Stellungnahme zum Antrag
170/2015
Landeshauptstadt Stuttgart Stuttgart,
09/28/2015
Der Oberbürgermeister
GZ:
OB 8201-00
Stellungnahme zum Antrag
Stadträtinnen/Stadträte - Fraktionen
SPD-Gemeinderatsfraktion
Datum
05/22/2015
Betreff
Mit dem öffentlichen Nahverkehr in Stuttgart unterwegs sein: Was ist ein Jahr nach dem ÖPNV-Pakt geschehen?
Anlagen
Text der Anfragen/ der Anträge
Beantwortung/ Stellungnahme:
Der ÖPNV- Pakt, der zwischen den öffentlichen Partnern im VVS unter Moderation von Verkehrsminister Winfried Hermann im Februar 2014 vereinbart wurde, hat in erster Linie für eine Klärung der Zuständigkeiten im ÖPNV in der Region Stuttgart gesorgt. Damit gelang es, jahrelange Streitigkeiten zwischen den öffentlichen Gebietskörperschaften beizulegen und eine zukunftsfähige Aufgabenteilung zu vereinbaren.
Der Landesgesetzgeber hat das ÖPNVG zu Beginn des Jahres 2015, d.h. vor einem halben Jahr, geändert und somit die Voraussetzungen geschaffen, dass die Akteure die ihnen zugewiesenen Aufgaben rechtssicher angehen konnten.
Im ÖPNV–Pakt sind die Aufgabenstellungen in neun Handlungsfeldern mit unterschiedlichen Verantwortlichkeiten unterteilt worden.
Zuverlässige Schieneninfrastruktur im Eisenbahnnetz der Region Stuttgart
Verantwortlich für die Bildung der Expertenkommission „Schieneninfrastruktur“ ist nach dem ÖPNV-Pakt das Land Baden-Württemberg.
Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur (MVI) hat im Sommer 2014 diese Expertenkommission zum Thema Schieneninfrastruktur einberufen. Vertreten sind neben dem Land, der VRS, der Konzernbevollmächtigte der DB für Baden-Württemberg, ein Vertreter eines Eisenbahnverkehrsunternehmens, sowie Vertreter der SSB und des VVS. Als externer Berater wurde Prof. Bögle hinzugezogen, der im Rahmen des S-Bahn–Gipfels im Auftrag des VRS als externer Berater eine Arbeitsgruppe leitete. Seitdem haben drei Besprechungen auf Einladung des MVI stattgefunden.
Der VRS legte Wert darauf, dass die Ergebnisse der Arbeitskreise im Rahmen des S-Bahn-Gipfels bei der Arbeit der o.g. Expertenkommission berücksichtigt werden. Hier wurden Schwachstellenanalysen vorgenommen und eine betriebliche Simulation des S-Bahn-Verkehrs beauftragt.
Im Arbeitskreis III des S-Bahn–Gipfels wurde eine Vielzahl an betrieblichen Maßnahmen mit allen DB–Gesellschaften (DB Regio, DB Netz, DB Station und Service) diskutiert und evaluiert. Einzelne Maßnahmen wie z.B. die Beschleunigung der Abfertigung der S-Bahnen in der Tunnelstrecke durch S-Bahn-Helfer und der Einrichtung von Bildschirmen sowie Verbesserungen an der Türschließung der neuen S–Bahn-Fahrzeuge, Einsatz längerer S-Bahn-Einheiten wurden bereits umgesetzt. Andere Maßnahmen, die auch große infrastrukturelle Ausbaumaßnahmen oder fahrplantechnische Änderungen erfordern würden, sind derzeit noch in der Diskussion. Insbesondere auch Finanzierungsfragen müssen geklärt werden.
Ein umfassender Maßnahmenkatalog des Arbeitskreises III wurde der Expertenkommission im Juni 2015 übermittelt. Eine Bewertung der Maßnahmen und eine mögliche Priorisierung werden derzeit im Expertenkreis besprochen.
Neuordnung der ÖPNV–Finanzierung in der Region
Die Expertengruppe zur Neuordnung der ÖPNV-Finanzierung, an der alle Aufgabenträger sowie die SSB und DB Regio beteiligt waren, hat unter der Moderation des VVS mehrfach getagt und alle Finanzierungsströme analysiert. Die für Dritte oftmals komplex wirkenden Finanzierungsströme sind weit überwiegend durch gesetzliche Regelungen und langfristige Verträge vorgegeben.
Die öffentlichen Partner waren sich daher einig, dass es im Rahmen dieses Pakts weder darum gehen könne, die Finanzierungsverflechtungen in Gänze in Frage zu stellen bzw. zu verändern, noch eine bessere finanzielle Förderung für ÖPNV-Vorhaben zu vereinbaren. Man hat vielmehr einige Themenfelder identifiziert, die näher untersucht werden sollten. Dabei sollte die Maxime gelten, dass die Finanzierungsverantwortung auch der Aufgabenverantwortung, die aus dem ÖPNV-Pakt neu festgelegt wurde, folgen soll. Es sollte mehr Transparenz erreicht werden, u.a. durch einen Abbau gegenseitiger Abhängigkeiten der Finanzierungsströme.
Konkret angegangen hat man das Thema der Ausgleichszahlungen für sog. Umsteigerverluste in der Verbundstufe I, die vom VRS und vom Land je hälftig an die SSB gezahlt werden. Hier wurde die Höhe und die Rechtmäßigkeit geprüft. Im Zusammenhang mit der vom Land initiierten Ausschreibung der SPNV-Verkehre, die auch die Region Stuttgart betreffen, wurden die Einnahmenanteile für die sog. Schieneninnenstrecken (Verbundstufe I) und Schienenaussenstrecken (Verbundstufe II) analysiert, zusammengeführt und auf die ausgeschriebenen Linien verteilt. Für beide Themengebiete werden noch bilaterale Gespräche geführt.
Mit der Einführung des Instruments der Allgemeinen Vorschrift für die Festsetzung von Höchsttarifen in der Verbundstufe II durch den VRS zum 1. Januar 2015 wurde eine neue Finanzierungsmöglichkeit von Durchtarifierungsverlusten im regionalen Busbereich geschaffen. Hier wurde ein wichtiger Meilenstein aus dem ÖPNV-Pakt erreicht. Zwischen den Verbundlandkreisen und der Landeshauptstadt / SSB wurden die Finanzierungsströme unter Berücksichtigung von Verkehrslasten- und Verbundlastenausgleich neu geordnet.
Ein wichtiges Thema der Arbeitsgruppe war die Diskussion um eine zukunftsgerichtete Zuteilung der Fahrgeldeinnahmen im VVS. Die Mitglieder waren sich grundsätzlich einig, dass die Einnahmenaufteilung transparent, diskriminierungsfrei, leistungsgerecht und dem Grunde nach nachfragenorientiert ausgestaltet werden müsse. Dabei müssen allerdings auch die bisherige Verteilbasis berücksichtigt werden, um die Interessenlagen der Partner zu berücksichtigen und finanzielle Verwerfungen zu vermeiden. Das Land hat deutlich gemacht, für künftige Leistungsverbesserungen angemessene Einnahmenanteile im SPNV zu beanspruchen.
Die Partner des Einnahmezuscheidungsvertrages (EZV) im VVS ,die SSB, DB Regio und der VRS mit seinen Co-Partnern den Verbundlandkreisen und dem Land Baden-Württemberg haben im Sommer 2015 entschieden, auf Basis eines Eckpunktepapiers ein EZV- Gutachten zu beauftragen, welches im Frühjahr 2016 vorliegen soll. Darauf aufbauend könnten weitere Gespräche über eine Weiterentwicklung des EZV geführt werden.
Masterplan ÖPNV
Der Masterplan ÖPNV ist kein eigenes Handlungsfeld, sondern eine allgemeine Handlungsleitlinie des ÖPNV-Pakts. Dies wurde auch im Mobilitätsgipfel des Landes im Juli 2015 deutlich, bei dem die Ziele des ÖPNV-Paktes, u.a. die Zahl der Fahrgäste bis 2025 um mindestens 20% zu erhöhen, aufgegriffen wurde.
Die Bewältigung der verkehrlichen Herausforderungen in der Region Stuttgart erfordert ein vertrauensvolles Zusammenwirken aller Partner im Mobilitätsmarkt. Da einem weiteren Ausbau des Straßennetzes und des Parkraumangebots enge Grenzen gesetzt sind, sollen insbesondere die Verkehrsmittel des Umweltverbunds gestärkt und deren Anteil am Verkehrsaufkommen erhöht werden. Ein Eckpunkt dieser Strategie ist auch die Sicherung des bereits guten Angebots bei Bussen und Bahnen und dessen weiterer Ausbau. In allen Verbundlandkreisen sind in den Jahren 2014 und 2015 die aktualisierten Nahverkehrspläne mit entsprechenden Zielsetzungen verabschiedet worden. Der Nahverkehrsplan der Landeshauptstadt Stuttgart wird derzeit fortgeschrieben und im Frühjahr 2016 beschlossen werden. Bei letzterem ist eine Ergänzung durch einen Nahverkehrsentwicklungsplan vorgesehen, der für einen längerfristigen Planungshorizont Ausbauoptionen und Entwicklungspotenziale im öffentlichen Verkehrsnetz aufzeigen soll. Im Vorfeld dazu beabsichtigen SSB und VVS die Vergabe einer Studie, in der unter der Hypothese größerer Verschiebungen des Verkehrsaufkommens zwischen dem motorisierten Individualverkehr und dem öffentlichen Nahverkehr Engpässe im Schienennetz zu identifizieren und zu analysieren sind. Auch die Wirkung von zielgerichteten Entlastungsmaßnahmen wird dabei zu untersuchen sein. Weitere Impulse werden vom Regionalverkehrsplan des VRS erwartet, dessen Fortschreibung 2016 fertiggestellt sein dürfte.
Alle Maßnahmen und Aktivitäten, die in den Planungen hinterlegt sind, lassen sich in einen „Masterplan ÖPNV“ zusammenfassen. Dieser unterstützt die im ÖPNV-Pakt vereinbarten Ziele der Partner.
Sämtliche Zwischenergebnisse aus den Handlungsfeldern sollen im Rahmen einer Lenkungskreissitzung im Herbst 2015 durch die Partner des ÖPNV-Paktes verabschiedet und im Rahmen einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit bekannt gegeben werden.
Auch seitens der Stadt soll in den kommenden Jahren der ÖPNV weiter gefördert
werden. Neben dem Ausbau barrierefreier Haltestellen durch die Stadt und die SSB,
wird die SSB beispielsweise auch verkehrliche Maßnahmen umsetzen. Bis zur Neuvergabe der Verkehre 2019 sind nach der mittelfristigen Planung der SSB neben
dem Ausbau der Linien U5, U6 und U12 auch im Bereich Instandhaltung Ersatzinvestitionen z.B. bei der Erneuerung von U-Haltestellen geplant. Darüber hinaus ist durch
die kontinuierliche Erweiterung des Streckennetzes die Beschaffung neuer Stadtbahnfahrzeuge notwendig.
Bei der SSB entstehende Verluste werden aufgrund des bestehenden Organvertrages mit Ergebnisabführungsvereinbarung durch die SVV ausgeglichen. Die Struktur der SVV ist geeignet, mit den Erträgen aus den Spezialfonds sowie den Überschüssen der Stadtwerke Stuttgart und des Hafen Stuttgart ein jährliches Defizit der Stuttgarter Straßenbahnen von rund 25 Mio. Euro zu decken.
Fritz Kuhn
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