Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
871/2006 Neufassung
GZ:
OB
Sitzungstermin: 21.12.2006
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Schuster
Berichterstattung:der Vorsitzende, BM Hahn, BM Dr. Schairer
Protokollführung: Frau Huber-Erdtmann hr
Betreff: Luftreinhalte-/Aktionsplan für die Landeshauptstadt Stuttgart
Umsetzung der Maßnahme Nr. 2; künftiges Fahrverbot für Kfz der Schadstoffgruppe 1 im gesamten Stadtgebiet

Vorgang: GRDrs 871/2006 vom 29.11.2006

Ausschuss für Umwelt und Technik vom 05.12.2006, nicht öffentlich, Nr. 650

Verwaltungsausschuss vom 06.12.2006, nicht öffentlich, Nr. 454

Gemeinderat vom 07.12.2006, öffentlich, Nr. 257

jeweiliges Ergebnis: Zurückstellung

GRDrs 871/2006 Neufassung vom 18.12.2006

Ausschuss für Umwelt und Technik vom 19.12.2006, öffentlich, Nr. 676

Ergebnis: Diskussion über das weitere Vorgehen

Verwaltungsausschuss vom 20.12.2006, öffentlich, Nr. 488

Ergebnis: Absetzung (Neufassung der Vorlage sieht nur Vorberatung im UTA vor)


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 18.12.2007, GRDrs 871/2006 Neufassung, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Die Bundesregierung will mit Zustimmung der Länder erheblich mehr Fahrzeuge mit Fahrverboten in Umweltzonen ausschließen. Dies betrifft bundesweit nach ersten Schätzungen ca. jedes fünfte Fahrzeug, in Stuttgart ca. jedes siebte Fahrzeug, das heißt 53.700 Pkw/Lkw. Vor dem Hintergrund der jetzt vorliegenden Größenordnung der von der Maßnahme Nr. 2 des Luftreinhalte-/Aktionsplans betroffenen Fahrzeuge wird die Verwaltung beauftragt, eine Umsetzungskonzeption zu entwickeln und mit dem Regierungspräsidium sowie den obersten Landesbehörden (UM und IM) abzustimmen, die einerseits den Zielen des Luftreinhalte-/Aktions-plans entspricht, andererseits für die betroffenen Fahrzeughalter zumutbar und verhältnismäßig ist.


2. Die Verwaltung wird beauftragt, insbesondere folgende Gesichtspunkte in die Umsetzungskonzeption aufzunehmen:
3. Die Verwaltung wird beauftragt, gegenüber dem Land folgende fünf Forderungen zu erheben:


4. Die Fristen müssen so gesetzt werden, dass alle Bürgerinnen und Bürger sowie alle Unternehmen ausreichend Zeit haben, sich auf ein mögliches Fahrverbot einzustellen. Wer sein Auto oder seinen Lkw nachrüsten möchte, muss dazu auch Gelegenheit haben.


5. Sollte die kommunale Ebene mit der Umsetzung beauftragt werden, muss das Land einen finanziellen Ausgleich zahlen. Es kann nicht sein, dass erneut ein Gesetz durch Bund und Länder erlassen wird und dann die Städte und Gemeinden sowie die Landkreise die Umsetzung zahlen sollen.


Die Landeshauptstadt Stuttgart, so OB Dr. Schuster, befürworte den Luftreinhalte- und Aktionsplan ganz entschieden und werde die vorgesehenen Maßnahmen auch umsetzen. Man sei - anders als in den Medien dargestellt - voll im bislang vorgesehenen Zeitplan und wolle mit der Umsetzung am 01.07.2007 beginnen. Neu sei allerdings der Sachverhalt, dass in Stuttgart nicht, wie zunächst angenommen, 18.000 Fahrzeuge von einem Fahrverbot betroffen sind, sondern die dreifache Zahl. Erst vor wenigen Tagen sei vom Bund veröffentlicht worden, welche Fahrzeuge im Einzelnen in die sogenannte Schadstoffgruppe I gehören. Während man bis dahin davon ausgegangen sei, dass diese Gruppe die Benziner ohne Katalysator und die Dieselfahrzeuge der alten Generation umfasst, sei nun festgelegt worden, dass auch Benziner mit geregeltem Katalysator der ersten Generation dazugehören.

Es stelle sich jetzt die Frage, ob es möglich ist, eine Umrüstung dieser Fahrzeuge bis zum 01.07.2007 durchzuführen, denn es seien 54.000 Fahrzeuge in Stuttgart betroffen sowie ungefähr 300.000 in der Region. Eventuell müsse das Umsetzungskonzept entsprechend diesem neuen Sachverhalt modifiziert werden. Man könnte nun wie in München die Umweltzone deutlich verkleinern - dort sei nur das Gebiet innerhalb des Mittleren Rings betroffen - und zudem mit einer Generalklausel viele Ausnahmen zulassen. Er persönlich würde allzu weitgehende Ausnahmen ablehnen, denn das sei nicht effizient genug.

Der Maßnahmenkatalog müsse auch mit dem Regierungspräsidium und dem Umweltministerium abgesprochen werden. Im Januar werde deshalb ein detailliertes Umsetzungskonzept vorgelegt. Gesundheitsschutz und Umweltschutz hätten Vorrang, aber es müsse für die Autobesitzer auch möglich sein, ihr Fahrzeuge in der vorgesehenen Zeit umzurüsten, da die Bescheide sonst angefochten werden könnten. Es sei eine verwaltungstechnische Herausforderung, die zu erwartenden Ausnahmeanträge bis zum 01.07.2007 zu bearbeiten, da ja nicht nur ein Teil der betroffenen Stuttgarter Autobesitzer, sondern auch derjenigen aus der Region in Stuttgart zu bescheiden seien. Die Verwaltung werde dem Gemeinderat in einer Vorlage darlegen, wie viel Personal für eine gewisse Zeit dann zusätzlich benötigt wird.

BM Dr. Schairer unterstreicht, dass alle Städte, die einen Luftreinhalteplan erlassen haben, die Benziner mit einem Katalysator der ersten Generation nicht erfasst hatten. Die Stadt Stuttgart habe unverzüglich durch die Medien über die Konsequenzen unterrichtet. Weiter habe sie ein Bürgertelefon (0711 216-2606) mit automatischer Ansage der betroffenen Schlüsselnummern geschaltet. Auf der aktualisierten Fassung der Internetseite www.stuttgart.de/fahrverbot werde die Bevölkerung umfassend informiert. Auch die Bürgerbüros seien inzwischen so weit geschult, dass sie den Bürgern sagen können, was zu tun ist.

Er erinnere daran, dass die Verwaltung sich bereits frühzeitig mit der Thematik beschäftigt habe und dabei entsprechend den Vorgaben im Luftreinhalteplan des Regierungspräsidiums von 18.000 Fahrzeugen ausgegangen sei. Man habe einen Unterausschuss Luftreinhaltung einberufen und dort über einzelne Maßnahmen beraten. In der ursprünglichen Fassung der GRDrs 871/2006 seien die Handlungsfelder dargestellt. Die Plakettenausgabe könne unproblematisch organisiert werden und ab dem 01.03.2007 erfolgen. Die Anordnung der Beschilderung des Stadtgebiets in eine Umweltzone sei vorbereitet und könne ebenfalls durchgeführt werden; für diesen Punkt sei ja die Anzahl der betroffenen Fahrzeuge unerheblich. Geplant sei, an 36 Zufahrtsstraßen entlang der Gemarkungsgrenze - diese bilde die Umweltzone - Schilder aufzustellen. Das größere Problem seien die notwendigen Vorschilder, da man hierfür in enger Abstimmung mit den anderen Gemeinden und Landkreisen der Region arbeiten müsse. Aber auch dort seien die Arbeiten im Gange.

Mit der Schulung des Personals und der Einrichtung von Arbeitsteams werde erst jetzt begonnen, da man abwarten wollte, bis Klarheit über die Emmissionsschlüsselnummern besteht. Die Gemeinderatsvorlage über das zusätzlich notwendige Personal folge, wie von OB Dr. Schuster bereits erwähnt.

Hinsichtlich der Ausnahmeregelungen werde die Stadt Vorschläge an das Regierungspräsidium Stuttgart richten und dabei auch Wert darauf legen, dass eine regions- und landeseinheitliche Regelung sichergestellt wird. Klar sei schon jetzt, dass folgende Ausnahmen auf jeden Fall auch gesetzlich festgelegt werden: Arbeitsmaschinen und landwirtschaftliche Zugmaschinen, Kranken- und Arztfahrzeuge, Fahrzeuge zur Beförderung außergewöhnlich schwer behinderter Personen, Fahrzeuge von Polizei, Feuerwehr und Katastrophenschutz, soweit sie im Einsatz sind, Rettungsdienstfahrzeuge, Fahrzeuge der Müllabfuhr, der Straßenreinigung und des Straßenbaus.

Generell gelte, dass der Privatverkehr und der gewerbliche Verkehr der Schadstoffgruppe 1 grundsätzlich vom Fahrverbot in der Umweltzone betroffen ist. Die Ausnahmen würden wohl nur sehr restriktiv erteilt werden können. Die entsprechenden Regelungen würden Anfang des kommenden Jahres mit dem Regierungspräsidium, dem Umweltministerium und dem Innenministerium abgesprochen werden. OB Dr. Schuster habe bereits ein Schreiben an diese Stellen gerichtet und gebeten, die Ausnahmeregelungen im Interesse des Informationsbedürfnisses der Bürger frühzeitig und schnell festzulegen. Sicher sei aber schon jetzt, dass es nicht ausreichen werde, dass ein Fahrzeug technisch nicht nachgerüstet werden kann, weil gerade solche Fahrzeuge ja nicht mehr fahren sollen. Gleichwohl müsse eine Regelung gefunden werden, die der Luftreinhaltung gerecht wird, dabei aber noch verhältnismäßig ist und auch unbillige Härten vermeidet. Vorbereitet würden im Moment Fallgruppen, die es aufgrund einer gesetzlichen Ausnahmeregelung möglich machen, befristet eine Ausnahme zu erteilen. Solche Fallgruppen könnten sein: lebensnotwendiger Gütertransport, lebensnotwendige Dienstleistungen, ausnahmsweise Berücksichtigung individueller Einzelinteressen und die Erhaltung von Fertigungs- und Produktionsprozessen, wobei dann z. B. geprüft werden müsse, ob nicht auch ein Bahntransport zumutbar ist.

Auch werde darüber zu diskutieren sein, eine - aber nur befristete - Ausnahme in Betracht zu ziehen, wenn eine rechtzeitige Nachrüstung oder eine Ersatzbeschaffung an Liefer- oder Montage-Engpässen scheitert, der Fahrzeuginhaber jedoch nachweisen kann, dass er rechtzeitig das Notwendige veranlasst hat. Zurzeit werde geprüft, ob das Handwerk und die Fahrzeugindustrie bis zum Sommer nachrüsten können und in welchem Umfang vermutlich Ausnahmeanträge bearbeitet werden müssen. Der Termin 01.07.2007 für das Inkrafttreten des Fahrverbots solle aber nicht verschoben werden. Es seien also erhebliche Anstrengungen notwendig, um innerhalb der bisher gesetzten Frist des Luftreinhalteplans die Vorgaben zu erfüllen.

BM Hahn betont, dass auch das Umweltreferat an diesem Termin festhalte. Dass ein Fahrverbot für die in der Vorlage genannten Dieselfahrzeuge (schlechter als Euro-Norm 2) sinnvoll ist, sei klar, nicht aber die jetzt erfolgte Einbeziehung der Benziner mit G-Kat. Wie im Freiburger Luftreinhalteplan dargelegt, seien die Emissionen dieser Fahrzeuge geringer als die jedes Dieselfahrzeugs schlechter als Euro-Norm 4. Würde nur ein Drittel derjenigen, die ihre alten Benziner nicht mehr fahren dürfen, sich statt dessen einen Diesel schlechter als Euro-Norm 4 kaufen, hätte man keine Verringerung der Schadstoffbelastung. Er gehe davon aus, dass die Verwaltung bis zum Januar gemeinsam mit dem Regierungspräsidium geklärt hat, ob das Fahrverbot für die neu hinzugekommenen Benziner eine richtige Maßnahme ist. OB Dr. Schuster pflichtet den Ausführungen von BM Hahn bei. Es sei rechtlich problematisch, Fahrzeuge in dieselbe Gruppe einzuordnen, die eigentlich unterschiedlich behandelt werden müssten.

Für StR Wahl (CDU) geht es bei der Umsetzung der Maßnahme aus dem Luftreinhalte- und Aktionsplan weniger um die Frage des Wettbewerbs mit München als darum, dass die Luftqualität in Stuttgart, auch wenn sie sich in den vergangenen Jahren bereits verbessert habe, noch weniger mit Schadstoffen belastet wird. Mit ein Auslöser - und er betone das "mit" - sei der Verkehr, weshalb der Luftreinhalte- und Aktionsplan auch eine ganze Reihe von Maßnahmen enthalte, die nicht den Verkehr betreffen.

Festzustellen sei auch, dass die Kommune nicht Herrin des Verfahrens ist. Die Zuständigkeit liege, nachdem die EU-Vorschrift in nationales Recht umgesetzt wurde, vielmehr beim Land und für Stuttgart beim Regierungspräsidium. In dem vom Regierungspräsidium verabschiedeten Luftreinhalte- und Aktionsplan werde von einer Schadstoffgruppe 1 gesprochen, für die ein Fahrverbot gelten solle. Sie habe neben den alten Dieselfahrzeugen auch Benziner ohne G-Kat enthalten, sodass die Stadt von 18.000 Fahrzeugen ausgegangen sei. Überraschenderweise sei nun vom Bund festgelegt worden, dieser Schadstoffgruppe 1 auch Benziner mit G-Kat der ersten Generation zuzuschlagen, sodass nun statt 18.000 Fahrzeugen in Stuttgart 54.000 Fahrzeuge betroffen sind und in der Region insgesamt etwa 300.000.

Die Bürger hätten ein Recht auf eine bessere Luftqualität, aber die Besitzer dieser 54.000 Fahrzeuge hätten ebenfalls ein Recht, sich zeitlich und wirtschaftlich auf die neue Situation einzustellen. Sie würden Zeit brauchen, um ihre Fahrzeuge umzurüsten, sofern Kfz-Industrie und Kfz-Handel dies innerhalb weniger Monate überhaupt leisten können, und/oder sie würden Zeit und Geld brauchen, um ihr altes Fahrzeug zu verkaufen - was nicht einfach sein werde - und sich ein neues zu kaufen. Hinter diesen Autos würden Menschen stehen, die sie nicht nur zum Zeitvertreib fahren, sondern die fahren müssen, um ihre Arbeitsstätten zu erreichen oder um die Versorgung aller sicherzustellen. Oft seien es auch ältere Menschen, die solche Wagen fahren und vielleicht große Probleme haben, sich überhaupt an einen neuen Wagen zu gewöhnen. Auch dies sollte man berücksichtigen. Und wie von OB Dr. Schuster und BM Dr. Schairer angesprochen, brauche die Verwaltung Zeit und Personal, um die zu erwartende hohe Anzahl von Ausnahmegenehmigungen zu bearbeiten und die Plaketten auszugeben.

Anders als im Ausschuss für Umwelt und Technik angedeutet, habe man nicht schon vor Wochen wissen können, dass eine weit größere Anzahl von Fahrzeugen betroffen ist. Daher sei die Frage berechtigt, ob bis zum 01.07.2007 alles Notwendige erledigt werden kann. In jedem Fall sollte sehr rasch entsprechend dem Vorschlag von BM Hahn geprüft werden, ob tatsächlich die Fahrzeuge mit G-Kat in die Schadstoffgruppe 1 gehören. Es dürfe nicht sein, dass jemand, der einen solchen Wagen nicht mehr fahren darf, auf einen unter Umweltaspekten schlechteren Diesel umsteigt.

Seine Fraktion sei der Meinung, dass die vorliegende Beschlussvorlage gar nicht beschlossen zu werden braucht, denn die Verwaltung habe ja das Mandat für Gespräche mit dem Regierungspräsidium sowie dem Umwelt- und Verkehrsministerium. Seine Fraktion bitte darum, dass noch im Januar im Ausschuss für Umwelt und Technik und im Gemeinderat über das Ergebnis dieser Gespräche informiert wird, aber auch über das Ergebnis des von BM Hahn genannten Prüfauftrags, über das Thema Ausnahmegenehmigungen sowie über die Absprachen mit den umliegenden Kommunen und Landkreisen. Es wäre sinnvoll, wenn in der Region Stuttgart dieselben Bedingungen und Termine gelten würden.

StRin Dr. Blind (SPD) sieht es als notwendig an, in Stuttgart besonders viel zur Luftreinhaltung zu tun, da hier die Belastung deutschlandweit mit am höchsten sei. Es gehe also nicht um ein Absatzprogramm für die Automobilindustrie oder um Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für Kfz-Werkstätten, sondern um die Reduktion von Feinstaub und Stickoxiden. Wenn nun 36.000 Benzinfahrzeuge zusätzlich aus dem Verkehr gezogen oder umgerüstet werden müssten, bringe das im besten Fall nichts; wahrscheinlich wäre es eher kontraproduktiv und würde die Luftschadstoffe in Stuttgart erhöhen, weil ja bekanntlich die Dieselfahrzeuge das Problem seien und nicht die Benziner.

Wenn man im Regierungspräsidium schon keine Bedenken habe, plötzlich 36.000 Autos aus dem Verkehr zu ziehen oder nachrüsten zu lassen, dann würde ihre Fraktion empfehlen, dies so zu gestalten, dass es auch etwas bringt. Die SPD habe deshalb beantragt, die zweite Stufe der Fahrverbote, die für den 01.01.2012 angesetzt ist, um zwei Jahre vorzuziehen. Man hätte eine ausreichende Vorlaufzeit, und es würden doppelt so viele Autos aus dem Verkehr gezogen.

Zur Diskussion im Ausschuss für Umwelt und Technik in der vergangene Woche wolle sie anmerken, dass die Grünen sich in der umweltpolitischen Diskussion hätten früher äußern können, wenn sie schon so lange von den jetzt öffentlich bekannt gewordenen Änderungen gewusst haben. Der Hinweis auf die Stadt München, die alles im Griff habe, werde fragwürdig, wenn man einen Blick auf die Internetseite von München wirft. Zum einen beginne dort die Umsetzung erst am 10.10.2007, also drei Monate später als in Stuttgart, und zum anderen seien dort als Beispiel für die betroffenen Schlüsselnummern Stuttgarter Kfz-Scheine abgebildet. Da liege der Verdacht nahe, dass von Stuttgart abgeschrieben wurde.

Seine Fraktion, so StR Wölfle (90/GRÜNE), freue sich, dass Bund und Land dafür sorgen, dass auch in Stuttgart die Luft weniger belastet wird. Es wäre nun richtig gewesen, den Bürgerinnen und Bürgern zu verdeutlichen, dass es jetzt eine gesetzliche Möglichkeit gibt, die Luft in Stuttgart drastisch zu verbessern, dass dies für die Autobesitzer aber in vielen Fällen schmerzlich und gegebenenfalls auch teuer sein kann und dass sich die Verwaltung bemühen werde, entsprechende Ausnahmeregelungen befristet umzusetzen.

Leider sei es versäumt worden, die Bürgerinnen und Bürger in dem vor wenigen Wochen verteilten Blatt darauf aufmerksam zu machen, was auf sie zukommt. Es sei nachzuvollziehen, dass sich der eine oder andere beschwert und den Umsetzungsbestimmungen vielleicht auch gar nicht nachkommen kann. Er gehe davon aus, dass die Verwaltung in der Lage ist, Ausnahmen für solche Fälle zu genehmigen, vermisse aber ein Werben um Verständnis dafür, dass diese Maßnahmen richtig sind. Wichtig wäre auch ein Hinweis, dass es nicht sinnvoll wäre, auf einen schadstoffmäßig schlechteren Diesel umzusteigen.

Er hätte es auch gut gefunden, wenn die Verwaltung mit dem Hinweis auf die veränderten Bedingungen klargemacht hätte, dass sie die Umsetzung mit der einen ursprünglich beantragten Stelle auf keinen Fall schaffen kann und die Zustimmung des Gemeinderats benötigt, befristet Personal einzustellen. Diesen Schritt hätte der Gemeinderat sicherlich gerne mitgetragen.

StR Kauderer (FW) konstatiert, dass die Stadt Stuttgart ein hohes Verkehrsaufkommen hat, was die städtebauliche Attraktivität mindere. Jedoch sei es nicht allen Besitzern der 54.000 vom Fahrverbot betroffenen Fahrzeuge möglich, sich Ersatzfahrzeuge zu beschaffen, denn es seien vor allem weniger Bemittelte und Ältere, die diese Autos benutzen. Das Fahrverbot sei ein großer Einschnitt in das Privatvermögen von Pkw-Fahrern und kleinen Geschäftsleuten und komme einer Enteignung gleich.

Notwendig sei daher eine gewisse Übergangszeit. Seine Fraktion schlage vor, nach der Einführung der Fahrverbote am 01.07.2007 eine Umstellungszeit bis zum 31.12.2007 vorzusehen, in der die Fahrer der entsprechenden Fahrzeuge lediglich ermahnt und über das Fahrverbot aufgeklärt werden, ähnlich wie seinerzeit bei der Einführung der Anschnallpflicht. Ab dem 01.01.2008 würde dann ein Verstoß mit einem Bußgeld belegt.

StR R. Zeeb (FDP) merkt an, dass alle eine saubere Stadt wollen. Die Vorschläge der Verwaltung seien einleuchtend; man sollte sie jetzt arbeiten lassen und im Januar die Beratung fortsetzen. Weitere "Schaufensterreden" seien nicht angebracht.

StR Lieberwirth (REP) hat den Eindruck, dass die bisherigen Stellungnahmen der Stadt, ihre Beschlussvorlagen und die Berichterstattung in den Medien nur dazu geführt haben, die Bürger zu verunsichern. Nun könne man Bundes- und Landesregierung den Vorwurf machen, handwerklich schlechte Gesetze erstellt zu haben. Diese würden aber in den Umsetzungsrichtlinien deutlich nachgebessert, und der Bundestag habe ein Gesetz verabschiedet, die Umrüstung von Dieselfahrzeugen steuerlich zu fördern.

Der Verwaltung sei vorzuwerfen, nicht rechtzeitig mit dem Unweltministerium und dem Regierungspräsidium Kontakt aufgenommen zu haben, um entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Jetzt solle eine landesweite Regelung für Ausnahmegenehmigungen geschaffen werden, die sicherlich einen hohen bürokratischen Aufwand erfordern werden. Es müsse verhindert werden, dass die Umsetzung des Aktionsplans auf dem Rücken der kleinen Leute ausgetragen wird. Ihnen sollte eine Chance gegeben werden, ihre Fahrzeuge rechtzeitig und zu einem vernünftigen Preis umrüsten zu können.

StR Rockenbauch (SÖS) ist erfreut, dass mittlerweile mehr Fahrzeuge von einem Fahrverbot betroffen sind als zunächst angenommen. Die Eckpunkte seien bereits seit dem Jahr 2005 klar gewesen. Es sei Augenwischerei zu glauben, dass eine Luftverbesserung ohne gravierende Einschnitte in den Individualverkehr zu erreichen ist. Feinstaub stehe nicht nur im Zusammenhang mit der Motorentechnik, sondern komme auch vom Reifenabrieb. Die EU-Richtlinien könnten nur eingehalten werden, wenn der Individualverkehr reduziert wird. Er erinnere an seine Vorschläge zu einem Demobilisierungskongress.

Nicht nachvollziehen könne er, dass für manches Mitglied des Gemeinderats der Eingriff in das private Eigentum schwerwiegender ist als der Eingriff in die Gesundheit. Die Schädigung der Gesundheit geschehe schleichend und sei zunächst nicht so schmerzhaft und nicht zu einem bestimmten Termin wahrnehmbar wie ein Fahrverbot für Autos. Die sozial Schwachen seien in der Tat die Leidtragenden, aber vor allem deshalb, weil gerade sie an den feinstaubbelasteten Straßen wohnen. Auf lange Sicht müsse man sich vom motorisierten Individualverkehr verabschieden und praktikable Alternativen anbieten. Beispielsweise könnte man jedem, der auf sein Auto verzichtet, eine kostenlose Jahreskarte für den ÖPNV anbieten. Das koste Geld, aber dies sollte die Gesundheit wert sein.

Mit der Einstufung der Benziner mit Katalysator der ersten Generation in die Schadstoffgruppe 1 erweist die Bundesregierung nach Meinung von StR Prof. Dr. Kußmaul (SPD) den Bemühungen um bessere Luft in den Städten einen Bärendienst, denn diese ziele nicht auf das Feinstaubproblem, sondern auf die Begrenzung der Stickoxid-Emissionen, für die erst ab 2010 ein neuer EU-Grenzwert gelte. Sie drohe damit das Instrument der Umweltzone zu beschädigen, indem sie das Fahrverbot für die Innenstadt auf mehr Autos ausdehnt und damit auch mehr Menschen betrifft, als unbedingt nötig. Im Übrigen stehe in einer Pressemitteilung vom 21.12.2006, dass auch die Grünen in München Benziner mit G-Kat der ersten Generation vom Fahrverbot ausnehmen wollen.

Er halte es für bedauerlich, dass die Politik auf allen Ebenen ein so schlechtes Bild abgibt, denn beim Thema Fahrverbote sei der Vertrauensschutz wichtig. Im geltenden Luftreinhalteplan sei immer die Rede davon gewesen, dass Benziner mit Katalysator der ersten Generation nicht vom Fahrverbot betroffen sind. Die Verwaltung müsse sich daher bemühen, dass sie das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger nicht noch völlig verspielt. Er unterstütze daher den Prüfvorschlag von BM Hahn und hoffe, dass die Angelegenheit nicht vom Gericht entschieden werden muss. Wenn die Stadt Stuttgart beim Thema Mobilität Spitzenreiter sein wolle, müsse sie auch beim Thema Fahrverbot mit sinnvollen Maßnahmen vorangehen.

BM Hahn spricht die Hoffnung aus, dass die Einbeziehung der Benziner mit G-Kat in die Schadstoffgruppe 1 sich sehr bald als fachlicher Unsinn herausstellen wird. Gegenüber StR Wölfle weist er darauf hin, dass man es nicht verhindern könne, wenn sich jemand statt eines solchen Fahrzeugs einen noch schädlicheren Diesel kauft.


Mit der Versicherung, dass man sich im Januar erneut mit dem Thema befassen werde, schließt OB Dr. Schuster den Tagesordnungspunkt ab und stellt fest:

Der Gemeinderat beschließt bei 1 Nein-Stimme und 1 Enthaltung mehrheitlich wie beantragt.