtsregelung

Das Regierungspräsidium überwacht die Einhaltung des EU-Anbaustopps für Weinreben. Hierdurch wird u.a. indirekt vermieden, dass Weinberge in Steillagenflächen aufgegeben werden.

Weiterhin ist das Regierungspräsidium zuständig für die Übertragung des Rechts auf Wiederbepflanzung von Rebflächen. Eine Übertragung der Pflanzrechte von (Steil-) Lagen mit mehr als 30 % Hangneigung auf Flachlagen wird nicht genehmigt. Dadurch wird vermieden, dass Rebflächen in Steillagen aufgegeben werden und Flächen in flachen Lagen bepflanzt werden.

6. Marktentlastungs- und Kulturlandschaftsausgleichsprogramm (MEKA)

Das MEKA-Programm bietet eine breite Palette förderfähiger Maßnahmen an. Flächen in abgegrenzten Steillagen können als MEKA-Maßnahme N-C2 in „Erhaltung abgegrenzter Weinbausteillagen“ in Höhe von 350 € pro Hektar und Jahr gefördert werden. Eine Kombination mit anderen MEKA-Maßnahmen ist teilweise möglich.

Für den Weinbau allgemein kann im Rahmen von MEKA die Anwendung biologischer/technischer Maßnahmen im Pflanzenschutz über die Maßnahme N-F4 „Anwendung der Pheromonverwirrmethode“ mit 100 € pro Hektar gefördert werden. Darüber hinaus kann an den MEKA-Maßnahmen N-E2.2 „Begrünung in Dauerkulturen“ mit max. 90 € pro Hektar und an N-E5.2 „Herbizidverzicht bei Dauerkulturen“ mit 40 € pro Hektar partizipiert werden. Speziell für den ökologisch ausgerichteten Weinbau ist die Maßnahme N-D2 „Verfahren des ökologischen Landbau“ mit 700 € pro Hektar konzipiert, wenn der gesamte Betrieb umgestellt ist.

Derzeit werden für die neue Förderperiode die Inhalte des Marktentlastungs- und Kulturlandschaftsausgleichsprogramms überprüft und neu festgelegt. Aus Sicht des Regierungspräsidiums Stuttgart wäre eine Erhöhung der MEKA-Förderung für Flächen innerhalb einer Steillagenabgrenzung wünschenswert. Ein Förderbetrag in Höhe von 5.000 €, wie vereinzelt gefordert, liegt allerdings außerhalb realisierbarer Möglichkeiten.

Seit 2009 können im Rahmen der einheitlichen Betriebsprämie Zahlungsansprüche mit derzeit rund 300 € pro Hektar auch auf Weinbauflächen aktiviert werden. Nach derzeitigem Stand wird in Zukunft die einheitliche Betriebsprämie auch für Weinbergsflächen zur Verfügung stehen.



7. Genehmigung der Ausbringung von Rebschutzmitteln mit Luftfahrzeugen

Rebschutzmaßnahmen führen im Steillagenweinbau zu einer starken Arbeitsbelastung, wenn sie per Schlauchspritzung oder mit rückentragbaren Gerätschaften durchgeführt werden. Die Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln mit Luftfahrzeugen ist genehmigungspflichtig. Das Regierungspräsidium ist die Genehmigungsbehörde. Es lässt sich feststellen, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine praktikable Durchführung von Jahr zu Jahr strikter werden.

8. Pilzwiderstandsfähige Rebsorten

Die Weinbaulandesanstalten in Baden-Württemberg, in erster Linie das Staatliche Weinbauinstitut in Freiburg, können nach rund 80-jähriger Forschungsarbeiten eine breite Palette hochwertiger pilzwiderstandsfähiger Rebsorten anbieten, bei denen der Aufwand für Pflanzenschutzbehandlungen deutlich reduziert werden kann. Dies ist insbesondere im Steillagenweinbau von großem Interesse. Diese Rebsorten wurden in Baden-Württemberg bislang nur selten gepflanzt, obwohl die Anbaueigenschaften und Weinqualitäten beachtlich sind.

Das Regierungspräsidium Stuttgart organisiert jährlich einen Rebschutztag. Am 17.04.2013 wurden pilzwiderstandsfähige Rebsorten im Rahmen von Fachvorträgen vorgestellt und die dazugehörigen Weine zur Verkostung angeboten.

9. Bezeichnungsrecht

Bezeichnungsrechtlich dürfen gemäß § 34 b der Weinverordnung, Land-, Qualitäts- und Prädikatsweine aus Steillagen (über 30 % Hangneigung) als „Steillagenweine“ bzw. „Terrassenlagenweine“ als solche auf dem Etikett gekennzeichnet werden. Auch der Zusatz „aus Steillagen“ oder „aus Terrassenlagen“ ist ggf. zulässig.

Im Rahmen der anstehenden Weinrechtsänderung soll die Weinwirtschaft die Möglichkeit erhalten, Qualitäts- und Prädikatsweine künftig mit einem alten Kataster- oder Gewannnamen zu bezeichnen, der zuvor nach einem landesrechtlich noch zu regelnden Verfahren in die Weinbergsrolle eingetragen wurde. Die Regierungspräsidien führen die Weinbergsrolle. Die Eintragung der Kataster- oder Gewannnamen in die Weinbergsrolle wird dann vom zuständigen Regierungspräsidium vorgenommen.

10. Biotopschutz von Trockenmauern im Landesnaturschutzgesetz

Dem Biotopschutz für Trockenmauern im Landesnaturschutzgesetz ist es mit zu verdanken, dass wir noch beeindruckende Mauerweinbergslandschaften in der Region besitzen.

11. Forschungen im Bereich der Weinbautechnik

Finanziell unterstützt durch das Land Baden-Württemberg prüft der Ausschuss für Technik im Weinbau (ATW) technische Möglichkeiten zur Erleichterung der Bewirtschaftung in Weinbergsteillagen. Als Beispiele können die Prüfung der Praxistauglichkeit von Steillagenmechanisierungssystemen, Raupenmechanisierungssystemen

oder aber die Praxistauglichkeit neuer Entwicklungen auf dem Gebiet des Steillagentraubenvollernters genannt werden.

12. Flurneuordnungsverfahren

Im Rahmen von Rebflurneuordnungsverfahren können Steillagen und Mauerweinberge so gestaltet werden, dass eine Bewirtschaftung erheblich erleichtert werden kann. Nach unserer Kenntnis wird das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz mit einer ökologischen Neuausrichtung auf zukunftsfähige Strukturen im Weinbau hinarbeiten, was insbesondere für die historischen Kulturlandschaften wie den Steillagenweinbau gilt.

13. Broschüre zu Trockenmauern und mobile Trockenmauerschule

Koordiniert durch das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg, hat die Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau in Heidelberg in Zusammenarbeit mit den beiden Weinbau-Landesanstalten in Freiburg und Weinsberg eine Broschüre zum Trockenmauerbau in Weinbau-Steillagen erstellt. Diese soll Fachkenntnisse zum Bau von Trockenmauern vermitteln und bewahren.

14. Ökokontoverordnung

Die Herstellung und Sanierung von Trockenmauern als naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen können auch im Rahmen der Ökokontoverordnung als Ausgleichsmaßnahmen anerkannt werden, was als eine gewisse Refinanzierung der Aufwendungen für den Mauerbau angesehen werden kann. Für diesen Bereich ist weder das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbaucherschutz, noch das Regierungspräsidium Stuttgart zuständig. Die Landratsämter können Aktivitäten in diese Richtung lenken.


Zu Ziffer 3

Bei Referat StU liegt kein fertiges Konzept zur Förderung des Steillagenweinbaus vor. Anlässlich der vorliegenden Anträge wurden erste Überlegungen angestellt, wie ein solches Konzept erarbeitet und abgestimmt werden könnte. Die Fachleute bei StU gehen dabei von folgenden Voraussetzungen und Prämissen aus:

(1) In den Steillagen des Neckartales mit seinen Nebentälern vollzieht sich ein Wandel der Kulturlandschaft aufgrund Aufgabe der landwirtschaftlichen und weinbaulichen Nutzung. Weinbergmauern verfallen, Flächen verbrachen und ganze Hangbereiche verbuschen.

(2) Zur Sicherung und Entwicklung der Weinbau-/Kulturlandschaft in den Steillagen ist eine Konzeption unter Beteiligung der lokalen Akteure zu erarbeiten, um die örtlichen Potenziale abzuschätzen, Weinbau-, Streuobst- und Naturschutzflächen zu definieren und Fördergelder für die Steillagen gezielt in besonders bedürftige Bereiche lenken zu können.

(3) Im weiteren Verfahren muss geprüft werden, welche personellen und finanziellen Ressourcen für die Erstellung der Konzeption erforderlich sind. Die vorhandenen Kapazitäten reichen dazu nicht aus.

Soll eine effektive Sicherung und Entwicklung der durch Weinbau, Gärten und Streuobst geprägten Kulturlandschaft entlang der steilen Hanglagen gewährleistet werden, sind eine enge Kooperation zahlreicher Akteure sowie größere finanzielle und personelle Aufwendungen über längere Zeiträume hinweg erforderlich. Um finanzielle Mittel gezielt in Bereiche zu lenken, in denen entsprechende Maßnahmen besonders dringlich sind und um finanzielle Mittel möglichst effizient einzusetzen, sollen teilraumbezogen entsprechende Konzeptionen zur Pflege und Entwicklung der Kulturlandschaft unter Beteiligung der städtischen Gremien, der Fachleute aus der Verwaltung, der Akteure vor Ort sowie den Naturschutzverbänden erarbeitet werden. Die Konzeptionen sollen maßnahmen- und handlungsorientiert die jeweiligen Anforderungen vor Ort klären und maßgeschneiderte Lösungen erarbeiten.

Aufgabe solcher Konzeptionen soll sein:

· Definition der für den Weinbau besonders attraktiven und wichtigen Lagen
· Erfassung und Bewertung der für Naturschutz und Landschaftspflege wichtigen Flächen und Darstellung der Pflegeerfordernisse
· Erfassung und Bewertung der Besonderheiten des Landschaftsbildes und der Kulturlandschaft und derjenigen Bereiche, in denen eine Offenhaltung (möglichst über eine tragfähige Bewirtschaftung) besonders dringlich ist
· Erstellung von Förderkulissen für den Steillagenweinbau und den Trockenmauerbau
· Auslotung der Potenziale und der Leistungsfähigkeit der lokalen Akteure sowie Abstimmung und Übereinkunft mit den lokalen Akteuren
· Erstellung nachhaltiger und tragfähiger Bewirtschaftungs- und Pflegekonzepte
· Ermittlung des Bedarfs an finanziellen Mitteln
· Aquise von Fördermitteln des Landes und anderer Stellen
· Integration der Arbeitshilfe bzw. Sozialarbeitsfirmen in Kooperation mit Fachfirmen des Landschaftsbaus
· Prüfung, inwieweit Kooperationsmodelle wie Maschinenring oder Landschaftspflegeverband die lokalen Akteure vor Ort stärken und unterstützen könnten.

Auf diese Weise könnte ein breiter öffentlicher Konsens über die Gestaltung, Bewirtschaftung und Pflege der Steillagen sowie die Bereitstellung und Verwendung erforderlicher Mittel erzielt werden. Als Förderkulisse kommen die steilen Lagen mit Trockenmauern im Bereich Neckartal mit Seitentälern in den Oberen Neckarvororten, die Steillagen von Bad Cannstatt, Münster und Mühlhausen sowie der Lemberg in Betracht. Dabei sind auch Trockenmauersteilhänge mit einzubeziehen, die nicht mehr weinbaulich genutzt werden.

Im Rahmen der weiteren Beratungen muss geklärt werden, welcher personelle und finanzielle Aufwand für die Erstellung der Konzeptionen erforderlich ist und in welchen Zeiträumen diese erstellt werden könnten. Dies hängt maßgeblich auch davon ab, in welchem Umfang die lokalen Akteure beteiligt werden sollen und in welchem Umfang diese auch an einer Beteiligung bereit sind. Wichtig ist eine langfristige und ausreichende Finanzierung der entwickelten Maßnahmen durch ein Förderprogramm für die Steillagen, insbesondere den Trockenmauerbau und die Pflege ökologisch wertvoller Flächen. Die Klärung des finanziellen Bedarfs soll im Rahmen der Arbeitsgruppe „Erhalt der vom Weinbau geprägten Kulturlandschaft in der Landeshauptstadt Stuttgart“ und in anstehenden Haushaltsplanberatungen stattfinden.


Referat StU stellt seine Überlegungen im UTA am 17.09.2013 vor.







Fritz Kuhn

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