Stellungnahme der SSB: 08.11.2011
3.) Welche Gründe sprechen gegen eine auf 50 Stundenkilometer begrenzte Geschwindigkeit der Stadtbahn entlang dieser Siedlung, damit mehr Sicherheit für die Anwohner dort erreicht werden kann?
4.) Gibt es Überlegungen bei der Stadtverwaltung und/oder der SSB AG, durch Lärmschutzvorrichtungen, wie sie etwa zwischen den Stadtbahnhaltestellen "Sonnenberg" und "Peregrinastraße" installiert sind, auch bei der Polizeisiedlung für Abhilfe zu sorgen?
Antwort SSB:
Für eine Großstadt und ihre Bewohner ist ein attraktives Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln von besonderer Bedeutung, um der Bevölkerung eine gute und günstige Alternative zur Nutzung des Pkws zu geben. Ein gut genutztes System öffentlicher Verkehrsmittel führt dazu, dass die Straßen vom motorisierten Individualverkehr entlastet werden. Die Bemühungen der SSB um ein attraktives Angebot werden von der Stuttgarter Bevölkerung honoriert. Dies zeigt sich nicht zuletzt immer wieder in Bürgerumfragen, bei denen das Angebot der SSB regelmäßig sehr positiv beurteilt wird.
In den Zeiten knapper Kassen bemüht sich die SSB, ihr Angebot noch wirtschaftlicher zu gestalten, um mit den vorhandenen Mitteln einen möglichst großen Nutzen für den ÖPNV zu erzielen. Dies wird im Übrigen auch von der Stadt Stuttgart als dem Eigentümer der SSB mit Nachdruck gefordert. Ein wesentliches Element der Wirtschaftlichkeit sind kurze Fahrzeiten unserer Busse und Bahnen, was natürlich auch von unseren Fahrgästen sehr geschätzt wird. Deshalb werden zusätzlich zu den hohen Investitionen in den Stadtbahnausbau Bevorrechtigungs- und Beschleunigungsmaßnahmen durchgeführt. Jede einzelne, auch kleinere Maßnahme leistet dabei ihren Beitrag zum Gesamterfolg. Aus wirtschaftlichen Gründen erhalten die Fahrpläne unserer Linien keine ausgeprägten Zeitpuffer zum Auffangen von Verspätungen. Bauarbeiten, die mit einer Geschwindigkeitsreduzierung verbunden sind, zeigen uns immer wieder, dass bereits das Absenken der Geschwindigkeit auf kurzen Strecken zu Fahrzeitverlängerungen und Verspätungen führt. Zudem entscheiden oft schon sehr geringe Zeitunterschiede, ob auf einer Stadtbahnlinie ein zusätzliches Fahrzeug im Umlauf eingesetzt werden muss, was zu dann zu erheblichen Zusatzkosten führt (sog. Sprungkosten).
In der Böblinger Straße zwischen Heslach Vogelrain und Waldeck hat die SSB vor rund 100 Jahren den Straßenbahnbetrieb aufgenommen. Der Stadtbahnen fahren seit 25 Jahren in der heutigen Form. Im Bereich der Polizeisiedlung fährt die Stadtbahn auf einem so genannten „besonderen Bahnkörper“, d. h. sie verkehrt auf einer Fläche, die nur für die Stadtbahn „reserviert“ ist, und die sie sich nicht mit anderen Verkehrsteilnehmern teilen muss. Diese sehr „flächenintensive“ Bauform wird üblicherweise gewählt, damit die Stadtbahn gemäß der entsprechenden gesetzlichen Verordnung (BOStrab) mit 70 km/h deutlich schneller fahren darf als der Kfz-Verkehr, und ihr so ein entscheidender Vorteil vor dem Individualverkehr verschafft wird.
Eine Reduktion der Geschwindigkeit der Stadtbahn führt nach der Erfahrung der SSB zu einer kaum wahrnehmbaren Lärmreduktion, zumal wenn sich der Lärm der Stadtbahn mit dem oftmals viel größeren Lärm einer vielbefahrenen Straße (wie hier der Böblinger Straße) zu einem Gesamtlärmpegel vermischt. Gleichzeitig würde eine Geschwindigkeitsreduktion aber die erheblichen Investitionen in das System Stadtbahn konterkarieren, wenn die Stadtbahn wieder auf das Geschwindigkeitsniveau des Kfz-Verkehrs „ausgebremst“ würde.
Verkehrslärmuntersuchung
Um die Diskussion über eine Geschwindigkeitsreduktion sowie um den Bau von Lärmschutzwänden auf einer objektiven Basis führen zu können, die nicht nur von subjektiven Erwartungen geprägt ist, hat die SSB die Wirkung der vorgeschlagenen Maßnahmen mit einer Lärmprognose-Software differenziert untersucht. In dieser Verkehrslärmuntersuchung wurden neben den Lärmreduktionswirkungen einer Geschwindigkeitsabsenkung auch die Wirkungen einer so genannten niedrigen Lärmschutzwand (Typ Sonnenberg) sowie einer 2m hohen Lärmschutzwand geprüft.
Eine niedrige Lärmschutzwand bis zu einer maximalen Höhe von 0,6 m hat den Vorteil, dass sie als übersteigbar gilt, und somit relativ nah am Gleis gebaut werden darf. Höhere Lärmschutzwände müssen zum Lichtraumprofil der Stadtbahn den sog. Sicherheitsraum-Abstand von 70 cm einhalten.
Ob eine höhere Lärmschutzwand bezüglich der verbleibenden Restbreiten des Anliegerweges überhaupt machbar oder wünschenswert wäre, war nicht Gegenstand der Verkehrslärmuntersuchung.
Situation im Bestand:
Straßenlärm (tag/nachts): 68/58 db(A) (Grenzwert 59/49 db(A)) (tags: 6-22 Uhr, nachts: 22-6 Uhr)
Schienenlärm Bestand: 55/51 db(A) (Grenzwert 59/49 db(A))
Differenz Straße-Schiene im Bestand: -13/-7 db(A)
Der Lärm des Straßenverkehrs überschreitet die geltenden Grenzwerte der 16. BImSchV um rund 9 db(A). Der Schienenverkehrslärm überschreitet die Grenzwerte lediglich in den Nachtstunden (6-22 Uhr) um 2 db(A). Diese Überschreitungen sind zulässig, weil es sich um Bestandssituationen handelt, die so bereits vor Inkrafttreten der 16. BImSchV existierten.
Der Straßenverkehrslärm liegt um 13 bzw. 7 db(A) über den Werten des Schienenverkehrslärms.
Da die Lärmbewertungsskala logarithmisch verläuft, wird im Mittelungspegel der Schienenverkehrslärm vom Straßenverkehrslärm weitgehend überlagert und dominiert.
Niedrige Lärmschutzwand (0,6m)
Eine niedrige Lärmschutzwand bringt lediglich für Räume im Erdgeschoss eine Reduktion des Schienenverkehrslärms um max. 2 db(A).
Die Wahrnehmbarkeitsschwelle für Lärmunterschiede liegt bei 3 db(A).
Für die Gebäude am südlichen Siedlungsrand (Immissionspunkt Böblinger Straße 350) bringt die Wand aus topographischen Gründen keine Verbesserung.
Hohe Lärmschutzwand (2,0m)
Eine hohe Lärmschutzwand bringt eine gute, hörbare Reduktion des Schienenverkehrslärms von 7 db(A), aber auch nur für Räume im Erdgeschoss. Räume in den höheren Geschossen erfahren nur eine Reduktion des Schienenverkehrslärms um max. 2 db(A).
Der Gesamtschallpegel, d.h. die Summe aus Straßen- und Schienenverkehrslärm wird aber auch mit einer 2m hohen Wand nur um max. 0,9 db(A) reduziert.
Geschwindigkeitsreduktion 50 km/h
Eine Reduktion der Geschwindigkeit der Stadtbahn auf 50 km/h ergibt eine Reduktion des Schienenverkehrslärms zwischen 2,9 und 3,3 db(A), wäre also teilweise knapp über der Wahrnehmbarkeitsschwelle von 3 db(A).
Der Gesamtschallpegel, d.h. die Summe aus Straßen- und Schienenverkehrslärm wird aber auch durch die Geschwindigkeitsreduktion lediglich um max. 0,4 db(A) reduziert.
Fazit
Eine Geschwindigkeitsreduktion der Stadtbahn wird aufgrund der geringen Wirkung im Zusammenklang mit dem die Gesamtlärmsituation dominierenden Straßenlärm und aufgrund der oben beschriebenen nachteiligen Wirkungen auf den Stadtbahnverkehr von der SSB abgelehnt.
i.V. Dr. Volker Christiani Leiter Systemplanung, SSB AG zum Seitenanfang