Stellungnahme zum Antrag
269/2013
Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart,
10/29/2014
Der Oberbürgermeister
GZ:
OB 8201 - 00
Stellungnahme zum Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
SPD-Gemeinderatsfraktion
Datum
06/24/2013
Betreff
Offensive für den ÖPNV in Stuttgart
Anlagen
Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:
Zu 1)
Die SSB hat in den vergangenen Jahren zusätzlich zu den Stadtbahnausbauten eine Vielzahl von Maßnahmen umgesetzt, um das bereits sehr gute ÖPNV-Angebot noch attraktiver und kundenfreundlicher zu gestalten. Darin enthalten sind auch sämtliche Maßnahmen, die im Nahverkehrsplan 2009 als vordringlich eingestuft wurden.
Die Forderung nach einem 10-Minuten-Takt in der Hauptverkehrszeit (HVZ) auf allen Buslinien ist aus Sicht der SSB nicht zielführend. Ein gleichzeitig attraktives und ausgewogenes Taktangebot muss immer die je nach Linie vorhandenen Rahmenbedingungen der Verkehrsnachfrage und Anschlusssituationen berücksichtigen. So gibt es in den Außenbezirken Buslinien, die auf die S-Bahn abgestimmt sind und entsprechend in einem 15-Minuten-Takt fahren, wie etwa die Linien 60, 62 oder 90. Weiterhin gibt es Linien, bei denen die derzeitige Verkehrsnachfrage einen 10-Minuten-Takt sowohl in wirtschaftlicher als auch ökologischer Sicht nicht rechtfertigt. Diese Linien verfügen oft nur über einen geringen Einzugsbereich oder sind Ergänzungslinien zu bestehenden Hauptachsen, wie etwa die Linien 45, 64, 66 oder 91.
Statt der Forderung nach einem generellen 10-Minuten-Takt in der HVZ verfolgt die SSB den Ansatz, das Fahrplanangebot bedarfsgerecht zu gestalten. Insbesondere in der Hauptverkehrszeit sind dabei unterschiedliche Maßnahmen zielführend. Entsprechend wurde in den vergangenen Jahren der 6-Minuten-Takt auf der Linie 42 verlängert, die Linie 40 punktuell verstärkt und die Linie 70 abschnittsweise auf einen 10-Minuten-Takt umgestellt.
Mit dem kommenden Fahrplanwechsel wird der 10-Minuten-Takt bei den Stadtbahnlinien bis 20.30 Uhr verlängert, auch bei vielen Buslinien wird der jeweils gültige Takt der Hauptverkehrszeit um bis zu eine Stunde verlängert. Insgesamt ca. 1,8 Mio. EUR jährlich investiert die SSB in diese Verbesserung des Angebotes. Nach den zahlreichen Maßnahmen der letzten Jahre wird damit ein weiterer Schritt hin zu einem überaus komfortablen und leistungsfähigen ÖPNV-Angebot in Stuttgart vollzogen.
Zu 2 )
Bevorrechtigung
Die Attraktivität der Stuttgarter Innenstadt beruht auch auf dem dicht vernetzten und vertakteten Nahverkehrsangebot der SSB. Die Stadtbahnen und Busse der SSB besitzen bei der Abwicklung des täglichen Berufs- und Einkaufsverkehrs eine große Bedeutung und tragen erheblich zur Entschärfung der Verkehrsprobleme bei. In den letzten Jahren wurden verstärkt Maßnahmen zur Busbevorrechtigung umgesetzt, um die Betriebsqualität zu erhöhen. Durch Maßnahmen in der Verkehrstechnik an störungsbehafteten Punkten wurden die Fahrzeiten stabilisiert. Der Bus ist heute stadtweit zu ca. 70% bevorrechtigt, in den inneren Stadtbezirken gar zu ca. 80%. Aufbauend auf den bereits realisierten Maßnahmen wird dieses Thema konsequent weiter verfolgt, um eine weitere Erhöhung der Attraktivität des Nahverkehrsangebots in Stuttgart zu erreichen.
Verglichen mit anderen Städten ist Stuttgart insbesondere mit einer durchgehenden Bevorrechtigung der Stadtbahn (zu 100%) sehr gut aufgestellt. Ampelschaltungen und Signalzeiten sind ein äußerst komplexes Thema und es gilt im Einzelfall immer, ein Optimum zwischen verschiedenen Mobilitätsarten und Verkehrsströmen zu finden.
Regelung an Haltestellen
An vielen Stellen im Stadtgebiet erhalten wartende Fußgänger zum Überqueren der Straße rechtzeitig vor Ankunft der Stadtbahn Grün, so dass Wartezeiten verringert und Rotlichtverstöße verhindert werden. Angewendet wird dies beispielsweise an der Haltestelle Himmelsleiter in Freiberg. Umgekehrt erhalten aussteigende Fahrgäste dynamisch längere Grünzeiten zum Überqueren der Straße. Hierfür kann die Haltestelle Erwin-Schöttle-Platz in Heslach beispielhaft genannt werden. Eine solche Regelung kann jedoch nicht pauschal eingeführt werden, da jede Haltestelle aufgrund von Abhängigkeiten zwischen Bus und Bahn, Wechselbeziehungen mit anderen Verkehrsströmen usw. individuell betrachtet werden muss.
Anschlusssicherung
Das Thema Anschlusssicherung ist der SSB sehr wichtig, um den Fahrgästen eine zuverlässige Reisekette und gesicherte Anschlüsse anbieten zu können. Die Basis für gesicherte Anschlüsse ist eine grundlegende Pünktlichkeit aller ÖPNV-Verkehrsmittel. Das Warten auf ein verspätetes Verkehrsmittel über die eigene Abfahrtszeit hinaus ist deshalb immer eine Frage der Abwägung verschiedener Interessen. Die SSB sensibilisiert ihre Fahrer, bei gefährdeten Anschlüssen immer zwischen den Interessen der Fahrgäste abzuwägen, die von einer Anschlusssicherung profitieren und den Fahrgästen, die beispielsweise auf der Rückfahrt auf einen pünktlichen Bus angewiesen sind, um einen Anschluss zu erreichen. Ein gutes Beispiel ist die Linie 60. Selbst ein Warten auf Umsteiger von einer verspäteten S-Bahn von 30 bis 60 Sekunden an der Haltestelle Untertürkheim Bahnhof kann die Anschlüsse für weitere Fahrgäste an der Haltestelle Fellbach Lutherkirche zur Stadtbahn und an der Haltestelle Fellbach Bahnhof zur S-Bahn gefährden.
Zur Sicherung der Anschlüsse stehen auch technische Hilfsmittel zur Verfügung. Im rechnergestützten Betriebsleitsystem (RBL) der SSB sind vorgesehene Anschlüsse zwischen SSB-Verkehrsmitteln definiert, die durch das System überwacht werden. Derzeit werden bereits täglich ca. 900 Anschlüsse an 24 Haltestellen im SSB-Netz hauptsächlich im Spätverkehr überwacht. Den im RBL hinterlegten Wartezeitvorschriften folgend, erhalten die Fahrer zur Anschlusssicherung ihre Abfahrtszeiten auf dem Fahrzeug-Bordrechner angezeigt. Derzeit schafft die SSB die technischen Voraussetzungen, um Echtzeitdaten von anderen Verkehrsmitteln aus der VVS-Datendrehscheibe im RBL verfügbar zu machen. Diese technische Voraussetzung ist erforderlich, um die Anschlusssicherung zwischen der S-Bahn oder Regionalzügen und SSB-Verkehrsmitteln in Zukunft weiter verbessern zu können.
Ortsbussysteme
Ortsbussysteme und andere sog. Ergänzungsverkehre können dort eine Lösung sein, wo eine Bedienung durch reguläre Buslinien der SSB z.B. wegen einer zu geringen Nachfrage nicht in Frage kommt. Solche Ortsbusverkehre bestehen heute auf lokale Initiative in Botnang, Feuerbach und Weilimdorf. Da solche lokalen Ergänzungsverkehre nicht in der Zuständigkeit des öffentlichen Verkehrsunternehmens betrieben werden, bedarf es dabei immer einer Unterstützung durch die Bürgerschaft, Gewerbetreibende oder durch die öffentliche Hand.
Mit weiteren ergänzenden Mobilitätsangeboten kann die ÖPNV-Nutzung zusätzlich gesteigert werden. Die SSB setzt sich daher seit 2011 für multimodale Mobilitätsangebote ein und will diese gemeinsam mit 21 Partnern im laufenden Projekt „Stuttgart Services“ im Rahmen des Schaufensters Elektromobilität vernetzen. Die innovative Kombination von ÖPNV, Car-Sharing (car2go, Flinkster und Stadtmobil) sowie Bike- Sharing, städtischen Dienstleistungen, Laden von E-Fahrzeugen und einer Bezahl- und Bonusfunktion soll die Mobilitätsbedürfnisse der Kunden bestmöglich abdecken, so dass Menschen bereit sind, auf ihr eigenes Auto oder zumindest auf den Zweitwagen zu verzichten.
Zu 3)
Hinsichtlich einer Verknüpfung von ÖPNV und Radverkehr arbeiten die städtische Verwaltung und die SSB seit Jahren eng zusammen. Dies hat unter anderem dazu geführt, dass heute nahezu jede Stadtbahnhaltestelle über Fahrradabstellanlagen verfügt (meist überdachte Anschließbügel). An den Bahnhöfen Feuerbach, Möhringen, Vaihingen und Bad Cannstatt wurden außerdem Fahrrad-Service-Stationen eingerichtet, die ein bewachtes Parken, Verleih und Service anbieten.
Da die Fahrradmitnahme hinsichtlich der Kapazität und der betrieblichen Abläufe (insbesondere Ein- und Austeigen) wie auch des Komforts für die anderen Fahrgäste nicht unkritisch ist, muss diese sorgfältig abgewogen werden. Aus Sicht der SSB sind gute Abstellsysteme an den Haltestellen und der Ausbau der Leihsysteme deshalb generell zu bevorzugen. Die Mitnahme von Fahrrädern in den Bussen der SSB ist heute nicht gestattet. Dagegen ist die Radmitnahme in der Stadtbahn außerhalb der Sperrzeiten überall kostenlos möglich, im Vorstellwagen der Zahnradbahn können Fahrräder vom Marienplatz nach Degerloch den ganzen Tag kostenlos transportiert werden. Grundsätzlich bietet das dichte Netz der Stadtbahn an vielen Orten in Stuttgart deshalb sehr gute Möglichkeiten, Fahrräder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu transportieren. Dass die kostenlose Mitnahme keine Selbstverständlichkeit ist, zeigen Beispiele aus anderen Städten (z.B. Zürich), wo für mitgenommene Fahrräder der gleiche Fahrpreis zu entrichten ist wie für beförderte Personen.
Soll dieses gute Angebot auf der Schiene erweitert werden, ist zu bedenken, dass eine Fahrradmitnahme in Bussen viele Facetten hat. Zum Beispiel ist es ein Unterschied, ob Fahrräder im täglichen Verkehr oder im Ausflugsverkehr befördert werden. Entscheidend sind auch die vorhandenen Fahrgastzahlen und die Anzahl von gleichzeitig zu befördernden Fahrrädern. Insbesondere in den stark frequentierten Hauptverkehrszeiten muss die Kapazität der Busse für Fahrgäste vorbehalten sein, wobei für einen zuverlässigen Betriebsablauf ein ungehinderter Fahrgastfluss im Fahrzeug erforderlich ist. Auf stark ausgelasteten Buslinien (insbesondere in der Innenstadt) lassen die vorhandenen Fahrgastzahlen deshalb grundsätzlich keine Beförderung von Fahrrädern zu. Der SSB ist insbesondere die Sicherheit und das Wohlbefinden aller Fahrgäste wichtig; es darf kein Fahrgast durch die Fahrradmitnahme beeinträchtigt oder gar gefährdet werden. Insbesondere auf den kurvigen Steigungsstrecken muss der Sicherheitsaspekt besonders kritisch bewertet werden.
Vorschläge, eine Fahrradmitnahme außerhalb der Hauptverkehrszeiten auf ausgewählten, weniger stark frequentierten Linien oder Linienabschnitten (insbesondere auf Steigungsstrecken) in einem Pilotversuch zu testen, konnten mit der Arbeitnehmervertretung im Unternehmen bisher leider nicht einvernehmlich geregelt werden. Generell können auch bei anderen Verkehrsunternehmen (z.B. im Landkreis Esslingen) nur maximal zwei Fahrräder pro Bus gleichzeitig transportiert werden; bei Überschreiten dieser Grenze kann es zu Konflikten kommen, z.B. wenn weitere Radfahrer nicht mitgenommen werden können. Ein Umbau der Busse für den Regelbetrieb scheidet aus Kapazitätssicht sowie aus wirtschaftlichen Gründen auf jeden Fall aus. Kinderwagen, Rollstühle, Rollatoren und andere Gehhilfen müssen bei der Beförderung in Bussen in jedem Fall Vorrang vor Fahrrädern haben, was bei einer hohen Auslastung einer Linie häufig zu Konflikten mit anderen Fahrgästen führt.
Zu 4)
Die Erhöhung des ÖPNV-Anteils am Modal Split ist ein erklärtes Ziel im Aktionsplan „Nachhaltig Mobil in Stuttgart“ von Oberbürgermeister Fritz Kuhn. Dieser Plan ist ein mittel- und langfristig angelegtes strategisches Konzept zur Erreichung dieses Ziels. Dafür sind umfangreiche angebotsseitige Maßnahmen im ÖPNV vorgesehen, wie beispielsweise die Verlängerung der Stadtbahnlinie U12 nach Remseck und Dürrlewang, sowie die Linie U6 zum Flughafen. Eine spürbare Veränderung des Modal Split kann jedoch nur durch eine Kombination sogenannter Push- und Pull-Maßnahmen erzielt werden. Der Ausbau des ÖPNV ist dabei nur ein Baustein, gleichzeitig müssen aber auch Themen wie Tarifstruktur, Anwohnerparken, Parkgebühren und zusätzliche Optionen zur Bepreisung der individuellen Mobilität behandelt werden, um zusätzliche Fahrten vom motorisierten Individualverkehr auf den Umweltverbund zu verlagern. Außerdem ist zu bedenken, dass angebotsseitige Maßnahmen in den seltensten Fällen kostendeckend realisiert werden können und deshalb stets mitfinanziert werden müssen.
Zu 5)
Die zukünftige Finanzierung des ÖPNV stellt die Landeshauptstadt vor große Herausforderungen. Die Deckung des Gesamtaufwands durch Fahrgeldeinnahmen (Nutzerfinanzierung) konnte in den letzten Jahren durch Mengenwachstum und Tarifanpassungen kontinuierlich gesteigert werden. Allerdings steigen die Infrastrukturkosten für den Erhalt und Ausbau des Stadtbahnnetzes zukünftig stark an, während die Zuschüsse von Bund und Land zurückgehen. Außerdem müssen die derzeit in der Beschaffung befindlichen Stadtbahnwagen aufgrund der komplett weggefallenen Förderung von Fahrzeugbeschaffungen erstmals vollständig durch die SSB finanziert werden.
Auch bringt der Leistungsausbau deutlich steigende Personalkosten mit sich. Da bereits das heutige Angebot defizitär ist, führt auch jede Angebotsausweitung zu zusätzlichem Defizit und kann nicht alleine über zusätzliche Fahrgelderlöse gegenfinanziert werden. Vor dem Hintergrund der verkehrspolitischen Ziele und auf Basis der Langfristplanung der SSB muss – auch im Hinblick auf die angestrebte Direktvergabe der LHS an die SSB ab 2019 – eine zukunftssichere Finanzierung des bestehenden und des angedachten zusätzlichen Leistungsangebots zunächst von der SSB erarbeitet werden. Ein besonderer Fokus sollte auf Möglichkeiten zur Förderung von Investitionen in Streckenausbauten und Fahrzeugbeschaffungen zum Angebotsausbau liegen.
Fritz Kuhn
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