Stellungnahme zum Antrag
334/2013

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 11/21/2013
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 6263-00



Stellungnahme zum Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    CDU-Gemeinderatsfraktion
Datum
    07/25/2013
Betreff
    Ein Badesee in Stuttgart – das wäre toll!
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:

Vorbemerkung

Zum Baden im Neckar wurde bereits anlässlich der Anfrage 9/2012 am 31.05.2012 ausführlich Stellung genommen. Die dort getroffenen Feststellungen gelten unverändert fort.

Weitere Fließgewässer auf der Gemarkung Stuttgart, die sich für einen Badebetrieb eignen würden, sind nicht ersichtlich.


Anforderungen an Badegewässer

Die Anforderungen an Badegewässer regelt die Badegewässerverordnung (BadegVO) des Landes vom 16.01.2008.

Danach müssen die Gewässer ausreichend stabile Verhältnisse und Voraussetzungen aufweisen, die erwarten lassen, dass Anforderungen an die maximal zulässigen Keimzahlen der BadegVO dauerhaft eingehalten werden und Gefährdungen durch Massenvermehrungen durch Cyanobakterien (Blaualgentoxine) ausgeschlossen werden können. Abwassereinleitungen, Abläufe von landwirtschaftlichen Nutzflächen, eine große Anzahl von Wasservögeln und stark nährstoffreiche Gewässer
(Gefahr von Blaualgenmassenentwicklungen) stellen Kontraindikatoren für eine Badenutzung dar.

Bei der Ausweisung einer Badestelle sind neben der regelmäßigen Überwachung der Wasserqualität durch die untere Gesundheitsbehörde auch Investitionen in Infrastrukturmaßnahmen und Unterhaltungskosten verbunden.
Um eine Übersicht über potenzielle Kosten für den Betrieb von Badestellen zu erhalten, wurde eine Abfrage bei Gemeinden, die im Regierungsbezirk Stuttgart Badeseen in verschiedenen Größenordnungen unterhalten, durchgeführt, deren Ergebnis nachfolgend dargestellt wird:


Vergleichsübersicht über einige Badeseen im Regierungsbezirk Stuttgart

Seename
Gemeinde
Größe in
Hektar
Infra-struktur
Baden
Einnahmen/Ausgaben
Fehlbeträge
(jährlich)
Bemerkungen
Waldsee Fornsbach

Stadt Murrhardt
2
Parken, WC,
Duschen, Umkleide-kabinen
Ergebnis 2012:

Ausgaben: 45.000 €

Einnahme
Parkgebühren:15.000 €

Fehlbetrag: 30.000 €
Ausgaben für Unterhaltung/Pflegearbeiten einschl. WC, Duschen
Badesee Plüder-hausen

Gemeinde
Plüder-hausen
3,7
Parken, WC,
Duschen, Umkleidekabinen, Kiosk
Ergebnis 2012:

Ausgaben: 38.600 €

Einnahmen
Parkgebühren: 27.000 €
Kiosk: 5000 €

Fehlbetrag: 6.600 €
Allg. Ausgaben: 14.000 €
Bauhoftätigkeiten:
21.000€
Personal/Aufsicht:
3.600€
Kirchen-tellinsfurter See

Gemeinde
Kirchen-tellinsfurt
5,3
Parken,
WC
Kosten jährlich
ca. 10.000 €

Fehlbetrag: 10.000 €
Kein Strom und Frisch-wasseranschluss, keine Umkleidekabinen vorhanden, fahrbarer WC-Wagen gespeist mit Brunnenwasser. Kosten einschließlich Grünpflege, Müllentsorgung, Vogelmanagement, DLRG. Besucher ca. 50.000 pro Jahr
Breitenauer See

Gemeinde Obersulm
38
Parken, WC,
Duschen, Umkleidekabinen, Kiosk
Ergebnis 2012:

Ausgaben:
450.000 €

Einnahmen: 375.000 €

Fehlbetrag: 75.000 €
Einschl. Grünpflege, Personalkosten, Versicherungen, Rettungswacht, Geräteabschreibungen. Einnahmen aus Eintrittsgebühren, Vermietung/ Verpachtung. Besucher ca. 450.000 pro Jahr

Welche Seen kommen als Badeseen in Stuttgart grundsätzlich in Betracht?

Auf dem Gebiet der Landeshauptstadt Stuttgart liegen über 100 Seen und Wasserbecken. Bei den meisten handelt es sich jedoch um kleine und kleinste Gewässer, die bereits aufgrund ihrer geringen Wasserflächen von unter 100 bis maximal 1000 Quadratmetern für eine größere Anzahl von Badenden nicht genügend Fläche bieten und daher für eine Ausweisung als Badesee nicht in Betracht kommen. Setzt man eine Mindestfläche von 2 Hektar wie beim kleinsten Badesee in der Region, dem Waldsee in Fornsbach, an, verbleiben als Auswahl lediglich sieben Gewässer in Stuttgart. Es handelt sich um den Max-Eyth-See (17,4 Hektar), den Pfaffensee (6,8 Hektar), den Neuen See (6,8 Hektar), den Bärensee (4,5 Hektar), den Probstsee (3 Hektar), den Katzenbachsee (2,9 Hektar) und den Steinbachsee (2,1 Hektar).


Max-Eyth-See

Der Max-Eyth-See ist ein nährstoffreicher Flachwassersee, weist zwar nach seiner Sanierung stabile Sauerstoffverhältnisse auf, neigt jedoch als nährstoffreiches, eutrophiertes Gewässer weiterhin zu Blaualgenbildungen. Die saisonal vorhandenen zahlreichen Wasservögel sind der Grund für hohe Keimzahlen, die bei einer Ausweisung als Badestelle regelmäßig zu Badeverboten führen würden.
Für das Gewässer wurden im Zuge der Sanierung des Max-Eyth-Sees zahlreiche Varianten untersucht und eine Verbesserung der Wasserqualität für eine Nutzung als Naturschutz, Freizeit und Angelsee angestrebt. Aufgrund der vorhandenen Randbedingungen wurde eine spätere Badenutzung nicht empfohlen und mit Zustimmung des Gemeinderats bereits in der Zielplanung ausgeschlossen.

Fazit: Die Wasserqualität ist für einen Badesee nicht ausreichend.


Bärensee/ Neuer See /Pfaffensee

Die vorderen Wildparkseen Bärensee, Neuer See und Pfaffensee liegen im Naturschutzgebiet Rot- und Schwarzwildpark. Die Seen liegen in Zone I (Fassungsbereich) der zum Schutz der Trinkwassergewinnungsanlagen Parkseen erlassenen Rechtsverordnung vom 17.03.1980. Die Unterhaltung erfolgt durch die EnBW AG. Das angrenzende Gelände steht im Eigentum des Landes Baden-Württemberg.

Die naturschutzrechtliche Prüfung seitens des zuständigen Regierungspräsidiums Stuttgart hat hierzu folgendes ergeben (Stellungnahme im Wortlaut):

„Die drei Seen Bärensee, Neuer See und Pfaffensee dienen zwar nicht mehr der Trinkwasserversorgung, müssen jedoch weiterhin als Notwasserversorgung zur Verfügung stehen.
Unabhängig von der Frage der Wasserversorgung stehen auch Gründe des Naturschutzes einer Badeerlaubnis in den Seen entgegen:
Bärensee, Neuer See und Pfaffensee sind Bestandteile des Naturschutzgebiets „Rotwildpark bei Stuttgart“. Für dieses Schutzgebiet gelten strenge Verbotsvorschriften, so ist es u. a. verboten, Pflanzen zu beschädigen, Tiere mutwillig zu beunruhigen oder Ufergehölze zu beseitigen bzw. das Gelände auf andere Art zu beeinträchtigen.
Die Seen sind in der Regel durch Steilufer gekennzeichnet. In Buchten oder an anderen Stellen sind Flachwasserzonen ausgebildet, so dass sich vorwiegend dort kleine Seggenrieder, Röhrichte und Schwimmblattgesellschaften ausbildend können. Im Bereich der Seen kommen etwa 60 Wasser-, Sumpf- oder Uferpflanzen vor, von denen einige in der Roten Liste der gefährdeten Pflanzenarten Baden-Württemberg geführt sind. Darüber hinaus leben in und an den Gewässern zahlreiche Vogelarten, teils als Brutvögel, teils als durchziehende Gäste.
Die Seen stehen außerdem als Natura 2000-Gebiete unter dem strengen Schutz des europäischen Naturschutzrechts. Gemäß § 33 Bundesnaturschutzgesetz sind alle Veränderungen und Störungen unzulässig, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können.
Eine Nutzung der Seen als Badesee würde zu vermehrtem Lagern am Ufer oder am Waldrand und damit zwangsläufig zu Störungen der Vegetation führen. Da die Ufer z. T. steil sind, müssten als Zugang entweder die flachen Buchten genutzt werden, die mit Wasserpflanzen gut bewachsen sind, oder Zugänge geschaffen werden, die mit baulichen Maßnahmen und Eingriffen in die Uferzone verbunden wären. Zusätzlich zu diesen Beeinträchtigungen würde die Tier- und Pflanzenwelt der Gewässer durch Schwimmen, Lärm, Wasserballspielen, Einflüssen von Sonnenöl im Wasser, Schlauchbootfahren usw. nicht nur beeinträchtigt, sondern sogar geschädigt werden.
Das Naturschutzgebiet hat eine hohe Bedeutung als Erholungsfläche im Stadtgebiet Stuttgart. Die Naturschutzgebiets-Verordnung weist auch diesem Belang eine erhebliche Bedeutung zu, die in § 4 Abs. 1 b) der Schutzverordnung als „der Erholung dienender Landschaftswald“ umschrieben wird. Ein geschützter Landschaftswald, der zur Erholung dient, soll unbeeinträchtigt von Umgestaltung bleiben. Nach Sinn und Zweck der Schutzverordnung ist das natürliche Waldbild zu bewahren. Darüber hinaus ist die Nutzung der Seen zur Sicherung der - heutigen - Notwasserversorgung - und somit auch deren Reinhaltung - ausdrücklich in § 4 Abs. 1 c) der Schutzverordnung genannt.
Aufgrund der Schwere der zu erwartenden Beeinträchtigungen wäre eine Nutzung der Gewässer als Badeseen mit dem Charakter und der Bedeutung des Schutzgebietes nicht zu vereinbaren, vielmehr würde eine solche Nutzung gegen Verbotsvorschriften der Schutzverordnung verstoßen. Zwar könnte von den Verbotsbestimmungen Befreiung erteilt werden, jedoch überwiegen im vorliegenden Falle die Belange des Naturschutzes gegenüber dem Interesse an einer Nutzung als Badesee. Insofern kann das Regierungspräsidium Stuttgart eine Befreiung nicht in Aussicht stellen.“

Diese Beurteilung wird von der unteren Naturschutzbehörde des Amts für Umweltschutz nachdrücklich unterstützt.


Der Probstsee

Der Probstsee ist als Naturdenkmal nach § 28 Bundesnaturschutzgesetz ausgewiesen. Seine Ufer säumen nahezu durchgängig Schilfbestände. Laut limnologischer Stellungnahme des Büros pro aqua von 08/2008 „weist der See keine Massenalgenentwicklungen oder auffällige Verkrautungen und mit mäßiger Trübung einen höchstens schwach eutrophen Gesamtzustand auf.“ Der Wasserspiegel schwankt über das Jahr hinweg deutlich. Die Seetiefe ist gering und kann im Sommer auf 0,5 m absinken. Im Mittel beträgt sie zwischen 0,8 und 1,0 Meter.
Fazit: Trotz stabiler und guter Wasserqualität eignet sich der Probstsee aufgrund seiner insbesondere in der Badesaison geringen Wassertiefe nicht als Badesee. Die Naturdenkmalverordnung schließt eine solche Nutzung zudem aus.


Die „hinteren Wildparkseen“ Steinbach- und Katzenbachsee

Die beiden Seen Katzenbach- und Steinbachsee wurden ursprünglich wie die vorderen Wildparkseen zur Trinkwasserversorgung von Stuttgart angelegt und liegen in Zone I (Fassungsbereich) der zum Schutz der Trinkwassergewinnungsanlagen Parkseen erlassenen Rechtsverordnung vom 17.03.1980. Die Unterhaltung erfolgt durch die EnBW AG.
Die beiden Seen weisen eine gute Wasserqualität auf und dürften von der Nährstoffbelastung als mäßig eutroph einzustufen sein. Informationen zu Algenmassenentwicklungen sind nicht bekannt. Abwassereinleitungen in die beiden Seen finden nicht statt. Sämtliche die Seen speisende Zuflüsse haben ihr Einzugsgebiet im Wald und sind ebenfalls keinen Abwasserbelastungen ausgesetzt. Die Seen sind von Wald umgeben, größere Liegeflächen stehen dadurch nicht zur Verfügung.

Allerdings liegen die Seen in Landschaftsschutzgebiet Glemswald (Verordnung des Regierungspräsidiums Stuttgart von 16.10.1995). Der Katzenbachsee liegt zusätzlich in einem Natura 2000 Gebiet bzw. FFH-Gebiet. Hier sind grundsätzlich alle Handlungen verboten, die den Charakter des Gebietes verändern oder dem Schutzzweck zuwiderlaufen. Die untere Naturschutzbehörde kann aber nach § 5 der Verordnung Erlaubnisse für bestimmte Handlungen erteilen, sofern die Schutzzwecke nicht wesentlich beeinträchtigt werden. Eine wesentliche Beeinträchtigung ist insbesondere dann gegeben, wenn zur Ausweisung als Badesee Infrastruktureinrichtungen nötig werden wie Toiletten, Umkleidekabinen, Stellplätze und Zufahrten. Diese Einrichtungen bedingen weiterhin das Entfernen von vorhandener Vegetation, zusätzliche Versiegelungen oder ähnliches. Im Bereich der genannten Seen sind diese Einrichtungen im Landschaftsschutzgebiet nicht genehmigungsfähig, da sie den Schutzzielen zuwider laufen. Hinzu kommen Artenschutzprobleme (Vorkommen einer europarechtlich geschützten Art des Anhang IV der entsprechenden EU-Richtlinie).

Fazit: Auf Basis der aktuellen Kenntnisse stellt hier zwar die Wasserqualität keinen Hinderungsgrund für eine Badenutzung dar. Aus naturschutzrechtlichen Gründen muss die Zulassung des Badens aber abgelehnt werden.







Fritz Kuhn
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