Protokoll:

Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
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VerhandlungDrucksache:
236/2006
GZ:
AK 0331-02
Sitzungstermin: 27.04.2006
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Schuster
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Huber-Erdtmann hr
Betreff: Ehrenordnung des Gemeinderats der
Landeshauptstadt Stuttgart

Vorgang: Verwaltungsausschuss vom 26.04.2006, nichtöffentlich, Nr. 131

Ergebnis: einmütige Zustimmung


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Allgemeine Verwaltung und Krankenhäuser vom 18.04.2006, GRDrs 236/2006, mit folgendem

Beschlussantrag:



Die Stellungnahmen der Mitglieder des Gemeinderats sind im leicht gekürzten und redigierten Wortlaut wiedergegeben.

StR Uhl (CDU):

"Heute ist ein bedeutender Tag, denn zum ersten Mal in seiner Geschichte verabschiedet der Gemeinderat eine Ehrenordnung, an die sich die Mitglieder dieses Gremiums zukünftig halten möchten. Dieser Ehrenkodex ist keine rechtlich verbindliche Vorgabe, sondern er ist ein Wegweiser, der jedem Mitglied des Gemeinderats zeigt, wie es sich verhalten soll. Es ist eine selbst gegebene Verpflichtung, sich künftig an den Ehrenkodex zu halten und die Dinge, die dort festgeschrieben sind, zu bedenken. Der Ehrenkodex soll die Mitglieder des Gemeinderats aber auch vor problematischen Situationen schützen, indem er darauf hinweist, was zulässig ist und was nicht.

Ich sage ausdrücklich Dank an die Mitglieder des Gemeinderats, die an der Erstellung des Ehrenkodex mitgewirkt haben. Es ist ein wichtiger Vorgang, dass der Ehrenkodex nicht von der Verwaltung verfasst worden ist, sondern von den Gemeinderatsmitgliedern selbst. Die CDU-Fraktion wird dieser Vorlage zustimmen, und wir hoffen, dass damit für die Zukunft Klarheit geschaffen ist."

StR Kanzleiter (SPD):

"Es ist falsch, was am 4. März in der Presse geschrieben wurde, nämlich dass OB Dr. Schuster dem Gemeinderat '10 Gebote gegen Korruption' verordnet habe, denn es ist in der Tat so, dass der Gemeinderat selbst eine Ehrenordnung erarbeitet hat. Grund hierfür war, dass wir uns leider derzeit in einer gesellschaftlichen Situation befinden, in der durch mediale Darstellung, aber auch durch eigenes Verschulden einiger von uns die latente Vermutung verbreitet wird, alle Politiker und Politikerinnen seien korrupt.

Ich glaube, dass wir als Gemeinderat der Stadt Stuttgart einiges dafür tun, diesem Eindruck entgegenzuwirken. Wir nehmen unsere Aufgaben ernst, entscheiden sachbezogen unter Beachtung der jeweiligen politischen Positionen, und die einzelnen Mitglieder des Gemeinderats nehmen ihr Mandat nicht deshalb wahr, um sich persönliche Vorteile - welcher Art auch immer - zu verschaffen.

Die Ehrenordnung, die wir uns gegeben haben, ist eine Art Geländer, an dem man sich festhalten kann, wenn es um Zweifelsfragen geht, um Fragen allgemeiner Art, die unser Umfeld als Gemeinderat ansprechen. Und es ist eine Art Selbstverpflichtung, das, was im Ehrenkodex niedergelegt worden ist, auch einzuhalten und Transparenz zu schaffen, um in der Öffentlichkeit das Vertrauen zu stärken, das nach meiner Überzeugung der Gemeinderat auch verdient hat. Es ist ein Versuch - ob er gelingt, wird die Zukunft erweisen. Wir stimmen der Vorlage zu."

StR Kugler (90/GRÜNE):

"Seit Jahrhunderten gibt es Gemeinderäte, aber bis heute hat es der Gesetzgeber nicht geschafft, eine eindeutige Regelung zu treffen, ob Gemeinderäte Amtsträger im Sinne des Untreueparagrafen des Strafgesetzbuchs sind. An sich wäre es Aufgabe des Innenministeriums, hier klare Aussagen zu machen. Es hat sich jedoch zurückgezogen und geäußert, es glaube, dass Gemeinderäte Amtsträger sind und damit der gleichen Strafbarkeit unterliegen würden wie Beamte. Das stimmt aber nicht mit dem Bild eines Gemeinderats überein.

Wir haben uns deshalb zusammengesetzt und uns diese Ehrenordnung gegeben. Sie kann nicht mehr sein, als den Bürgerinnen und Bürgern von Stuttgart zu zeigen, was wir als Gemeinderat für vertretbar halten. Das zweite Wichtige beim Thema Korruption ist, dass wir versuchen, in Zukunft alles öffentlich abzuhandeln.

Es wird auch einen so genannten Ehrenrat geben. Jedes Mitglied des Gemeinderats, das sich unschlüssig ist, ob eine Einladung zu einem Abendessen oder einer Veranstaltung im Rahmen dieses Ehrenkodex noch zulässig ist, kann sich hier beraten lassen.

Wir wissen aber, dass über allem die Stuttgarter Staatsanwaltschaft 'schwebt'. In der Vergangenheit hatten wir Glück gehabt, aber es ist niemals auszuschließen, dass der eine oder andere Ermittler wieder einmal gegen 60 Gemeinderäte ein Ermittlungsverfahren in Gang setzt. Mit dem Ehrenkodex haben wir uns ein Handwerkszeug an die Hand gegeben, um hier künftig besser gewappnet zu sein. Wir werden der Vorlage zustimmen."

StR J. Zeeb (FW):

"Die Fraktion der Freien Wähler befürwortet die Vorlage ebenfalls. Diese zeigt, dass wir unser Mandat und die damit verbundene Außenwirkung sehr ernst nehmen und nicht in den Ruf von Abstaubern und Abzockern kommen wollen, wie die Medien das gerne und immer wieder unrichtig verbreiten. Der Ehrenkodex ist eine Orientierungshilfe für uns alle, aber man muss wissen, dass er keine Rechtssicherheit gewährleistet. Jeder muss sein Verhalten entsprechend ausrichten.

Wir hoffen, dass der erwähnte Ehrenrat nicht oder nur ganz selten zusammenkommen muss. Auch wenn der Ehrenkodex mehr Transparenz vermitteln soll, so bittet unsere Fraktion doch eindringlich, die in Ziffer 13 der Ehrenordnung aufgeführten Offenlegungen so vertraulich wie möglich zu behandeln, denn das gebietet der Respekt uns Gemeinderäten gegenüber."

StR R. Zeeb (FDP):

"Die FDP-Fraktion begrüßt die heutige Verabschiedung der Ehrenordnung für den Stuttgarter Rat. Mit der Vorlage sind klare Verhaltensregeln für die Mandatsträger aufgezeigt worden - Verhaltensweisen, an die wir uns schon immer gehalten haben. Allerdings vermissen gerade wir Liberalen eine gewisse Rechtssicherheit für Ratsmitglieder, die sich z. B. unternehmerisch in dieser Stadt betätigen oder ein Grundstück von der Stadt kaufen wollen. Selbstständige Stadträtinnen und Stadträte sollten bei der Vergabe von Aufträgen nicht bevorzugt, aber auch nicht benachteiligt werden. Allerdings hat sich in der Öffentlichkeit durch die Affären in verschiedenen Städten eine gewisse 'Geschmäckle-Philosophie' eingeschlichen, gegen die es anzugehen gilt. Es wird für Selbstständige alleine von der Zeit und den beruflichen Verpflichtungen her immer schwieriger, sich für die Stadt Stuttgart in Gremien einsetzen zu können. Man sollte gerade diese Stadträtinnen und Stadträte nicht ungerechtfertigt der Gefahr aussetzen, mit dem Stempel der Vorteilsnahme versehen zu werden.

Die Ehrenordnung, die von den Mitgliedern des Gemeinderats in zahlreichen Gesprächen erarbeitet wurde, zeigt, dass der Gemeinderat nichts zu verbergen hat. Wir sind für Transparenz, wir halten uns an den Ehrenkodex. Wir glauben - und ich wiederhole es -, dass wir dies schon immer getan haben. Aber wir Freien Demokraten wollen keine Schnüffeleien. Wir sollten unser schwäbisches Viertele, zu dem wir eingeladen worden sind, unbelastet trinken können."


StR Dr. Schlierer (REP):

"Auch wir begrüßen die Ehrenordnung, und zwar deshalb, weil sie in der Tat in einer zunehmend schwieriger werdenden Zeit, was Abgrenzungen bestimmter noch zulässiger oder unzulässiger Verhaltensweisen angeht, einen Orientierungsrahmen setzt. Man könnte zwar davon ausgehen, dass eigentlich ein ungeschriebener Komment ausreichen müsste. Aber es ist einzuräumen, dass die Abgrenzung dessen, was noch zulässiges Verhalten darstellt, immer schwieriger wird. Das hängt sicherlich auch damit zusammen, dass die Strafverfolgungsbehörden heute manche Dinge ganz anders bewerten. Man denke nur an Tatbestände wie die Vorteilsnahme oder der Untreuetatbestand. Es ist sicherlich auch ein Problem geworden, dass manches schon als Fehlverhalten angesehen wird, wenn es nur die Bereicherung Dritter zur Folge hat. Dazu kommt die Diskussion über die Amtsträgereigenschaft. All das ist durchaus Anlass, durch ein Regelwerk Vorgaben zu setzen, die es dem Einzelnen leichter machen, die Grenzen rechtzeitig zu erkennen.

Da für meine Gruppe keine Mitarbeit an der Erstellung dieser Ehrenordnung möglich war, möchte ich noch zwei Anmerkungen machen. Erstens wäre es sicherlich hilfreich, wenn klarer geregelt wäre, wann und durch wen die Einberufung des Ehrenrates erfolgen kann. Und zweitens möchten wir die Anregung mit auf den Weg geben, bei der Auswahl der Mitglieder des Ehrenrates darauf zu achten, dass möglichst erfahrene, langjährige Mitglieder des Gemeinderates die verschiedenen Gruppierungen und Fraktionen vertreten, da es sicherlich hilfreich ist, wenn die im Laufe der Jahre gewachsenen und sinnvollen gewohnheitsrechtlichen Verfahrensweisen mit bedacht werden."

StRin Küstler (PDS):

"Ich stimme dem Beschlussantrag über die Ehrenordnung des Gemeinderates zu und begrüße ihn. Es wird sicherlich in verschiedenen konkreten Fällen in Zukunft leichter sein, zwischen richtig und falsch zu unterscheiden. Um auf einen meiner Vorredner einzugehen: Wenn wir ein 'Geschmäckle' vermeiden wollen, ist es am besten, wir machen deutlich, dass hier im Gemeinderat die Interessen aller Einwohnerinnen und Einwohner vertreten werden und nicht nur bestimmte Bevölkerungsgruppen gesehen werden."

StR Rockenbauch (SÖS):

"In letzter Zeit ist der Gemeinderat - durch die Sitzungsgeldaffäre und das 'Sitzungshopping' nicht ganz unverschuldet - ganz schön in Not geraten, das Bild des ehrenwerten Stadtrates zu retten. Da kommt jetzt dieser Ehrenkodex gerade recht. Doch stellt sich die Frage, wie ehrlich dieser Ehrenkodex gemeint ist, wenn er so verborgen vor aller Öffentlichkeit beraten worden ist, dass nicht einmal Einzelstadträte daran mitarbeiten konnten geschweige denn die betreffenden Sitzungsprotokolle bekommen haben. Man könnte sich als Bürger daher fragen, was da ausgehandelt worden ist, wenn es so geheim vor sich gegangen ist."

An StR Dr. Schlierer gewandt erläutert OB Dr. Schuster, dass die Einberufung des Ehrenrats in der Ehrenordnung klar geregelt ist. Wenn ein entsprechender Fall auftauche, werde aus der Mitte des Ältestenrats dieses Gremium bildet. Er gehe davon aus, dass die Mitglieder aller Fraktionen die notwendige Erfahrung besitzen, sodass dieser Punkt nicht eigens geregelt werden müsse. Sollte es je Zweifel geben, könne man sich bei der Auslegung an der Geschäftsordnung des Gemeinderats orientieren. Es sei anzunehmen, dass der Ehrenrat nicht allzu häufig werde tagen müssen.

StR Dr. Schlierer verdeutlicht, dass er die Regelung im letzten Satz von Ziffer 3 der Ehrenordnung, der Ehrenrat werde bei Bedarf unverzüglich einberufen, für ungenau halte. Er bitte zu erläutern, mit welchen Vorstellungen diese Bestimmung so in die Ehrenordnung hineingeschrieben wurde.

Bei den Beratungen im Gremium zur Erstellung der Ehrenordnung, so StR Barg (CDU), sei man sich darüber im Klaren gewesen, dass der Ehrenrat erst dann zusammentritt, wenn an den Oberbürgermeister von Einzelnen oder von Gruppen oder Fraktionen ein Thema herangetragen wird. Man habe eigens kein gemeinderätliches Gremium gewollt, das regelmäßig tagt, um über andere zu richten oder ihnen weitere Vorgaben zu machen, sondern das zusammenkommt, wenn ein Sachverhalt auftritt und der Oberbürgermeister der Meinung ist, das er hier nicht alleine einen Rat geben kann.

OB Dr. Schuster betont, dass der Ehrenrat ja keine Institution sei und auch keine Entscheidungsbefugnis habe. Es sei eine Selbstverpflichtung und insofern auch jeweils die Entscheidung jedes einzelnen Gemeinderatsmitglieds, entweder den Ehrenrat anzurufen oder sich beim Rechtsamt Rat zu holen. Insoweit sehe er auch nicht die Notwendigkeit, alles bis ins Detail in einer Geschäftsordnung zu regeln.

Nach Ansicht von StR Kugler ist es verständlich, dass ein Mitglied des Gemeinderats, das ein Problem hat, wissen möchte, wer diesem Ehrenrat angehört. Er rege daher an, im Ältestenrat nochmals darüber zu sprechen und dort auch diese Personen zu benennen und nicht erst, wenn der Ehrenrat einberufen werden soll.

Gegenüber StRin Küstler versichert OB Dr. Schuster, dass jedes einzelne Mitglied des Gemeinderats sich zur Entscheidung von Einzelfragen an den Ehrenrat wenden könne. Wie von StR Kugler vorgeschlagen, werde er die Fraktionen in der nächsten Sitzung des Ältestenrats bitten, die Personen zu benennen, die den Ehrenrat bilden sollen, damit er im Bedarfsfall rasch zusammentreten kann.

Da keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, stellt der Vorsitzende fest:

Der Gemeinderat beschließt einstimmig wie beantragt.