Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
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VerhandlungDrucksache:
836/2003
GZ:
AK
Sitzungstermin: 25.09.2003
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Schuster
Berichterstattung:der Vorsitzende, BM Murawski
Protokollführung: Frau Huber-Erdtmann sp
Betreff:
Künftige bauliche Struktur des Klinikums Stuttgart
1. Errichtung eines Versorgungszentrums an der
Hegelstraße
2. Unterbringung von Ausbildungsschulen im
Versorgungszentrum

Vorgang: Gesundheitsausschuss vom 19.09.2003, nichtöffentlich, Nr. 104

Ausschuss für Umwelt und Technik,
nichtöffentlich, Nr. 577

Jeweiliges Ergebnis: einmütige Zustimmung


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Allgemeine Verwaltung und Krankenhäuser vom 10.09.2003, GRDrs 836/2003.

Angeheftet ist dieser Niederschrift der Antrag Nr. 268/2003 der SPD-Gemeinderatsfraktion vom 24.09.2003.

Die einführenden Anmerkungen von BM Murawski und OB Dr. Schuster sowie die Beiträge der Gemeinderatsmitglieder sind nachfolgend im teilweise gekürzten und bereinigten Wortlaut wiedergegeben.

BM Murawski:

"Auf die Problematik und die unterschiedlichen Meinungen wurden Sie ja am Eingang durch die Demonstranten hingewiesen. Es gibt eine Gemengelage von Interessen, die einmal aus dem Bedürfnis des Klinikums besteht, ein Versorgungszentrum an der Hegelstraße zu errichten, aus den Interessen der Eltern und des Studentenwerks bezüglich der Kindertagesstätte, die dort untergebracht ist, und den Interessen des Lindenmuseums, das sich vielleicht künftig einmal erweitern will.

Das, was wir in den verschiedenen Gremien bis hin zu den Bezirksbeiräten diskutiert und beschlossen haben, stellt nach meiner Meinung einen unter diesen sehr schwierigen Rahmenbedingungen guten Kompromiss dar. Wir können auf der einen Seite patientenferne Dienstleistungen aus dem unmittelbaren Krankenhausgelände heraushalten. Entgegen allem, was beispielsweise der GPR-Vorsitzende Klinikum und andere sagen, dass das unsachgemäß sei, dass es sachlich nötig sei, dieses auf dem Gelände unterzubringen, möchte ich beispielhaft die Haltung des Deutschen Krankenhausinstitutes - des Forschungsinstituts der Deutschen Krankenhausgesellschaft und der Fachorganisation aller Krankenhäuser - zitieren. Dieses Institut sagt, dass es geradezu sachfremd wäre, wenn man die Möglichkeit hätte, patientenferne Leistungen auf einem nicht krankenhausnahen Standort unterzubringen, dieses nicht zu tun.

Der Standort Hegelstraße wäre in diesem Sinne für Bürgerhospital und Katharinen- hospital gut und auch im Sinne Ihrer Beschlussfassung gelöst, weil Sie ja beschlossen haben, das Versorgungszentrum solle entweder auf Krankenhausgelände oder in der Nähe der beiden Standorte untergebracht werden.

Dem Studentenwerk haben wir angeboten, dass seine 15-köpfige Kindertageseinrichtung auf dem Gelände verbleiben kann, wenn wir uns in Verhandlungen darüber und auch über die Rahmenbedingungen verständigen können. Es wäre möglich, das Gebäude dieser Kindertagesstätte unmittelbar im Zusammenhang mit dem fälligen Neubau für die Kindertagesstätte des Katharinenhospitals am Herdweg unterzubringen. Wir könnten dann die Fläche zwischen dem künftigen Versorgungszentrum und dem Lindenmuseum bis herunter zur Hegelstraße als Spielfläche für die beiden Einrichtungen jeweils aufgeteilt nutzen.

Nach Aussage aller Gesprächspartner - vom Minister über den Staatssekretär bis zur Sachbearbeitungsebene im zuständigen Ministerium des Landes - kann kein Zweifel bestehen, dass im Moment weder eine Planung für eine Erweiterung des Lindenmuseums vorliegt oder uns vorgelegt wird noch dass ein Zeitrahmen benannt werden kann, wann dieses Thema je relevant wird. Insofern haben wir hierzu die Haltung eingenommen, dass wir sagen, die Nutzung als Spielfläche verbaut im wahrsten Sinne des Wortes keine zukünftige Entwicklung, d. h. wenn einst tatsächlich Planungen und Finanzmittel für eine Erweiterung des Lindenmuseums zur Verfügung stehen sollten, ist die Situation für den Gemeinderat offen. Er kann dann erneut eine Güterabwägung vornehmen.

Wir wollen keine Präjudizierung für diesen Zeitpunkt, wir wollen aber auf jeden Fall wenigstens bis dahin dieses Gelände als Spielfläche zur Verfügung stellen. Noch ist ja ungeklärt, ob das Studentenwerk nicht einen anderen von uns angebotenen Alternativstandort präferiert. Aber selbst wenn wir unseren Kompromissvorschlag auf dieser Fläche realisieren, dann haben Sie damit keine präjudizierende Festschreibung bezüglich der Erweiterung des Lindenmuseums in irgendeiner mittleren oder ferneren Zukunft getroffen."

OB Dr. Schuster:

"Das Bild (PowerPoint-Präsentation/siehe Anlage) zeigt, wie das Lindenmuseum erweitert werden könnte: Wir gehen davon aus, dass diese Wand hier als Brandschutzwand ausgeführt wird, sodass man eine Fläche in einer Größenordnung von 1.500 m² über fünf Stockwerke, also insgesamt 7.500 m², zusätzlich gewinnen würde. Wir werden uns somit nicht die Option auf eine Erweiterung verbauen. Das ist mir wichtig, weil das Lindenmuseum eines der ganz herausragenden ethnologischen Museen von europäischem Rang ist. Daher glaube ich, dass die heute vorgeschlagene Kompromisslösung die richtige ist."

StRin Wüst (SPD):

"Nachdem das Lindenmuseum über Jahrzehnte ein Spielball gewesen ist, bin ich doch froh über die Deutlichkeit der Aussagen von OB Dr. Schuster und BM Murawski. Eine solche Aussage war das Ziel unseres zu dieser Sitzung vorgelegten Antrages Nr. 268/2003. Ich möchte festhalten, dass wir das Lindenmuseum an diesem Standort für optimal angesiedelt sehen, dass es hier stadtbildprägend ist und dass wir endlich diesen Nutzungskonflikt von Klinikum und Museum ausgeräumt sehen wollten."

StRin Johnson (REP):

"Wir sehen in der Überbauung durch den vorliegenden Plan die Gefahr, dass noch mehr Fläche in der Innenstadt versiegelt wird. Das halten wir für nicht gut; wir werden deshalb der Vorlage nicht zustimmen."

StRin Küstler (PDS):

"Die Zentralisierung der Klinikversorgung in einem Zentrum ist logistisch aufwendig und sie wird eine erhöhte Umweltbelastung durch Lkw- und Kleintransportverkehr verursachen. Der vorgesehene Versorgungstunnel steht unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit und wird daher wohl nicht realisiert. Die naheliegende Lösung, das Versorgungszentrum auf dem Gelände des Katharinenhospitals zu errichten, wird nicht gewollt, weil im Hintergrund schon der nächste Plan steht, auch das Bürgerhospital auf dem Gelände des Katharinenhospitals unterzubringen. Wichtige Gesichtspunkte sind aber auch noch die Erweitungsmöglichkeit des Lindenmuseums und der Bestand der Kindertagesstätte auf dem Gelände an der Hegelstraße. Man sollte beides nicht gegeneinander ausspielen. Aus all diesen Gründen lehne ich den Beschlussantrag ab."

StRin Marx (90/GRÜNE):

"Ich finde es sehr bedauerlich, dass eine solch wesentliche Entscheidung hier derartig zerredet werden soll. Natürlich haben wir immer Bedenken, wenn es um Versiegelung geht, und wir haben es abgewogen, dass hier 15 Kinder einen bisherigen Besitzstand hatten, der sehr zu begrüßen ist. Wir sollten jetzt aber etwas beherzter an die Restaurierung unseres gesamten Klinikums denken. Die Situation ist dramatisch genug. Wenn man einerseits das Lindenmuseum erweitern, andererseits den Kindergarten und auch die Qualität für unsere Patienten erhalten will, muss man einen Schwerpunkt setzen. Wir begrüßen jetzt diesen ersten Schritt zur Sanierung unserer Kliniken."

StRin Vetter (CDU):

"Dass dies ein wesentlicher Schritt ist, um die Qualität der Versorgung der Stuttgarter Bevölkerung beizubehalten und die Maximalversorgung zu garantieren, ist uns allen klar. Ich möchte an dieser Stelle BM Murawski für die einfühlende Art und Weise danken, wie er mit denen umgegangen ist, die sich für den Erhalt des privaten Kindergartens eingesetzt haben. Es ist unverantwortlich, Kinder gegeneinander auszuspielen, z. B. die Kinder des Kindergartens des Studentenwerks gegen die Kinder des städtischen Klinikums."

StRin Ulmer (SPD):

"Entscheidend ist jetzt, dass wir mit dem Klinikum so hinkommen, dass wir uns nicht innerhalb der Stadtverwaltung unseren gesamten finanziellen Spielraum verbauen. Sonst müssten wir an anderer Stelle Einsparungen vornehmen, die uns dann vielleicht auch nicht so lieb sind.

Wir haben in der Vergangenheit und jetzt wieder aktuell einen Antrag gestellt, wie man nach unserer Auffassung vielleicht noch günstiger bauen könnte. Wir wollen aber das Bauvorhaben nicht blockieren und denken, dass wir uns über diesen Antrag noch im Gesundheitsausschuss Gedanken machen können.

Ich habe Probleme, wenn ich bei den Unterstützern der 'Grünen Kinderinsel' Namen aus anderen Bundesländern sehe. Es war schon immer klar, dass das Grundstück interimsweise zur Verfügung gestellt wurde und nicht auf Lebenszeit. Daher ist es nicht denkbar, dass man wesentliche Planungen zum Wohl aller Bürger der Stadt und vielleicht auch zum Wohl der Stadtkasse nicht durchsetzen könnte, weil einst eine interimsweise Nutzung zugelassen wurde."


StR Lieberwirth (REP):

"Ich bin verwundert, dass die Grünen an dieser Stelle so großzügig mit der Versiegelung von Grünflächen sind. Gerade im Stadtzentrum kommt es doch darauf an, sie zu erhalten. Und wenn wir immer von der 'kinderfreundlichen Stadt' reden, sollten wir hier beispielhaft dafür sorgen, dass die Kinder der beiden Einrichtungen diese Fläche auch weiterhin nutzen können."

StR K. Zaiß (FW):

"Wenn man ein bisschen die Wirtschaftlichkeit bedenkt, kann man nicht behaupten, dass keine Synergieeffekte entstehen, wenn an einer Stelle gekocht und von dort aus verteilt wird. Auch bei Küchen an verschiedenen Standorten muss verteilt und auf- und abgeladen werden. Von einer zentralen Stelle aus geht das aber weit unproblematischer vonstatten."

StRin Dr. Dahl (FDP/DVP):

"Dass gespart werden muss, und letzten Endes auch bei den Kindern, ist in der gesamten Bevölkerung bekannt. Wenn wir auf der einen Seite fordern, dass Kindern Grenzen gezeigt werden müssen, dürfen wir aber auf der anderen Seite nicht sagen, dass sie alles bekommen sollen, egal wie. Es steht daher auch den Kindern gut an, mit Hilfe ihrer Eltern zu lernen, dass es Zeiten gibt, wo man zwar etwas gerne hätte, es aber so nicht umsetzen kann. Man sollte daher nicht Kinder auffordern zu demonstrieren nach dem Motto, behalten zu wollen, was sie haben, unabhängig, wie es machbar ist."

StRin Küstler (PDS):

"Ich möchte darauf hinweisen, dass ich nicht dafür bin, die Krankenhausversorgung zugunsten des Lindenmuseums und des Kindergartens hintanzustellen, sondern ich habe im Gegenteil vorgeschlagen, diesen ganzen Versorgungsbereich auf dem Gelände des Katharinenhospitals anzusiedeln. Dann würden die Probleme durch die Ansiedlung in der Hegelstraße überhaupt nicht erst aufkommen. Die Krankenhäuser in Stuttgart sollten ihrer Aufgabe entsprechend und in Arbeitsteilung gut zusammen arbeiten und ihre Selbstständigkeit behalten. Das wäre für die Patientenversorgung in Stuttgart das Beste."
Abschließend stellt OB Dr. Schuster fest:

1. Dem Raum- und Funktionsprogramm (Anlage 2) zur Neuordnung der Versorgungsbereiche Materialwirtschaft, Zentrallager, Speisenversorgung, Apothekenversorgung (Zentralapotheke) und der Ausbildungsschulen (Ersatzflächen) in einem Versorgungszentrum am Standort Hegelstraße (Flurstücke Nr. 7962/1, 7958/2, 7956/10) wird zugestimmt.

2. Die Verwaltung wird beauftragt, auf der Basis dieses Raum- und Funktionsprogramms ein EU-weites VOF-Verfahren mit einer Mehrfachbeauftragung von mindestens 3 Architekturbüros für ein Planungsgutachten durchzuführen. Des Weiteren sollen die Architekturbüros in einem Ideenteil Vorschläge für den 2. Bauabschnitt Schulen (Erweiterung zu einem Schulzentrum) sowie für die Errichtung einer Betriebskindertagesstätte des Katharinenhospitals, Olgahospitals und Frauenklinik mit Erweiterungsoption zugunsten der Kindertagesstätte Studentenwerk machen. Die Kosten dafür werden aus den Mitteln für den Architektenwettbewerb zur Neustrukturierung des Olgahospitals und der Frauenklinik auf dem Areal des Katharinenhospitals gedeckt (Haushaltsrest).

3. Für den ausgewählten Standort des Versorgungszentrums einschließlich Ausbildungsschulen an der Hegelstraße ist ein neues Bebauungsplanverfahren durchzuführen, das den Bebauungsplan 1976/23 ersetzt.

4. Das Flurstück 7958/2 an der Hegelstraße mit einer Fläche von 542 m² soll gegen einen noch zu ermittelnden Kaufpreis aus dem Grundvermögen der Stadt in das Sondervermögen des Katharinenhospitals übertragen werden. Die Betriebssatzung wird zu gegebener Zeit entsprechend angepasst.

5. Bei den Beratungen zum Doppelhaushaltsplan 2004/2005 ist auf der Grundlage der voraussichtlichen Kosten (Anlage) über die weitere Finanzierung zu entscheiden.