Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
920/2005
GZ:
AK 0331-02
Sitzungstermin: 10.11.2005
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Schuster
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Huber-Erdtmann
Betreff: Bürgerbeteiligung
Abschluss der Tätigkeit des Unterausschusses

Beratungsunterlage ist die dieser Niederschrift angeheftete Vorlage des Referats Allgemeine Verwaltung und Krankenhäuser vom 28.10.2005, GRDrs 920/2005.


OB Dr. Schuster berichtet, dass man sich im Unterausschuss darauf verständigt habe, sich in der Frage der Bürgerbeteiligung entsprechend der landesrechtlichen Situation zu verhalten.

Die Stellungnahmen der Mitglieder des Gemeinderats sind im leicht gekürzten und redigierten Wortlaut wiedergegeben:

StR Barg (CDU):

"Der vom Gemeinderat eingesetzte Unterausschuss hat sich mit einer wichtigen Frage der Gemeindeordnung und ihrer Auswirkung auf die Stadt Stuttgart beschäftigt. Die Arbeit im Unterausschuss war kooperativ und zielführend. Es war klar, dass bei unterschiedlichen politischen Ausgangslagen die Dinge kontrovers diskutiert werden, aber es bestand Einvernehmen, die Entwicklungen auf der Landesebene zu beobachten. Sicher hat der eine oder andere auch versucht, über die Abgeordneten im Landtag in seinem Sinne Einfluss zu nehmen. Jedoch waren sich alle zum Abschluss darin einig, dass man sich gemäß der neuen gesetzlichen Regelung verhalten werde. Die Standpunkte der Regierungsfraktionen waren nach einem langen, sehr fairen Verfahren am Ende dann klar. Auch die kommunalen Spitzenverbände in Baden-Württemberg haben sich mit dem Landesgesetzgeber auf die jetzt gefundene Lösung verständigt. Manche Gemeinderatsfraktionen wollten noch weiter gehende Lösungen, manchen - auch meiner Fraktion - gehen einzelne Regelungen zu weit. Es ist künftig grundsätzlich möglich, dass über alle Angelegenheiten, für die der Gemeinderat originär zuständig ist, ein Bürgerentscheid durchgeführt werden kann, und es wird einfacher sein, ein solches Bürgerbegehren auf die Beine zu stellen, denn das erforderliche Quorum ist abgesenkt worden.

Ich möchte mich für die gute Zusammenarbeit im Unterausschuss und für die gute Vorbereitung bei der Verwaltung bedanken."

StR Kanzleiter (SPD):

"Auch ich darf mich bei der Verwaltung für die gute fachliche und qualifizierte Begleitung dieses Ausschusses bedanken.

Ausgangspunkt für die Bildung des Ausschusses war ja ein Bürgerantrag mit dem Ziel, den Gemeinderat zu veranlassen, die Möglichkeiten der Hauptsatzung auszuschöpfen und die Bedingungen für die Durchführung eines Bürgerentscheids in unserer Stadt zu erleichtern. Auch meine Fraktion hat hierzu einen Antrag eingebracht, in dem sie vorgeschlagen hatte, dass alles, was in die Zuständigkeit des Gemeinderats fällt, in den sogenannten Positivkatalog nach der Gemeindeordnung aufgenommen werden sollte. Das hat sich nun mit einer Debatte im Landtag zum Thema Erleichterung der Einführung von Bürgerentscheiden gekreuzt. Da hier das Land der Gesetzgeber ist, muss die Stadt seine Entscheidung respektieren. Wir haben also keinen zusätzlichen Handlungsspielraum, Bürgerentscheide in Stuttgart leichter möglich zu machen, denn der Gesetzgeber hat das, was wir als Handlungsmöglichkeiten gehabt hätten, nun in die Gemeindeordnung hineingeschrieben.

Schon bisher hatten wir keinen Handlungsspielraum bei der Frage des Quorums, also welche Zahlen erreicht werden müssen, wenn man einen Bürgerantrag und einen Bürgerentscheid einbringen möchte. Das ist auch jetzt in der Gemeindeordnung geregelt, allerdings sind statt 30 % nur noch 25 % notwendig. Wir hätten gerne eine weitere Erleichterung von Bürgerentscheiden gesehen, aber da nun das entsprechende Gesetz verabschiedet ist, haben wir es zu respektieren. Allerdings bleibt es den Bürgerinnen und Bürgern unbenommen, auch weiterhin für eine erneute Veränderung der Gemeindeordnung zu kämpfen.

Wir können und müssen auf dieser Basis die Arbeit des Unterausschusses beenden, werden uns aber auf politischer Ebene weiterhin für Verbesserungen einsetzen und bei passender Gelegenheit dann hoffentlich im Landtag eine noch bessere Regelung zustande bringen.

Ich möchte noch eine Ergänzung anschließen, Herr Oberbürgermeister, und zwar direkt an Sie gerichtet: Sie haben in einer Bürgerversammlung auf eine Frage von Bürgern geantwortet, dass es künftig für den Erfolg eines Bürgerentscheides ausreichend ist, wenn 25 % der Bürger sich daran beteiligen und die Mehrheit dieser Bürger sich dann letztlich für einen Gegenstand ausspricht. Das ist leider nicht so, denn die Gemeindeordnung sieht vor, dass 25 % der Stimmberechtigten sich positiv für den Gegenstand dieses Votums aussprechen müssen."

OB Dr. Schuster dankt für diesen Hinweis und bestätigt die Richtigstellung.

StR Kugler (90/GRÜNE):

"Als wir den Unterausschuss gebildet haben, hatten wir in der Tat noch eine andere Gemeindeordnung, die in Bezug auf die direkte Demokratie durch Bürgerbeteiligung sehr viel restriktiver gewesen war, als sie es jetzt ist. Der Landesgesetzgeber hat uns durch die neue Gemeindeordnung sozusagen überholt; daher war die Arbeit des Ausschusses einzustellen. Das Quorum hätte besser sein können, und wir können allenfalls darauf hoffen, dass sich hier im Land nochmals etwas tut. Ich habe aber auch manchmal das Gefühl, dass noch gar nicht jeder gemerkt hat, dass Bürgerentscheide jetzt wesentlich leichter durchzuführen sind."

StR J. Zeeb (FW):

"Ich möchte daran erinnern, dass man im Gemeinderat kurz davor war, in polemischen Redeschlachten das Thema als Fensterreden vor der Presse breitzutreten. Auf Anregung meiner Fraktion haben wir uns aber geeinigt, diesen Unterausschuss einzurichten. Er hat gut gearbeitet, sein Ergebnis ist für die Freien Wähler befriedigend, und wir sind froh, dass die schwierige Arbeit in diesem Ausschuss beendet ist."

StR Lieberwirth (REP):

"Die Koalitionsparteien im Landtag hatten in ihrer Koalitionsvereinbarung eine klare Vorgabe gesetzt, nämlich eine deutliche Verbesserung der Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürger zu erzielen. Dieses Ziel ist leider verfehlt worden, denn es handelt sich hier nicht um eine schwierige Aufgabe, die man irgendwann abhaken kann, sondern um eine Daueraufgabe. Wir sollten daher die Versuche, die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger zu verbessern, nicht einstellen. Das Absenken des Quorums von 30 % auf 25 % ist zu wenig, und auch die Erweiterung der Fristen - z. B. um Unterschriften zu sammeln - ist unbefriedigend. Andere Bundesländer haben sehr viel bürgerfreundlichere Lösungen gefunden, und man kann nicht behaupten, dass dort das Chaos ausgebrochen wäre. Wenn es dem Landesgesetzgeber und den beteiligten Kommunalpolitikern daran gelegen sein sollte, die Beteiligung der Bürger auch bei Kommunalwahlen und bei Landtagswahlen zu erhöhen, dann müssten sie sich darum bemühen, im Rahmen der Gesetzgebung und der Vorgaben jene Bedingungen zu schaffen, die eine echte Partizipation bedeuten.

Wir werden heute zwar der Entscheidung wohl zustimmen müssen, die Arbeiten an diesem Thema einzustellen und zur Kenntnis zu nehmen, was der Landesgesetzgeber uns vorsetzt, aber wir sollten uns darum bemühen, die Bürgerbeteiligungsmöglichkeiten weiter zu verbessern."

StR Rockenbauch (SÖS):

"Demokratie lebt von der Beteiligung der Menschen. Aber gerade im kommunalpolitischen Bereich enthalten sich die Menschen zu mehr als 50 %. Das Vertrauen in die Politik ist derzeit miserabel. Dieser Vertrauensbruch kann nur geheilt werden, wenn die Politik wieder Vertrauen in ihre Bürger hat und sie ernsthaft mitgestalten lässt und ihnen direkte Kontrollmöglichkeiten über die Entscheidungen z. B. eines Gemeinderates gibt. Daran müssen auch wir hier innerhalb des Gemeinderates gemeinsam arbeiten. Ich habe in meiner Haushaltsrede einiges zum Bürgerhaushalt gesagt und darüber, wie die Bürger sich direkt und ernsthaft beteiligen könnten.

Zu der vorliegenden Gesetzesänderung wurde gerade geäußert, wir müssten sie akzeptieren. Ich erinnere daran, dass ich noch während des Gesetzgebungsverfahrens einen Antrag gestellt hatte, in einer Resolution eine deutliche Senkung des Quorums zu fordern. Dieser Antrag wurde abgelehnt.

Das Quorum von 25 % ist immer noch viel zu hoch. Ebenso ist zu kritisieren, dass die Bauleitplanung - ein Bereich, in dem es unmittelbar um Belange der Menschen geht - jetzt nicht mehr Sache eines Bürgerentscheides sein kann. Durch den Wegfall des Positivkatalogs wurde also nicht nur Positives geschaffen, sondern es wurden Bereiche, die vorher Thema eines Bürgerentscheides sein konnten, ausgenommen.

Dass wir heute den geheimen Unterausschuss zur Bürgerbeteiligung beenden, ist sicherlich richtig, denn die Debatte muss ja öffentlich geführt werden. Ich habe die Befürchtung, dass der Unterausschuss nur dazu da war, das Thema aus dem Gemeinderat herauszuhalten, obwohl es für die Öffentlichkeit interessant gewesen wäre, zu sehen, wie wir uns zu mehr direkter Demokratie bekennen. Ich selber habe nie eine Einladung zu diesem Unterausschuss bekommen und konnte auch über Cuparla nicht erfahren, ob er wirklich getagt hat, und ich habe keine Protokolle erhalten.

Wir von SÖS sind nicht zufrieden mit dem, was jetzt an Bürgerbeteiligung erreicht wurde, und wir hoffen, dass alle gemeinsam daran weiterarbeiten, dass in Zukunft mehr möglich wird und wir uns auch trauen, auf den Gesetzgeber Druck zu machen."

Abschließend stellt OB Dr. Schuster fest:

Der Gemeinderat beschließt bei 1 Nein-Stimme mehrheitlich wie beantragt.