1. Der Antrag auf Zulassung eines Bürgerentscheids über den „Ausstieg der Landeshauptstadt aus dem Projekt Stuttgart 21“ ist unzulässig.
2. Die Verwaltung wird beauftragt, den Vertrauensleuten der Antragsteller die Feststellung der Unzulässigkeit des Antrags bekannt zu geben. Begründung: 1. Herr Werner Wölfle, Herren N. N. (Namen wurden aus Datenschutzgründen gelöscht) haben als Vertrauensleute von zahlreichen weiteren Stuttgarter Bürgern die Durchführung eines Bürgerentscheids nach § 21 Abs. 3 GemO beantragt. Die Fragestellung des Bürgerentscheids soll lauten: „Sind Sie dafür, dass die Stadt Stuttgart aus dem Projekt STUTTGART 21 aussteigt; • dass sie keine Ergänzungsvereinbarung mit den Projektpartnern abschließt, die u.a. von der Stadt abzusichernde Risiken in Höhe von 206,94 Mio. Euro vorsieht; • dass sie keine Änderung des Kaufvertrags mit der Deutschen Bahn für die Teilgebiete A2, A3, B, C und D, insbesondere nicht unter der Erklärung des Verzichts auf Verzugszinsen aus dem Grundstücksgeschäft, vornimmt; • dass sie keine weiteren Verträge über dieses Projekt abschließt und • dies den Vertragspartnern mit dem Ziel des Abschlusses einer Aufhebungsvereinbarung mitteilt?“ Auf den Unterschriftslisten für den Bürgerbescheid wird folgende Begründung gegeben: „STUTTGART 21 (S 21) würde der Stadt über viele Jahre hinweg die größte Baustelle Europas mitten in der Stadt bescheren – mit allen damit verbundenen Beeinträchtigungen. S 21 würde über lange Jahre hinweg zu gravierenden Verkehrsbehinderungen führen. Großbaustellen, die während des Planfeststellungsverfahrens nicht absehbar waren, werden neue verkehrliche Verhältnisse schaffen und logistische Probleme mit Auswirkungen auf das gesamte Stadtgebiet produzieren. Die bereits heute an vielen Orten über den gültigen Grenzwerten liegende Feinstaubbelastung der Stuttgarter Luft würde nochmals verschärft. Der 8 m hohe Wall des geplanten Tunnelbahnhofs würde den Schlossgarten von der Innenstadt trennen. S 21 würde zusätzliche finanzielle Mittel der Stadt erforderlich machen. Zudem sollen der Bahn AG Zinsen erlassen werden – Geld, das der Stadt dann fehlt. Angesichts der Dimension dieses Projektes, der langen Bauzeit, den damit verbundenen Beeinträchtigungen und den zusätzlichen finanziellen Belastungen für die Stadt wollen wir, dass die Bürgerinnen und Bürger darüber abstimmen, ob die Stadt Stuttgart sich weiterhin am Projekt STUTTGART 21 beteiligen und ob sie weitergehende finanzielle Verpflichtungen eingehen soll.“ Weiter heißt es: „Kostendeckung: Dieses Bürgerbegehren fordert keine neuen Ausgaben, sondern den Verzicht auf ein teures Projekt und somit die Einsparung von Steuergeldern.“ Ein Muster der Unterschriftsliste ist als Anlage 1 angeschlossen. Wie eine Überprüfung durch das Statistische Amt der Landeshauptstadt ergab, unterstützen deutlich mehr als 20.000 wahlberechtigte Stuttgarter Bürger den Antrag. Die Zählung wurde nach der Feststellung von 20.440 gültigen Unterschriften abgebrochen. 2. Gemäß § 21 Abs. 4 S. 1 GemO hat der Gemeinderat über die Zulässigkeit eines Antrags auf Bürgerentscheid zu entscheiden. Er ist dabei auf eine Rechtsprüfung beschränkt; ein Ermessensspielraum besteht nicht. Die Entscheidung des Gemeinderats über die Zulässigkeit des Antrags ist den Vertrauensleuten der Antragsteller durch die Verwaltung in Bescheidform bekannt zu geben. Gegen diese Entscheidung kann nach §§ 21 Abs. 8 GemO, 41 Abs. 2 KomWG Widerspruch eingelegt werden, über den das Regierungspräsidium zu entscheiden hat. 3. Die Verwaltung hat durch die Rechtsanwälte Dr. N. N. (Name wurde aus Datenschutzgründen gelöscht) vom Anwaltsbüro N. N. (Name wurde aus Datenschutzgründen gelöscht) ein Rechtsgutachten zur Zulässigkeit des beantragten Bürgerbegehrens eingeholt (Anlage 2) und eine weitere Überprüfung durch Prof. Dr. N. N. (Name wurde aus Datenschutzgründen gelöscht) / Universität Würzburg veranlasst. Diesem Gutachten schließt sich die Verwaltung in vollem Umfang an. Zusammengefasst kommt das Gutachten der Kanzlei (Name wurde aus Datenschutzgründen gelöscht) zu folgenden Ergebnissen:
• Die Fragestellung des Bürgerbegehrens umfasst fünf kumulativ erhobene Teilforderungen: „Ausstieg“ der Stadt aus dem Projekt Stuttgart 21, Verbot des Abschlusses der Ergänzungsvereinbarung, der Änderung des Grundstückskaufvertrages und weiterer Verträge sowie Mitteilung an die Vertragspartner mit dem Ziel des Abschlusses einer Aufhebungsvereinbarung.
• Die auf den Ausstieg der Stadt gerichtete erste Frage ist gem. § 21 Abs. 3 Satz 3 GemO unzulässig (Fristablauf sechs Wochen nach Bekanntgabe eines Gemeinderatsbeschlusses). Die mit der Frage angesprochene Grundsatzentscheidung wurde bereits mit der Zustimmung zur Rahmenvereinbarung 1995, jedenfalls mit der Zustimmung zur Vereinbarung über die weitere Zusammenarbeit 2001 getroffen. Die Beschlussfassung am 04.10.2007 ist kein wiederholender Grundsatzbeschluss, die einen Bürgerentscheid eröffnen könnte. Die Frage ist weiter deshalb unzulässig, weil sie auf ein gesetzeswidriges, nämlich vertragswidriges Verhalten der Stadt gerichtet ist. Die Begründung des Ausstiegs genügt außerdem den Anforderungen der GemO nicht.
• Die zweite Frage, die die Ergänzungsvereinbarung zum Gegenstand hat, ist unzulässig. Sie ist auf ein gesetzeswidriges Ziel gerichtet, da sie nicht mehr vollziehbar ist. Die Ergänzungsvereinbarung wurde bereits vor Beantragung des Bürgerentscheids wirksam abgeschlossen. Die Frage ist weiterhin nach § 21 Abs. 2 Nr. 4 GemO unzulässig, weil sie eine dem Gemeinderat vorbehaltene finanzielle Grundsatzentscheidung der Stadt betrifft.
• Die dritte Frage, die die Änderung des Kaufvertrages mit der Deutschen Bahn vom 21.12.2001 zum Gegenstand hat, ist unzulässig. Sie ist auf ein gesetzwidriges Ziel gerichtet, da sie wie die zweite Frage nicht mehr vollzogen werden kann. Die angegriffene Änderung des Kaufvertrages wurde bereits am 05.10.2007 wirksam vereinbart. Die Frage ist weiterhin wie die vorige nach § 21 Abs. 2 Nr. 4 GemO unzulässig.
• Das Bürgerbegehren ist inhaltlich nicht hinreichend bestimmt und deshalb unzulässig, soweit es mit der vierten Teilfrage fordert, dass die Stadt Stuttgart keine weiteren Verträge über das Vorhaben Stuttgart 21 abschließt.
• Die Zulässigkeit der fünften Frage, die die Mitteilung der übrigen vom Bürgerbegehren geforderten Maßnahmen an die Vertragspartner fordert, „steht und fällt“ mit der Zulässigkeit der ersten vier Teilfragen. Sie ist daher ebenfalls unzulässig.
• Das Bürgerbegehren ist damit insgesamt unzulässig.
Es ist auch dann insgesamt unzulässig, wenn man die vierte Teilfrage nach dem Verbot des Abschlusses weiterer Verträge für inhaltlich hinreichend bestimmt hält. Die Teilunwirksamkeit einzelner Forderungen führt zur Gesamtunzulässigkeit, weil die fünf Teilfragen inhaltlich zu einer einheitlichen Frage gekoppelt wurden. 4. Im Einzelnen vertritt die Verwaltung auf der Grundlage des Anwaltsgutachtens folgende Auffassung: Das Bürgerbegehren wird von deutlich mehr als 20.000 wahlberechtigten Stuttgarter Bürgern unterstützt. Erforderlich wären im Hinblick auf die maßgebliche Zahl von 398 178 Wahlberechtigten in der Landeshauptstadt lediglich 20.000 Unterstützer (§ 21 Abs. 3 Satz 5 GemO). Das Projekt „Stuttgart 21“ ist ein Vorhaben der DB Netz AG. Die Stadt ist aber an der Finanzierung dieses Projekts beteiligt. Insoweit liegt im Sinne des § 21 Abs. 1 GemO eine Angelegenheit des Wirkungskreises der Landeshauptstadt vor, für die wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung der Gemeinderat zuständig ist. Die Beteiligung der Stadt an dem Projekt kann damit Gegenstand eines Bürgerentscheids sein, nicht aber die Durchführung des Projekts als solches. Denn die Entscheidung über die Realisierung von Stuttgart 21 trifft nicht die Stadt, sondern die Bahn. Der beantragte Bürgerentscheid leidet aber an inhaltlichen Mängeln, die den Antrag unzulässig machen. Nach dem Wortlaut des Antrags sind Gegenstand des Bürgerbegehrens mehrere in Frageform gefasste Forderungen. Gefordert wird, dass keine Ergänzungsvereinbarung abgeschlossen wird, dass die Kaufverträge mit der Deutschen Bahn nicht geändert werden, dass die Stadt Stuttgart keine weiteren Verträge über das Projekt abschließt und dass sie dies den Vertragspartnern mit dem Ziel einer Aufhebungsvereinbarung mitteilt. Zusätzlich wird vorweg gefordert, dass die Stadt aus dem Projekt „aussteigt“. Nach dem objektiven Erklärungsinhalt des Textes handelt es sich bei der Frage nach dem Ausstieg um eine eigenständige und zusätzlich erhobene Forderung. Auch die Begründung belegt dies. Sie stellt maßgeblich auf die Auswirkungen und Nachteile des Projekts Stuttgart 21 insgesamt ab und zielt auf den Ausstieg insgesamt, nicht nur auf die einzelnen Teilforderungen. Die fünf Fragen werden nach dem Wortlaut kumulativ zum Gegenstand des Bürgerbegehrens gemacht. Es handelt sich mithin um ein einheitlich erhobenes Bürgerbegehren, das mit fünf Teilforderungen erhoben wird. Die Unterzeichner des Bürgerbegehrens hatten nur die Möglichkeit, das Begehren insgesamt mit allen fünf Teilforderungen zu unterstützen. Im Folgenden werden die Teilfragen aber getrennt abgehandelt, um eine übersichtlichere Darstellung zu erreichen. 4.1. Erster Gegenstand des Bürgerbegehrens ist die Frage an die Unterzeichner, ob sie dafür sind, „dass die Stadt Stuttgart aus dem Projekt STUTTGART 21 aussteigt“, also ob sich die Stadt an der Verwirklichung des Projekts Stuttgart 21 überhaupt weiter beteiligt und ob sie dieses Projekt überhaupt weiter finanziell oder in sonstiger Weise fördert. Die Frage betrifft damit das grundsätzliche „Ob“ der weiteren Beteiligung der Stadt am Projekt. Dies ergibt sich aus zahlreichen Anhaltspunkten in den Unterschriftslisten.