Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
305/2006 Neufassung
GZ:
RSO 8834-00
Sitzungstermin: 19.04.2007
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Schuster
Berichterstattung:BM Hahn, BM Dr. Schairer
Protokollführung: Frau Huber-Erdtmann
Betreff: Fortschreibung der Sondernutzungsrichtlinien Innenstadt und Beschlussfassung der Gestaltungsrichtlinien Innenstadt

Vorgang: GRDrs 305/2006 vom 21.02.2007

Ausschuss für Umwelt und Technik vom 06.03.2007, nicht öffentlich, Nr. 90

Ergebnis: Einbringung

Ausschuss für Umwelt und Technik vom 20.03.2007, öffentlich, Nr. 118

Ergebnis: Einsetzen einer AG und Zurückstellung der Entscheidung

Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen vom 30.03.2007, öffentlich, Nr. 42

Ergebnis: ohne Votum, jedoch mit Maßgaben in den Ausschuss für Umwelt und Technik und in den Gemeinderat verwiesen

GRDrs 305/2006 Neufassung vom 04.04.2007

Ausschuss für Umwelt und Technik vom 17.04.2007, öffentlich, Nr. 146

Ergebnis: ohne Votum in den Gemeinderat verwiesen




Beratungsunterlage ist die gemeinsame Vorlage des Referats Recht, Sicherheit und Ordnung und des Referats Städtebau und Umwelt vom 04.04.2007, GRDrs 305/2006 Neufassung. Der Antrag Nr. 142/2007 von StR Rockenbauch (SÖS) vom 21.03.2007 mit der Stellungnahme des Herrn Oberbürgermeisters vom 17.04.2007 ist der Niederschrift angeheftet.

Die einführenden Bemerkungen von BM Dr. Schairer und BM Hahn sowie die Stellungnahmen der Mitglieder des Gemeinderats zur Vorlage sind nachstehend im leicht gekürzten und redigierten Wortlaut wiedergegeben.

BM Dr. Schairer:

"Zunächst ist den Gemeinderäten zu danken, die konstruktiv und hilfreich in der Sache mitberaten haben. Wir haben mit dieser Vorlage nun eine gute, gemeinsam erarbeitete Lösung gefunden und können damit ein Stadtrecht schaffen, das der Verwaltung und dem Vollzug den Rücken stärkt.

In der Diskussion waren alle von der Absicht getragen, unsere Innenstadt noch attraktiver zu gestalten und hässliche Auswüchse zu beschränken. Ich möchte einige technische Anmerkungen machen vor dem Hintergrund, dass die Vorlage ja aus zwei Teilen besteht, was in der Diskussion vielleicht etwas untergegangen ist.

Einmal werden die Sondernutzungsrichtlinien selbst, die wir ja bisher schon praktiziert haben, fortgeschrieben, und zwar wegen der Liberalisierung des Gaststättenrechts, der Umgestaltung und Neuausrichtung des Kleinen Schlossplatzes sowie der Hereinnahme von Regelungen zur Außengastronomie. Unverändert bleiben die Regelungen über die Veranstaltungen auf den Plätzen und Fußgängerzonen. Neu und unbestritten ist, dass der Kleine Schlossplatz ausschließlich durch künstlerische Veranstaltungen und Aktionen 'bespielt' werden soll und für Anliegeraktionen reserviert ist.

Für die Außengastronomie haben wir in den Sondernutzungsrichtlinien allgemeine Regelungen im Interesse der Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs aufgestellt. Sie dienen aber auch der Gleichbehandlung. Kaum beachtet wurde bisher, dass wir für Warenauslagen auf öffentlichen Straßen und Plätzen in der Innenstadt eine klare Regelung getroffen haben. Auch hier gilt der Grundsatz, dass der öffentliche Raum sparsam möbliert und möglichst von Warenauslagen freigehalten werden soll.

Die Regelungen sollen am 01. Mai 2007 in Kraft treten - im Hinblick auf gestalterische Belange gilt eine Übergangszeit für die Möblierung bis längstens 31. Dezember 2008 - und werden im Einzelnen im Amtsblatt sehr schnell veröffentlicht, damit die Betroffenen im Detail erfahren, wie sich der Gemeinderat dies vorstellt. Die Regelungen gelten im Innenstadtbereich, grob gesagt innerhalb und am Rande des Cityringes, aber wir erhoffen uns auch eine gute Wirkung auf die anderen Stadtbezirke.


In einem zweiten Teil haben wir die Fragen der Gestaltung der Außenanlagen, vor allem der Außengastronomie, geregelt. Hier spielen vor allem stadtplanerische Gesichtspunkte eine Rolle, weshalb ich jetzt für die Gestaltungsrichtlinien, die ebenfalls am 01. Mai 2007 in Kraft treten sollen, das Wort an BM Hahn übergebe."

BM Hahn:

"Auch ich möchte dem Gemeinderat, aber auch BM Dr. Schairer sehr herzlich für die wirklich konstruktive Zusammenarbeit danken. Ich glaube, wir haben etwas Vernünftiges auf die Beine gestellt. In dem mich betreffenden Teil geht es ja um die ganz zentrale Frage nach der Qualität des öffentlichen Raums. Die Erkenntnis, dass die Qualität einer Stadt und das Bild, das sie nach außen bietet, sehr stark von der Qualität ihrer Innenstadt abhängt, ist offensichtlich. In den Beratungen habe ich nicht umsonst als Beispiel Städte wie Barcelona und Lissabon aufgeführt, in deren Innenstädten die gestalterische Disziplin außerordentlich hoch ist - was im Übrigen der katalanischen und lusitanischen Lebenslust keinerlei Abbruch tut. Daher meine ich, dass es auch uns gut tut, wenn wir in der Innenstadt die Qualitätsstandards hochsetzen.

An vielen Stellen können wir schon mit Stolz sehen, wie die Wirte sich ins Zeug gelegt haben und ihre Außengastronomie gestalten. Es geht also auch um Qualitätssicherung. Wir haben einen guten Kompromiss erreicht, hinter dem ich ausdrücklich stehe, und ich bitte Sie alle nachdrücklich, heute an diesem Kompromiss festzuhalten, damit wir mit einer möglichst breiten und geschlossenen Front in die weitere Entwicklung hineingehen können."

StR Wahl (CDU):

"Über die GRDrs 305/2006 wurde in den letzten Wochen viel diskutiert und geschrieben. Ich glaube, es hat sich gelohnt, dass wir uns diese Zeit genommen haben. Es hat sich auch gelohnt, dass wir eine Arbeitsgruppe des Ausschusses für Umwelt und Technik aus allen Fraktionen eingesetzt und dort Kompromisse zu den einzelnen Punkten, insbesondere zur Gestaltung der Möblierung des öffentlichen Raums in der City, gefunden haben. Meine Fraktion steht voll und ganz zu diesen Kompromissen, und wir gehen davon aus, dass das auch die anderen Fraktionen tun.

Die Sondernutzungsrichtlinien (Anlage 1) waren ja von Anfang an unstrittig. Diskussionsstoff gab es um die Gestaltungsrichtlinien - insbesondere um die Möblierung des öffentlichen Raums im Bereich der Außengastronomie in der City - und im Zusammenhang mit den sogenannten 'Kundenstoppern'. Ich möchte aber betonen, dass unsere City viel schöner ist, als manche sie sehen wollen. Wir haben einen hervorragenden Citybereich und eine hervorragende Außengastronomie. Dass dies so ist, zeigt sich an der Tatsache, dass wir uns mit diesen Fragen beschäftigen müssen, denn würde unsere Außengastronomie in der Innenstadt nicht genutzt, hätten wir uns über diese Beschlussvorlage gar nicht zu unterhalten gehabt.


Wenn ein Café beispielsweise in seinem angemieteten und zugelassenen Außenbereich Liegestühle aufstellen möchte, wollen wir das nicht unterbinden. Wenn dann bei gutem Wetter noch ein Sonnenschirm hochgezogen wird, wollen wir es außerhalb unserer ganz besonderen Plätze auch nicht verbieten, dass auf diesem Sonnenschirm beispielsweise der Name eines Kaffee- oder Bierproduktes steht.

Es gab den großen Problemkreis der Heizstrahler. Darüber haben wir uns ja lange Zeit unterhalten. Auch meine Fraktion will keine Heizstrahler, die fast das ganze Jahr über in der City stehen, die aber nur für wenige Stunden genutzt werden können. Deshalb kam es zu dem Kompromiss, dass Heizstrahler nur in der Zeit von April bis Oktober und erst ab 20:00 Uhr bis zum Betriebsschluss zugelassen werden. Nach Betriebsschluss müssen sie wieder abgeräumt werden. Im Bereich unserer besonderen Kulturdenkmale, also beispielsweise auf dem Schlossplatz oder dem Marktplatz, sind sie überhaupt nicht zugelassen. Das ist richtig so, und ich denke, damit können wir alle leben.

Wir begrüßen auch, dass künftig etwa 90 % der sogenannten 'Kundenstopper' nicht mehr in der Innenstadt stehen werden, weil sie den Weg der Fußgänger beeinträchtigen. Mit der Neufassung der Vorlage haben wir eine vernünftige und tragbare Regelung gefunden, die wir heute so beschließen können."

StR Guckenberger (SPD)

"Wenn man jetzt hinunterschaut auf den Marktplatz, wird man feststellen, dass die Liegestühle - 25 Stück an der Zahl - komplett belegt sind. Aber die Liegestühle dort wollte auch niemand abschaffen. In der alten Vorlage stand 'Liegen', und es ist darum gegangen, dass es - angeregt durch die gute Idee der Liegestühle - Leute gab, die das unbedingt überbieten wollten und beantragt hatten, im öffentlichen Raum Betten und Ähnliches aufzustellen.

Die werbetechnische Aufrüstung, die flächenmäßig unkontrollierte und auch nicht genehmigte Ausdehnung der Nutzung von Gaststätten und Läden im öffentlichen Raum in der City hat in der Tat zu Fehlentwicklungen geführt. Es ist ein Regelungsbedarf entstanden, den wir mit den jetzt vorliegenden Richtlinien decken. Dass wir heute dieser Regelung gemeinschaftlich und auch mit großer Mehrheit zustimmen, war uns ein Anliegen.

Bekanntlich hätte meine Fraktion hier gerne noch etwas konsequentere Regelungen gehabt. Aber es ist uns wichtiger, dass wir jetzt gemeinsam diesen Weg gehen, dass wir alle den Kompromiss akzeptieren und dass auch die Verwaltung in die Lage versetzt wird, die Vorschriften durchzusetzen. Wir glauben, dass eine schöne Innenstadt dadurch erreichbar ist. Im Bereich von Denkmalen werden wir etwas strenger sein als an anderen Stellen. Das ist übrigens auch nur auf die City begrenzt. Vielleicht wäre es ganz gut, wenn man den Plan auch veröffentlicht, denn manche Wirte meinen, sie seien betroffen und sind es gar nicht.




Die nächste Frage ist die Umsetzung; dazu werden wir noch Vorschläge bekommen. Wir stimmen der Vorlage so, wie sie jetzt ist, zu."

StR Dr. Kienzle (90/GRÜNE):

"Wir haben im März hier an dieser Stelle den Hegelpreis an Richard Sennett vergeben, einen Gelehrten, der sich weltweit am profiliertesten Gedanken um die städtische Öffentlichkeit gemacht hat, der über den Verfall des öffentlichen Raums nachgedacht hat und über die Bedingungen, wie Menschen sich in der Stadt wohlfühlen und einander begegnen können, publiziert hat. Wir hätten keinen besseren Preisträger finden können in Bezug auf das Problem, über das wir heute reden.

Es ist ein Problem, das nicht nur ästhetischer Art ist im Sinne von 'Let's putz', sondern es ist von grundsätzlicher Bedeutung, dass man mit dem öffentlichen Raum so umgeht, dass er nicht okkupiert wird von Einzelinteressen, von nur kommerziellen Interessen, sondern dass Menschen sich dort begegnen können, dass sie sich dort zeigen können, dass man auch Menschen begegnet, denen man sonst in seinem Privatgarten nie begegnen würde. Daher hat es für uns eine ganz große Bedeutung, dass in der Stadt jemand da ist, der sich um diesen Raum kümmert, der allen gehört.

Wir hatten sehr stark das Gefühl, dass das nicht mehr der Fall ist, und haben deswegen auch mehrere Anträge gestellt. Wir hatten zwar Regelungen, aber niemand hat sich so richtig getraut, die anzuwenden. Wir sind sehr dankbar, dass die Bemühungen um die Fortschreibung der Richtlinien zu einem Resultat geführt haben, das ganz beachtlich ist.

Wir glauben, es ist richtig, dass man jenseits von Geschmacksurteilen feststellt, dass Regelungen getroffen werden müssen, die ein Zeitfenster und ein Raummanagement für Außengastronomie und für die Werbemöglichkeiten festlegen. Wir hoffen, dass die von BM Dr. Schairer in Aussicht gestellte organisatorische Umsetzung, wie das Ganze überwacht wird, noch kommt. Bei den Haushaltsplanberatungen werden wir noch einmal die Frage stellen, ob die Entgelte, die im Moment erhoben werden, auch angemessen sind.

Insofern sind wir eigentlich zufrieden mit dem, was vorgelegt worden ist. Ich unterstreiche auch das, was meine Vorredner gesagt haben, nämlich dass die Arbeitsgruppe sehr produktiv war und dass wir uns dort auch in einer guten Art und Weise angenähert haben.

Jetzt komme ich zu den Heizstrahlern. In der ursprünglichen Fassung der Vorlage hatte die Verwaltung in Anlage 2 unter II.8 schlicht und einfach gesagt, dass das Verwenden von Heizstrahlern nicht zulässig ist. Die Verwaltung hat sich dann von ihrer Vorlage wegbewegt. Wir hätten uns gewünscht - und auch die SPD hat festgestellt, dass das richtig ist -, dass man daran festhält, dass es in der Zeit zwischen April und Oktober eigentlich nicht notwendig ist, den öffentlichen Raum zu heizen, und zwar aus vielen Gründen.


Es gibt natürlich die energetischen Gründe, und wir kennen ja inzwischen auch das CO2-Problem. Aber es gibt auch Probleme ästhetischer Art und Probleme mit der Sicherheit. Aus all diesen Gründen haben wir uns in der Fraktion überlegt, ob wir diese kollegiale Zusammenarbeit nun durch einen Antrag sozusagen konterkarieren wollen, und wir sind zum Entschluss gekommen, heute einen solchen Antrag zu stellen. Wir bitten den Herrn Oberbürgermeister, darüber abstimmen zu lassen, dass die Ziffer 7 inhaltlich durch die Ziffer 8 der alten Vorlage ersetzt wird, und wir bitten die Gemeinderatskolleginnen und -kollegen, das auch zu akzeptieren."

StR Fahrion (FW):

"Die heutige Beschlussvorlage soll ja einen Kompromiss darstellen aus allem, was man an Für und Wider zu sämtlichen Themen der Vorlage diskutiert hat. Letztlich waren die 'Kundenstopper' der Anlass für die gesamte Vorlage. Darüber hat heute noch keiner gesprochen. In diesem Punkt mussten wir keinen Kompromiss eingehen, sondern wir waren uns einig, dass wir diese in Zukunft nicht mehr im öffentlichen Raum haben wollen. Bei den anderen Punkten haben wir einen guten Kompromiss gefunden.

Lediglich bei den Heizstrahlern sind wir uns nicht einig gewesen. Da dieser Punkt nun wieder zur Debatte steht, wollen auch wir dazu einen Antrag stellen, und zwar, die Heizstrahler bereits ab 18:00 Uhr zuzulassen. Wir bitten, darüber getrennt abzustimmen."

StR Dr. Werwigk (FDP):

"Das Klima wird wärmer und unsere Stadt bekommt ein südländischeres Flair - nicht zuletzt auch durch die Menschen, die aus südlichen Ländern zu uns gekommen sind und ihre Sitten mitgebracht haben. Aber es gibt auch noch einen anderen Grund: Wir haben den Verkehr aus der Innenstadt zurückgedrängt und haben Fußgängerzonen und öffentliche Plätze eingerichtet. Bürger, Passanten, Kunden, Flanierende, aber auch Gaststätten und Händler haben diese Plätze wieder für sich erobert und umgewidmet. Sie haben das intensiv gemacht, und es gibt sicherlich manche Stellen in unserer Stadt, wo die Entwicklungen überhand genommen haben.

Zum Stein des Anstoßes wurden die 'Kundenstopper', die überall in der Stadt und teilweise weitab von den Geschäften, auf die sie hinweisen wollten, standen. Ähnlich war es mit extensiven Gastronomiebetrieben. Wenn auf der Königstraße Spültheken oder Geschirrtische mit Abfallgeschirr stehen oder wenn auf dem Kleinen Schlossplatz in Nebenfeldern ganze Kücheninfrastruktureinrichtungen aufgestellt werden, ist das auch nicht besonders schön. Dem wollten wir einen Riegel vorschieben.

Wir finden es gut, dass wir Handlungsempfehlungen für diejenigen vorgeben, die eine Außenbewirtschaftung machen wollen.



Wir finden es aber auch gut, dass wir weiterhin erlauben, dass ein Werbeaufdruck auf Sonnenschirmen möglich ist. Das ist nicht nur Werbung, sondern es fördert auch die Gastlichkeit und zeigt an, dass man hier ein frisches Bier bekommen kann oder einen guten Kaffee. Alles in allem glauben wir, dass dieses ein guter Kompromiss ist.

Wir würden uns wünschen, dass die Einhaltung der Richtlinien, insbesondere auch die Verwendung von 'Kundenstoppern', möglichst rasch und konsequent überwacht wird, denn wir sollten keine Verordnungen haben, deren Einhaltung niemand kontrolliert.

Wenn sich die Regelungen in der Stadt bewähren und einigermaßen funktionieren, dann würde meine Fraktion vorschlagen, sie auch auf die Stadtteile auszuweiten, denn auch dort gibt es sicherlich Bedarf, Auswüchse zu bremsen oder zu vermeiden. In diesem Sinne hoffen wir, dass diese Vorlage zur Verbesserung unseres Stadtbildes beiträgt."

StR Lieberwirth (REP):

"Stadtkultur und Stadtgestaltung kommen auch dadurch zum Ausdruck, wie gut und sinnvoll der öffentliche Raum in einer Stadt genutzt wird. Insofern ist die Fortschreibung dieser Sondernutzungsrichtlinien sinnvoll. Man gewöhnt sich ja an vieles in einer Stadt. So sind mir die vielen 'Kundenstopper' erst aufgefallen, als BM Hahn sie angesprochen hat. Sie haben in den letzten Jahren erheblich zugenommen, und auch die Gastronomie breitet sich aus.

Die Vorlage ist der richtige Weg, allerdings geht sie uns nicht weit genug. Unserer Ansicht nach war die erste Fassung besser, beispielsweise in Bezug auf das Musizieren im öffentlichen Raum. Die Empfehlungen in der Anlage 2 b für die Außenbewirtschaftung sind in Ordnung. Wir bemängeln allerdings die Monoblockplastikmöbel und die bunten Sonnenschirme, besonders am Schlossplatz vor dem Königsbau. Gerade vor historischen Gebäuden sollte darauf geachtet werde, dass eine qualitätsvollere Möblierung gewählt wird. Auch die Stellschilder für Restaurants halten wir für überflüssig, ebenso Couches, Liegen, Strandkörbe und Liegestühle für die Gastronomie in der Innenstadt. Das kann man allenfalls in den Außenbezirken machen, nicht aber im Stadtzentrum und schon gar nicht am Marktplatz. Es gibt Bürger, die sich daran stören. Man sollte auch deren Interessen wahrnehmen.

Wir sollten künftig auch Sondernutzungsrichtlinien für Skateboardfahrer festlegen, denn sie verursachen teilweise erhebliche Schäden, beispielsweise bei der Staatsgalerie, beim Kleinen Schlossplatz oder auf dem Berliner Platz vor der Liederhalle.

Wir werden der Vorlage zustimmen, obwohl wir manches noch für verbesserungswürdig halten. Aber wir glauben, dass damit ein erster Schritt getan wird, den städtischen Raum besser und qualitätsvoller zu nutzen."



StR Rockenbauch (SÖS):

"Es ist schön, dass sich heute so viele um Stuttgarts Straßen- und Platzbild sorgen. Mich macht dabei traurig, dass es wieder einmal nur um die Optik geht. Ich habe mich in meinen vier Anträgen zu diesem Thema mehr um die Nutzung des öffentlichen Raumes gekümmert, d. h. um die Sondernutzungsrichtlinien, die wir ja heute auch mit verabschieden.

Klar ist, dass Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit - verbrieft in unserem Grundgesetz - sicherlich über diesen Richtlinien stehen. Schön wäre es aber gewesen, wenn man davon auch etwas in der Vorlage gespürt hätte. Es kann doch nicht sein, dass Veranstaltungen mit Volksfestcharakter leichter zu genehmigen sind als z. B. Infostände. Es gehört zu einer fortschrittlichen Demokratie, dass man Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit nicht nur als Recht hat, sondern auch als Möglichkeit. Deswegen bestehe ich auf meinem vorliegenden Antrag Nr. 142/2007, der sich vor allem damit beschäftigt, dass in Zukunft die Möglichkeit der Meinungsäußerung, z. B. durch Infostände, genehmigungsfrei wird und nicht erst kompliziert beantragt werden muss bzw. sogar noch Geld kostet. Ich bitte daher, über meinen Antrag abzustimmen und über die Sondernutzungsrichtlinien und die Gestaltungsrichtlinien getrennt abzustimmen."

StRin Küstler (DIE LINKE.PDS):

"Der Umgang mit dem öffentlichen Raum ist nicht nur eine Frage, wie Kommerz und Konsum geregelt werden und dass ästhetische Prinzipien nicht allzu sehr verletzt werden, sondern auch, wie sich Menschen in der Stadt begegnen können und wie sie sich politisch ausdrücken können. Der öffentliche Raum dient nicht nur dem Handel, dem Gewerbe und dem Vergnügen, sondern auch ganz wesentlich der Demokratie und der Meinungsbildung. BM Dr. Schairer hat im Verwaltungsausschuss und im Ausschuss für Umwelt und Technik erklärt, es sei gar nicht Anliegen der Sondernutzungsregelungen, hierzu etwas zu sagen, weil sowieso das Grundgesetz über allem stehe.

Tatsache ist aber, dass in den Sondernutzungsrichtlinien Regelungen für kommerzielle, kulturelle und auch demokratische Aktivitäten im öffentlichen Raum beinhaltet sind. Die demokratischen Nutzungen sind leider sehr nachrangig und sehr restriktiv enthalten. Das ist meines Erachtens weder mit den verfassungsgemäßen demokratischen Rechten in Übereinstimmung noch werden sie in ihrer Bedeutung überhaupt angemessen erfasst. Das möchte ich kurz an dieser Vorlage begründen: Erstens wird in den Sondernutzungsrichtlinien im Abschnitt II. Allgemeine Regeln die politische Werbung, die ja auch zur Demokratie gehört, nur im Zusammenhang mit sogenannten Sandwich-Plakaten behandelt und dabei auf die Wahlkampfzeit begrenzt. Zweitens finden sich unter den erlaubnisfreien Sondernutzungen nur Straßenkunst und Straßenmusik. Eindeutig ist aber durch Gerichtsurteile belegt, dass das Verteilen von politischen Flugblättern weder angemeldet noch genehmigt werden muss.


Drittens kommt unter den erlaubnispflichtigen Sondernutzungen Politisches nicht unter den vorrangigen Möglichkeiten, sondern in den nachrangigen Nutzungen und auch nur als Kann-Regelung vor. Als vorrangig gelten nur Feierveranstaltungen mit Volksfestcharakter, kulturelle Veranstaltungen und Informationsveranstaltungen öffentlicher Stellen, nicht aber politische Äußerungen. Diese sind meiner Ansicht nach eindeutig aber ebenfalls vorrangig.

Die Praxis der Stadtverwaltung - und deswegen ist es auch wichtig, was in den Richtlinien steht - geht meiner Meinung nach nicht davon aus, dass das Grundgesetz über allem steht, sondern sie ist in den letzten Jahren nach falschen und restriktiven Regelungen erfolgt. Die Ausführungen von BM Dr. Schairer hierzu sind widersprüchlich und nicht beruhigend. Entweder müssen die politischen Rechte gesondert gefasst werden, oder der Antrag von StR Rockenbauch zur Änderung der Sondernutzungsrichtlinien wird komplett übernommen.

Als letzten Punkt möchte ich noch anmerken, dass die Gebühren, die in Stuttgart für politische Aktivitäten erhoben werden, dringend überprüft werden müssen. Es handelt sich hier um eine Ermessensregelung, beruhend auf einem Bundesgesetz.

Ich bitte erstens, den Antrag von StR Rockenbauch zur Abstimmung stellen und zweitens die Ziffer 1 der GRDrs 305/2006 getrennt zur Abstimmung zu stellen, sodass man explizit widersprechen kann."

BM Dr. Schairer versichert, dass die Verwaltung die Sondernutzungsrichtlinien immer so verstanden habe und es auch so praktiziert worden sei, dass die Meinungsfreiheit und die politische Meinungsäußerung nicht behindert werden, auch nicht zugunsten einer anderen, gewerblichen Veranstaltung. Mit seiner Äußerung im Verwaltungsausschuss habe er ausdrücken wollen, dass die politische Betätigung, die freie Meinungsäußerung und der Artikel 5 des Grundgesetzes stets als die oberste Ermessensgrundlage in der Erlaubnis von Sondernutzungen gesehen würden. Diese Rechte stünden immer über einzelnen kommerziellen Interessen.

Aus diesem Grund, so OB Dr. Schuster, müsse man in die Sondernutzungsrichtlinien auch nicht eigens hineinschreiben, dass im Übrigen das Grundgesetz gelte. Die Beachtung der Grundrechte müsse bei jedem Ermessen einfließen, und zwar nicht beliebig. Es sei selbstverständlich, dass die Sondernutzungsrichtlinien nicht dafür verwendet werden dürfen, das Grundrecht auf Demonstrationen u. ä. einzuschränken.

StR Rockenbauch verdeutlicht, dass es ihm darum gehe, die Sondernutzungsrichtlinien im Abschnitt II so abzufassen, dass die Möglichkeit besteht, Infostände genehmigungsfrei auszuführen. Das sei zu bestimmten Zeiten - er erinnere an die Fußball-WM, aber auch an den Weihnachtsmarkt - nicht gestattet worden, und zwar aufgrund kommerzieller Interessen.


Auch Demonstrationen seien dann nicht mehr möglich gewesen. Das Recht dazu allein nütze ihm nichts, sondern es müsse von den Sondernutzungsrichtlinien her auch durchsetzbar sein. Daher halte er weiterhin an der Ziffer 2 seines Antrags Nr. 142/2007 fest.

StR Kanzleiter (SPD) sieht ebenfalls Bedarf, die Praxis der Stadt Stuttgart hinsichtlich der Genehmigungen und Rahmenbedingungen für politische Veranstaltungen, Demonstrationen usw. zu überprüfen. Er verweise in diesem Zusammenhang auf den Prozess im vergangenen Jahr vor dem Verwaltungsgericht, der sich mit einer solchen Genehmigung befasst habe und den die Stadt gegen den DGB verloren habe. Er sehe zwar keinen Zusammenhang mit den Sondernutzungsrichtlinien und würde es auch nicht für richtig halten, die Themen miteinander zu verquicken, aber er bestehe darauf, dass dieser Sachverhalt in angemessener Form auch in Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat überprüft wird und dass die Praxis der Stadt Stuttgart den Anforderungen des Grundgesetzes angepasst wird. Er wolle damit keinen globalen Vorwurf erheben, aber es sei ja bekannt, dass es in der Umsetzung Reibungspunkte gibt, die geklärt werden sollten.

OB Dr. Schuster räumt ein, dass es gewisse Nutzungskonflikte gibt. Es sei aber einleuchtend, dass während des Weihnachtsmarkts auf dem Marktplatz nicht demonstriert werden könne. Man müsse also jeweils nach Ermessen entscheiden, jedoch immer unter Beachtung der Grundrechte.

Er schlage vor, dass im Verwaltungsausschuss zum einen eine Darstellung dieser Rechtsfragen vorgelegt wird und dass zum anderen das Amt für öffentliche Ordnung anhand von einigen Beispielen aufzeigt, wie die Umsetzung konkret aussieht. Alle denkbaren Fälle bereits präventiv zu lösen, halte er aufgrund der sehr unterschiedlichen möglichen Aktionen nicht für machbar.

Diesen Weg hält StR Kanzleiter für denkbar. Es gehe hier aber nicht in erster Linie um eine Belehrung des Gemeinderats, sondern darum, zu prüfen, ob die Verwaltungspraxis der Stadt Stuttgart in jedem Fall einem liberalen Verständnis entspricht. Er wolle keine Globalvorwürfe erheben, jedoch seien an seine Fraktion mehrere Fälle herangetragen worden, bei denen die Entscheidung des Amts für öffentliche Ordnung als nicht angemessen empfunden wurde. OB Dr. Schuster betont, dass es ihm nicht um Belehrung, sondern um Information angesichts der Interessenskonflikte gegangen sei.

StR Kugler (90/GRÜNE) hält die Kritik von StR Rockenbauch an der Bevorzugung kommerzieller Veranstaltungen für berechtigt. In einer Konfliktlage müsste die Verwaltung demnach den im Abschnitt IV von Anlage 1 unter der Ziffer 1 genannten Veranstaltungen den Vorrang vor den unter der Ziffer 2.1 genannten Nutzungen geben. Er schlage daher vor, den Inhalt der Ziffer 2.1 unter der Ziffer 1.3 mit aufzunehmen und somit die Gleichrangigkeit zu betonen. Es wäre durchaus angemessen, klarzumachen, dass die Veranstaltung einer politischen Partei nicht unwichtiger ist als eine Basketball-Veranstaltung.



StRin Küstler empfindet es als großen Fortschritt, dass der Gemeinderat sich jetzt mit dieser Fragestellung überhaupt befasst. Es reiche allerdings nicht aus, die Ziffer 2.1 wie von StR Kugler vorgeschlagen zu verschieben, da es auch demokratische Bestrebungen gebe, die nicht über Parteien organisiert sind. Es handle sich oft um kleine Initiativen, die aber auch ein wichtiger Bestandteil der Demokratie seien. Ihr wäre es ein Anliegen, die GRDrs 305/2006 auf den Bereich des Kommerziellen zu beschränken, verbunden mit der Zusage von OB Dr. Schuster, dass die anderen Bereiche noch einmal in Ruhe betrachtet und geregelt werden.

OB Dr. Schuster greift den Vorschlag von StR Kugler auf. Mit der Ergänzung der Ziffer 1.3 um die Ziffer 2.1 werde dem Anliegen von StRin Küstler und von StR Rockenbauch Rechnung getragen, nämlich auch die Bürgerinitiativen und andere gemeinnützige Organisationen zu privilegieren. StR Rockenbauch bittet, dennoch zunächst über seinen Antrag Nr. 142/2007 abzustimmen. Der Vorsitzende stellt fest:


Der Antrag Nr. 142/2007 von StR Rockenbauch (SÖS) vom 21.03.2007 wird bei 2 Ja-Stimmen mehrheitlich abgelehnt.

Danach stellt der Vorsitzende die GRDrs 305/2006 Neufassung nach Ziffern getrennt und mit den Änderungsanträgen zur Abstimmung und hält fest:

- Ziffer 1 einschließlich der Änderung, in Anlage 1 im Abschnitt IV den Inhalt der Ziffer 2.1 der Ziffer 1.3 beizufügen

einstimmig beschlossen


- Änderungsanträge zu Ziffer 2:

1. Antrag der Gemeinderatsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN, im Abschnitt II von Anlage 2 die Ziffer 7 wie folgt zu ersetzen: "Das Verwenden von Heizstrahlern ist nicht zulässig."

2. Antrag der Gemeinderatsfraktion der Freien Wähler, den Aufbau und Betrieb von Heizstrahlern bereits ab 18:00 Uhr zuzulassen:


- Ziffern 2 und 3 laut Beschlussantrag:

bei 1 Enthaltung mehrheitlich beschlossen


Den Tagesordnungspunkt abschließend dankt OB Dr. Schuster BM Hahn und BM Dr. Schairer sowie ihren Mitarbeiterteams für ihr Bemühen, einen gangbaren Kompromiss zu finden.
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