Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
968/2006 mit Ergänzung
GZ:
OB 5201-00
Sitzungstermin: 01.02.2007
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Schuster
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Huber-Erdtmann
Betreff: Klinikum Stuttgart
Verbesserung der baul./räuml. Situation des Zentrums für Seelische Gesundheit (ZSG)
- Vorzeitiger Neubau zur vorläufigen Unterbringung des ZSG am Standort Krhs. Bad Cannstatt
- Weiterentwicklung des wohnortnahen Hilfesystems

Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 30.11.2006, GRDrs 968/2006, mit Ergänzung vom 30.01.2007. Weitere Beratungsunterlage ist ein Schreiben von BM Murawski an die Mitglieder des Gemeinderats vom 31.01.2007. Dieses Schreiben sowie die Ergänzung zur Vorlage sind der Niederschrift angeheftet.


BM Murawski verweist ausdrücklich auf sein oben genanntes Schreiben, in dem er mitgeteilt habe, dass die Verwaltung die Ziffer 2 des Beschlussantrags der GRDrs 968/2006 in der vom Bezirksbeirat Bad Cannstatt formulierten Form zur Abstimmung stelle. Weiter bitte er den Gemeinderat, auch eine Änderung in der Begründung zum Beschlussantrag zur Kenntnis zu nehmen: Auf Wunsch des Bezirksbeirats streiche die Verwaltung in der ersten Zeile auf Seite 3 der Vorlage den Passus "… unter einer geringfügigen Erweiterung von Baufeld 2 ...". Damit werde zugesichert, dass seitens der Verwaltung keinerlei Absicht besteht, das Baufeld 2 zu erweitern, auch nicht geringfügig.

Er wolle sich namens der Menschen im Klinikum zum einen bei OB Dr. Schuster bedanken, der die initiale Idee für diese Lösung hatte und ihr damit den notwendigen "Drive" verschafft habe, und zum anderen bei den Mitgliedern des Bezirksbeirats Bad Cannstatt, die der Verwaltung für dieses Projekt einstimmig ihr Vertrauen gegeben haben. Damit werde man rasch einen sehr guten qualitativen Schritt in der Patientenversorgung gehen können.

StRin Vetter (CDU) sieht mit der Vorlage die Möglichkeit eröffnet, eine bedrückende und auf Dauer nicht tragbare Situation zu beenden. Durch das Vorziehen des Neubaus am Krankenhaus Bad Cannstatt zur vorläufigen Unterbringung des Zentrums für Seelische Gesundheit werde von allen Beteiligten eine große Last genommen. Nachdem nun alle Irritationen aus dem Weg geräumt worden sind, hoffe ihre Fraktion, dass das Projekt zügig in Angriff genommen wird und 2010/2011 das Ziel erreicht ist.

Erfreulich sei die Aussage des Landes, dass das Vorziehen des Vorhabens nicht förderschädlich ist. Ein Lob gelte auch der Stadt für die Übernahme der anfallenden Zwischen- und Vorfinanzierungskosten und ebenso für die Zusage, für die sofortigen Sanierungsmaßnahmen im Bürgerhospital 1 Mio. € zur Verfügung zu stellen. Dadurch werde sich die Lage dort schon früher entspannen.

Ihre Fraktion stimme der Vorlage einschließlich der Ergänzung um die Ziffer 6 und mit den Änderungen des Bezirksbeirats Bad Cannstatt zu.

Ihre Fraktion, so StRin Sawade (SPD), stimme mit der Verwaltung überein, dass die jetzt vorgeschlagene Lösung in der gegenwärtigen Situation des Klinikums die optimale ist und die Lage im Bürgerhospital entschärft wird. Ihre Fraktion hoffe, dass alles im vorgestellten Rahmen abläuft, und stimme der Vorlage mit den genannten Änderungen zu. Besonders wichtig sei die Akzeptanz durch die Bevölkerung vor Ort; erfreulicherweise habe man sich im Bezirksbeirat umfassend mit dem Projekt auseinandergesetzt. Zu begrüßen sei auch die in Ziffer 6 aufgeführte Einigung hinsichtlich des Verkaufs von Personalwohnungen.

Ihre Fraktion erwarte von der Verwaltung die Zusage zu einer flexiblen Lösung beim Bau in Bad Cannstatt, dass also die neue Konzeption der Psychiatrie in Bad Cannstatt angemessen untergebracht wird und zum anderen die Möglichkeit geschaffen wird, die weitere Nutzung des Neubaus später in der anderen Struktur durchführen zu können. Ihre Fraktion habe beantragt, den Rahmenplan mit den entsprechenden Zeitangaben fortzuschreiben.

StRin Marx (90/GRÜNE) erklärt, dass auch ihre Fraktion der Interimslösung in Bad Cannstatt für die dringend notwendigen räumlich-baulichen Verbesserungen der Psychiatrie zustimme. Mit der Ziffer 1b des Beschlussantrags werde aber auch zugestimmt, eine moderne Psychiatrie zu schaffen, die die ambulante und stationäre Behandlung besser verknüpft. Die Reise nach Köln und Frankfurt sei nicht umsonst gewesen, denn die Psychiatrie sei in einigen Städten weiter als in Stuttgart.

Ihre Fraktion begrüße es, dass in der Arbeitsgruppe Neuplanung Psychiatrie die Fachkompetenzen und die Vertreter des gemeinnützigen psychiatrischen Verbundes mit einbezogen sind, sodass alle Fachleute gemeinsam die Neukonzeption der gesamten Psychiatrie in Stuttgart diskutieren. Genauso begrüße ihre Fraktion die schnelle Sanierung im Bürgerhospital selber und dass die schon lange von den Fachleuten als notwendig erachtete Entzerrung vollzogen wird.

Die Ankündigung einer Bürgeranhörung habe in Bad Cannstatt für große Entspannung gesorgt. Die Bürger könnten sich dort zu Wort melden und würden sich in den Prozess einbezogen fühlen. Sie hoffe nun, dass der Vollzug möglichst noch schneller gelingt als in der Vorlage angegeben.

StR Zaiß (FW) betont, dass auch seine Fraktion der Vorlage zustimmen werde und sich freue, dass das Projekt rasch auf den Weg kommt. Man sei dankbar, dass eine Möglichkeit gefunden wurde, die Lage zu entspannen. Die Übergangslösung sei sehr sinnvoll.

StR Dr. Schlierer (REP) gibt zunächst zu überlegen, ob die Ziffer 1a des Beschlussantrags hinsichtlich des Datums nicht angepasst werden müsste, da der genannte Termin bereits verstrichen sei.

Zur Sache selbst merkt er an, dass die Problematik des Zustandes der Baulichkeiten im Bürgerhospitals nicht neu ist. Es seien durchaus auch Verbesserungen vorgenommen worden, aber die Probleme würden nicht allein aus den Baulichkeiten resultieren.

An der Vorlage störe ihn, dass die Perspektive unklar bleibe. Die Änderung der Ziffer 2 gemäß dem Wunsch des Bezirksbeirats Bad Cannstatt sorge zwar für eine gewisse Klarstellung, gleichwohl werde in der Vorlage auf Seite 4 nur davon gesprochen, dass die Verlagerung in dieses später geplante Zentrum für seelische Gesundheit am Standort Mitte möglich bleibt. Möglich heiße, dass es eine Option ist, aber nicht unbedingt eine Zielsetzung.

Er störe sich daran, dass sich hier letzten Endes eine Dezentralisierung abzeichnet. Man müsse sich endlich einmal darüber klar werden, was man will. Notwendig sei ein Zentrum mit einer zentralen Versorgung in wichtigen Bereichen, das auch eingebunden ist in den Kontext zu anderen Fächern, beispielsweise zur Neurologie oder auch zum geplanten Kopfzentrum. Nach wie vor werde eine stationäre Psychiatrie gebraucht, da sich nicht alles mit gemeindepsychiatrischen Diensten und ambulanten wohnortnahen Angeboten erledigen lasse.

Unklar bleibe in dem ganzen Vorhaben auch, wie es im Sinne der geplanten Nachnutzung realisiert werden soll. Es müsse ja ein entsprechendes Raumprogramm zunächst für die psychiatrische Nutzung und dann für die Anschlussnutzung vorgesehen sein.

Unklar sei weiter die Finanzierung. Man habe Finanzierungsmodelle, die über die Effizienzrendite gerechnet werden. Er frage sich, wie das Ganze zusammengehören soll, denn es würden Zeiträume unterlegt, in denen längst das Zentrum für seelische Gesundheit am Standort Mitte realisiert wird. Dieses Zentrum müsse dann auch wieder über die Effizienzrendite finanziert werden. Gleichzeitig müssten Investitionen für die Nachnutzung getätigt werden, die zu finanzieren seien. Aus all diesen Gründen sei sein Vertrauen in diesen Vorschlag sehr gering.

In der Vorlage werde darauf hingewiesen, dass das Ganze im Sinne der Sektorisierungsversorgung sei. Diese könne aber kein Argument für eine Zerschlagung der stationären Psychiatrie darstellen. Es sei nicht sinnvoll, solche zentralen psychiatrisch-stationären Einrichtungen auf verschiedene Standorte zu verteilen, womöglich auch noch getrennt von den verschiedenen ambulanten Angeboten. Eine wohnortnahe Versorgung sei wünschenswert. Sie sei aber komplementär und zu verzahnen mit einem stationären Angebot.

Obwohl also Einigkeit bestehe, dass der Zustand der Psychiatrie im Bürgerhospital entsprechender baulicher Maßnahmen bedarf, werde seine Gruppierung der Vorlage aus den genannten Gründen nicht zustimmen.

StRin Küstler (DIE LINKE.PDS) erklärt sich mit dem Beschlussantrag einverstanden, besonders aber auch mit dem Änderungsantrag des Bezirksbeirats Bad Cannstatt. Sie unterstütze ausdrücklich die Sicherung der wohnortnahen Versorgung in Stuttgart-Mitte und die Entwicklung eines Konzepts für den Ausbau von tagesklinischen Angeboten in den Stadtteilen, die ja ein wichtiger Bestandteil dieses Beschlusses seien.

Sie hoffe, dass im Bürgerhospital das Personalproblem auch wirklich angepackt wird. Die Politik dürfe nicht - wie im Krankenhausausschuss am 08.12.2006 geschehen - ihre eigenen Versäumnisse beschönigen und das Ignorieren der schlechten Zustände allein der Verwaltung und der Klinikleitung vorwerfen. Immerhin habe der Personalrat schon seit langem auf die erheblichen Missstände hingewiesen.

Auch wenn sie jetzt dem Bauvorschlag zustimmen werde, kritisiere nach wie vor, dass das Klinikum die Baufinanzierung aus Eigenmitteln, aus der Effizienzrendite und über Kredite mitbezahlen soll.

StR Rockenbauch (SÖS) zeigt sich erfreut, einer Weiterentwicklung des wohnortnahen Hilfesystems und der Verbesserung der baulich-räumlichen Situation des Zentrums für seelische Gesundheit zustimmen zu können. Er gebe aber seiner Vorrednerin Recht, dass noch so schöne neue Interimsräume nichts bringen, wenn das notwendige Personal fehlt. Er hoffe, das auch dieses Problem gelöst wird.

Kritisch sehe er den Punkt, dass Wohnungen verkauft werden, denn grundsätzlich sollte städtisches Wohneigentum nicht veräußert werden. Auch wenn erfreulicherweise durch die neue Ziffer 6 des Beschlussantrags sichergestellt werde, dass so viele Wohnungen, wie sie das Klinikum tatsächlich braucht, erhalten bleiben, werde er sich bei der Abstimmung enthalten.

Zu einigen der vorgebrachten Aspekte von StR Dr. Schlierer und StR Rockenbauch nimmt BM Murawski wie folgt Stellung:

- Er danke für den Hinweis, dass eine Datumsangabe, die durch die Vertagung der Vorlage nicht mehr passend ist, aktualisiert werde sollte. Er bitte daher, in Ziffer 1a des Beschlussantrags die Formulierung "bis 31.01.2007" durch "umgehend" zu ersetzen.

- In Ziffer 1 werde die Verwaltung ja nur beauftragt, gemeinsam mit den Trägern des Gemeindepsychiatrischen Verbundes ein Konzept zu entwickeln, das untersucht, wie viel ambulante Versorgung, wie viel Homecare Treatment etc. im Interesse der Patienten möglich ist. Dabei gelte der Grundsatz, dass ein Patient in einem leichteren Fall nicht 24 Stunden am Tag in einer Klinik verbringen muss, wenn er dort maximal eineinhalb Stunden Therapie erfährt. Eine Kombination von Tagesklinik, Nachtklinik, Ambulanzen und Homecare Treatment mit der stationären Versorgung sei ein für die Patienten wie für alle anderen Beteiligten - z. B. die Kostenträger - vernünftiges System.

Niemand in der Verwaltung stelle in Abrede, dass eine ausreichende stationäre psychiatrische Akutversorgung unverzichtbar ist, und man werde dem Gemeinderat nur ein Konzept vorlegen, das diese auch gewährleistet. Es müsse aber gefragt werden, ob weiterhin die Bettenzahl als Parameter dienen soll oder ob man sich von der Erkenntnis leiten lässt, dass ein modernes Gesundheitssystem im Grunde genommen ausschließlich an den erfolgreich behandelten Fallzahlen festgemacht wird. Ziel sei daher, die stationäre Versorgung mit weiteren Elementen wie oben beschrieben zu kombinieren. Dazu werde ein Vorschlag erarbeitet, mit dem sich der Gemeinderat dann kritisch auseinandersetzen könne.

Es sei in jedem Fall vernünftig, der Verwaltung den Auftrag zu geben, zu untersuchen, wie viel Betten sich auch in diesem Fach reduzieren lassen. Er wolle sich in öffentlicher Sitzung nicht auf eine Zahl festlegen, aber es seien sicher Hunderte, die landesplanerisch abgegeben werden müssen. Es gebe keinen vernünftigen Grund, einzelne Fächer, bei denen durch ein besser vernetztes gemeindenahes psychiatrisches System Betten ersetzt werden können, aus dieser Überlegung herauszunehmen. Die alten Frontstellungen zwischen den Vorkämpfern für das Primat der stationären Versorgung und denen, die der ambulanten Versorgung den Vorrang geben, bestünden nicht mehr. Unter den Experten und den Trägern der gemeindepsychiatrischen Versorgung bestehe in diesen Punkten eine große Einigkeit. Er sichere zu, dass die Verwaltung für eine ausreichende stationäre Versorgung sorgen werde.

- Bei den Teilverkäufen von Personalwohnungen werde ins städtische Vermögen umgeschichtet. Es entstehe also keinerlei Verlust von städtischem Vermögen. Mit dem Erlös aus diesem Verkauf würden Instandsetzungsmaßnahmen und weitere Teilmaßnahmen vorgenommen, die unmittelbar wieder städtisches Vermögen werden. Er halte es außerdem für höchst sinnvoll, dass nach der Einigung mit dem Personalrat über den tatsächlich benötigten Wohnungsbestand die restlichen Wohnungen wieder dem allgemeinen Wohnungsmarkt - im Interesse der Wohnungssuchenden - zur Verfügung stehen.


Abschließend stellt OB Dr. Schuster fest:

Der Gemeinderat beschließt bei 2 Nein-Stimmen und 1 Enthaltung mehrheitlich den nachfolgend aufgeführten Beschlussantrag der GRDrs 968/2006 vom 30.11.2006 mit der Ergänzung um eine Ziffer 6 laut GRDrs 968/2006 Ergänzung vom 30.01.2007, der Änderung in Ziffer 2 laut Schreiben von BM Murawski vom 31.01.2007 sowie der oben mündlich vorgetragenen Änderung der Datumsangabe in Ziffer 1a (alle Änderungen und Ergänzungen fett):

1. Als Grundlage für die Umsetzung des Beschlussantrags Ziffer 2 erarbeitet die Verwaltung unter Einbeziehung der Arbeitsgruppe "Neuordnung der klinischen psychiatrischen/psychotherapeutischen Versorgung in Stuttgart" sowie der Gremien des Gemeindepsychiatrischen Verbundes (GPV):


2. Dem Klinikneubau am Standort Krankenhaus Bad Cannstatt zur vorläufigen Unterbringung des Zentrums für Seelische Gesundheit wird zugestimmt. Dabei wird davon ausgegangen, dass die geplante Fertigstellung des ZSG in der Stadtmitte im Jahre 2015 erfolgt.

3. Die dem Zentrum für Seelische Gesundheit zugeordneten Tageskliniken - Allgemeinpsychiatrische Tagesklinik, Gerontopsychiatrische Tagesklinik und Tagesklinik für Suchtkrankheiten, TANDEM - verbleiben an ihrem bisherigen Standort in der Türlenstraße/Tunzhoferstraße.

4. Die Verwaltung wird beauftragt, ein Raum- und Funktionsprogramm zu erarbeiten, mit dem Sozialministerium abzustimmen, dem Gemeinderat zur Beschlussfassung vorzulegen und anschließend einen Förderantrag einzureichen.

5. Um das Bauprojekt möglichst rasch und in einer "schlanken" Bauorganisation zu verwirklichen, wird die Verwaltung beauftragt, ein Verfahren im Sinne eines kombinierten Architekten-/Investorenwettbewerbs durchzuführen.

6. Im Zusammenhang mit den in der GRDrs 968/2006 aufgeführten Beschlussantragsnummern 1 bis 5 stimmt der Gemeinderat der beiliegenden Vereinbarung zwischen der Stadt, der Geschäftsführung und dem Personalrat des Klinikums Stuttgart zu.