Stellungnahme zum Antrag
46/2023

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 03/29/2023
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 6541-00



Stellungnahme zum Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    SPD-Gemeinderatsfraktion
Datum
    02/20/2023
Betreff
    Was macht der hauseigene Mietencheck?
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:

1. Ende letzten Jahres wurde ein Mitarbeiter eingestellt, der bis Ende Februar 2023
172 Online-Inserate geprüft hat.

2. Bei den online offerierten, mutmaßlich überhöhten Mieten, handelt es sich lediglich um Angebotsmieten. Mietpreisüberhöhungen nach § 5 Wirtschaftsstrafgesetz (WiStG) und Mietwucher nach § 291 Strafgesetzbuch (StGB) sind auf die inserierten Angebotsmieten nicht anwendbar. Die gesetzlichen Regelungen beziehen sich auf bestehende Mietverhältnisse, d. h. es muss bereits ein Mietvertrag abgeschlossen sein.

Selbst wenn es zu einer Vermietung in Höhe der überhöhten Angebotsmiete kommt, ist es für die Stadtverwaltung nur in den seltensten Fällen möglich dies überhaupt herauszufinden, da sie in der Regel nicht erfährt wer die betreffende Wohnung mietet und von Seiten der Makler und Eigentümer keine Mitwirkungspflicht besteht.

Zudem muss laut aktueller Rechtsprechung sowohl für die Fälle der Mietpreisüberhöhung, als auch für den Mietwucher, der Vermieterseite im konkreten Einzelfall nachgewiesen werden, dass sich die Mieterseite bei Vertragsschluss in einer Notsituation befunden hat und diese Notsituation bewusst ausgenutzt worden ist. Ein solcher Nachweis lässt sich in der Praxis nicht erbringen. Die Wirkungslosigkeit der gesetzlichen Regelungen ist bekannt und wird teilweise in den Rückmeldungen gegenüber der Stadtverwaltung auch vorgebracht.

Entsprechend kann die Stadtverwaltung nur präventiv und aufklärerisch tätig werden, sowie an die Einsicht und Mitwirkung von Maklern und Vermietern appellieren. Die tatsächliche Durchsetzungsfähigkeit der Stadtverwaltung scheitert an der fehlenden rechtlichen Handhabe.

Wie oben bereits ausgeführt, kann allein aufgrund eines Inserates eine Mietpreisüberhöhung juristisch nicht verfolgt werden. Das Offerieren eines Angebots ist nicht ausreichend.

Es ergaben sich ausgehend vom Spannenoberwert des qualifizierten Mietspiegels 28 und ausgehend vom Mittelwert des Mietspiegels 56 Inserate, die über 20 % des jeweiligen Referenzwerts lagen. Damit besteht ein Anfangsverdacht auf eine (nach Vertragsabschluss) eintretende Mietpreisüberhöhung.

Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der genaue Ausstattungsstandard einer Wohnung aus Onlineinseraten in aller Regel nicht exakt ablesbar ist. In welcher Höhe beispielsweise Teilmöblierungen, wie eine Kücheneinrichtung, in der angegebenen Miete berücksichtigt ist, wird regelmäßig nicht angegeben.

In Stuttgart beträgt der Spannenwert ausgehend von der durchschnittlichen ortsüblichen Vergleichsmiete (OVM) ca. +/- 1,80 Euro je m² Wohnfläche und ist damit signifikant höher als in Freiburg mit einem Auf- und Abschlag von 5 % der durchschnittlichen OVM.

Die Frage wie viele Mietpreisüberhöhungen wurden festgestellt lässt sich somit nicht eindeutig beantworten. Vielmehr wäre eine angemessene Miete im Einzelfall (gerichtlich) zu überprüfen.

3. Auch beim Mietwucher ist eine juristische Verfolgung allein aufgrund des Inserates nicht möglich.

Es ergaben sich ausgehend vom Spannenoberwert des qualifizierten Mietspiegels 17 und ausgehend vom Mittelwert des Mietspiegels 32 Inserate, die über 50 % des jeweiligen Referenzwerts lagen. Damit besteht ein Anfangsverdacht auf drohenden Mietwucher.

Im Übrigen wird auf die Ausführungen zu Frage 2 verwiesen.

4. Von der Verwaltung wurden ausgehend von 88 Inseraten, die vorläufig 20 % über dem Mittelwert des Mietspiegels lagen 46 Inserierende angeschrieben. Häufig können die Eigentümer bzw. die Vermieter aufgrund mangelnder Angaben im Inserat nicht ermittelt werden. Die Stadt Freiburg i.Br. hat die gleichen Erfahrungen gemacht.

5. 36 der angeschriebenen Personen bzw. Firmen haben sich rückgemeldet. Dies entspricht einer erstaunlich hohen Rücklaufquote von über 75 %.

6. In sieben Fällen konnte die Miete abgesenkt werden. Hiervon erfolgten vier Mietsenkungen bereits vor dem Erhalt des städtischen Anschreibens und drei aufgrund des städtischen Anschreibens.

Zudem wurde für vier beanstandete Anzeigen ein Inserierungsfehler vorgebracht.

In zehn Fällen ergab sich im Austausch mit den Inserierenden, dass die Miethöhe rechtlich korrekt war. Häufig waren fehlenden Angaben im Inserat zum Ausstattungsstandard der Grund. Weiterhin gilt die bereit vorgenannte Schwierigkeit bei der korrekten Spanneneinordnung, da der Stuttgarter Mietspiegel einen Spannungsbreite von 3,84 €/m² aufweist. Eine Ermittlung der exakten zulässigen Miethöhe ist auf Basis eines Inserats schwer möglich, weshalb häufig Mieten überhöht erscheinen, die sich anschließend als gerechtfertigt herausstellen.

In elf Fällen ist vermutlich keine Mietsenkung zu erreichen, da keine Kooperationsbereitschaft erkennbar ist. Teilweise wurde zusätzlich darauf verwiesen, dass aus Gründen des Datenschutzes die Eigentümerdaten nicht weitergegeben werden.

Weitere vier Fälle befinden sich derzeit noch in der Bearbeitung.

7. Der Stelleninhaber, der Ende letzten Jahres eingestellt werden konnte, ist insbesondere zuständig für den Vollzug der Milieuschutzsatzungen mit den entsprechenden Beurteilungen zu Genehmigungen oder Versagung im Bereich der Erhaltungsatzungen nach § 172 Abs. 1 Ziffer 2 BauGB. Weiterhin gehört zu seinen Aufgaben die Mitwirkung an der Erstellung des Mietspiegels. Mietpreisrechtliche Aufgaben ist somit nur ein Teilgebiet der zu erledigenden Aufgaben.

8. Flankierend zu dieser mit eigenem Personal durchgeführten Maßnahme befindet sich das Amt für Stadtplanung und Wohnen, Abteilung Wohnen, in Gesprächen mit der Firma Mietenmonitor. Es ist beabsichtigt, das Start-Up Unternehmen mit einer Szenario-Analyse für den Mietmarkt am Standort Stuttgart zu beauftragen.

Ziel dieser Szenario-Analyse ist es, einen geschärften Blick auf den Stuttgarter Mietmarkt zu erhalten, sowie den personellen und finanziellen Ressourcenaufwand für beide Optionen (Beauftragung eines externen Dienstleisters oder Überprüfung der Inserate mit eigenem Personal) beurteilen zu können.

Insbesondere ist mit dem Ergebnis der Szenario-Analyse abschätzbar, wie viele Onlineinserate durch eine programunterstütze Software mehr überprüft werden können.

Im Anschluss und nach Prüfung des Analyseergebnisses wird dem Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen berichtet.

Die Fachabteilung wird eine Einschätzung abgeben, ob aus ihrer Sicht eine weitere Auftragserteilung sinnvoll erscheint. Der Vorschlag wird dem Ausschuss zur Entscheidung vorgelegt.


Die Fachabteilung hat mit der Stadt Freiburg i.Br. nochmals Kontakt aufgenommen. Es wurde der aktuelle Stand und die Einschätzung des Referats für bezahlbares Wohnen der Stadt Freiburg i. Br. abgefragt. Dabei hat sich die Verwaltung auf einen Bericht der Badischen Zeitung vom 18. Januar 20223 bezogen. Die Antwort liegt Amt 61 vor.

Seit Beginn des Mietmonitorings am 1. Januar 2022 bis einschließlich Januar 2023 wurden durch die Firma Mietenmonitor 270 Verdachtsfälle für nichtmöblierte Mietwohnungen und -häuser übermittelt. Möblierte Wohnungen wurden bislang nicht verfolgt.

Bei 150 verdächtigen Fällen konnte die Adresse eines Ansprechpartners wie beispielsweise Vermieter oder Makler ermittelt werden. Diese 150 Personen wurden von der Stadt Freiburg entsprechend angeschrieben. Eine Rückmeldung erhielt die Stadt Freiburg lediglich in 25 Fällen. Hiervon konnte in den meisten Fällen die Miethöhe gerechtfertigt werden. Gründe hierfür waren häufig mietpreisrelevante Informationen, die nicht im Inserat aufgeführt waren, wie beispielsweise Möblierung. Aufgrund der geringen Rückmeldungen von lediglich 25 Personen konnte die Stadtverwaltung Freiburg keine Angaben dazu machen, wie viele Mieten tatsächlich abgesenkt wurden.

Damit decken sich die Erfahrungen aus Freiburg mit der Einschätzung der Fachverwaltung, die in der Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Wohnen am 22. Juli 2022 vorgetragen wurde.

Aufgrund der Erfahrungen, die die Stadt Freiburg in der Kooperation mit der Firma Mietenmonitor gemacht hat, ist davon auszugehen, dass durch die Beauftragung eines externen Dienstleisters eine deutlich höhere Anzahl an Inseraten geprüft und mehr Verdachtsfälle angeschrieben werden können.

Ob sich daraus eine gesteigerte Effektivität, als durch den bisher durchgeführten hauseigenen Mietencheck, erzielen lässt, bleibt abzuwarten.

Ein signifikanter Einfluss auf die Höhe von Angebotsmieten und auf den Mietmarkt ist von beiden Vorgehensweisen mangels rechtlicher Handhabe nicht zu erwarten. Wir geben zudem zu bedenken, dass etwa 50 % der Mietwohnungen nicht über Online-Portale vermittelt werden.

Eine spürbare Dämpfungswirkung auf den Stuttgarter Wohnungsmarkt lässt sich nicht erzielen. Zudem gilt es sich bewusst zu machen, dass die alleinige Überwachung des Onlinewohnungsmarktes im Vergleich zum gleich großen analogen Markt eine Ungleichbehandlung darstellt.

Bei den Anschreiben handelt es sich in erster Linie um eine Signalwirkung und eine präventive Vorgehensweise, die das Bewusstsein der Vermieter bzgl. der hohen Angebotsmieten schärfen soll.


Der Sachstand kann in einem mündlichen Bericht im Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen am 26. Mai 2023 vorgetragen werden.





Dr. Frank Nopper


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