Beantwortung zur Anfrage
225/2013

Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart, 08/26/2013
Der Oberbürgermeister
GZ: OB 7821-01



Beantwortung zur Anfrage
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
    CDU-Gemeinderatsfraktion
Datum
    05/17/2013
Betreff
    Neun Fragen zum „Erinnerungsort Hotel Silber“
Anlagen
    Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:


Die Landesregierung von SPD und Bündnis 90/GRÜNE hatte im Koalitionsvertrag festgelegt, das Gebäude Dorotheenstraße 10 nicht wie ursprünglich von Land und Landeshauptstadt angedacht in das Projekt „Da Vinci“ zum Abriss einzubringen, sondern zu erhalten und dort einen Erinnerungsort „Hotel Silber“ einzurichten. Die Landeshauptstadt Stuttgart ist seitdem auf der Fachebene des Planungsstabes Stadtmuseum und des Kulturamts gemeinsam mit Vertretern des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst sowie des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft, der Landesarbeitsgemeinschaft Gedenkstätten Baden-Württemberg und dem Verein „Hotel Silber“ (als Vertretung einer Vielfalt von bürgerschaftlichen, in der Thematik einschlägig engagierten Gruppen) in die Erarbeitung einer Konzeption für einen Erinnerungsort Hotel Silber (Dorotheenstraße 10) eingebunden.

Eine Festlegung auf eine Realisierung dieser Konzeption oder Teilen von ihr hat in der Vorbereitungsgruppe auf Seiten des Landes wie auf Seiten der Landeshauptstadt nicht stattgefunden. Die Vorbereitungsgruppe hat ihre bisherige Arbeit so verstanden, unter Einbeziehung des bürgerschaftlichen Engagements „auf Augenhöhe“ den Entscheidern auf der Parlaments- wie auf der Verwaltungsebene bei Land und Landeshauptstadt eine Entscheidungsgrundlage zu geben. Ein Treffen von Herrn OBM Kuhn auf Ministerebene u.a. zum Thema Hotel Silber hat am Montag, 24. Juni 2013, stattgefunden. Am 25. Juli 2013 fand ein Gespräch zwischen Herrn Staatssekretär Walter (MWK), Herrn Ministerialdirigent Leidig (FM) und Frau BMin Dr. Eisenmann zur Entwicklung einer gemeinsamen Position von LHS und Land statt. Ziel war ein sowohl inhaltlich-räumliches als auch finanziell tragfähiges Konzept. Vereinbart wurde eine Nutzung von UG, EG und 1. OG. Diese umfasst nun rund 1000 m² (die bisher avisierte Option mit 2. OG umfasste rund 1.300 m²). Demzufolge wurde auch die finanzielle Obergrenze für die Sach- und Personalkosten auf 500.000 € (statt 800.000 €) angepasst. Inwieweit sich die LHS an Mietkosten beteiligt blieb in diesem Gespräch offen (vgl. Frage IV). Der für 15. Oktober terminierte „Runde Tisch“ wurde aktuell von Seiten des Landes abgesagt.


Auf Seiten des Planungsstabes Stadtmuseum gibt es ein fachliches Interesse an der Existenz eines Erinnerungsortes Hotel Silber, der sich erstmals gezielt den Tätern, der routinemäßigen Organisation von Verfolgung und Terror der NS Diktatur in Württemberg und Stuttgart zuwendet. Der Erinnerungsort ergänzt die geplante Ausstellung im Stadtmuseum. Darüber hinaus ist der Ort „Hotel Silber“ mit seiner Nutzungskontinuität als Dienstsitz einer Polizeibehörde in der Weimarer Republik, im Dritten Reich und in der Nachkriegszeit bis in die Zeit des neuen Bundeslandes historisch im Bundesgebiet einzigartig. Das in Sichtweite der Dorotheenstraße 10 entstehende Stadtmuseum Stuttgart sollte aber Ort von thematisch einschlägigen Wechselausstellungen, Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen sein bzw. – wo immer räumlich möglich und thematisch sinnvoll – auch das Haus der Geschichte Baden-Württem-berg. Aus Sicht der Landeshauptstadt wäre es kontraproduktiv für das künftige Stadtmuseum und finanziell unverantwortlich, in räumlich engem Bezug zwischen Wilhelmspalais und Dorotheenstraße 10 im Erinnerungsort Hotel Silber eine räumliche, technische und personelle Infrastruktur für Wechselausstellungen vorzuhalten, die als integraler und unverzichtbarer Bestandteil des Stadtmuseum Stuttgart gleichzeitig auch im Wilhelmspalais geschaffen wird.

Über die angefragten Organisations- und Finanzstrukturen hinaus werden im Folgenden auch die Genese und die Tätigkeitsfelder der Institutionen zusammenfassend beschrieben, so dass die angefragten Informationen in einem erläuternden Kontext stehen
zu Frage 1:

Berlin:

Stiftung Topographie des Terrors

Seit 1987 entstand als Projekt die provisorische Freiluft-Dauerausstellung zur Dokumentation und Aufarbeitung des NS Terrors auf dem im Krieg zerstörten Areal des ehemaligen Hotel Prinz Albrecht in der Prinz-Albrecht-Straße 9, seit 1934 Dienstsitz des Reichsführers SS. Seit 2010 ist der Neubau mit Dauerausstellung „Topographie des Terrors. Gestapo, SS und Reichssicherheitshauptamt in der Wilhelm- und Prinz-Albrecht-Straße” mit 800 m² zugänglich: 2012 wurden über 900.000 Besucher/-innen durch Führungen, Vorträge, Projekttage erreicht.

Die Stiftung Topographie des Terrors ist eine Stiftung des öffentlichen Rechts des Landes Berlin wird je hälftig von Bund und Land mit insgesamt etwas über 3 Mio. € finanziert. Hinzu treten Drittmittel / Spenden für spezielle Projekte und Sonderausstellungen. 20 Stellen mit 20 hauptamtlichen Mitarbeiter/-innen (mit einem hauptamtlichen Leiter Pädagogik) sowie ca. 25 Mitarbeiter/-innen auf Honorarbasis. Die Stiftung Topographie des Terrors nimmt im Bereich nationale und internationale Gedenkstätten umfassende Beratungs- und Koordinierungsaufgaben wahr. Innerhalb der Bundesrepublik ist das Gedenkstättenreferat der Stiftung die zentrale Koordinierungsstelle für Gedenkstätten und Gedenkstätten-Initiativen und fördert zunehmend auch die internationale Zusammenarbeit.

Insbesondere die in Kooperation mit anderen Trägern zweimal jährlich stattfindenden bundesweiten Gedenkstättenseminare dienen dem Informations- und Erfahrungsaustausch, der Weiterbildung und der Zusammenarbeit. Daneben werden zu speziellen Themen der NS-Zeit sowie zu aktuellen Fragen der Gedenkstättenarbeit und Erinnerungskultur Fachseminare und Fachtagungen angeboten. Hinzu kommt die regelmäßige Organisation internationaler Seminare und Symposien, die in Kooperation mit Gedenkstätten und einschlägigen Einrichtungen anderer Länder durchgeführt werden.

Dem Gedenkstättenreferat obliegt die Geschäftsführung der Arbeitsgemeinschaft KZ-Gedenkstätten in Deutschland. Außerdem organisiert es die regelmäßig tagenden Arbeitsgruppen der Gedenkstättenpädagogik und der Gedenkstättenbibliotheken.

Hamburg:

GESTAPO-Sitz in Hamburg

Das Hamburger Stadthaus, ehemaliger Sitz der GESTAPO in Hamburg wurde an einen Investor verkauft. Im Kaufvertrag mit der Freien und Hansestadt Hamburg ist verbindlich geregelt, dass der Investor auf ca. 700 qm für eine Dokumentation zur Nutzung des Gebäudes durch die GESTAPO Sorge zu tragen hat. Inhaltlich wird der Investor dabei von der KZ Gedenkstätte Neuengamme unterstützt.

Informations- und Dokumentationszentrum Hannoverscher Bahnhof

20 Deportationstransporte in den Jahren 1940 bis 1945 prägen heute das Erinnern an den ehemaligen Hannoverschen Bahnhof. Denn mit ihnen wurden 7692 Juden, Roma und Sinti aus Hamburg und Norddeutschland in die Ghettos und Vernichtungslager Ost- und Mitteleuropas verschleppt – für die allermeisten ein Weg in den Tod. 2004 legten die Wissenschaftler Dr. Linde Apel und Dr. Frank Bajohr, beide Forschungsstelle für Zeitgeschichte (Hamburg), die erste umfassende Studie zum Thema „Die Deportationen von Juden sowie Sinti und Roma vom Hannoverschen Bahnhof in Hamburg 1940-1945" der Kulturbehörde vor. Im Frühjahr 2008 schrieben die Regierungsparteien im Rahmen der Koalitionsverhandlungen die Entwicklung einer Gedenkstätte am ehemaligen Hannoverschen Bahnhof im Koalitionsvertrag fest. Aus einer Ausstellungsinitiative des Stadtarchivs 1981 getragen von Landesmitteln entstanden Veranstaltungen etc., ab 1999 erfolgte die erste Projektmittelförderung des Bundes, die seit 2009 institutionell gesichert ist: Ca. 2,1 Mio. € Mittel des Landeshaushalts, 725.000 € institutionelle Bundesförderung sowie Spenden und Drittmittel. Gesamtetat bei etwa 3 Mio. €. Heute ist die Gedenkstätte eine Einrichtung der Kulturbehörde des Stadtstaates Hamburg mit einem Sonderstatus im Unterschied zu „klassischen“ Abteilungen der Behörde. 36 festangestellte Mitarbeiter/-innen auf 26,7 Stellen, 15 studentische Hilfskräfte und 30 freie Mitarbeiter/-innen.

Köln:

NS-Dokumentationszentrum EL-DE Haus

Das Gebäude wurde im Auftrag des Kölner Gold- und Uhrengroßhändlers Leopold Dahmen 1934/35 am Appellhofplatz erbaut. Nach einem Baustillstand im Sommer 1935 wurde es noch im Rohbau von der Kölner Gestapo beschlagnahmt, aber nicht enteignet.

Am 1. Dezember 1935 bezog die Gestapo als Mieter das Haus und ließ im Keller des Hauses durch Häftlinge zehn Zellen bauen, die mit eisernen Pritschen ausgestattet wurden, dazu kleine Wachräume, sowie nischenartige Wasch- und Toilettenräume. Ein unterirdischer Gang verband die Gestapo-Zentrale mit dem daneben gelegenen Justizgebäude am Appellhofplatz. Die Zellen dienten ursprünglich zur Unterbringung der Verhafteten während der Dauer der Verhöre. Später stellte sich anhand von Wandinschriften der Häftlinge heraus, dass diese dort mehrere Wochen und Monate verbringen mussten.

Das Haus blieb während des Krieges weitgehend von Bomben verschont. Es wurde nach dem Krieg von städtischen Dienststellen bezogen. 1947 bis 1949 wurde das Haus umgebaut und Nachbarhäuser integriert. 1979 wurden Forderungen laut, das Haus zu einem Dokumentationszentrum zu machen. Im selben Jahr beschloss der Rat der Stadt Köln die Einrichtung einer Dokumentationsstelle.

Um auch den Keller ins öffentliche Licht zu rücken, ließen sich der Fotograf Gernot Huber und der Lehrer Kurt Holl unbemerkt über Nacht in den Keller einschließen. Sie fotografierten und dokumentierten die Wandinschriften und den Zellentrakt, der von den Dienststellen im Gebäude als Akten- und Abstellkammer genutzt wurde. Durch das lautstarke Echo in der Öffentlichkeit führte ein weiterer Beschluss der Stadt dazu, dass die Stadt den Keller und die Inschriften restaurieren ließ und anschließend der Keller 1981 als Gedenkstätte eingerichtet wurde.

Ausgehend von der Gedenkstätte im Keller, ist das Haus vor allem ein Dokumentations- und Forschungszentrum, das ein Museum enthält und eine Bibliothek als Lern- und Bildungsort.

Im Museum ist die Dauerausstellung Köln im Nationalsozialismus zu besichtigen. Die Bibliothek soll vor allem Schüler und Jugendliche ansprechen und darüber hinaus werden Projekte der Schüler gefördert. Eine weitere Aufgabe des Zentrums ist die Sammlung von Zeitzeugenberichten, Fotos und Aktenschriftstücken aus der Zeit des Nationalsozialismus. Eine Datenbank Erlebte Geschichte ist im Internet abrufbar.

Das Dokumentationszentrum wurde durch Anmietung weiterer Räumlichkeiten im Laufe des Jahres 2012 erweitert. Das EL-DE-Haus, in dem sich neben dem Dokumentationszentrum auch Büros der Kölner Stadtverwaltung befinden, ist im Eigentum der Nachkommen Leopold Dahmens.

Münster:

Geschichtsort Villa ten Hompel

Die Villa wurde ab 1924 vom münsteraner Industriellen Rudolf ten Hompel gebaut. In der Weltwirtschaftskrise brach ten Hompels Zementimperium, 1939 ging die Villa schließlich in den Besitz des Reichsfiskus über.

Ab April 1940 übernahm die Ordnungspolizei die Villa als Hauptquartier für den Wehrbezirk VI, der das ganze heutige Nordrhein-Westfalen mitsamt der Region um Osnabrück und Teilen Belgiens umfasste. Während des Krieges wurden aus der Villa ten Hompel über 20 Polizei-Bataillone in das besetzte Europa geschickt, auch wurden Wachmannschaften für Deportationen und Aufsichtspersonal für Arbeitserziehungslager organisiert, außerdem wurden Fremdarbeiter und Kriegsgefangene dort überwacht. Von dort hatte der Befehlshaber der Ordnungspolizei (BdO) Befehlsgewalt über fast 200.000 Mann.

Nach dem Zweiten Weltkrieg diente die Villa ten Hompel als Hauptsitz für die Landespolizei sowie 1946 auch der Kriminalpolizei. Bis 1965 war außerdem die Wasserschutzpolizei bzw. ihre Personalstelle hier stationiert. Ab 1954 war das Dezernat für Wiedergutmachung der Bezirksregierung in der Villa ansässig. Als solches war es dafür verantwortlich, Entschädigungszahlungen an Opfer des Nationalsozialismus und deren Hinterbliebene zu leisten. Ende der 1990er kaufte die Stadt Münster die Villa, um hier eine Gedenkstätte einzurichten, die sich dem Polizei- und Verwaltungshandeln widmete. Diese wurde am 13. Dezember 1999 eröffnet. Seit 2005 sind im Geschichtsort die beiden Dauerausstellungen „I.m A.uftrag“ und „Wiedergutmachung als Auftrag“ zu sehen, die sich um die Themen Kriegsverbrechen im Nationalsozialismus, Entschädigung für NS-Unrecht, Polizei- und Behördengeschichte drehen. 2005 wurde die erste Ausstellung zur Geschichte der uniformierten Polizei im Nationalsozialismus auf europäischer Museumsebene mit einer Auszeichnung prämiert.Die Villa arbeitet in der Seminar- und Bildungsarbeit eng mit der Universität, Schulen und der Polizei zusammen. Außerdem befinden sich hier eine Bibliothek und ein Archiv. Seit Oktober 2008 ist die Stadt Münster Trägerin eines von fünf Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus in NRW. die „Mobile Beratung im Regierungsbezirk Münster – Gegen Rechtsextremismus, für Demokratie“ ist dem Geschichtsort Villa ten Hompel angegliedert.

Die Finanzierung von jährlich 450.000 € wird im Haushalt der Stadt Münster aufgebracht (Personal- und Sachmittel). Als freie Mittel stehen davon 80.000 € zur Verfügung. Durch Projektanträge konnten 2011 und 2012 über 2 Millionen € eingeworben werden. Davon werden 1 Mio. € (Bund, LpB NRW, Sparkasse Münsterland-Ost, Förderverein) für die neue Dauerausstellung verwendet (ab 2015). 2012 konnten 25.000 Besucher erreicht werden, fanden 450 Veranstaltungen (darunter 181 Besuche von Schulklassen: „Lernen an authentischen Orten“) statt. Die Arbeit am Geschichtsort unter dem Leitgedanken „Wissen – Orientierung - Reflexion“ ist nur möglich durch die Unterstützung der 5 hauptamtlichen Mitarbeiter (auf 3.75 Stellen) durch zahlreiche Ehrenamtliche und Praktikanten.

Nürnberg:

Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände

Entstehung 1999-2001. Drittelfinanzierung Baukosten von 18 Mio. € durch Bund, Freistaat Bayern und Stadt Nürnberg. Stadt Nürnberg konnte zur Finanzierung ihres Drittels Zuschüsse des Bezirks Mittelfranken und Sponsorenbeiträge (Nürnberger Verlagshaus) einbeziehen.

Wichtigste Voraussetzung für das schnelle Zustandekommen der Finanzierung war die Zusage der Stadt Nürnberg, eventuelle Mehrkosten beim Bau zu tragen und die Betriebskosten vollständig zu übernehmen. Für besondere Projekte wie Symposien, Ausstellungen kann es zu Kooperationen mit finanzieller Beteiligung (z.B. durch die Landesstelle für nichtstaatliche Museen oder die Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit) kommen. Das Dokumentationszentrum (2001) und das Memorium Nürnberger Prozesse (2010) sind städtische Einrichtungen im Verbund der Museen der Stadt Nürnberg (dem Kulturreferat unterstellt). Die Mitarbeiter sind städtische Mitarbeiter. Das Haus handelt eigenverantwortlich. Als „Kontrollgremium“ wirkt das seit Projektbeginn bestehende Kuratorium, welches sich aus hochrangigen Vertreter/-innen des öffentlichen Lebens zusammensetzt (Ministerpräsident und
Finanzminister des Freistaats Bayern, Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg, Beauftragter für Kultur und Medien des Freistaats Bayern sowie Vertreter der drei großen Glaubensgemeinschaften)

München:

NS-Dokumentationszentrum

Voraussichtlich 2014 wird am Königsplatz auf dem Gelände des ehemaligen „Braunen Hauses“ (Parteizentrale der NSDAP) das NS-Dokumentationszentrum München eröffnet. Es wird ein Lernort zur NS-Geschichte Münchens, zu den Folgen und Nachwirkungen der NS-Zeit.

Ein sechsstöckiger Würfel wird den Ort der Täter markieren. Er wird im Kontrast zur damaligen Bebauung und zu den Gebäuden in der Nachbarschaft, die aus der NS-Zeit stammen, stehen. Mit seiner selbstbewussten Situierung veranschaulicht der Neubau den Bruch mit der Geschichte. Großzügige, über zwei Stockwerke reichende Fenster bieten vielfältige Sichtbezüge.

Die Ausstellungskonzeption bezieht die Umgebung des Hauses ein, die ein wichtiger Zugang zur Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ist: Der benachbarte Königsplatz spielte als Aufmarschgelände in der NS-Propaganda eine wesentliche Rolle.

Der „Führerbau“ – die heutige Musikhochschule direkt neben dem Baugrund des Dokumentationszentrums – diente Hitler als Repräsentationsgebäude. Zahlreiche Parteidienststellen und NS-Organisationen in über fünfzig weiteren Gebäuden waren in unmittelbarer Nähe angesiedelt.

Am 6. Juni 2009 wurde eine Verwaltungsvereinbarung unterzeichnet zwischen Bund, Freistaat und Landeshauptstadt. Die drei Kooperationspartner tragen die Kosten in Höhe von 28,2 Mio. € für das Bauprojekt zu gleichen Teilen. Das Grundstück wurde der Landeshauptstadt vom Freistaat überlassen. Die Stadt München trägt die Projekt- und Vorbereitungskosten wie auch die Kosten für den baulichen Unterhalt sowie den Betrieb alleine (die Höhe ist noch nicht bekannt). Ein Betriebskonzept für die Jahre 2014 und 2015 ist aktuell in Vorbereitung. Die Realisierung des NS-Dokumentationszentrums wurde von zahlreichen Initiativen und anhaltendem bürgerschaftlichen Engagement getragen.

zu Frage 2:

Träger der Gedenkstätten
Die kommunale Beteiligung an den Gedenkstätten im Land Baden-Württem-berg ist von Ort zu Ort unterschiedlich. Es gibt keine generelle Regelung für die finanzielle Unterstützung des weithin ehrenamtlichen Engagements an den Gedenkstätten seitens der Städte und Gemeinden. Dies liegt an der unterschiedlichen Vor- und Gründungsgeschichte der Lern- und Gedenkorte. Auch aus anderen Gründen gestaltet sich der kommunale Beitrag sowohl in seiner Höhe als auch in seiner Art sehr unterschiedlich. Bisher hab es kein Bestreben, die kommunalen Zuwendungen in Baden-Württemberg zu vereinheitlichen.

In jüngster Zeit ist der Vorschlag aufgekommen, eine freiwillige Umlage einzuführen, an der sich alle Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg mit jeweils 10 Cent pro Einwohner beteiligen. Das Geld, so der Vorschlag solle an einen Gedenkstättenfond beim Städte- und Gemeindetag überwiesen werden und den Gedenkstätten zu gute kommen. Von den 62 Gedenkstätten und musealen Erinnerungsorten im Verzeichnis „Gedenkstätten in Baden-Württemberg“, die an die NS-Zeit erinnern, Einige Gedenkstätten bzw. museale Erinnerungsorte werden über andere Quellen mitfinanziert Auch bei den Gedenkstätten, die in der nächsten erweiterten Auflage der Broschüre „Gedenkstätten in Baden-Württemberg“ verzeichnet sein werden, gestalten sich Trägerschaft und Finanzierung unterschiedlich.

Beispiele für kommunale Unterstützung
Der LpB liegt kein systematischer Überblick über die kommunale Förderung der Gedenkstätten in Baden-Württemberg vor. Für die Bewilligung der Anträge aus Landesmitteln ist ein solcher Überblick nicht erforderlich (siehe unter Punkt 3). Es liegen aber Informationen über die unterschiedlichen Arten kommunaler Förderung vor – von den beiden großen Gedenkstätten Ulm und Grafeneck und von weiteren Gedenkstätten:

Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg Ulm e.V. – KZ-Gedenk-stätte (DZOK)
Von November 1933 bis Juli 1935 befand sich im Fort Oberer Kuhberg (erbaut um 1850 als Teil der Bundesfestung Ulm) ein frühes nationalsozialistisches Konzentrationslager des Landes Württemberg. Dort waren mehr als 600 Regimegegner inhaftiert, unter ihnen der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Kurt Schumacher. Die Funktion des Lagers war es, die politischen und weltanschaulichen Gegner durch Terror in ihren Überzeugungen und ihrer Persönlichkeit zu brechen und die übrige Bevölkerung einzuschüchtern.

Unter den reichsweit etwa 80 frühen Konzentrationslagern ist es das einzige in Südwestdeutschland, das in Gelände und Gebäude noch erhalten ist. Der Obere Kuhberg steht exemplarisch für den Übergang von der Demokratie zur NS-Diktatur und für die Anfänge des KZ-Systems.. Ehemalige Häftlinge und engagierte Bürgerinnen und Bürger setzten sich über Jahrzehnte für die Gründung einer Gedenkstätte am authentischen Ort ein. Zu besichtigen sind heute u. a. die unterirdischen Häftlingsunterkünfte und Sonderhaftzellen, die Räume der KZ-Verwaltung sowie eine Dauerausstellung zur Geschichte des Ulmer KZ. Besuchergruppen werden nach Absprache individuell betreut; für Schulklassen stehen verschiedene Lernangebote zur Verfügung. Als Forschungs-, Lern- und Bildungsort mit Archiv und Bibliothek ist das DZOK ein Zentrum kritischer Information zu zeithistorischen und aktuellen Themen sowie Stätte zivilgesellschaftlicher Diskussion. Jahreshaushalt: 200.000 – 250.000 Euro
Gedenkstätte Grafeneck für die Opfer der NS-Euthanasie in
Südwestdeutschland / Dokumentationszentrum

Die Gedenkstätte Grafeneck ist eine von sechs „Euthanasie“-Gedenkstätten in Deutschland und Österreich. Sie existiert seit 1990. Historische Bedeutung: Im Jahr 1940 wurden in Grafeneck 10.654 Menschen ermordet. Unter den Opfern waren Frauen, Männer und Kinder. Sie stammten aus dem gesamten heutigen Bundesland Baden-Württemberg, aber auch aus Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Allein aus der Landeshauptstadt Stuttgart wurden über 500 Einwohner ermordet.

Funktionen und Kernaufgaben Träger der Gedenkstättenarbeit Personal Jahreshaushalt und öffentliche Förderung

Besucher und Besuchergruppen

1990er Jahre: ca. 30 Besuchergruppen / 2.000 Besucher –

2012/2013: ca. 500 Besuchergruppen

Veranstaltungen pro Jahr (2012)

KZ-Gedenkstätte Neckarelz e.V.



Freundeskreis Ehemalige Synagoge Sulzburg
Jüdisches Museum Emmendingen
KZ-Gedenkstätte Vaihingen Enz
Georg Elser Gedenkstätte Königsbronn
KZ-Gedenkstätten Bisingen


KZ-Gedenkstätte Mannheim Sandhofen
Vergabe der Landesmittel
Bei der Bewilligung von Projektanträgen hat die Höhe oder auch die Art und Weise der kommunalen Unterstützung keine vorrangige Rolle. Entscheidend ist hingegen, dass Mittel aus anderen Quellen vorliegen. Die Landesmittel zur Gedenkstättenförderung werden nachrangig vergeben, d.h. Eigen- bzw. Drittmittel müssen in das Projekt einfließen. Andernfalls fördert das Land nicht. Eine Ausnahme besteht nur für Projektanträge für pädagogische Maßnahmen.

Zu Frage 3:

Die Realisierung eines „Erinnerungsortes Hotel Silber“ – unabhängig von konzeptionellen Details und dem tatsächlichen Umfang der Realisierung – ist aus Sicht der Landesregierung abhängig von einer Vereinbarung mit der Landeshauptstadt über die grundsätzliche Teilung der Kosten (mit Ausnahme des Umbaus der benötigten Gebäudeteile da im Besitz der Landesstiftung Baden-Württemberg).

In einem zweiten Schritt ist auf der Basis der Einigung von Land und Landeshauptstadt über die Grundkonzeption (in der Hauptsache mit oder ohne Wechselausstellungen) der Kostenrahmen festzulegen. Die städtische Beteiligung an einem Erinnerungsort Hotel Silber wäre durch einen Grundsatzbeschluss des Gemeinderats vorzunehmen, der auch den städtischen Anteil an den Kosten des Projekts umfasst.

Sofern dies noch während der Beratungen zum Doppelhaushalt 2014/2015 der LHS erfolgt, könnten entsprechende Mittel in den Entwurf des Haushaltsplans aufgenommen werden. Das wäre wiederum für das Land ein Signal, seinen Beitrag am dann gemeinsamen Projekt zu erbringen und die erforderlichen Mittel in einen Nachtragshaushalt aufzunehmen. Sollte der Landtag dieses Projekt im Rahmen eines Nachtragshaushalts beschließen, könnte die Landesbauverwaltung den Umbau planen und die Umsetzung der Planung veranlassen.

Realistischer Weise ist mit einer Eröffnung des „Erinnerungsortes Hotel Silber“ frühestens Ende 2016, eher 2017 zu rechnen. Eine schrittweise Umsetzung des Erinnerungsortes ohne Wechselausstellungsflächen ist unter Nutzungs- wie Kostenaspekten nicht sinnvoll. Eine Umsetzung in zwei Schritten wäre denkbar in Hinblick auf einen Wechselausstellungsbereich, der aber aus Sicht der Landeshauptstadt nicht wünschenswert ist.

zu Frage 4:

Der konzeptionelle Rahmen ist vom Haus der Geschichte formuliert und öffentlich einsehbar (Anlage 1). In dem Papier "Was braucht der Erinnerungsort Hotel Silber" (als Anlage 2 beigefügt) wurden die räumlichen und personellen Überlegungen formuliert. Das Papier benennt das aus fachlicher Sicht wünschenswerte Personal. Vom Haus der Geschichte wurde dies bereits von 5,5 auf 4,5 Stellen reduziert mit einem Kostenumfang von ca. 335.000 €:

Am 25. Juli 2013 fand ein Gespräch zwischen Herrn Staatssekretär Walter (MWK), Herrn Ministerialdirigent Leidig (FM) und Frau BMin Dr. Eisenmann zur Entwicklung einer gemeinsamen Position von LHS und Land statt. Ziel war ein sowohl inhaltlich-räumliches als auch finanziell tragfähiges Konzept. Vereinbart wurde eine Nutzung von UG, EG und 1. OG. Diese umfasst nun rund 1000 m² (die bisher avisierte Option mit 2. OG umfasste rund 1.300 m²). Demzufolge wurde auch die finanzielle Obergrenze für die Sach- und Personalkosten auf 500.000 € (statt 800.000 €) angepasst. Inwieweit sich die LHS an Mietkosten beteiligt blieb in diesem Gespräch offen (vgl. Frage IV).

zu Frage 5:

Die Kosten für den Umbau innerhalb der Immobilie „Dorotheenstraße 10“ übernimmt das Land. Je nach konzeptionellen Erfordernissen können bis zu fünf Millionen EUR anfallen. Die Kosten der Ersteinrichtung und der Dauerausstellung sollen nach Wunsch des Landes hälftig zwischen Land und Landeshauptstadt geteilt werden. Auf der Basis der vom Haus der Geschichte vorgelegten Rahmenkonzeption können bis zu 3 Millionen EUR anfallen.

Die Kosten für die Teilnutzung der im Besitz der Landesstiftung Baden-Württemberg befindlichen Immobilie „Dorotheenstraße 10“ sollen auf der Basis einer marktüblichen Miete (zu deren Erhebung aus stiftungsrechtlichen Gründen die Landesstiftung Baden-Württemberg gezwungen ist) – geschätzt aktuell etwa 200.000 €/Jahr – sollen sich nach Wunsch des Landes hälftig Landeshauptstadt und Land teilen. Betriebs- und Personalkosten sollen nach Wunsch des Landes ebenfalls hälftig geteilt werden. Auf der Basis der vom Haus der Geschichte vorgelegten Rahmenkonzeption können bis zu 800.000 € / Jahr (ohne Sonderausstellungen) anfallen. Nach dem Gespräch zwischen Land und Stadt am 25. Juli 2013 sollen diese Kosten auf 500.000 € reduziert werden.

zu Frage 6:

Als Entscheidungsgremium soll ein Verwaltungsrat eingerichtet werden, dem Land (Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst), Landeshauptstadt (Referat KBS), Landesarbeitsgemeinschaft Gedenkstätten Baden-Württem-berg sowie Verein Hotel Silber angehören. Die Vertreter des Landes wie der Landeshauptstadt erhalten wegen Haushaltsvorbehalt Vetorecht. Die operative Ebene wird durch ein Gremium „Programmplanung“ repräsentiert, in dem Haus der Geschichte, Planungsstab Stadtmuseum, Landesarbeitsgemeinschaft Gedenkstätten sowie Verein Hotel Silber vertreten sind. Das Gremium entscheidet innerhalb des vom Verwaltungsrat definierten Rahmens. Beratend wirken ein noch zu bildender Wissenschaftlicher Beirat sowie der bereits konstituierte und „Runde Tisch“ (2 Sitzungen bislang). Diesen beiden Gremien wird im Rahmen von Sitzungen (denkbar 1 x im Jahr) berichtet.

zu Frage 7:

Für die personellen Aspekte wird auf die Beantwortung der Frage 4 verwiesen. Die räumlichen Voraussetzungen (zentraler Saal, Gruppenarbeit, Sanitäreinrichtungen etc.) müssen durch Umbau geschaffen werden. Auf die baurechtlichen Konsequenzen (wie z.B. zweiter Fluchtweg) wird in der Beantwortung der Frage 9 eingegangen.

zu Frage 8:

Ein Wechselausstellungsbetrieb im „Erinnerungsort Hotel Silber“ sollte unter Verweis auf die Potentiale des Stadtmuseums im Wilhelmspalais bei der abschließenden vertraglichen Regelung zum gemeinsamen Betrieb des Erinnerungsort Hotel Silber zwischen Land und Landeshauptstadt ausgeschlossen und die Kooperation des Erinnerungsortes mit dem Stadtmuseum Stuttgart bei Trägerschaft durch das Haus der Geschichte festgeschrieben werden.

Da das Land (Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst für die nachgeordnete Institution Haus der Geschichte) sowie die Stadt (Referat KBS für das Stadtmuseum Stuttgart) im Verwaltungsrat des „Erinnerungsortes Hotel Silber“ zwar gemeinsam mit der Landesarbeitsgemeinschaft Gedenkstätten Baden Württemberg und dem Verein Hotel Silber aber mit Vetorecht wegen Haushaltsvorbehaltes entscheiden und zudem bei der Programmplanung auf der Ebene „Haus der Geschichte“ und „Stadtmuseum Stuttgart“ auf das Engste zusammen arbeiten, ist die Wahrung der Interessen des Stadtmuseums Stuttgart sichergestellt.

zu Frage 9:

Die vom Haus der Geschichte vorgelegte Rahmenkonzeption, die Grundlage der öffentlichen Erörterung geworden ist, sieht die Umwandlung der Hälfte eines bislang ausschließlich durch Büronutzung definierten Gebäudes in ein Museum auch mit Ausstellungs-, Vortrags- und Aufenthaltsflächen vor. Diese Nutzungsänderung bedarf einer eingehenden Prüfung im Rahmen eines baurechtlichen Genehmigungsverfahrens, in dem die brandschutzrechtlichen Anforderungen festgelegt werden. Da das Gebäude bislang von einem in der Mitte befindlichen Treppenhaus aus erschlossen wird, kann dies unter Umständen einen zweiten baulichen Fluchtweg erforderlich machen. Die Sicherstellung der Umsetzung erfolgt im Rahmen der baurechtlichen Abnahmen.

Fritz Kuhn

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Was braucht der Erinnergsort H.S., Anforderungsprofil HdG und Verein H.S..pdf