Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
539/2005
GZ:
OB 15 15-01
Sitzungstermin: 21.07.2005
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Schuster
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Huber-Erdtmann sp
Betreff: Luftreinhalte-/Aktionsplan Stuttgart

Vorgang: Ausschuss für Umwelt und Technik vom 19.07.2005, öffentlich, Nr. 432

Ergebnis: einmütige Zustimmung mit Änderungen bzw. Ergänzungen zum Maßnahmenplan

Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 14.07.2005, GRDrs 539/2005, mit folgendem

Beschlussantrag:

I. Die Verwaltung wird beauftragt, zum Luftreinhalte-/Aktionsplan folgende Stellungnahme abzugeben:

1. Vom Entwurf des Luftreinhalte-/Aktionsplan wird Kenntnis genommen.

2. Das Regierungspräsidium wird gebeten, den Maßnahmenplan zu jeder Einzelmaßnahme zu ergänzen:
- Um wieviel Prozent reduziert die Maßnahme die Feinstaub- und/oder Stickstoffdioxidbelastung?
- Welche Maßnahme wirkt kurzfristig im Sinne eines Aktionsplans?
- Welche Kosten sind mit der Maßnahme verbunden?
- Wer ist der jeweilige Kostenträger?
- Wer führt die Maßnahme durch?
- Wie sieht der verbindliche Zeitrahmen aus?
3. Den Maßnahmen wird zugestimmt nach Maßgabe der Änderungen und Ergänzungen in Anlage 2.

4. Das Regierungspräsidium wird gebeten, die Maßnahmen in Anlage 3 zusätzlich in den Luftreinhalte-/Aktionsplan aufzunehmen.

II. Die Verwaltung wird beauftragt, eine Kostenabschätzung für von der Landeshauptstadt Stuttgart zu finanzierende Maßnahmen zu den Haushaltsplanberatungen 2006/2007 vorzulegen.


Die im Ausschuss für Umwelt und Technik mehrheitlich beschlossenen Ergänzungen und Änderungen der GRDrs 536/2005 liegen als Tischvorlage vor. Sie ist der Niederschrift angeheftet, ebenso der Antrag Nr. 228/2005 von StR Rockenbauch (SÖS) vom 15.07.2005.


OB Dr. Schuster verweist auf die Tischvorlage. Es sei sinnvoll, bei der Betrachtung der Luftreinhalteproblematik auch die Region im Großraum Stuttgart mit einzubeziehen und die weiteren vorgeschlagenen Änderungen vorzunehmen.

StR Schmid (CDU) hält den Aktionsplan des Regierungspräsidiums für eine gute Grundlage, der Luftreinehalteplan könne jedoch noch praxistauglicher gemacht werden. Was an Mobilität notwendig ist, sollte aber auch in Zukunft nicht behindert werden. In Stuttgart müsse weiterhin der Wirtschaftsverkehr möglich sein. Der Raum Stuttgart sei als Wirtschaftsraum auf die Region bezogen zu betrachten, weshalb die ersten Maßnahmen entsprechend dem Antrag seiner Fraktion mit einem regionalen Ansatz versehen würden. Weiteres Ziel sei, mit den Maßnahmen das Mobilitätsverhalten der hier lebenden Menschen zu beeinflussen. Man werde in dieser Frage nur weiterkommen, wenn es gelingt, ein Umdenken zu erreichen.

Dringend nötig sei es, auch die technischen Lösungen zu beschleunigen. Der Bund sei hier in der Verantwortung. Weiter spiele das Thema Verkehrsfluss eine zentrale Rolle. Mit der Vielzahl von erforderlichen Maßnahmen sei es eine Daueraufgabe - Stichwörter Kreisverkehre, Verkehrssteuerung, Lichtsignalanlagen. Man könne beim Thema Luftreinhalteplan nur etwas erreichen, wenn man sich auch zu den notwendigen Infrastrukturmaßnahmen - Stichwort Nord-Ost-Ring, Filderauffahrt - bekennt und die Dinge vorantreibt. Beim Steuerungsinstrument Parkgebühren habe man sich darauf verständigt, sie in einem Rahmen zu halten, der den Einkaufsstandort Stuttgart attraktiv erhält. Unter dem Stichwort City-Logistik könnte ein Lösungsansatz gefunden werden, den man noch intensiver verfolgen müsse.

Mit den Änderungen gebe die Vorlage die richtigen Antworten aus Sicht der Landeshauptstadt Stuttgart.

StRin Dr. Blind (SPD) erinnert daran, dass die EU-Richtlinie seit 1999 vorliege und ihre Fraktion bereits im vergangenen Jahr in einem Antrag gefordert habe, dass das Land einen Luftreinhalte- und Aktionsplan vorgelegt. Auch wenn die Luft in den vergangenen Jahren deutlich besser geworden sei, so wisse man mittlerweile, dass die Luftschadstoffe erheblich gefährlicher sind als früher angenommen.

Ihre Fraktion werde dem veränderten Beschlussantrag zustimmen, auch wenn sie sich noch mehr Maßnahmen gewünscht hätte, z. B. eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf den Autobahnen um Stuttgart auf 100 km/h. Es sei bekannt, dass eine Reduzierung der Geschwindigkeit eine wirksame Maßnahme wäre. Sie hoffe, dass ein Umdenken auch in diesem Bereich stattfindet.

Alle Maßnahmen in Luftreinhalte- und Aktionsplänen würden aber nichts bringen, wenn die Bürger sich nicht zu einer neuen Mobilitätskultur einladen lassen, die drei wichtige Säulen habe: Erstens müssten im Pendlerverkehr die Pkws voller besetzt sein. Es werde noch einiges an Energie und Einsatz - auch der Verwaltung - brauchen, dafür zu werben. Die zweite Säule sei der Fahrradverkehr. Beschlossen wurde, den Fahrradverkehrsanteil zu verdoppeln. Das müsse schnell geschehen; das Thema werde deshalb eine Rolle in den nächsten Haushaltsberatungen spielen. Die dritte Säule sei der öffentliche Personennahverkehr. Die bevorstehende Fahrpreiserhöhung um 3,5 %, die weit über den Inflationsausgleich hinausgehe, weil das Land Zuschüsse gekürzt hat, sei eine schlechte Einladung an die Menschen in Stuttgart, vermehrt den ÖPNV zu benützen.

Es müsse vermittelt werden, dass diese neue Mobilitätskultur Spaß macht, und man brauche hierfür als Vorbilder bekannte Personen des öffentlichen Lebens, die mit gutem Beispiel vorangehen. Es wäre eine großartige Werbung, wenn man die Bürgermeister öfter in der Stadtbahn antreffen könnte.

Die belastete Luft, so StR Dr. Kienzle (90/GRÜNE), sei mit Ursache für eine Verdopplung der Anzahl der Allergiker in den letzten 20 Jahren. In der Abwägung zwischen all dem Richtigen, was gesagt wurde - dass man einen Wirtschaftsverkehr braucht, dass auch die Mobilität nicht über Gebühr eingeschränkt werde soll -, sei grundlegende Voraussetzung, dass man erst einmal in einer Stadt wohnen und atmen können muss. Bei dieser Abwägung habe die Debatte in der letzten Zeit versagt. Versagt habe das Regierungspräsidium, indem es die EU-Richtlinien nicht ernst genommen hat; es habe zu spät reagiert und untaugliche Vorschläge gemacht. Der Gemeinderat habe über Luftreinhaltung in einem Unterausschuss auf wenig engagierte Art und Weise diskutiert. Bestimmte Änderungen wie z. B. die Ausnahmen für Oldtimer und Baumaschinen würden den Interessenschwerpunkt der Fraktionen kennzeichnen, die sich dafür eingesetzt haben.

Wenn man den Anteil, den der Verkehr an Feinstaub produziert, wirklich reduzieren will, müsse man in gewisser Weise in den Verkehr eingreifen. Über viele Mittel hierzu sei schon gesprochen worden. Wer aber auf keinen Fall in den Verkehr eingreifen will, aus welchen Gründen auch immer, müsse eigentlich gar nicht weiterdiskutieren. Um eine Entscheidung werde man nicht herumkommen, auch wenn sie schwerfällt.

Die Vorschläge des Regierungspräsidiums seien relativ diffus. Die Verantwortung liege jetzt bei der Stadt, auch rein rechtlich. Sie müsse die als notwendig erkannten Maßnahmen umsetzen, unabhängig davon, was das Regierungspräsidium sagt.

Aus all diesen Gründen sei seine Fraktion enttäuscht, sowohl von der Debatte als auch vom Verhalten des Regierungspräsidiums. Den Maßnahmen, die eine sehr geringe Reichweite haben und die auch keine Aktionsmaßnahmen sind, werde seine Fraktion zustimmen, weil es besser sei, man macht ein bisschen als gar nichts. Die Kriterien eines wirklichen Luftreinhalte- oder gar Aktionsplans würden so aber nicht erfüllt. Letzten Endes sei es aber nicht die Frage, ob man schnell etwas machen will, sondern ob man auf Dauer eine Verkehrspolitik umsetzen will, die die Städte bewohnbar macht, und ob man eine längerfristige Gesundheitspolitik beginnen will, die den Verkehr mit der bewohnbaren Stadt versöhnt. Das sei eine gewaltige Aufgabe für eine Automobilstadt, die allerdings die Ideologien überfordere, die sich seit vielen Jahrzehnten herausgebildet haben.

Insofern könne seine Fraktion dem Aktionsplan also nicht zustimmen, jedoch der Stellungnahme der Stadt mit den zum Teil richtigen Ergänzungen, allerdings auch solchen, auf die man hätte verzichten können.

StR Kauderer (FW) spricht sich seitens seiner Fraktion dafür aus, mit Bedacht und Objektivität gegen das "Aufregerproblem" Feinstaub vorzugehen. Stuttgart müsse eine Balance zwischen wirtschaftlicher Prosperität und Umweltschutz finden, denn die Menschen in Stuttgart und der Umgebung seien auf beides angewiesen. Es müssten Lösungen und Maßnahmen gefunden werden, mit denen sich beide Seiten arrangieren können.

Anzuprangern sei, dass Stuttgart eines der am schlechtesten ausgebauten Umgehungsstraßensysteme Deutschlands hat. Es müsse unbedingt versucht werden, den Großteil des Verkehrs durch Ausbau der Umgehungsstraßen aus Stuttgart herauszubringen - Beispiel B 312 und Ost-Umfahrung. Zu klären sei, wer der jeweilige Kostenträger der Maßnahme ist. Der Steuerzahler werde diese Maßnahmen zur Luftreinhaltung bezahlen müssen. Allein in Stuttgart müssten nach seiner Schätzung 75 Mio. € zur Nachrüstung der Pkws von den Besitzern ausgegeben werden.

Die zu ergreifenden Maßnahmen müssen auf alle Fälle praxistauglich und sowohl auf Kurz-, Mittel- und Langfristigkeit ausgelegt sein. Es habe keinen Sinn, bei diesem Thema irgendwelche Schnellschüsse zu machen, nur damit etwas gemacht wird. Vielmehr sei die Effektivität der Maßnahmen entscheidend. Die Bevölkerung müsse für das Thema Umweltschutz sensibilisiert und objektiv informiert werden. Jeder Einzelne sei gefordert, seine Gewohnheiten zu ändern.

Man müsse sich aber darüber im Klaren sein, dass jeder Job, jedes Wohngebiet, jedes Einkaufszentrum für mehr Verkehr sorgt. Das lasse sich nicht einfach wegdiskutieren. Alle Maßnahmen, die in dem Luftreinhalte-/Aktionsplan aufgeführt sind, würden sich fast ausschließlich mit der Verkehrsproblematik beschäftigen. Außer Acht gelassen wurden die vielen anderen Faktoren, wie z. B. der Hausbrand oder der aus der Natur entstehende Feinstaub, die eine viel höhere Feinstaubbelastung bedingen. Das Rauchen nur einer Zigarette oder das Abbrennen einer Kerze in einer Wohnung verursache Belastungswerte, die zehnfach höher sind als die EU-Feinstaubrichtlinie zulässt. Auch das alltägliche Kochen führe zu Spitzenwerten in den eigenen vier Wänden, die gefährlicher sein können als die bisher bekannten Belastungen auf den Straßen der Ballungsgebiete zur Rushhour. Im Rom werde nur über CO2-Einsparungen diskutiert, keineswegs aber über Feinstaub. Neuere Untersuchungen, die vom Ministerium des Landes Baden-Württemberg in Auftrag gegeben worden sind, hätten gezeigt, dass rund 60 % der Außenstaubbelastungen auch permanent in einer Wohnung zu finden sind.

Zum Schluss wolle er den Lungenspezialisten Herrn Prof. Dr. N. N. (Name wurde aus Datenschutzgründen gelöscht) zitieren: "Zwischen der Konzentration an Staub und möglichen Gesundheitsschäden gibt es laut Untersuchungen der UNO-Weltgesundheitsorganisation WHO keinen nachgewiesenen Zusammenhang, es sei denn, man interpretiere Untersuchungen nach Gutdünken, ähnlich etwa, wie wenn man per Statistik eine Beziehung zwischen dem Ausbleiben von Störchen und dem Rückgang der Geburtenrate konstruieren würde."

StR Dr. Werwigk (FDP) beruft sich auf eine Aussage des Amts für Umweltschutz, dass die Schadstoffbelastung der Luft in Stuttgart in den letzten Jahren zum Teil deutlich gesunken ist. Die Ansprüche an die Luftqualität und die gesetzlichen Anforderungen seien aber erheblich gestiegen. Das Thema Luftreinhaltung sollte in Bezug auf die Luftschadstoffe mit Umsicht, aber ohne Panik angegangen werden. Trotz Abgasbelastungen durch Industriebetriebe und Verkehr steige die Lebenserwartung der Deutschen und damit auch der Bevölkerung in Stuttgart Jahr für Jahr an. Das dürfte eigentlich nicht sein, wenn die Gefährdungen so groß wären, wie sie oftmals beschrieben werden. Atemwegserkrankungen wie Pseudokrupp seien schlimm. Seine Fraktion habe Verständnis dafür, dass sie als belastend empfunden werden. Sie wolle dem Problem auch ernsthaft nachgehen und fordere alle auf, daran mitzuarbeiten, dass die Quellen dafür geschlossen werden. Festzustellen sei aber auch, dass die Menschen seit Anbeginn mit Feinstäuben aller Art gelebt haben. Wenn die Kamine geraucht haben, hätten sich die Menschen besonders wohl gefühlt, weil es dann Arbeit gab und sie eine Lebensgrundlage hatten.

Seine Fraktion wolle eine ehrliche Diskussion. 50 % der Ursachen für den Feinstaub würden nicht im Verkehr liegen, diskutiert werde aber nur über den Verkehr. Hier würden alte Feindbilder aufkommen. Stuttgart sei eine Stadt des Autos, sie lebe vom Auto als Herstellerstadt und sie lebe mit dem Auto. Als eine wirtschaftlich prosperierende Region sei man darauf angewiesen, dass Menschen und Waren ausgetauscht werden, und das sei immer mit Verkehr verbunden.

Im Ausschuss für Umwelt und Technik sei diskutiert worden, wie der Verkehr reduziert werden könne. Aber jeder Arbeitsplatz, der hier entsteht, jedes Einkaufszentrum, jedes Event-Center, das neu geplant wird, um die Stadt zu beleben, bringe mehr Verkehr. Man müsste sonst auf alle Planungen, die die Lebendigkeit der Stadt erhalten sollen, verzichten.

Seine Fraktion sei der Überzeugung, dass eine Änderung durch technische Neuerungen bei Fahrzeugen, Feuerungsanlagen der Häuser und in Industriebetrieben herbeigeführt werden müsse. Die Menschen sollten sich möglichst konsequent neue Technik anschaffen oder ihre Autos nachrüsten lassen. Das gehe aber nur auf freiwilliger Basis. Voraussetzung dafür sei, dass die Menschen objektiv informiert werden. Seine Fraktion habe deshalb auch angeregt, dass man - wie bei den Ozonwarnungen - regelmäßige Informationen vorsieht, z. B. wann die Feinstaubgrenze überschritten ist. Dann wüssten die Menschen, wie drängend das Problem ist, und sie wäre sicherlich eher bereit, in ihrem Verhalten Konsequenzen zu ziehen.

Was in dem vorgelegten Konzept zum Luftreinhalte-/Aktionsplan nicht funktionieren werde, sei die dritte Spur auf Straßen, die ja auch abgelehnt wurde. Immer wieder sei gefordert worden, die Bildung von Fahrgemeinschaften zu unterstützen. Diejenigen aber, die tagsüber alleine im Auto sitzen, seien oft Geschäftsleute, Handwerker, Vertriebsmitarbeiter, Servicemitarbeiter, also Menschen, die ihren Geschäften nachgehen. Diese könnten sich meist gar nicht abstimmen und Fahrgemeinschaften bilden. Außerdem habe man kaum Platz, eine dritte Fahrspur einzurichten. Das zeige, wie wenig realistisch manche der Vorschläge des Regierungspräsidiums sind.

Parkgebühren in Höhe von 5 € pro Stunde seien ebenfalls abzulehnen. Seine Fraktion halte das mit dem Wunsch nach einer Stadt- und Wirtschaftsbelebung für nicht vereinbar. Auch könne man nicht den privaten Parkhausbetreibern die Höhe der Gebühren vorschreiben.

In Anlage 3 zur Vorlage sei das Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden aufgelistet. Wenn dann im Freien geraucht würde, würden die Raucher dort mehr Feinstaub produzieren als die Autos. Man müsste die Menschen überzeugen, nicht mehr zu rauchen. Ein Rauchverbot gehe an ihnen vorbei.

Über die Frage, ob ebenerdige Überwege über die B 14 den Verkehr verflüssigen und die Feinstaubbelastung reduzieren, wolle man sich nach der Sommerpause noch einmal ausführlich unterhalten und das Thema im Ausschuss für Umwelt und Technik sorgfältig beraten. Im Übrigen sei seine Fraktion mit der Vorlage einverstanden.

StR Dr. Schlierer (REP) räumt ein, es treffe zwar für manche Messwerte zu, dass sich die Luftqualität in Stuttgart in den letzten Jahren verbessert hat. Entscheidend sei aber, dass sich die Situation an vielen Punkten in diesem klimatisch schwierigen Stadtkessel für die dort lebenden Menschen wirklich verschlechtert hat.

Die Richtlinien, vor deren Hintergrund die vorgesehenen Maßnahmen zu erörtern sind, seien schon seit Jahren vorhanden, aber es habe sich niemand richtig angesprochen gefühlt. Jetzt liege zwar viel Papier vor, aber keine klare Perspektive. Der Luftreinhalte- und Aktionsplan des Regierungspräsidiums Stuttgart sei eine Fleißarbeit, aber ohne eine zeitliche Prioritätensetzung unter Berücksichtigung der Effektivität der Einzelmaßnahmen. Es sei keine deutliche Trennung zwischen den mittelfristigen und langfristigen Maßnahmen im Sinne der Luftreinhaltung und der kurzfristig erforderlichen Maßnahmen im Sinne eines Aktionsplans erkennbar. Da werde auf Forschungs- und Entwicklungsprogramme verwiesen und die Suche nach technischen Lösungen, die man sich irgendwann in der Zukunft erhoffe, angesprochen. Für die Maßnahmen seien Zeitvorgaben von vielen Jahren enthalten, manchmal sogar bis in das Jahr 2010. Es gebe auch Vorschläge des Regierungspräsidiums, für die bisher noch die Rechtsgrundlagen fehlen, und eine Reihe irrealer Vorschläge, die schon angesprochen wurden. Was fehle, sei die kurzfristige Perspektive für die Menschen, die in diesen Feinstaubschwaden leben müssen, und Angaben zu den erwarteten Effekten der einzelnen Maßnahmen. Seine Gruppierung halte daher die Ziffer 2 der Beschlussvorlage für sehr wichtig und unterstütze sie.

Eine ganze Reihe von Maßnahmen werde bei weitem nicht die erwünschten Effekte haben. Er halte es für eine Augenwischerei zu glauben, dass man mit Maßnahmen der Verkehrsflusssteuerung an einigen kritischen Punkten der Stadt viel bewirken könne. Wichtiger sei, sich jetzt klar zu machen, welche Effizienzerwartungen man an die einzelnen Maßnahmen hat. Diese Effizienzabschätzung sei Voraussetzung für die Entscheidung, welche Punkte - auch im Blick auf die finanziellen Aufwendungen - als erste in Angriff zu nehmen sind. Es sei daher völlig abwegig, sich jetzt lange Gedanken darüber zu machen, ob man den Fahrradverkehr im Stuttgarter Stadtkessel erweitern kann oder nicht.

Die Hoffnung, dass sich das Mobilitätsverhalten ändern könnte und man hier bewusstseinsmäßig irgendetwas bewirkt, sei eine Fernperspektive, aber keine Frage irgendeines Aktionsplanes. Wünschenswert wäre die klare Auswahl kurzfristiger Maßnahmen und eine Abstimmung mit dem regionalen Umfeld. Insofern sei die Ergänzung unter Ziffer 1.5 sinnvoll.

Seine Gruppierung werde im Sinne der Beschlussvorlage den verschiedenen Maßnahmen zustimmen. Zufriedenstellend sei das aber nicht. Es wäre der größte Fehler, wenn man jetzt mit dieser Stellungnahme, die an das Regierungspräsidium geht, das Ganze ad acta legen würde. Wichtig werde sein, dass dies einen ersten Schritt für eine Daueraufgabe darstellt, die sich auch bewusstseinsmäßig in allen entsprechend verankert.

StRin Küstler (PDS) schließt sich der grundsätzlichen Kritik von StRin Dr. Blind und von StR Dr. Kienzle am Vorschlag des Regierungspräsidiums an. Tatsächlich sei diese Kritik aber noch zu schwach. Zu widersprechen sei denjenigen, die die Luft in Stuttgart für doch gar nicht so schlecht halten. Es gebe in Stuttgart Orte, wo Wohnungen stehen und noch gebaut werden sollen, die jenseits aller Werte sind, mit denen Menschen noch leben sollten. In den Hanglagen sei das Problem allerdings geringer. Hervorheben müsste man auch, dass die gegenwärtigen Filter nicht zu einer wirklichen Verbesserung geführt haben, weil die Feinstäube, die jetzt ausgestoßen werden, durch die Winzigkeit der Partikel noch gefährlicher sind, besonders für Kinder.

Sie bedauere es, dass nicht alle Vorschläge der SPD-Fraktion, die sie bis auf einen für vernünftig halte, aufgenommen worden sind. Sie werde sich deshalb bei dieser Vorlage der Stimme enthalten.

StR Rockenbauch schlägt vor, statt der von seinen Vorrednerinnen und Vorrednern befürworteten Maßnahmen seinen Antrag Nr. 228/2005 vom 15.07.2005 zu Abstimmung zu stellen, der sich in weiten Teilen mit der Stellungnahme des Landesnaturschutzverbandes decke.

StR R. Zeeb (FDP) beantragt für seine Fraktion, die folgenden Punkte aus der Vorlage herauszunehmen, und bittet um getrennte Abstimmung:

Anlage 2, Maßnahme 27: Nichts spreche gegen eine maßvolle Steigerung der Parkgebühren in Höhe der üblichen Steigerungsraten, der vom Regierungspräsidium vorgeschlagene Betrag von 5 € sei jedoch abzulehnen. Statt dessen solle für eine maßvolle Erhöhung der Parkgebühren in der City geworben werden.

Anlage 3, Rauchverbot: Es würde zu erheblichen Problemen führen, wenn in allen öffentlichen Gebäuden und Einrichtungen Rauchverbote bestünden. Daher lehne seine Fraktion diese Forderung ab.

Anlage 3, B 14: Hierüber sollte erst nach einer erneuten Beratung im Ausschuss für Umwelt und Technik abgestimmt werden.

Zur Auswirkung von Parkgebühren auf den Umsatz in der Innenstadt berichtet StRin Küstler, dass es zwar richtig sei, dass die Leute, die mit dem Auto in die Stadt kommen, mehr einkaufen als Leute, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder zu Fuß kommen. Wer aber mit dem Auto zum Einkaufen fährt, komme nur einmal in der Woche, die anderen aber meist täglich, und sie brächten dadurch mindesten den gleichen Umsatz. Wenn der öffentliche Nahverkehr noch billiger wäre, würden die Leute vielleicht noch öfter kommen.

StR Rockenbauch erläutert und begründet seinen Antrag Nr. 228/2005.

OB Dr. Schuster möchte diesen Antrag als weitestgehenden zuerst zur Abstimmung stellen. StR Dr. Kienzle hält diese Vorgehensweise für problematisch, denn viele Punkte des Antrags seien auch ein Anliegen seiner Fraktion. Es wäre deshalb nicht gut, wenn man mit der Ablehnung des Gesamtantrags auch gegen die positiven Aspekte stimmen müsste. Es gehe auch um eine langfristige Verkehrspolitik, über die man in diesem Umfang hier gar nicht abstimmen könne.

OB Dr. Schuster macht klar, dass man sich auf zwei Ebenen bewege. Das eine seien die fachlichen Positionen, über die man unterschiedlicher Meinung sein könne. Das andere sei die formale Notwendigkeit, eine Stellungnahme an das Regierungspräsidium mit konkreten Vorschlägen zu den Maßnahmen abgeben zu müssen. Man könnte nun über den Antrag von StR Rockenbauch insgesamt abstimmen. Die andere Möglichkeit wäre, dass die Verwaltung zu den einzelnen Punkten jeweils schriftlich in der notwendigen Differenziertheit Stellung nimmt, was aber voraussetzen würde, dass StR Rockenbauch nicht weiter wünscht, dass über seinen Antrag jetzt abgestimmt wird. Man würde zunächst einen Schnitt machen und eine Stellungnahme zum Vorschlag des Regierungspräsidiums abzugeben. Mit dem Thema Luftreinhaltung werde man sich ohnehin in den nächsten Jahren weiter beschäftigen müssen. Würde StR Rockenbauch jedoch weiterhin auf einer förmlichen Abstimmung über seinen Antrag bestehen, wäre der Antrag damit erledigt.

StR Rockenbauch hielte es für eine Lösung, zwar jetzt einen Schnitt zu machen und die Haltung des Gemeinderats festzuhalten, sich aber dennoch zu einem späteren Zeitpunkt mit den Forderungen seines Antrags zu befassen.

Aus formalen Gründen sei das nicht möglich, so OB Dr. Schuster. Man werde sich aber mit der Umsetzung der Maßnahmen und den Forderungen an das Regierungspräsidium laut Ziffer I.2 des Beschlussantrags noch im Detail noch befassen.

StR Rockenbauch erklärt, er werde seinen Antrag nicht zurückziehen, da so ein Votum des Gemeinderats zum gegenwärtigen Zeitpunkt dokumentiert würde. In der Nachbearbeitung des Themas könne man sich dann mit den verschiedenen Aspekten befassen.

StRin Küstler teilt mit, dass sie sich bei einer Abstimmung über den Antrag von StR Rockenbauch enthalten werde, da sie zwar einen großen Teil der Forderungen für richtig halte, einige aber auch für falsch.


OB Dr. Schuster stellt zur Abstimmung:

1. Antrag Nr. 228/2005 vom 16.07.2005 von StR Rockenbauch (SÖS)

bei 1 Ja-Stimme und 12 Enthaltungen mehrheitlich abgelehnt

2. Änderungsanträge der FDP-Gemeinderatsfraktion, aus den Anlagen 2 und 3 zur GRDrs 539/2005 folgende Punkte aus dem Maßnahmenkatalog herauszunehmen:



Anlage 2, M 27: Verteuerung der Parkplatzgebühren

bei 9 Ja-Stimmen und 2 Enthaltungen mehrheitlich abgelehnt

Anlage 3, Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden

bei 6 Ja-Stimmen und 1 Enthaltung mehrheitlich abgelehnt

Anlage 3, B 14

Bei diesem Punkt, so OB Dr. Schuster, gehe es darum, zu prüfen, ob die Verflüssigung des Verkehrs zur Verringerung des Feinstaubs beiträgt und wie man die entsprechenden Maßnahmen umsetzt. Damit würde sich dann der Ausschuss für Umwelt und Technik befassen. StR R. Zeeb betont, dass seine Fraktion nicht gegen eine Verflüssigung des Verkehrs sei, aber dagegen, dass ebenerdige Überwege bereits jetzt als geeignetes Mittel hierfür angesehen werden. Darüber sei aber noch nicht diskutiert worden. Würden die Wörter "ebenerdige Überwege" beim Punkt B 14 in Anlage 3 gestrichen, müsste diese Maßnahme nicht herausgenommen werden. OB Dr. Schuster versichert, dass mit den ebenerdigen Überwegen in Anlage 3 die teilweise Überdeckelung, die in dieser Sitzung noch zur Beschlussfassung anstehe, gemeint sei, wodurch man dann z. B. am Wilhelmspalais die B 14 ebenerdig überqueren könne. Das sei beispielhaft aufgeführt und keine Vorwegnahme der noch zu führenden Diskussion über ebenerdige Überwege. StR R. Zeeb (FDP) bittet, diese Erklärung von OB Dr. Schuster zu Protokoll zu nehmen. Seine Fraktion könne damit ihren Antrag zur B 14 zurückziehen.

3. GRDrs 539/2005 einschließlich der in der Tischvorlage niedergelegten Ergänzungen und Änderungen durch den Ausschuss für Umwelt und Technik