Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
247
2
VerhandlungDrucksache:
900/2002
GZ:
OB 0430-00
Sitzungstermin: 11/14/2002
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Schuster
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Haasis sp
Betreff: Umbau des Tagblatt-Turm-Areals zum
Kulturzentrum "Kultur unterm Turm"
Kostenneufestsetzung

Vorgang: Ausschuss für Umwelt und Technik vom 22.10.2002,

Beratungsunterlagen sind die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 16.10.2002, GRDrs 900/2002, sowie Ergänzung des Technischen Referats vom 06.11.2002.

StR Fahrion (FW) gilt als im Sinne des § 18 GemO befangen und nimmt aus diesem Grunde an der Beratung und Abstimmung des im Betreff genannten Tagesordnungspunktes nicht teil.

OB Dr. Schuster äußert Zweifel, ob der Gemeinderat den Beschluss über das Kulturzentrum "Kultur unterm Turm" gefasst hätte, wenn die Mehrkosten bekannt gewesen wären. Wolle man nun keine Bauruine stehen lassen und die gute Kulturarbeit leistenden Theater FITS und tri-bühne nicht heimatlos machen, bleibe realistischerweise keine andere Alternative, als den Bau fertig zu stellen.

- Der Frage, wer zu welchem Zeitpunkt Fehler gemacht habe, gehe die Verwaltung im Einzelnen nach. Das Rechnungsprüfungsamt sei bereits beauftragt zu untersuchen, ob es Mängel in der Kommunikation zwischen Architekten, Hochbauverwaltung und Nutzern gegeben habe und ob die Gutachten ausreichend gewesen seien.

- Um bei komplexen Vorhaben den Bauablauf künftig insgesamt zu verändern, schlage die Verwaltung vor, ein Investitionscontrolling - gegebenenfalls durch Einschaltung Dritter - durchzuführen, bevor dem Gemeinderat ein Antrag über eine Investition vorgelegt werde. Zudem werde ein Controlling bei der Baudurchführung vorgeschlagen. Im vorliegenden Fall seien - aus heutiger Sicht - sowohl die Bauvorbereitung als auch die Baudurchführung nicht ausreichend gesteuert worden.

- OB Dr. Schuster nimmt zum Thema Einsparungen Stellung und gibt den Qualitätsverlust zu bedenken, wenn die Idee des gemeinsamen Foyers nicht verwirklicht werde und man die Besucher im wahrsten Sinne des Wortes "im Regen stehen lasse". Er wolle deshalb den vermittelnden Vorschlag machen, dass die Verwaltung auf den Gemeinderat zukomme, wenn sich im weiteren Bauverlauf zeige, dass die Position "Unvorhergesehenes" nicht im vollen Umfang benötigt werde und sich im Rahmen dieses reduzierten Budgets ein finanzieller Spielraum biete zur Realisierung des Glasdaches.

- Die an diesem Projekt beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien - so OB Dr. Schuster - hart kritisiert worden, ohne dass letztlich bekannt sei, wer in welchem Umfang seine Verantwortung nicht wahrgenommen habe. Er wolle deshalb auf einen - wenn auch ironisierend gemeinten - Artikel in den Stuttgarter Nachrichten unter der Überschrift "Spruchbeutel" hinweisen, in der die Bauverwaltung gelobt worden sei. Sie schneide beim Bürgerservice Bauen im Vergleich zu anderen Großstädten, was den Umgang mit dem Planungs- und Baurecht, das Benchmarking und die Realisierung privater Investitionen angehe, hervorragend ab. Dies sei das Ergebnis intensiver täglicher Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Er freue sich, dass diese gute Leistung und der Erfolg auch von den Investoren und den Architekten anerkannt werde und gebe dieses Lob gerne weiter.

Die folgenden Ausführungen von StRin Dr. Eisenmann (CDU) werden im gekürzten Wortlaut wiedergegeben:
StRin Dr. Eisenmann erklärt, die CDU-Gemeinderatsfraktion werde der Vorlage heute zustimmen, weil sie das Projekt gut finde und weil sie sich eine Analyse zutraue. Was das Kinder- und Jugendtheater angehe, halte ihre Fraktion das jetzt vorgestellte Konzept für sehr gut. StRin Dr. Eisenmann bringt ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass - entsprechend dem Beschluss des Verwaltungsausschusses - trotz der Verzögerungen der inhaltliche Start des Kinder- und Jugendtheaters abgefangen werden kann. Die CDU-Gemeinderatsfraktion werde das Projekt weiterhin kritisch und konstruktiv begleiten.

Wie von OB Dr. Schuster deutlich gemacht, wäre es - so StRin Dr. Eisenmann - sicher wünschenswert, eine Agora zu erstellen und einen Marktplatzcharakter zu schaffen. Aufgrund der Kostensteigerungen müssten jedoch auch kleine Einsparungen wahrgenommen werden. Den Optimismus, dass sich bei den Reserven für Unvorhergesehenes Einsparmöglichkeiten ergäben, teile sie nicht. StRin Dr. Eisenmann geht abschließend auf das den Mitgliedern des Gemeinderats zugesandte Schreiben der Architekten ein, von dem ihre Fraktion etwas überrascht worden sei. Die derzeitigen Fakten seien auch durch die Bauabwicklung geschaffen worden, und es sollte den Architekten die Entscheidung des Verwaltungsausschusses zur Kenntnis gegeben werden. Vorstellbar wäre auch, dass die Architekten im Interesse eines perfekten Ganzen einen Teil ihres nun gestiegenen Honorars der Stadt für das Dach spendeten.

StRin Hollay (SPD) geht davon aus, dass dieses interessante Projekt, um das Stuttgart von vielen beneidet werde, vom Gemeinderat möglicherweise nicht mit großer Mehrheit beschlossen worden wäre, wenn er um die tatsächlichen Kosten gewusst hätte. Klar sei, dass man jetzt versuchen müsse, das Projekt zu Ende zu bringen. Wie die Überprüfung der Firma Drees und Sommer gezeigt habe, seien keine überzogenen Forderungen gestellt worden, sonst wäre das Einsparpotenzial erheblich höher gewesen. Die Kostenentwicklung hänge zusammen mit dem nicht funktionierenden Steuerungssystem der Stadt. An OB Dr. Schuster gewandt fordert StRin Hollay, die Verantwortlichkeit klar festzulegen. Dieses Thema werde den Gemeinderat in den nächsten Wochen beschäftigen. Gemeinsam sei nach einer Lösung zu suchen, wie das Steuerungssystem klarer und für die Zukunft tragfähiger zu gestalten sei.

Zum Kinder- und Jugendtheater verweist StRin Hollay auf das Votum des Verwaltungsausschusses. Ansonsten stimme die SPD-Gemeinderatsfraktion dem heute vorgelegten Beschlussantrag zu.

StRin Hollay dankt für die Aussage von OB Dr. Schuster, dass das Glasdach ein wesentliches Element des Projekts darstellt. Die SPD-Gemeinderatsfraktion appelliere an den Gemeinderat, den Beschluss zur Realisierung des Glasdaches heute zu fassen. Auch für die SPD-Gemeinderatsfraktion sei die Abwägung nicht einfach gewesen, und es seien dafür künftige Projekte auf den Prüfstand zu stellen, wie die Filderauffahrt, die große Halle oder der Stadionausbau.

Von StR Dr. Kienzle (90/GRÜNE) wird es als kulturpolitisch mutige und große Tat gewertet, in diesen schweren Zeiten ein Kinder- und Jugendtheater einzurichten. Eine große Enttäuschung stelle jedoch die Art und Weise dar, in der das Projekt auf den Weg gebracht worden sei. Natürlich sei die Baustelle "vom Unglück verfolgt" gewesen, aber die Wasserschäden, die Bombenfunde und die PAK-Sanierung seien erst nach Anfrage der Gemeinderatsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN zur Kostenüberschreitung im April dieses Jahres bekannt geworden. Das Problem liege in der Wahrnehmung der Hausherrenfunktion. Das künftige Investitionscontrolling sei hierzu ein wichtiger Schritt. Der Kostenfestsetzung stimme seine Fraktion "zähneknirschend" zu.

Enttäuscht sei er auch - so StR Dr. Kienzle - von der Haltung der Verwaltung bezüglich des Glasdaches. Der von OB Dr. Schuster gemachte Vorschlag, es gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt einzubauen, erscheine ihm nicht logisch zu sein, weil - wie die Firma Drees und Sommer ermittelt habe - dann ein Nachtragsbaugesuch zu erstellen wäre und eine zusätzliche Wärmedämmung sowie eine frostsichere Belagsausführung anzubringen seien. Es sei nicht zielführend, das Dach in letzter Minute kleinmütig wegzulassen. Nach Ansicht seiner Fraktion sollten die Mittel an anderer Stelle eingespart werden.

Es folgt die Stellungnahme von StR Kauderer (FW) im Wortlaut: StR R. Zeeb (FDP/DVP) erklärt, für ihn verstärke sich der Eindruck, dass bei diesem Projekt nicht alles offengelegt worden sei. Auskunft erwarte er zu den von StR Kauderer angesprochenen Mietverträgen.

Unter Hinweis auf die Vorgänge beim Theaterhaus merkt StR R. Zeeb zum Schreiben der Architekten an, jeder Privatmann mache es sich zur Aufgabe und zur Verpflichtung, die vorhandenen Mittel entsprechend einzusetzen. Er unterstreicht die im Antrag Nr. 356/2002 der FDP/DVP-Gemeinderatsfraktion vom 14.10.2002 gemachten Ausführungen. Die FDP/DVP-Gemeinderatsfraktion stimme der neuen Kostenfestsetzung mehrheitlich nicht zu.

StRin Johnson (REP) führt aus, auch wenn diese Kostenerhöhung misslich sei, werde die Gruppe DIE REPUBLIKANER ihr schweren Herzens zustimmen, weil sie hinter dem Projekt stehe. Hinsichtlich des Glasdaches stellt StRin Johnson die Verhältnismäßogkeit dieser Einsparung von 150.000 € angesichts einer Gesamtkostenerhöhung von 4,5 Mio. € infrage. Sie sähe im Verzicht auf das Glasdach, durch den man die Zuschauer wirklich im Regen stehen lasse, einen Schildbürgerstreich, der negativ in der Presse aufbereitet werde und dem Ansehen Stuttgarts im kulturellen Bereich schade. Sie stimme dem Glasdach zu.

An StRin Hollay und StR Dr. Kienzle gewandt verweist OB Dr. Schuster auf die mit dem Hochbautenerlass vorliegende klare Regelung. Allerdings habe sich gezeigt, dass dieses Steuerungsinstrument in komplexen Fällen nicht ausreiche. Zum Vorwurf der Fehl- bzw. Spätinformation versichert OB Dr. Schuster, er habe sich seit Monaten darum bemüht, Klarheit zu erhalten. Wenige Tage, nachdem das Ergebnis der Firma Drees und Sommer vorgelegen habe, sei der Gemeinderat informiert worden.

OB Dr. Schuster präzisiert seinen eingangs gemachten Vorschlag, die Entscheidung über das Glasdach zurückzustellen. In der weiteren Bauausführung sei darauf zu achten, dass die notwendigen Vorkehrungen nicht verbaut würden. In Beantwortung der Frage von OB Dr. Schuster und StR Lieberwirth (REP), wie lange die Entscheidung zurückgestellt werden könne, teilt TechnRef Prof. Beiche mit, eine Entscheidung wäre in zwei bis drei Monaten denkbar. Die Bauverwaltung würde dies mit dem Projektsteuerer und den Architekten abstimmen. StRin Dr. Eisenmann unterstreicht ihre ablehnende Haltung. StR Rudolf (CDU) spricht sich ebenfalls gegen den Einbau des Glasdaches aus. Es handle sich um Steuergelder, die hier ausgegeben würden, und ein Ansatz zum Sparen zeichne sich nirgends ab. Auch StR Barg (CDU) geht nicht davon aus, dass in drei Monaten Klarheit darüber besteht, ob die notwendigen Finanzmittel zur Verfügung stehen. Es mache keinen Sinn, sich hier etwas vorzugaukeln. Dieser Aussage schließt sich StR R. Zeeb an.

Nach einer Aussprache über die Abstimmung zeigt sich der Gemeinderat mit folgender Vorgehensweise einverstanden:
I. Abstimmung über den von StR R. Zeeb vorgetragenen Antrag, die Arbeiten bei der Sanierung des Gebäudes Tagblatt-Turm nur in dem Maße durchzuführen, wie sie den Gesamtbetrag von 7.815 Mio. € nicht überschreiten.
II. Abstimmung über das Glasdach: III. Abstimmung über den Beschlussantrag der GRDrs 900/2002 unter Berücksichtigung vorgenannter Maßgaben bzw. der Voten des Verwaltungsausschusses.


OB Dr. Schuster hält abschließend fest:

I. Der Gemeinderat lehnt den Antrag von StR R. Zeeb (FDP/DVP), die Arbeiten bei der Sanierung des Gebäudes Tagblatt-Turm nur in dem Maße durchzuführen, wie sie den Gesamtbetrag von 7.815 Mio. € nicht überschreiten, bei 3 Ja-Stimmen mehrheitlich ab.

II. Entsprechend dem Antrag von StR Föll (CDU) wird gem. § 33 (2) GOG der Antrag, das Glasdach einzubauen, namentlich zur Abstimmung aufgerufen <beginnend mit dem Buchstaben B>: III. Der Gemeinderat beschließt unter Berücksichtigung vorgenannter Maßgaben einschl. der Ergänzung des Verwaltungsausschusses