Stellungnahme zum Antrag
120/2010

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 09/14/2010
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 1014-02



Stellungnahme zum Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    CDU-Gemeinderatsfraktion
Datum
    04/21/2010
Betreff
    Rück- oder Kehrseite der Organisations- und Revierstrukturreform bei der Stuttgarter Polizei? - Erfahrungsberichte aus den betroffenen Stadtbezirken dringend nötig
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:

Anlässlich des vorliegenden Gemeinderatsantrags wurden die betroffenen Stadtbezirke Anfang Mai 2010 gebeten, zu den Auswirkungen der Organisations- und Revierstrukturreform des Polizeipräsidiums Stuttgart Stellung zu nehmen.

Im Folgenden hat die Stadtverwaltung die Stellungnahmen der Bezirksvorsteher und Bezirksbeiräte zu den Auswirkungen der Organisations- und Revierstrukturreform zusammengefasst. Die Beurteilungen aus den Stadtbezirken umfassen den Zeitraum vom Inkrafttreten der Revierstrukturreform des Polizeipräsidiums Stuttgart am 1. Februar 2009 bis Juni 2010. Im Stadtbezirk Bad Cannstatt ist die Revierstrukturreform noch nicht abgeschlossen. Dort wird derzeit noch nach einem neuen Standort für das Polizeirevier gesucht (siehe hierzu Gemeinderatsanträge Nr. 118/2010 und Nr. 209/210).

Die Ergebnisse der Bürgerbefragung zur Bewertung der öffentlichen Sicherheit in Stuttgart für das Jahr 2009 wurden bei der Beantwortung des Antrags nicht berücksichtigt, da aufgrund des Erhebungszeitraumes der Bürgerbefragung (Mai/Juni 2009) davon auszugehen ist, dass persönliche Erfahrungen zur Polizeipräsenz im Hinblick auf die erst drei Monate zuvor in Kraft getretene Strukturreform noch nicht einfließen konnten.

Im Einzelnen:

Aus Sicht der Bezirksverwaltung in Bad Cannstatt sei die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Bezirksverwaltung nach der Organisations- und Revierstrukturreform weiterhin sehr gut.
Auch seitens der Bürgerinnen und Bürger seien keinerlei Beschwerden bekannt, die auf die Zusammenlegung der beiden Polizeireviere Duisburger Straße und Wiesbadener Straße zurückzuführen wären. Ein neuer Standort für das Polizeirevier Wiesbadener Straße steht noch nicht fest. Die zuständige Landesbehörde Vermögen und Bau Baden-Württemberg Amt Stuttgart prüft derzeit verschiedene Optionen.

Der Bezirksbeirat Degerloch hat den Eindruck, dass die Präsenz der Polizei zurückgegangen ist. Vor der Organisations- und Revierstrukturreform seien regelmäßig zwei Streifenfahrzeuge im Stadtbezirk unterwegs gewesen, heute habe die Polizei zeitweise nur noch ein Streifenfahrzeug im Einsatz, weswegen es auch zu längeren Interventionszeiten komme. Die Fußstreifen seien ganz weggefallen, so dass der Bürger keinen direkten und ständigen Ansprechpartner mehr vor Ort habe. Darüber hinaus sei es aufgrund der angespannten Personallage für die Polizei nicht mehr möglich, soziale Brennpunkte bzw. häufig frequentierte Plätze (Santiago-de-Chile-Platz, Haltestelle Albplatz) präventiv in kurzen Abständen zu kontrollieren.

Aus Sicht der Bezirksverwaltung Feuerbach habe sich durch die Zusammenlegung der Polizeireviere Weilimdorf und Feuerbach keine Veränderung oder gar Verschlechterung hinsichtlich der Sicherheitslage oder Polizeipräsenz ergeben.

Auch die Bezirksverwaltung Hedelfingen sieht keine sicherheitsrelevanten Auswirkungen durch die Organisations- und Revierstrukturreform der Polizei. Der Erhalt des Polizeipostens und die Polizeipräsenz vor Ort werden positiv gesehen. Allerdings sei erkennbar, dass die Polizeibeamten einer höheren Arbeitsbelastung ausgesetzt seien. Zudem sei bei Einsätzen der Polizei immer wieder festzustellen, dass die Polizeibeamten nur wenig Ortskenntnis hätten und teilweise nach dem Stadtplan anfahren oder vor Ort nach dem Weg fragen müssten.

Im Bezirksbeirat Mitte und im Bezirksbeirat Möhringen wird auf die gute Zusammenarbeit zwischen Bezirksverwaltung und Polizei verwiesen.

Aus Sicht des Bezirksamtes Mühlhausen habe es durch die Organisations- und Revierstrukturreform der Polizei keine negativen Auswirkungen im Stadtbezirk gegeben.

Der Bezirksbeirat Münster bemängelt, dass die regelmäßigen Fußstreifen weggefallen seien und somit kein ständiger Ansprechpartner für die Bevölkerung mehr vorhanden sei. Des Weiteren regt der Bezirksbeirat an, dass die Polizei an jenen Plätzen, die von Jugendlichen stark frequentiert werden (Kultur- und Sportzentrum, Spielplatz Lechweg), wieder regelmäßige Kontrollen durchführt.

Aus Sicht der Bezirksverwaltung Obertürkheim sei die Sicherheitslage im Stadtbezirk nach der Organisations- und Revierstrukturreform weiterhin gut. Auch aus der Bevölkerung seien keine Beschwerden bekannt. Dies wird darauf zurückgeführt, dass der Polizeiposten zwar aufgelöst wurde, für den Stadtbezirk aber nach wie vor zwei ortskundige und bei den Einwohnern bekannte Ansprechpartner (einer für Obertürkheim, einer für Uhlbach) zur Verfügung ständen. Bemängelt wird hingegen, dass der Jugendsachbearbeiter nicht mehr so gut erreichbar sei wie früher.

Der Bezirksbeirat Ost meint, dass die Polizei im Zusammenhang mit der Organisations- und Revierstrukturreform ihre präventive Arbeit im Stadtbezirk, insbesondere in den Schulen, reduziert habe.

Aus Sicht des Bezirksbeirats Plieningen-Birkach habe es durch die Organisations- und Revierstrukturreform der Polizei keine negativen Auswirkungen hinsichtlich der Sicherheitslage gegeben.

Der Bezirksbeirat Süd bemängelt, dass die Polizei den fließenden Verkehr (z.B. das Durchfahrtsverbot in der Böblinger Straße zwischen der Müllerstraße und der Einmündung Möhringer Straße) nicht ausreichend kontrollieren würden. Die hohe Anzahl an Graffitis, vorrangig in Heslach, wird ebenfalls als Problem gesehen.

Aus Sicht des Bezirksamtes Untertürkheim sei die Zusammenarbeit zwischen Bezirksverwaltung, Bezirksbeirat und der Polizeirevierstation weiterhin konstruktiv und vertrauensvoll. Kritisiert wird, dass Präventionsveranstaltungen der Polizei teilweise entfallen seien und die Zusammenarbeit mit den Jugendsachbearbeitern in Konfliktfällen aufgrund erhöhter Arbeitsbelastung nicht mehr im gewohnten Umfang möglich sei Darüber hinaus habe die Präsenz der Polizei (z.B. durch Streifenfahrten ohne speziellen Einsatzgrund) nachgelassen.

Der Bezirksbeirat Vaihingen äußert sich kritisch darüber, dass der Polizeiposten Vaihingen in der Robert-Leicht-Straße zu weit abseits liegen würde und zu den wichtigen Zeiten in den Abendstunden nicht besetzt sei. Darüber hinaus absolviere die Polizei aus Sicht des Bezirksbeirats weniger Streifengänge und sei insgesamt weniger präsent. Des Weiteren befürchtet man im Bezirksbeirat, dass diese Defizite mit der Verlagerung des Polizeireviers von der Schockenriedstraße nach Möhringen noch deutlicher hervortreten würden.

In der Stellungnahme des Bezirksamts Wangen wird bemängelt, dass es an der Präsenz von Fußstreifen und damit an ortsbekannten Polizeibeamten fehlen würde, die vom Bürger angesprochen werden könnten. Die Polizei vor Ort sei nur noch im anonymen Streifenwagen unterwegs. Offensichtliche Verstöße würden bei der Fahrt durch den Stadtbezirk teilweise nicht wahrgenommen. Ebenfalls negativ bewertet wird, dass die Polizei sich aus der regelmäßigen Gremienarbeit im Stadtbezirk zurückgezogen habe.

Aus Sicht des Bezirksbeirats Weilimdorf seien sicherheitsrelevante Auswirkungen der Organisations- und Revierstrukturreform insbesondere durch die Zunahme von Fällen im Bereich Vandalismus und Graffitis spürbar. Dies würde unter anderem auf die seit der Strukturreform entfallenen Fußstreifen zurückgeführt. Die Präsenz der Polizeistreifen mit Fahrzeugen sei ebenfalls zurückgegangen. Positiv gesehen würde hingegen die Ausstattung des Polizeipostens Weilimdorf mit einer Präventionsbeamtin in Vollzeit.

Aus Sicht des Stadtbezirks West gibt es keine Hinweise darauf, dass es durch die Organisations- und Revierstrukturreform der Polizei zu einer Verschlechterung der Sicherheitslage gekommen sei. Man befürchtet jedoch, dass eine Verschlechterung eintreten könnte, sofern es zu einem Umzug des Reviers an einen Standort außerhalb des Stadtbezirks komme.


Zur Zusatzanfrage der Gemeinderatsfraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Situation in der Klett-Passage nimmt die Stadtverwaltung wie folgt Stellung:
Die Situation in der Klett-Passage ist seit Jahren unverändert. Der Stadtverwaltung und der Polizei ist bekannt, dass sich in der Klett-Passage, abhängig von den Witterungsbedingungen, immer wieder Personengruppen aus der Punker- und Obdachlosenszene aufhalten und es zu Ordnungsstörungen, vereinzelt auch zu szenetypischen Straftaten (Beleidigungen, Körperverletzungen) innerhalb dieser Gruppen kommt. Die Stadtverwaltung hat daher in Zusammenarbeit mit der Polizei ein abgestuftes Einsatzkonzept erstellt, das neben verstärkten Kontrollen auch Maßnahmen wie Platzverweise bis hin zu längerfristigen Aufenthaltsverboten für wiederholt auftretende Störer beinhaltet.

Darüber hinaus haben die zuständigen städtischen Dienststellen, die Mietervereinigung Klett-Passage, das Polizeipräsidium Stuttgart und die SSB AG als Eigentümer vereinbart, die Klett-Passage durch bauliche Maßnahmen (Ausweitung der Nutzungsflächen vor den Geschäften) attraktiver zu gestalten. Im April 2010 fand ein abschließender Ortstermin statt, bei dem die künftigen Hausrechtsbereiche vor den Geschäften festgelegt wurden. Ein entsprechender Antrag der SSB AG auf Einziehung der Teilflächen vor den Geschäften wurde Mitte Juni 2010 beim Tiefbauamt gestellt, der demnächst entschieden wird.

Die Stadtverwaltung weist darauf hin, dass die Bewertungen der Bezirksbeiräte und Bezirksvorsteher zu den Auswirkungen der Organisations- und Strukturrevierreform des Polizeipräsidiums Stuttgart nunmehr mit dem Polizeipräsidium erörtert werden müssen.

Die Stadtverwaltung wird deshalb dem Polizeipräsidium Stuttgart die Erfahrungen und Eindrücke aus den Stadtbezirken zuleiten und bitten, die angesprochenen Probleme zu prüfen und gegebenenfalls auch nach dezentralen Lösungen zu suchen. Darüber hinaus wird die Stadtverwaltung die Entwicklungen, die im Zusammenhang mit der Organisations- und Strukturrevierreform des Polizeipräsidiums Stuttgart stehen, weiter beobachten.







Dr. Wolfgang Schuster
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