Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
901/2004
GZ:
St 6122-3
Sitzungstermin: 28.10.2004
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Schuster
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Huber-Erdtmann
Betreff: Baugebiet "Am Rohrer Weg" in Stuttgart-Möhringen
Einstellung der Verfahren und Änderung des Flächennutzungsplanes

Vorgang:
Ausschuss für Umwelt und Technik vom 26.10.2004, öffentlich, Nr. 556

Ergebnis:
Verweisung ohne Votum an die nachfolgenden Gremien

Verwaltungsaussschuss vom 27.10.2004, öffentlich, Nr. 414

Ergebnis:
Verweisung ohne Votum in die Vollversammlung des Gemeinderats


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 15.10.2004, GRDrs 901/2004, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Die Bemühungen zur Durchführung einer freiwilligen Umlegung in dem Gebiet "Am Rohrer Weg" im Stadtbezirk Möhringen werden eingestellt.

2. Die Flächennutzungsplanänderung Nr. 12 "Am Rohrer Weg/Sindelbach" (Aufstellungsbeschluss vom 02.07.2002, GRDrs 419/2002) wird eingestellt.

3. Die geplante Wohnbaufläche des Flächennutzungsplans 2010 im Bereich Rohrer Weg ist in Fläche für Landwirtschaft mit Ergänzungsfunktionen zu ändern.

4. Das Bebauungsplanverfahren "Rohrer Weg" im Stadtbezirk Möhringen (Mö 184) wird eingestellt. Der Aufstellungsbeschluß gemäß § 2 (1) BauGB vom 23.03.1993 (GRDrs 841/1992 vom 17.12.1992) wird aufgehoben.

5. Das bisherige Landschaftsschutzgebiet "Glemswald" ist auf die schutzwürdigen Bereiche im Westen von Möhringen auszudehnen.


Ein Plan zu der im Betreff genannten Angelegenheit ist im Sitzungssaal ausgehängt.


StR R. Schmid (CDU) erklärt, dass seine Fraktion die Bebauung am Rohrer Weg für machbar und auch für vertretbar halte und das Thema in den letzten Jahren positiv begleitet habe. Nun sei sie aber bereit, von dieser Planung Abstand zu nehmen. Sie wolle ihre Kraft im Gemeinderat für den schon seit längerem bestehenden Konsens einsetzen, die bauliche Entwicklung auf den Bestand zu konzentrieren. Der Innenentwicklung solle der Vorzug gegeben werden vor der Außenentwicklung, was bei der Fortschreibung des Flächennutzungsplans ja auch schon eingeleitet worden sei. Mit dieser Entwicklung im Inneren des Stadtgebiets werde man noch auf Jahre beschäftigt sein, nicht nur wegen Stuttgart 21, sondern die Stichwortliste sei deutlich länger. Sie enthalte beispielsweise den Killesberg, den Güterbahnhof Bad Cannstatt und das Friedrich-List-Heim. Es stelle sich die Aufgabe, mit der Innenentwicklung letztlich auch das Stadtbild zu prägen.

Seine Fraktion werde daher dem Beschlussantrag in allen fünf Punkten zustimmen, wobei sie allerdings die Ziffer 5 gerne im Rahmen einer umfassenderen Überlegung zum Thema Landschaftsschutzgebiete behandelt hätte.

StR Kanzleiter (SPD) spricht sich für die Vorlage aus, die auch schon früher die Zustimmung seiner Fraktion gefunden hätte. Es sei eine wichtige Entscheidung, weil nun auf Dauer eine Frischluftschneise freigehalten werde und die Obstwiesen geschützt würden. Die Bevölkerung trage diese Ziele mit. Zwar würden die Grundstücksbesitzer in diesem Gebiet die Entscheidung bedauern, aber es gebe keinen Anspruch auf Planungsrecht; der Gemeinderat habe die Souveränität, diese Entscheidung so zu treffen.

Der Beschluss bilde einen ersten Baustein für einen Filderpark, an dem man arbeiten sollte. Es sei wichtig, den Charakter der Stadt mit Wirtschaft und Kompetenz auf der einen Seite und mit Landschaft und liebenswerter Umgebung auf der anderen Seite zu erhalten.

StRin Marx (90/GRÜNE) begrüßt es nachdrücklich, dass die drei großen Fraktionen nun im Einklang eine große Sensibilität für die Notwendigkeit zeigen, Flächen zu schützen, die eine hohe Klimarelevanz für die besondere topografische Lage Stuttgarts haben. Damit werde endlich ein Einstieg gemacht in die Umsetzung dessen, was man sich seinerzeit in der Flächennutzungsdebatte gemeinsam vorgenommen hatte.

Zu Ziffer 5 des Beschlussantrags, nämlich das Landschaftsschutzgebiet Glemswald zu erweitern, warte man auf die Vorlage, die den großen Zusammenhang aufzeigen soll. Der Beschluss über das Baugebiet am "Am Rohrer Weg" müsse aber vorab als Signal beschlossen werden. Sie wolle an dieser Stelle auch der Initiative Rohrer Weg danken, dass sie sehr sachlich und engagiert für die Nichtbebauung dieses Gebiets gekämpft hat.

StR J. Zeeb (FW) unterstreicht, die Freien Wähler seien auch weiterhin der Meinung, dass die Bebauung am Rohrer Weg nach wie vor ohne Wenn und Aber richtig und sinnvoll ist. Man habe sich über das Gebiet viele Gedanken gemacht und die Planung den Wünschen und Einwänden angepasst, so gut es ging. Überdies sei das Umlegungsverfahren nahezu abgeschlossen. Das zeige, dass die Eigentümer dies so wünschen. Dieser Wunsch habe für seine Fraktion Priorität.

In Stuttgart benötige man Wohnbauflächen unterschiedlichster Qualität, und zwar nicht nur Neubauflächen für preiswertes Wohneigentum, sondern auch Gebiete wie am Rohrer Weg, wo der typische schwäbische Häuslesbauer bauen könnte. Diese Baufläche sei auch nicht vergleichbar oder aufrechenbar mit anderen Wohnbauflächen in Stuttgart, wie das jetzt oft gemacht werde. Seine Fraktion lehne daher die Einstellung des Verfahrens und die Änderung des Bebauungsplans ab.

Auch für seine Fraktion, so StR Dr. Werwigk (FDP), sei die Vorlage ein Salto rückwärts und aus ökologischer Sicht ein Schildbürgerstreich. Durch diesen Beschluss müssten insbesondere junge Familien außerhalb von Stuttgart ihr Haus bauen. Damit verabschiede man sich von dem Ideal, dass die Menschen in der Nähe ihrer Arbeitsplätze wohnen können. Für diese Häuser müssten dann im Umland Streuobstwiesen weichen, die man in Stuttgart gerettet hat. Im Übrigen halte er es für bedenklich, wenn ein künstlicher Gegensatz zwischen Streuobstwiesen und Wohnbebauung herbeigeredet wird, denn Obstbäume, viel Grün und eine maßvolle naturschonende Wohnbebauung könnten sich ideal ergänzen.

Die Benachteiligten seien die Einsteiger und Aufsteiger, die Jungen und die Wagemutigen sowie die jungen Familien. Diese erhielten in Stuttgart keine Chance mehr. So werde auch ein Stück Zukunft verspielt. Wer die Bebauung nach außen verlagert, sollte auch gleich mitbeschließen, dass die Einfallstraßen nach Stuttgart ausgebaut werden, denn die Menschen müssten dann ja jeden Tag nach Stuttgart hineinpendeln - mit allen Folgen für die Luft.

Besonders schwerwiegend sei für seine Fraktion auch, dass die betroffenen Bürger und die Grundstückseigentümer für die bisherige Planung waren und dass mit ihnen seitens der Stadt bereits verbindliche vertragliche Vereinbarungen getroffen wurden. Die Stadt werde mit dem jetzt vorgelegten Beschluss vertragsbrüchig und verspiele das Vertrauen in eine verlässliche Stadtpolitik. Außerdem werde dieser Vorgang überall Nachahmer finden, denn es sei doch klar, dass alle alteingesessenen Bewohner eines Stadtteils, die bereits in ihrem Häuschen im Grünen wohnen, sich immer gegen Veränderungen und Neuzuzüge in ihrer Nachbarschaft aussprechen werden.

StR Lieberwirth (REP) erklärt, seine Gruppierung sei von Anfang an gegen die Bebauung am Rohrer Weg gewesen, und zwar nicht nur aus klimatologischen Gründen, sondern auch, weil es sich um ein Naherholungsgebiet für die Menschen in den Stadtbezirken Möhringen und Vaihingen handle. Da die Versiegelung im Stuttgarter Raum in den letzten 60 Jahren enorm zugenommen habe, sei die Vorlage ein guter Beitrag, um diese Entwicklung zu stoppen.

StRin Küstler (PDS) begrüßt die neue Planung, da so die besondere Wirtschafts- und Kulturform der Streuobstwiesen auch für die nachkommenden Generationen erhalten bleibe. Sie schätze die Arbeit der Bürgerinitiative hoch und unterstütze ihr Anliegen. Der Vorlage werde sie daher zustimmen.

Abschließend weist OB Dr. Schuster darauf hin, dass zu Ziffer 5 des Beschlussantrags noch eine eigene Vorlage erarbeitet werde, und zwar im Zusammenhang mit dem bisherigen Landschaftsschutzgebiet "Glemswald" sowie der möglichen Entwicklung eines Filderparks.


Abschließend stellt OB Dr. Schuster fest:

Der Gemeinderat beschließt bei 9 Nein-Stimmen mehrheitlich wie beantragt.