Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Wirtschaft/Finanzen und Beteiligungen
Gz: WFB
GRDrs 586/2007
Stuttgart,
07/03/2007



Übernahme der Fahrtkosten für Integrationskurse des Bundes
für Alg II-Empfänger




Beschlußvorlage
Vorlage an
    zur
SitzungsartSitzungstermin
Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen
Gemeinderat
Vorberatung
Beschlussfassung
öffentlich
öffentlich
13.07.2007
19.07.2007



Beschlußantrag:

1. Der Übernahme der Fahrtkosten für Integrationskurse des Bundes für Alg II-Empfänger für das zweite Halbjahr 2007 in Höhe von rd. 100.000 € wird zugestimmt.

2. Die Deckung erfolgt über vorhandene Mittel bei der Finanzposition 1.7917.7000.000 (Arbeitsförderungsmaßnahmen).


Begründung:


In seiner Sitzung am 29. Juni 2007 wurde der Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen über die aktuelle Situation in Bezug auf die bisher vom JobCenter übernommenen Fahrtkosten für Integrationskurse für Alg II-Empfänger informiert. Demnach ist es dem JobCenter nach Weisung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) nicht mehr möglich, die Fahrtkosten für Alg II-Empfänger zur Teilnahme an einem Integrationskurs zu übernehmen.

Hintergrund der Entwicklung

Das am 01. Januar 2005 in Kraft getretene Zuwanderungsgesetz regelt, dass Ausländer und Spätaussiedler an einem Integrationskurs teilnehmen können/müssen, damit bessere Integrationserfolge in Gesellschaft und Arbeitsmarkt erzielt werden können. Federführend für die Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Nürnberg.

Um die Durchführung der Integrationskurse zu unterstützen, wurde in Stuttgart bereits Ende 2004 das Kooperationsnetz Integrationskurse aufgebaut. Unter Federführung der Stabsabteilung für Integrationspolitik der Landeshauptstadt wurden Strukturen für die Kooperation zwischen Ausländerbehörde, Sozialamt, Migrationserstberatung, Jugendmigrationsdienst, Sprachkursträgern, BAMF und JobCenter geschaffen.

Gegenwärtig sind 20 Sprachkursträger vom BAMF zugelassen, davon bieten 14 Integrationskurse an.

Als Kooperationsmodell zwischen den Trägern der freien Wohlfahrtspflege und dem Sozialamt der Landeshauptstadt besteht seit April 2005 die Erstberatungs- und Clearingstelle. Die vom Bund finanzierte Migrationserstberatung (MEB) bietet allen Neuzuwanderern eine umfassende Beratung (Fallmanagement) an, und darüber hinaus den Integrationskursteilnehmern eine intensive, kursbegleitende Betreuung an. Die Träger der MEB haben sich in Stuttgart schon frühzeitig den zugelassenen Sprachkursträgern zugeordnet und entsprechende Kooperationsstrukturen aufgebaut.

Bereits kurz nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes wurde klar, dass die Bereitschaft von Alg II-Empfängern, einen Integrationskurs zu besuchen, von der Übernahme der Fahrtkosten abhing. Da nach Kenntnis des JobCenters das BAMF die Übernahme der Fahrtkosten bis auf wenige Ausnahmen ablehnte, dem JobCenter aber klar war, dass eine berufliche Integration ohne Spracherwerb sehr schwierig ist, entschied es sich, über das Eingliederungsinstrument der „Sonstigen weiteren Leistungen“ die Fahrtkosten zu übernehmen. Diese Bereitschaft wurde von allen Beteiligten mehr als wohlwollend aufgenommen. Im Laufe der Zeit wurde aber mehr und mehr deutlich, dass das JobCenter hierbei eine von anderen ARGEn und Agenturen mit getrennten Trägerschaften abweichende Praxis umsetzt.

Mehrmals hat das JobCenter Stuttgart versucht, das BAMF zur Übernahme der Fahrtkosten zu bewegen, jedoch stets erfolglos. Selbst eine Veranstaltung am 21.2.2006 im Stuttgarter Rathaus mit den drei Bundestagsabgeordneten Frau Kumpf (SPD), Herr Krummacher (CDU) und Herr Hermann (Grüne) brachte keinen Durchbruch. Sie wandten sich anschließend zwar in einem gemeinsamen Brief an den Innenminister, ein Erfolg blieb jedoch aus. Das BAMF verwies u.a. stets auf eine begleitende Evaluation, deren Ergebnisse zwar inzwischen vorliegen, die Konsequenzen allerdings noch nicht abschließend diskutiert seien.


Aktueller Stand

Nach Weisungen des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (BMAS) vom 02. Februar und 19. Februar 2007 darf das JobCenter die Teilnahme an einem Integrationskurs nicht mehr durch Übernahme der Fahrtkosten unterstützen.

Das Ministerium hat klargestellt, dass für eine solche Erstattung im SGB II keine Rechtsgrundlage bestehe. Vielmehr sei das BAMF für die Unterstützung der Teilnehmer eines Integrationskurses durch Fahrtkostenzuschüsse vorrangiger Leistungsträger. Eine Kostenübernahme sei weder auf der Grundlage des § 16 Abs. 1 SGB II i.V. mit § 77 ff SGB III möglich (= Förderung der beruflichen Weiterbildung), noch als Sonstige weitere Leistung i.S.d. § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II. Ansonsten würden die Maßgaben und Grenzen des vorrangigen Leistungssystems umgangen.

Die ministeriellen Weisungen wurden dem JobCenter Anfang März 2007 bekannt. Nach Ablauf einer Handlungsfrist entschied das JobCenter, Anträge auf Fahrtkostenübernahme, die ab 23. April 2007 gestellt werden, abzulehnen.

Laut Schätzungen des Regionalkoordinators vom BAMF sind ca. 45 % der Teilnehmer an Integrationskursen Alg II-Empfänger. Die anderen 55 % sind Migranten, die aufgrund ihrer Einkommens- oder Vermögensverhältnisse nicht hilfebedürftig sind.

2005 haben 720 Alg II-Bezieher an Integrationskursen teilgenommen, 2006 waren es 829. In diesen Fällen wurden vom JobCenter die Fahrtkosten übernommen.


Übernahme der Fahrtkosten durch die Landeshauptstadt

Für 2007 waren im Geschäftsplan des JobCenters für 760 Fälle 380 € pro Fall, insgesamt also 288.800 € eingeplant. Davon sind ca. 185.000 € verbraucht, was einer Förderung von 306 Neueintritten in 2007 und 300 Verpflichtungsfällen aus 2006 entspricht (Stand: Ende Juni 2007).

In den vergangenen beiden Jahren wurden etwa 40% der teilnehmenden ALG II-Bezieher von der Ausländerbehörde verpflichtet. Übertragen auf 2007 wären dies ca. 300 Fälle, für die dem Grund nach das BAMF die Kosten übernehmen könnte, sofern die Verwaltungspraxis zur Ortsnähe geändert würde.

Es verbleiben ca. 460 Fälle, für die die Integrationskursverordnung auch dem Grund nach keine Förderung vorsieht. Bei der Übernahme der Fahrtkosten für das zweite Halbjahr würden Kosten in Höhe von ca. 100.000 € für die weiteren ca. 460 Fälle entstehen (ca. 76 Eintritte pro Monat).

Der Ausschuss für Wirtschaft und Wohnen hat sich in seiner Sitzung am 29. Juni 2007 einmütig dafür ausgesprochen, dass die Landeshauptstadt übergangsweise für das zweite Halbjahr 2007 die Fahrtkosten in Höhe der geschätzten 100.000 € übernimmt. Diese Regelung gilt ausschließlich für das Jahr 2007. Die Deckung erfolgt über vorhandene Mittel aus dem Budget der Arbeitsförderung.

Die Verwaltung ist bestrebt, beim BAMF eine (Teil-)Erstattung für ca. 180 Verpflichtete in Höhe von ca. 40.000 €, die dem Grund nach übernommen werden können, zu erreichen. Darüber hinaus wird eine dauerhafte Lösung für eine Kostenübernahme durch den Bund angestrebt. Ein Teilbetrag der eingesetzten städtischen Mittel fließt der Landeshauptstadt über Einsparungen bei den von der Landeshauptstadt zu tragenden Kosten der Unterkunft zurück, da sich die Chancen auf dem Arbeitsmarkt für die Alg II-Empfänger mit erfolgreich absolviertem Sprachkurs erheblich verbessern. Der Höhe nach ist dieser Effekt zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu beziffern.

Finanzielle Auswirkungen




Beteiligte Stellen






Michael Föll
Erster Bürgermeister

Anlagen






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