Stellungnahme zum Antrag
391/2012
Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart,
01/24/2013
Der Oberbürgermeister
GZ:
6050-00.00
Stellungnahme zum Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
SÖS und LINKE Fraktionsgemeinschaft
Datum
11/16/2012
Betreff
Vorrang für Beschäftigung bei der Stadt und Regeln für Fremdvergabe
Anlagen
Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:
Vorbemerkung (Hinweis auf die aktuelle Rechtsentwicklung)
Die grün-rote Landesregierung hat am 27.11.2012 einen Gesetzesentwurf beschlossen, der das Vergabeverhalten von öffentlichen Auftraggebern steuern soll. Mit dem Tariftreue- und Mindestlohngesetz für öffentliche Aufträge in Baden-Württemberg (LTMG) sollen öffentliche Auftraggeber, die in Baden-Württemberg öffentliche Aufträge vergeben, verpflichtet werden, zu garantieren, dass öffentliche Aufträge an Auftragnehmer vergeben werden, die ihren Beschäftigten den für ihren Wirtschaftszweig geltenden Tariflohn – und in Bereichen, in denen eine Tariftreuepflicht nicht existiert oder falls dies für die Beschäftigten zu ungünstigeren Entgelten führen würde, den Mindestlohn von 8,50 €/Stunde – bezahlen.
Durch Tariftreueregelungen soll demnach eine Bindung an die nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz und dem Mindestarbeitsbedingungsgesetz fixierten Löhne sicher gestellt werden. Auch Sub- und Verleihunternehmen sollen diesen Regelungen unterworfen werden.
Sollte das Gesetz – wie im Entwurf vorgesehen – so auch vom Landtag verabschiedet werden, haben die öffentlichen Auftraggeber – d.h. die Landeshauptstadt Stuttgart (LHS) – ein Auskunfts- und Prüfrecht gegenüber den Auftragnehmern. Die LHS wäre dann in der Lage, die Einhaltung der Vorgaben durch ihre Vertragspartner anhand von anlass- und stichprobenbezogenen Prüfungen auf Grundlage der von den Unternehmen vorzulegenden Unterlagen sicherzustellen. Dies bezieht sich auch auf Sub- oder Verleihunternehmen. Sollten hierbei Verstöße festgestellt werden, kann dies zu empfindlichen Vertragsstrafen führen.
Der von der Landesregierung bereits verabschiedete Gesetzesentwurf befindet sich derzeit im Beratungsstadium. Am 19.12.2012 findet die erste Beratung im Landtag statt. Es ist zu erwarten, dass dieses Gesetz in Kürze in Kraft treten wird. Da Eingriffe in die Rechte der privaten Auftragnehmer grundsätzlich einer gesetzlichen Grundlage bedürfen, ist hier noch die weitere rechtliche Entwicklung abzuwarten.
A) Vorrang von regulären Beschäftigungsverhältnissen bei der Stadt
Die LHS ist als kommunaler Arbeitgeber an ihren Stellenplan gebunden. Eine Stellenmehrung zur Schaffung zusätzlicher regulärer Beschäftigungsverhältnisse bei der Stadt müsste im Haushaltsverfahren über den Gemeinderat erfolgen.
Gemäß dem Haushaltsrecht ist die LHS nach § 77 Gemeindeordnung Baden-Württemberg (GemO) außerdem verpflichtet, die vorhandenen, Ressourcen und Steuermittel möglichst sparsam und wirtschaftlich einzusetzen. Dies heißt, dass Fremdvergaben grundsätzlich immer dann in Betracht zu ziehen sind, wenn die Leistung von Dritten wirtschaftlicher erstellt werden kann als die Eigenleistung (d.h. die Erbringung durch Mitarbeiter der Stadt). Dies ist der Fall, wenn die Leistung von Dritten bei gleicher Qualität günstiger erbracht wird oder aber bei gleichen Kosten zu besserer Qualität.
Darüber hinaus können Fremdvergaben in Betracht kommen, wenn es sich um eine Sonderaufgabe von begrenzter Dauer handelt, bei Arbeitsspitzen, die mit den vorhandenen Personalressourcen nicht selbst bewältigt werden können, oder wenn die Erledigung der Aufgabe eine besondere Qualifikation verlangt, die bei der LHS nicht vorgehalten werden kann.
Hierbei ist jeweils eine Prüfung im Einzelfall vorzunehmen. Die Entscheidung, ob Eigenleistung oder Fremdvergabe vorzunehmen ist, entzieht sich demnach einer pauschalen Beurteilung. Zuständig für diese Prüfung ist die jeweils für die Sachentscheidung zuständige Fachabteilung. In die Beurteilung, ob eine Fremdvergabe wirtschaftlicher ist als die Eigenleistung, ist mit einzubeziehen, welcher Verwaltungs- und Steuerungsaufwand mit dem Vergabe- und Überwachungsprozess verbunden ist.
B) Vergabe von Dienstleistungen
1. Das Amt oder der Eigenbetrieb, in dem Leistungen zur Aufgabenerfüllung benötigt werden, ermittelt den Bedarf in eigener Verantwortung. Das Amt oder der Eigenbetrieb prüft bei der Bedarfsermittlung, ob die benötigte Leistung besser selbst erbracht, oder ob sie nicht kostengünstiger als Marktleistung eingekauft werden kann.
Die Beantwortung der Frage nach Eigenleistung oder Fremdvergabe bedarf einer umfassenden Kosten-Nutzen-Analyse für die – wie unter A) beschrieben – das jeweilige Fachamt zuständig ist.
Soweit die Vergabeentscheidung in den Zuständigkeitsbereich gemeinderätlicher Gremien fällt, sollte bei der Grundsatzentscheidung eine genaue Darstellung bezüglich der unter A) dargestellten Prüfung erfolgen. Bei einer erneuten Vergabeentscheidung in derselben Sache wäre dann zu berichten, ob die bei der Prognose unterstellten Erwartungen hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit eingetreten sind. Dies soll durch ein Rundschreiben den Ämtern und Eigenbetrieben verbindlich vorgegeben werden.
2. Das Aufstellen zusätzlicher Kriterien, die über eine Einhaltung des geltenden Tarifrechts hinausgehen, halten wir nicht für sinnvoll. In die unternehmerische Freiheit der Bieter sollte schon aus Gründen der optimalen Wirtschaftlichkeit der Angebote nicht zu stark eingegriffen werden. Im Regelfall kann auch nicht zuverlässig prognostiziert werden, welche Auswirkungen eine Fremdvergabe durch die LHS auf die Beschäftigungssituation der mit der Durchführung des Auftrages befassten Arbeitnehmer hat.
3. Die Prüfung der Einhaltung der Pflichten eines Auftragnehmers nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) obliegt grundsätzlich den Behörden der Zollverwaltung. Sie verfügen über die erforderlichen weitreichenden hoheitlichen Kompetenzen und auch über das hierfür erforderliche Personal, um vor Ort entsprechende Kontrollen durchzuführen (s. § 16 AEntG).
Wie im Antrag dargestellt, handelt ordnungswidrig, wer Werk- oder Dienstleistungen in erheblichem Umfang ausführen lässt, indem er ein Unternehmen beauftragt, von dem er weiß oder fahrlässig nicht weiß, dass dieser bei Erfüllung des Auftrags nicht den durch Rechtsverordnung festgelegten Mindestlohn zahlt. „Wissen“ meint tatsächlich (positive) Kenntnis und „fahrlässiges Nichtwissen“ liegt vor, bei außer Acht lassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt.
Ein Haftungsgrund für die Stadt kann somit gegeben sein, wenn der vereinbarte Preis erkennen lässt, dass er nicht zur Zahlung des Tariflohns und der gesetzlichen Abgaben ausreicht. Ein zu niedriger Stundenverrechnungssatz könnte Indiz für Zahlungen abweichend von Mindestlohn und Rahmentarifvertrag sein. Die Vergabestellen verpflichten die Auftragnehmer im Rahmen der Vertragsbedingungen bzw. über Eigenerklärungen oder im Rahmen von Prüfungen der Preise hinsichtlich ihrer Angemessenheit auf die Einhaltung des geltenden Mindestlohntarifvertrags – jedoch in unterschiedlicher Art und Weise (siehe Antwort auf Antrag 257/2012).
Wie bereits oben ausgeführt sieht der Entwurf zum LTMG ein Einsichts- und Kontrollrecht für die öffentlichen Auftraggeber in seinem Anwendungsbereich vor, so dass auch der LHS ein umfassendes Prüfrecht in diesem Bereich zukommt. Die Verwaltung wird in Form eines Rundschreibens den städtischen Vergabestellen Regeln vorgeben, nach welchen als Vergabebedingung die Tariftreue des Auftragnehmers zu verlangen ist, und dass von diesem zusätzlich eine Erklärung zur Tariftreue zu unterzeichnen ist. Darüber hinaus prüft die Verwaltung, inwiefern die von der Stadt eingesetzten Auftragnehmer sowie die einschlägigen Tarifverträge in einem „Auftragsregister“ im Amtsblatt veröffentlicht werden können.
Bei Ausschreibungen kann die Einhaltung der für allgemein verbindlich erklärten Tarifverträge über eine Verpflichtungserklärung im Rahmen der Eignungsprüfung abgefragt werden und darf somit der Eignungsprüfung zugrunde gelegt werden (3. VK Bund, B. v. 9.9.2009 – Az.: VK 3 – 163/09).
C) Vergabe von Bauleistungen
Im Rahmen der Vergabe von Bauleistungen ist die LHS an vergaberechtliche Vorgaben gebunden. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen(VOB/A) werden Bauleistungen an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen zu angemessenen Preisen vergeben.
Das Gebot der Wirtschaftlichkeit zwingt die LHS, den Zuschlag auf das wirtschaftlich günstigste Angebot zu erteilen. Anbietende Unternehmen, die ihre Beschäftigten untertariflich entlohnen, könnten dabei im Vergabeverfahren durchaus Vorteile erzielen. Um dem entgegen zu wirken, hat die Landesregierung den Entwurf eines Tariftreue- und Mindestlohngesetz für öffentliche Aufträge in Baden-Württemberg vorgelegt (s. o.).
D) Vergaben von Bauleistungen und Dienstleistungen in städtischen Gesellschaften
1. Zur Umsetzung des § 106 b der GemO wurde im Public Corporate Governance Kodex, den alle Mehrheitsbeteiligungen der Stadt anwenden, geregelt, dass die Geschäftsführungen die Einhaltung der Bestimmungen des § 106 b sicherzustellen haben (Nr. 3.2.9). Darüber hinaus ist es laut Nr. 2.2.1 des Kodex insbesondere Aufgabe des Aufsichtsrats, die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung zu überwachen.
2. Im Public Corporate Governance Kodex ist bereits jetzt unter Nr. 3.2.13 festgelegt, dass die Geschäftsführung für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der unternehmensinternen Richtlinien zu sorgen hat. Auch in den Gesellschaftsverträgen der Beteiligungsunternehmen ist geregelt, dass die Geschäftsführer die Geschäfte der Gesellschaft in Übereinstimmung mit den Gesetzen zu führen haben.
F) Regelungen für Eigenbetriebe
Der Begriff der Wirtschaftlichkeit in Ziffer 3.2 der „Regelung für die Eigenbetriebe der Landeshauptstadt Stuttgart“ sowie in der „Geschäftsanweisung der Landeshauptstadt Stuttgart zur internen Verrechnung von Leistungen" ist nicht im z. T. engen Sinne der Betriebswirtschaft zu sehen. In der öffentlichen Verwaltung wird dieser Begriff umfassender verwendet und bildet sowohl Kosten als auch Nutzen ab.
Die beiden genannten Regelungen dienen in ausgewogener Weise dem Ziel des einheitlichen und wirtschaftlich vertretbaren Verwaltungshandelns. Dabei besteht Klarheit, dass Wirtschaftlichkeitsanalysen nicht ausschließlich aus der Sicht eines Amtes oder Eigenbetriebs, sondern stets auch unter Berücksichtigung der gesamtstädtischen Perspektive durchzuführen sind.
Dabei spielen auch rechtliche und soziale Aspekte eine Rolle. In GRDrs 984/2006 ist ausdrücklich dargelegt, dass vor einer Kündigung die möglichen rechtlichen und gesamtstädtischen Auswirkungen zu prüfen sind. Insofern ist dem im Antrag genannten Anliegen bereits Rechnung getragen und eine Änderung der Regelungen nicht erforderlich.
Fritz Kuhn
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