Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
148
2,3,4
VerhandlungDrucksache:
504/2005 505/2005 506/2005
GZ:
9318, WFB 9020-00, WFB
Sitzungstermin: 07.07.2005
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Schuster
Berichterstattung:EBM Föll
Protokollführung: Frau Huber-Erdtmann
Betreff: 1. Abschluss der Jahresrechnung 2004
2. Zwischenbericht zur Finanzlage
3. Eckdaten zum Doppelhaushalt 2006/2007

Vorgang: Verwaltungsausschuss vom 06.07.2005, nichtöffentlich, Nr. 264 (für TOP 2), Nr. 265 (für TOP 3) und Nr. 266 (für TOP 4)

Ergebnis: GRDrs 504/2005: einmütige Zustimmung sowie Berichtigung in Ziffer 2c des Beschlussantrags

GRDrs 505/2005: Kenntnisnahme ohne Einwendungen

GRDrs 506/2005: einmütige Zustimmung


Beratungsunterlagen sind die Vorlagen des Referats Wirtschaft, Finanzen und Beteiligungen

- GRDrs 504/2005 vom 17.06.2005 (TOP 2)

- GRDrs 505/2005 vom 16.06.2005 (TOP 3), Mitteilungsvorlage

- GRDrs 506/2005 vom 16.06.2005 (TOP 4)

mit folgenden Beschlussanträgen:

GRDrs 504/2005 mit Berichtigung (kursiv) des Eurobetrags in Ziffer 2c:

1. Dem Vermögenshaushalt 2004 werden vom Verwaltungshaushalt zugeführt

a) die allgemeine Zuführung des Verwaltungshaushalts an den Vermögenshaushalt aus Mitteln der AHSt. 1.9190.8600.000 von 248.538.116,03 EUR, b) die Zuführungen zu Sonderrücklagen aus Mitteln der AHSt. 1.9190.8610.000 von 3.451.144,17 EUR (davon entfallen auf Zuführungen zur Erddeponierücklage 345.904,93 EUR und zur Pensionsrücklage 1.125.000,00 EUR sowie auf den 2. Im Haushaltsjahr 2004 werden zugeführt

a) der allgemeinen Rücklage aus Mitteln der b) der Sonderrücklage für Erddeponierekultivierung aus Mitteln der AHSt. 2.9100.9110.000 VKZ 0004 - Zuführung Erddeponierücklage – 345.904,93 EUR, c) der Pensionsrücklage aus Mitteln der AHSt. 2.9100.9110.000 VKZ 0005 d) dem Stiftungsvermögen aus Mitteln der AHSt. 2.8900.9110.000 VKZ 0002 3. Im Haushaltsjahr 2004 werden entnommen
4. Der Übertragung von Haushaltsausgaberesten im Stadthaushalt 2004 nach Anlage 2, und zwar


    im Verwaltungshaushalt von
33.060.927,07 EUR
    im Vermögenshaushalt von
174.749.791,14 EUR
    zusammen von
207.810.718,21 EUR
5. Folgende überplanmäßige Ausgaben werden 2004 zugelassen

a) Verwaltungshaushalt b) Vermögenshaushalt
GRDrs 506/2005:
Von den Eckdaten zum Doppelhaushalt 2006/2007 (Verwaltungshaushalt) und den Referats- bzw. Ämterbudgets 2006/2007 (Verwaltungshaushalt und regelmäßig wiederkehrende Investitionsausgaben) wird Kenntnis genommen.

OB Dr. Schuster hält das Einverständnis des Gemeinderats fest, die Tagesordnungspunkte 2, 3 und 4 gemeinsam zu beraten.

Die Stellungnahmen der Mitglieder des Gemeinderats sowie von EBM Föll folgen im gekürzten und redigierten Wortlaut.

StR Uhl (CDU):

"Das Jahr 2004 war ein gutes Jahr für die Stadt Stuttgart. Es ist ihr finanziell besser gegangen, als wir bei den letzten Haushaltsplanberatungen befürchtet hatten. Im Haushaltsplan war noch eine Zuführungsrate von 25,4 Mio. € erwartet worden, der Rechnungsabschluss weist heute jedoch eine Zuführungsrate an den Vermögenshaushalt von 248,5 Mio. € aus. Das Ergebnis ist vor allem Ausdruck der Mehreinnahmen von 207 Mio. € bei der Gewerbesteuer, bei der Grundsteuer waren es 6,4 Mio. € mehr. Nicht unerwähnt lassen möchte ich, dass im Haushalt keine externe Kreditaufnahme vorgesehen war und wir aber auch nicht die möglichen inneren Darlehen von 183 Mio. € in Anspruch nehmen mussten.

Auch die außerordentliche Schuldentilgung ist in diesen schwierigen Zeiten im Stadthaushalt gelungen. Wir haben zwei Kredite mit insgesamt 21 Mio. € zurückgezahlt, den allgemeinen Rücklagen konnten 81 Mio. € zugeführt werden. Die ordentliche und außerordentliche Kredittilgung betrug im Jahr 2004 damit 62,5 Mio. €. Während 1994 der Zinsaufwand der Stadt für Kredite noch 85 Mio. € betrug, werden es im Jahre 2006 gerade noch etwa 10 Mio. € sein. Die Verschuldung der Stadt hat sich somit weiter verringert und beträgt pro Einwohner 1.251 €.

Das alles sind gute Botschaften für die Bürger dieser Stadt, aber vor allem gibt es damit eine Zukunftsperspektive für die junge Generation Stuttgarts. Die guten Ergebnisse sind einmal ein Verdienst der Stuttgarter Unternehmen bei der Gewerbesteuer, und sie sind ein Verdienst dieses Gemeinderats - parteiübergreifend - und der Finanzverwaltung unter der Führung von OB Dr. Schuster und EBM Föll, aber auch - und das will ich nicht hintanstellen - der vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung, die den Spar- und Konsolidierungskurs mitgetragen und auch schmerzliche Eingriffe hingenommen haben. Dies alles verdient unser Lob und unsere Anerkennung. Wir alle zusammen haben zur Zukunftsfähigkeit Stuttgarts beigetragen.

Gut gefallen hat mir die Karikatur in der Stuttgarter Zeitung am 27.06.2005. Dort wurden OB Dr. Schuster und EBM Föll als die 'Scheinheiligen' der reichsten deutschen Großstadt dargestellt, als Bettler vor den goldenen Toren der Stadt Stuttgart. Das Bild ist vielleicht überzeichnet, aber nur der konsequente Spar- und Konsolidierungskurs der letzten Jahre hat uns zu diesem Ergebnis geführt, eine der reichsten Städte Deutschlands geworden zu sein, da wir nicht wie andere Städte Schulden gemacht haben, sondern Schulden zurückgeführt haben, statt immer neue Wechsel auf die Zukunft zu ziehen.

Das Haushaltsdefizit der Gemeinden in Deutschland ist inzwischen auf 3,8 Mrd. € angestiegen. Allein die Kassenkredite sind auf 20 Mrd. € angewachsen, die städtischen Investitionen der Städte in Deutschland betragen aber weniger als 60 % des Investitionsniveaus von 1992. Stuttgart ist in einer guten Position, aber wir haben gelernt, dass das Zahlenwerk sehr zerbrechlich ist. Schon für dieses Jahr müssen wir mit Gewerbesteuerausfällen in Höhe von etwa 100 Mio. € rechnen, und bei der Einkommenssteuer wird der Planansatz um 22 Mio. € unterschritten. Durch Hartz IV und durch das Flüchtlingsaufnahmegesetz sowie den Länderfinanzausgleich ist mit erheblichen Mehraufwendungen zu rechnen.

Die Eckdaten zum Haushalt 2006/2007 machen deutlich: Nach jetzigem Stand erreichen wir unter größten Anstrengungen für 2006 eine Zuführungsrate von 0,7 Mio. €., und das, obwohl für den Haushalt 2006/2007 außerordentliche Zinserträge von 33,7 Mio. € eingestellt wurden. Ohne diese einmaligen Erträge würde sich für 2006 eine negative Zuführungsrate ergeben. Unser aller Ziel muss sein, einen genehmigungsfähigen Haushalt aufzustellen. Die CDU-Fraktion wird in den Haushaltsberatungen ihren positiven Beitrag leisten, wir werden an der strukturellen Haushaltsentlastung mitwirken, um Stuttgart fit zu machen für die Zukunft. Nicht alles, was wünschenswert ist, wird auch machbar sein. Wir werden am Kurs solider Finanzen festhalten."

StR Kanzleiter (SPD)

"Ich hoffe, dass die Tatsache, dass erstmalig der Finanzbürgermeister darauf verzichtet hat, den Jahresabschluss in der Vollversammlung nochmals darzustellen, nicht Zeichen einer mangelnden Wertschätzung des Gemeinderats ist. Nun hat StR Uhl in Kernpunkten das dargestellt, was normalerweise der Kämmerer vorträgt.

Zum Haushalt und zu den Zahlen brauche ich nicht allzu viel zu sagen. Man muss aber in der Tat darauf hinweisen, dass die Last der von uns allen gemeinsam gewollten Konsolidierung ganz wesentlich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung zu tragen haben. Das haben wir jedoch nicht willkürlich und nicht fahrlässig gemacht, sondern unter dem Zwang der Verhältnisse. Die Mitarbeiterschaft verdient daher den Dank des Gemeinderats dafür, dass sie bereit war, bei den Konsolidierungsprozessen mitzuarbeiten und ihren Beitrag einzubringen. Gravierendes Thema ist gegenwärtig die Konsolidierung, die in den Krankenhäusern vorbereitet wird. Noch sind wir da nicht am Ziel, aber wir haben ein Ziel im Auge und die Hoffnung und das Vertrauen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wenn sie ernst genommen werden und ihre Meinung einbringen können, dann auch erkennen, wo sie mitzuarbeiten haben.

Wir haben Glück gehabt mit dem, was heute als Zahlenwerk vorgelegt wurde, Glück insofern, dass wir in Stuttgart eine verhältnismäßig gute wirtschaftliche Situation haben. Das ist nicht in erster Linie unser Verdienst als Gemeinderat - einen gewissen Beitrag haben wir sicherlich durch unsere Standortpolitik geleistet -, sondern es sind die Unternehmen, die die Gewerbesteuer bezahlen. Und es ist ja die Gewerbesteuer, die dieses sehr positive Zahlenwerk ermöglicht hat. Wir hoffen, dass EBM Föll und die Teile der CDU, die die Gewerbesteuer abschaffen möchten, mit ihrer Position letztlich in der Minderheit bleiben. Ich unterstütze OB Dr. Schuster, der im Städtetag dafür kämpft, dass die Gewerbesteuer vitalisiert wird. Ohne die Gewerbesteuer wären wir arm dran. Ich glaube nicht, dass es jemanden gibt, der heute ein Modell aufzeigen könnte, das die Gewerbesteuer in diesem Umfang durch andere Einnahmen der Kommune ersetzen könnte. Wir sind dankbar, dass wir die Gewerbesteuer als kommunales Finanzinstrument haben, und wir brauchen sie auch in der Zukunft.

Die Frage ist, wie geht es weiter? Eines der Risiken heißt Hartz IV. In diesem Zusammenhang möchte ich auch das Land erwähnen, denn es enthält uns Geld vor, das uns gehört. Im Zusammenhang mit Hartz IV bekommt das Land vom Bund 130 Mio. € für die Unterbringung der Betroffenen, es gibt davon aber nur 30 Mio. € an die Kommunen weiter. Das ist kein guter Stil. Dazu kommen weitere Belastungen, die durch das Land den Kommunen auferlegt wurden und die wir nun, weil manche Leistungen letztlich eben nicht abbaubar sind, durch eigene Mittel ausgleichen müssen. Das wird auch ein Thema in den kommenden Haushaltsplanberatungen sein.

Wir nehmen die Eckdaten zum Doppelhaushalt heute zur Kenntnis. Ich will ausdrücklich darauf hinweisen, dass es sich hierbei um eine Mitteilungsvorlage und um keine Beschlussvorlage handelt. Der Gemeinderat wird den Haushalt im Herbst dieses Jahres durch eigene Anträge gestalten und Schwerpunkte und Prioritäten setzen. Dennoch ist es gut, dass diese Eckdaten heute zur Kenntnis vorliegen, denn damit zeigt sich, welche Absichten seitens der Verwaltung für den künftigen Haushalt vorhanden sind. Es ist wichtig, dass man weiß, wovon man ausgehen muss, wenn man eine eigenständige Politik betreiben will.

Was die Belastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angeht, so sollten wir ernsthaft darüber nachdenken, ob wir alle Sparmaßnahmen noch aufrechterhalten müssen, wie z. B. die Stellenwiederbesetzungssperre, die ja die Ämter zusätzlich zum Stellenabbau belastet, aber auch die Frage des Beförderungsstopps, der insbesondere aus der Sicht der Beschäftigten nicht als gerecht empfunden wird.

Es ist uns klar, dass die Vorausschau für die Jahre 2006 und 2007 letztlich nur bedingt möglich ist. Wenn wir uns den Jahresabschluss 2004 vergegenwärtigen, dann müssen wir auch die Entwicklungen eines solchen Haushalts zur Kenntnis nehmen. Dabei stellt sich die Frage, wie mit den relativ großen Haushaltsresten umgegangen wird. Sie sind nicht vermeidbar, deshalb will ich es auch nicht kritisieren. Aber man muss sich über die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, im Herbst unterhalten."

StR Wölfle (90/GRÜNE):

"Ich fühle mich als Gemeinderatsmitglied nicht zurückgesetzt, wenn EBM Föll nicht das wiederholt, was er schon mehrfach an anderer Stelle gesagt hat. Ich will auch nicht vieles von dem wiederholen, was meine Vorredner gesagt haben. Wir können gemeinsam zufrieden sein. Manche glückliche Faktoren haben es begünstigt, dass wir in dieser komfortablen Lage sind, für die wir nichts können, aber wir haben zumindest auch nichts verschlafen - ich nenne als Beispiel das Thema Energie.

Schwierig ist nach wie vor, dass wir mit unserem städtischen Haushalt so stark von den Schwankungen bei der Gewerbesteuer abhängig sind. Das ist eigentlich kein gutes Steuerungselement, aber es ist so. Seien wir froh, dass wir Unternehmen haben, die tatsächlich noch Gewerbesteuer zahlen.

Es ist zum Ritual geworden, dass die Vorschau auf das nächste Jahr immer sehr düster aussieht. Am Ende des Jahres sieht das meist ganz anders aus. Dieses Szenario wird auch jetzt wieder aufgezeigt, so schlecht wie 2006 und 2007 sei es schon lange nicht mehr, aber diese 'Wettervorhersage' schleift sich etwas ab. Man merkt ja auch im Verlauf des Jahres, dass der Finanzbürgermeister überraschend seinen Sparstrumpf an der einen oder anderen Stelle immer wieder aufmacht. Wie es auch sei, es ist gut, dass wir uns im Bereich der Investitionen überhaupt noch betätigen können, denn durch diese öffentlichen Investitionen werden auch Arbeitsplätze gesichert, und es ist gut, dass wir auf ein gewisses Polster zurückblicken können angesichts des riesigen Investitionsbedarfs - ich nenne nur einmal den Bereich Berufsschulen -, den wir im kommenden Haushalt vor uns haben.

Ich hoffe im Interesse der Beschäftigten, dass wir im Rahmen der Haushaltsplanberatungen 2006/2007 auf die kleinen 'Nadelstiche', die es beim letzten Mal gab, verzichten können, ebenso auf eine gewisse pauschale Steuerung, die letztlich dazu führen sollte, Geld einzusparen, die aber eine inhaltliche Ausrichtung eigentlich nicht ermöglicht hat."

StR J. Zeeb (FW):

"Die zu beratenden Vorlagen zeigen, dass wir Mitglieder des Gemeinderats der Stadt Stuttgart nicht alles falsch gemacht haben können, wie es oftmals in den Medien pauschal über uns Hobby-Politiker behauptet wird. Das Lob gilt natürlich auch von unserer Fraktion den Mitarbeitern der Stadtverwaltung, die insgesamt doch sehr kooperativ an diesen Maßnahmen mitgewirkt haben. Für die anstehenden Haushaltsplanberatungen ist aber trotz der guten Ergebnisse wieder einmal ein Sparkurs angesagt im Hinblick auf unsichere Entwicklungen in der Zukunft.

Sparen ja, Schuldenabbau ja, aber Stuttgart darf auch nicht totgespart werden. Wichtige Investitionen im Straßenbau, bei der Straßenunterhaltung und bei der Instandhaltung der städtischen Immobilien, insbesondere bei den Schulgebäuden, dürfen nicht mehr länger aufgeschoben werden, da sonst die Kosten dafür später ins Unermessliche steigen werden.

Die Freien Wähler werden einen angemessenen Sparkurs mittragen, aber nicht jede Investition verhindern, denn Investitionen schaffen und sichern Arbeitsplätze und Einkommen. Es stimmt, dass die Stadtverwaltung gut gearbeitet hat. Wir Freien Wähler werden das bei den Haushaltsplanberatungen durch konstruktive Beiträge weiterhin unterstützen und hoffen dadurch natürlich auch auf positive Signale für die Bevölkerung und die heimische Wirtschaft, denn nur von dort kann der Aufschwung kommen, nicht von unserem Ratssaal hier drinnen."

StR R. Zeeb (FDP):

"Es ist für die Stadt Stuttgart, ihren Gemeinderat und ihre Bürgerinnen und Bürger erfreulich, dass die Jahresrechnung zum zweiten Mal in Folge außergewöhnlich gut ist. Wir stehen besser da - und das mit Stolz - als vergleichbare Städte. Wenn ich die Zahlen richtig deute, dann sind wir mit unserer Pro-Kopf-Verschuldung im Bundesvergleich am besten. Der Oberbürgermeister und der Kämmerer haben ja das ehrgeizige Ziel - und das ist sicherlich erreichbar -, bis 2010 unsere Stadt schuldenfrei zu machen und trotzdem vorher notwendige Investitionen zu tätigen. Wenn dieses Ziel erreicht ist, dann hieße es 'schuldenfrei'. Ich kenne keine Großstadt, die das von sich behaupten könnte.

Ebenso erfreulich ist es, dass die Gewerbesteuereinnahmen in diesem Jahr mit einem Volumen von ca. 535 Mio. € so hoch sind wie noch nie. Von dem Bankier Hermann Joseph Abs stammt das Wort: 'Gewinne sind gut, aber nicht alles'. Seit Jahren fordert die FDP die Abschaffung der ungerechten Gewerbesteuer. Uns ist klar, dass diese Steuer eine wichtige Säule für die Einnahmen der Kommunen ist und beim Wegfall anderweitig auszugleichen wäre. Das ist keine neue Erkenntnis. Wir freuen uns, dass der Ministerpräsident unseres Landes sich jetzt mit einer grundlegenden Neuordnung der Gemeindefinanzen befasst. Es bestehen Pläne, die Gewerbesteuer durch einen Systemwechsel der Kommunalfinanzen zu ersetzen. Die Städte und Gemeinden sollen danach an der Einkommens- und Körperschaftssteuer beteiligt werden mit einem eigenen Zuschlagsrecht, also mit der Möglichkeit, selbst zu bestimmen, in welcher Höhe erhoben werden soll, was sie beim Gewerbesteuersatz ja bereits tun. Die Fraktionen von CDU und FDP im Landtag meinen, das würde die Eigenverantwortung der Kommunen ganz erheblich stärken. Dem kann man nicht widersprechen, denn man wäre dann nicht mehr von der Konjunktur abhängig, wie das bei der Gewerbesteuer der Fall ist. Unser Ministerpräsident hält die Gewerbesteuer in der heutigen Form für nicht mehr zeitgemäß.

Meine Fraktion hat bereits 2003 in einem Antrag die Stadtverwaltung aufgefordert, sich für die Abschaffung der Gewerbesteuer einzusetzen, da wir diese Art von Steuer nach wie vor für ungerecht halten. Wir erwarten so eine Steuerentlastung der Betriebe, vor allem des Mittelstandes, und den Erhalt und die Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen. Dies würde zudem zu besseren Einnahmen aus der Gemeindesteuer, aus der Einkommenssteuer und der Umsatzsteuer führen, die anteilig auch der Stadt zufließen. Eine Abschaffung der Gewerbesteuer, die z. Z. ca. 11 % des städtischen Haushalts ausmacht, hätte auch zur Folge, dass die Gewerbesteuerumlage, die die Gemeinden an Bund und Land abführen, entfiele.

Bei den anderen Punkten der Vorlagen schließen wir uns gern unseren Vorrednern an. Es ist heute eigentlich nur Lob auszusprechen. Nun ist es an uns Gemeinderäten, sparsam und wachsam zu sein, insbesondere bei den kommenden Haushaltsplanberatungen im Herbst. Aber trotzdem dürfen wir uns dabei nicht vor dringlichen Anliegen der Bürger verschließen. Hier müssen wir Mittel bereitstellen, denn was notwendig ist, muss von der Stadt auch geleistet werden.

Zum Schluss möchte ich für unsere Gemeinderatsfraktion der Verwaltung und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihre gute Arbeit danken. Wir hoffen, dass sie auch künftig solide Finanzen vorlegen wird."

StR Dr. Schlierer (REP):

"Es gibt in der Finanzpolitik ein oft geübtes Ritual, das mit einer merkwürdigen Aufgabenverteilung vorlieb nimmt: Sind Steueraufkommen und Wirtschaftsentwicklung schlecht, ist stets die Wirtschaft schuld und nie die Politik. Und ist das Steueraufkommen gut und stellen sich die Finanzen günstig dar, war selbstverständlich die Politik diejenige, die die günstigen Entscheidungen zu verantworten hatte. Das haben wir ja heute auch wieder miterlebt bis hin zum Selbstlob. Ich meine, dass man trotz der guten Nachrichten für die Jahre 2004 und 2005 sich wieder klar machen sollte, dass für die Mehreinnahmen bei der Gewerbesteuer nicht die Stadt Stuttgart, nicht der Gemeinderat, auch nicht die Stadtverwaltung verantwortlich waren, sondern günstige ökonomische Entwicklungen. Das beinhaltet aber auch das erhebliche Risiko, dass sich diese Entwicklungen nicht zwangsläufig in den nächsten Jahren so fortsetzen müssen.

Die Prognose für das laufende Haushaltsjahr ist bisher ganz positiv. Dies ist erfreulich, insbesondere im Hinblick darauf, dass dann hoffentlich weniger innere Darlehen aufgenommen werden müssen. Das Hauptaugenmerk sollte aber auf die Perspektive der nächsten Jahre gerichtet werden. Hier gibt es erhebliche Unsicherheiten. Wir müssen uns auch vor dem Aspekt aktueller wirtschaftlicher unternehmerischer Entwicklungen hier in Stuttgart bewusst machen, dass diese Entwicklung keineswegs zwangsläufig so stattfinden muss. Auch bei der Einkommenssteuerentwicklung werden wir sicherlich noch mit Änderungen rechnen müssen. Keiner von uns weiß, was uns hier auch im Rahmen steuerlicher Reformen noch ins Haus steht und ob wir künftig mit den entsprechenden Anteilen rechnen können. Die Schlüsselzuweisungen, die im Jahr 2006 nun doch mit einem deutlichen Einbruch prognostiziert werden, zeigen uns, dass es nach wie vor diesen inneren Mechanismus zwischen Steueraufkommen und Zuweisungen gibt. Wir müssten eigentlich ein antizyklisches Verhalten an den Tag legen. Wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass auch in diesem System mancher Reformbedarf besteht.

Im Zusammenhang mit der Prognose für die Jahre 2006 und 2007 habe ich die Frage an den Kämmerer, inwieweit durch die neuen Tarife für den öffentlichen Dienst mit Entlastungen für den städtischen Haushalt zu rechnen ist."


StRin Küstler (PDS):

"Für mich geht es bei der Beratung der Vorlagen nicht um ein Ritual, sondern es bietet sich hier die Gelegenheit, für die Ausarbeitung des Doppelhaushaltes 2006/2007 noch Weichen stellen zu können, was auch notwendig ist. Die vorgelegten Eckdaten sehen in wichtigen Punkten, die für die Zukunft der Stadt große Bedeutung haben, im Grunde eine Fortschreibung der bisherigen Budgets vor, unter Berücksichtigung von einzelnen Sondereinflüssen. Tatsächlich müsste es aber darum gehen, umzuschichten. Dabei sollen nicht mehr Schulden gemacht werden, sondern die Aufgaben anders gewichtet werden.

Im Politikbereich der Bildung ist ein Umsteuern am dringendsten notwendig. Sowohl im Verwaltungshaushalt als auch im Vermögenshaushalt müssen größere Schritte gemacht werden, um die Bildungsversorgung sowohl vor der Schule als auch in der Schule zu verbessern. Die Anforderungen der modernen Gesellschaft sind in den letzten Jahren nur zögerlich und halbherzig aufgenommen worden. Wenn die Stadt sich gut entwickeln soll, kann das so nicht weitergehen. Gleiches gilt für den Sozialbereich.

Die Stadt Stuttgart hat in den letzten beiden Jahren rd. 500 Mio. € mehr an Steuern eingenommen als veranschlagt. EBM Föll führt in seiner Vorlage aus, dass in der Kinderbetreuung zusätzliche Mittel erforderlich wären, die aber im Budget nicht berücksichtigt sind. Im Bereich Soziales, Jugend und Gesundheit werden Steigerungsraten von 5 - 6 % vorgeschlagen. Das ist zu wenig, um den Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden. Wenn die Stadtratsmehrheit der Auffassung ist, dass in anderen Bereichen keine Sparmaßnahmen möglich sind, dann sollten die erzielten Mehreinnahmen für den Bildungsbereich eingesetzt werden, und zwar diese Mehreinnahmen aus den Jahren 2003 und 2004, weshalb ich diesem Jahresabschluss nicht zustimmen werde, weil dort auch einer Zuweisung zum Verwaltungshaushalt zugestimmt wird. Ausgaben im Bereich Bildung sind wie Sozialausgaben Investitionen in die Zukunft der Stadt, die sich mit Sicherheit lohnen. Will man den Schuldenabbau in der geplanten Weise fortsetzen, so schlage ich vor, bei allen Events - z. B. bei der Weltmeisterschaft 2006 - eine Haushaltssicherungssperre von 10 % einzuführen.

Ein weiterer Gesichtspunkt für die Sicherung des Stadthaushalts in der Zukunft ist, dass wir nicht nur über die Ausgabenseite, sondern auch über die Einnahmenseite sprechen. Eine Minderung der Gewerbe- und Grundsteuer halte ich dabei für absolut falsch. Im Gegenteil muss meiner Ansicht nach die Wirtschaft, die von der Stadt ja auch bestens gefördert wird und die eine hervorragende Infrastruktur vorfindet, ihrerseits einen angemessenen Beitrag zu den Aufgaben der Stadt leisten.

Mir ist auch nicht ganz klar, warum ausgerechnet dann, wenn man ein Stadtentwicklungskonzept macht, das große Aufgaben mit sich bringt, der Etat in diesem Bereich um 15 % gesenkt werden soll. Darüber sollte man vielleicht noch einmal sprechen."

EBM Föll:

"Ich möchte nicht den Eindruck entstehen lassen, dass der Verzicht auf einleitende Ausführungen ein Signal der mangelnden Wertschätzung des Gemeinderats ist. Ganz im Gegenteil - ich wollte dem Hauptorgan den Vortritt lassen und mich erst im Anschluss an Ihre Ausführungen kurz zu Wort melden.

Oft ist die Bemerkung gefallen, dass Stuttgart eine reiche Stadt sei. In der Tat ist diese Stadt reich an engagierten Bürgerinnen und Bürgern, und sie ist gesegnet, was leistungsfähige Unternehmen anbelangt. Aber die Stadt als Körperschaft ist nicht reich an Geld. Es geht uns relativ gesehen besser als anderen Städten und Gemeinden in der Bundesrepublik Deutschland, das ist sicher zutreffend. Sich aber deshalb gleich mit dem Attribut reich zu sein zu versehen, das hielte ich wirklich für eine Überschätzung.

Wir haben Glück gehabt im Jahr 2004. Dieses Gewerbesteuerergebnis von 630 Mio. € ist außergewöhnlich und wird sich weder im Jahr 2005 noch in den darauffolgenden Jahren in dieser Form wiederholen. Das muss man in aller Klarheit und Deutlichkeit sagen und auch zur Kenntnis nehmen. Dennoch ist es richtig, wenn die Fraktionen hier im Gemeinderat darauf verweisen, dass sie durchaus einen wesentlichen Beitrag zu dieser positiven Entwicklung geleistet haben, indem sie nämlich eine vergleichsweise restriktive Ausgabenpolitik gefahren haben und insbesondere im Verwaltungshaushalt zurückhaltend gewesen sind. Das ist in der Tat eine große Leistung des Gemeinderats. Dazu haben die einen Fraktionen mehr, die anderen weniger beigetragen. Es gehört schon ein Stück politischer Mut und auch Weitblick dazu, auf der Ausgabenseite auch dann, wenn die Ergebnisse zwischenzeitlich einmal etwas besser sind, Kurs zu halten.

Wenn Sie sich die Eckdaten für die Jahre 2006/2007 anschauen, dann stellen Sie Folgendes fest - und darauf möchte ich nochmals ganz ausdrücklich eingehen, weil auch in dieser Stadt die Bäume nicht in den Himmel wachsen: Wenn wir den Verwaltungshaushalt um einen Sondereinfluss bereinigen, dann haben wir eine negative Zuführungsrate von 33 Mio. €. Negative Zuführungsrate heißt, wir leben im Jahr 2006 von unserem Vermögen. Ich habe nun natürlich nicht die Erwartung, dass die Beschlüsse, die in den Haushaltsberatungen getroffen werden, unter dem Strich mehr Geld einsparen als sie ausgeben, denn das wäre eine ziemliche Illusion. Aber diese negative Zuführungsrate, auch wenn es 2007 wieder ein bisschen besser wird, stellt natürlich durchaus ein Problem dar.

Mit einer Beschreibung hatte StR Dr. Schlierer Recht. Selbst wenn bei den Steuern die Einnahmenseite gut läuft, sind wir in einem System, bei dem über Finanzausgleich und Schlüsselzuweisungen im Grunde genommen der, der auf der Einnahmenseite eine positive Entwicklung hat, wiederum bestraft wird, weil es ihm über Zuweisungen und Umlagen entsprechend genommen wird. Ich kann den Gemeinderat daher nur bitten, auch in den Haushaltsberatungen 2006/2007 mit Augenmaß zu agieren, weiterhin Kurs zu halten und die Linie, die man im Haushalt im Grunde seit den Jahren 1993/1994 verfolgt hat, auch konsequent fortzusetzen. Dass wir seither die Früchte ernten und auch von diesen Früchten leben, hat völlig zu Recht StR Uhl eingangs der Debatte angesprochen, indem er auf die Entwicklung der Zinsaufwendungen in den Jahren zwischen 1994 und 2005 hingewiesen hat. 1994 waren es 85 Mio. €, 2005 nur noch gut 10 Mio. €. Wenn wir diesen Schuldenabbau nicht vorgenommen und auch nicht das Glück gehabt hätten, dass sich das Zinsniveau in dem gesamten Zeitraum reduziert hat, wenn unser Haushalt im Jahr 2006 somit um 75 Mio. € schlechter wäre, dann würden wir Ihnen heute Eckpunkte vorlegen mit einer negativen Zuführungsrate im Jahr 2006 von weit über 100 Mio. €. Im Jahr 2007 wäre die Zuführungsrate ebenfalls negativ, und wir hätten kaum eine Chance, hier wirklich herauszukommen.

Ich glaube, dass eine solide und nachhaltige Finanzpolitik ein Stück Zukunftspolitik für eine Stadt ist. Die Kinder, die in dieser Stadt geboren wurden und werden, sollen möglichst optimale Lebenschancen erhalten. Aber sie sollen auch davor bewahrt werden, dass sie die Schulden ihrer Eltern und Großeltern ihr Leben lang abzahlen müssen. Wenn wir diesen Kurs fortsetzen, werden wir die Handlungsfähigkeit dieser Stadt auch in den kommenden Jahren bewahren. Ich glaube, dass es genau darum geht bei all den Herausforderungen, vor denen diese Stadt stehen wird und die wir heute noch nicht kennen.

Auch ich möchte mich ganz ausdrücklich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung, insbesondere aber bei Herrn Schaible und seinem Team von der Haushaltsabteilung der Stadtkämmerei bedanken. Es ist nicht wenig Arbeit, was da geleistet wurde; ohne diese qualifizierte Arbeit wäre eine Steuerung nicht möglich."


Abschließend stellt OB Dr. Schuster die drei Vorlagen zur Abstimmung und hält fest:

TOP 2, GRDrs 504/2005: bei 2 Nein-Stimmen mehrheitlich beschlossen

TOP 3, GRDrs 505/2005: bei 2 Nein-Stimmen mehrheitlich zustimmend zur Kenntnis genommen

TOP 4, GRDrs 506/2005: bei 2 Nein-Stimmen mehrheitlich beschlossen.