Protokoll:
Gemeinderat
der Landeshauptstadt Stuttgart
Niederschrift Nr.
TOP:
273
2
Verhandlung
Drucksache:
-
GZ:
-
Sitzungstermin:
11/08/2001
Sitzungsart:
öffentlich
Vorsitz:
OB Dr. Schuster
Berichterstattung:
-
Protokollführung:
Frau Haasis
wu
Betreff:
Allgemeine Aussprache über den Haushaltsplanentwurf 2002/2003
Beratungsunterlagen sind der Entwurf des Haushaltsplans 2002/2003 sowie die der Einbringung des Entwurfs des Haushaltsplans 2002/2003 zugrunde liegenden Unterlagen <siehe Sitzung des Gemeinderats vom 25. Oktober 2001, Niederschrift Nr. 249>.
Zum Entwurf des Haushaltsplans 2002/2003 werden folgende dieser Niederschrift angeheftete Anträge eingebracht:
CDU-Gemeinderatsfraktion
Nrn. 454 - 479
SPD-Gemeinderatsfraktion
Nrn. 480 - 526
Gemeinderatsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN
Nrn. 527 - 554
Freie Wähler-Gemeinderatsfraktion
Nrn. 555 - 576
FDP/DVP-Gemeinderatsfraktion
Nrn. 577 - 604
DIE REPUBLIKANER
Nrn. 605 - 639
StR Deuschle (PDS)
Nrn. 640 - 650.
Die Allgemeine Aussprache wird entsprechend der Berichterstattung im Amtsblatt Stuttgart am 15. November 2001, Nr. 46, wiedergegeben:
StR
Föll
(CDU):
"Die Rede von Finanzbürgermeister Dr. Lang vor 14 Tagen hat deutlich gemacht, dass der Himmel über den Stuttgarter Stadtfinanzen leider nicht mehr voller Geigen hängt. Es ist schon dramatisch, wenn alleine die Gewerbesteuereinnahmen um - sage und schreibe - 235 Millionen Euro im Finanzplanungszeitraum bis 2005 einbrechen. Die Zahlen der November-Steuerschätzung, die wir ja am Freitag bekommen und die dann in den kommenden Wochen auf die Gemeinden heruntergebrochen werden, werden noch weitere und tiefere Löcher auf der Einnahmenseite dieses Haushalts hinterlassen. Hinzu kommen die ungewissen wirtschaftlichen Aussichten: Kippt die Konjunktur tatsächlich in eine Rezession ab, wofür leider derzeit manches spricht, und wenn dieses passiert, dann sind wir in der Region Stuttgart nicht zuletzt durch unseren hohen Exportanteil besonders stark betroffen.
Diese Rahmenbedingungen zwingen uns, wieder wirklich strenge Maßstäbe an zusätzliche Ausgaben anzulegen, wenn wir die Solidität unserer Stadtfinanzen und das bisher Erreichte nicht gefährden wollen. Wir müssen auch die Bürgerinnen und Bürger bitten, ihre Erwartungshaltungen etwas zurückzunehmen: Es geht nicht alles Wünschenswerte - vor allem nicht auf einen Schlag! Manfred Rommel hat in einer solchen Situation immer die eigentliche Aufgabe der Politik angemahnt: 'Für die Politik kommt es darauf an, die Grenzen des Möglichen sichtbar und anschaulich zu machen und nicht der Versuchung zu erliegen, die Grenzen des Möglichen als nicht vorhanden zu bezeichnen.'
Genau aus diesem Grund werben wir als CDU-Fraktion in diesen Haushaltsberatungen für ein Bündnis der finanzpolitischen Vernunft, ein Bündnis, das sich der finanziellen Wirklichkeit stellt und die Grenzen des Möglichen nicht überschreitet. Wir rufen alle Fraktionen im Gemeinderat auf, und ich sage bewusst alle, ein solches Bündnis der Vernunft zu schließen - zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt. Wir vertrauen bei diesem Bündnis, das will ich auch nicht verhehlen, vor allem auf den Realitätssinn der Freien Wähler und der FDP/DVP, weil wir uns mit diesen beiden Fraktionen über drei Grundsätze der Haushaltspolitik einig wissen:
1. Keine Grund- und Gewerbesteuer-Erhöhung.
2. Keine Erhöhung des Schuldenstandes. Verbesserungen im Vollzug des Haushaltes müssen zum Ausgleich der Risiken und zur weiteren Schuldentilgung verwendet werden.
3. Die Erlöse aus der Veräußerung der Energiebeteiligungen von NWS und EnBW müssen dauerhaft als Finanzvermögen erhalten werden. Nur die jährlichen Zinserträge können dem laufenden Haushalt zugeführt und für zusätzliche Investitionsmaßnahmen verwendet werden.
Wir werden es strikt ablehnen, das in Generationen geschaffene Vermögenskapital dieser Stadt für ein einmaliges Investitionsprogramm - wie es wohl die SPD-Fraktion nachher beantragen wird - in einem Strohfeuer zu verpulvern. Ich kann nur sagen: Wehret den Anfängen! Wer diese Kuh schlachtet, braucht sich nicht wundern, wenn sie anschließend keine Milch mehr gibt.
Die CDU-Fraktion wird auch in diesen Haushaltberatungen für eine nachhaltige Finanzpolitik eintreten, die nicht nur an das Heute, sondern auch an das Morgen und Übermorgen denkt. Angesichts der extremen Schwankungen bei den Gewerbesteuereinnahmen wird doch offensichtlich, dass gerade diese jährlichen Zinserträge aus dem Kapitalvermögen der Stadt notwendig sind, um auf Dauer für eine gewisse Verlässlichkeit und Stabilität der Finanzkraft dieser Stadt zu sorgen. Nur durch diesen weitsichtigen Kurs haben wir die einmalige Chance, Stuttgart gegenüber den anderen deutschen und europäischen Städten auf Dauer einen entscheidenden Vorteil zu verschaffen. Um es klar zu sagen: Wer bei dieser grundlegenden Weichenstellung kneift oder wackelt und das Kapitalvermögen dieser Stadt verpulvern will - sei es aus Bequemlichkeit, aus Populismus oder aus parteitaktischen Erwägungen - der setzt die finanzielle Zukunftsfähigkeit dieser Stadt im Jahr 2010 und 2020 aufs Spiel. 'Politik ist nur dann auf kurze Sicht richtig, wenn sie auch auf lange Sicht richtig ist.' Diese Maxime hat der deutsch-französische Schriftsteller Manès Sperber formuliert. Wir werden sie bei unserer Entscheidung über die Verwendung der Veräußerungserlöse konsequent anwenden.
Lassen Sie mich zum Thema Gewerbesteuer und Gemeindefinanzreform einige grundlegende Bemerkungen machen:
H
err Dr. Lang, Sie haben zu Recht in Ihrer Rede darauf hingewiesen, dass die Gewerbesteuer im Prinzip zu einer Mittelstandssteuer verkommen ist, weil die Steuerrefom der amtierenden Bundesregierung auch bei der Gewerbesteuer dafür gesorgt hat, dass sich die Großen durch steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten ihrer Steuerverpflichtung und damit der Mitfinanzierung an der kommunalen Infrastruktur entziehen können. Das ist für sich allein schon ein ausreichender Grund, warum die Gewerbesteuer so nicht bleiben darf. Die Gewerbesteuer ist aber nicht nur eine inakzeptable Mittelstandssteuer geworden, sondern sie führt auch seit Jahrzehnten zu einer einseitigen Sonderbelastung der gewerblichen Wirtschaft. Erklären Sie doch bitte einmal einem Handwerksbetrieb, warum er gewerbesteuerpflichtig ist, während beispielsweise freie Berufe dieser Steuer nicht unterliegen. Es gibt dafür weder eine logische noch eine politische Erklärung. Genau deshalb ist es an der Zeit - und die starken Schwankungen bei den Gewerbesteuereinnahmen zeigen dies ja, die gehen rauf und runter wie die Kurse am Neuen Markt, und durch diese Schwankungen ist eine verlässliche Finanzplanung der Kommunen kaum mehr möglich -, dass angesichts dieser enormen Probleme auch der Deutsche Städtetag seine Blockadehaltung in Sachen Gewerbesteuer aufgibt. Wir brauchen keine Reform der missratenen Gewerbesteuer. Wir brauchen die Abschaffung der Gewerbesteuer - so wie dies bereits vor Jahren beispielsweise in den Niederlanden und in Österreich erfolgt ist.
Wir treten stattdessen für eine Kommunalsteuer ein, die die Gewerbesteuer und den bisherigen Gemeindeanteil an der Einkommensteuer aufkommensneutral für alle Beteiligte ersetzt. Diese Kommunalsteuer soll von allen in der Gemeinde ansässigen Bürgern und Unternehmen als Zuschlag auf die Einkommen- und Körperschaftssteuerschuld bezahlt werden. Das hat viele Vorteile. Ich will nur einige wenige nennen:
1. Alle leistungsfähigen Bürger und Unternehmen - und nicht nur Minderheiten - werden zur Finanzierung der Gemeindeaufgaben herangezogen. Damit wird auch die finanzielle Beteiligung der Steuerbürger an der Gemeindefinanzierung auf eine möglichst breite demokratische Basis gestellt.
2. Die kommunale Selbstverwaltung bleibt durch ein eigenes Hebesatzrecht unangetastet. Im Gegenteil: Der Wettbewerb unter den Städten wird sogar gestärkt. Und wenn Sie sich diesen Wettbewerb anschauen und beispielsweise sich das Schweizer Steuersystem betrachten, dann führt dies dort zu beeindruckenden Ergebnissen.
3. Die Anfälligkeit einer Kommunalsteuer gegen konjunkturelle Schwankungen oder steuerpolitische Eingriffe des Bundesgesetzgebers wird deutlich reduziert. Das ist im existenziellen Interesse der Städte und Gemeinden.
4. Ein weiterer guter Grund: das deutsche Steuersystem wird wesentlich vereinfacht, was immer ein richtiges Ziel in der Steuergesetzgebung ist.
Meine Fraktion bittet Sie, Herr Oberbürgermeister und Herr Finanzbürgermeister, wir bitten Sie, in den Gremien des Deutschen Städtetags engagiert für eine solche Kommunalsteuer einzutreten, weil sie wieder zu verlässlichen und kontinuierlichen Steuereinnahmen bei den Städten und Gemeinden führen wird.
Wir sind in Stuttgart dank der erfolgreichen Haushaltspolitik der vergangenen Jahre und dem Schuldenabbau um über 400 Millionen Euro seit 1994 in der glücklichen Lage, dass wir noch über Rücklagen aus besseren Zeiten verfügen, die wir nun einsetzen können, um ein beachtliches Investitionsprogramm zu finanzieren. Die CDU-Fraktion hält es zudem für möglich, über den vom Finanzbürgermeister vorgeschlagenen Rahmen von 132,5 Millionen Euro um rund 30 Millionen Euro hinauszugehen. Insgesamt halten wir einen Finanzrahmen von rund 160 Millionen Euro für neue Maßnahmen für vertretbar, weil die CDU-Fraktion die Absicht hat, frühzeitig im Jahr 2002 von der vertraglichen Option Gebrauch zu machen, die restliche Beteiligung von 25 Prozent an den Neckarwerken Stuttgart im Wert von netto etwa 765 Millionen Euro an die EnBW zu veräußern. Hierdurch entstehen im Finanzplanungszeitraum zusätzliche Zinserträge, mit denen wir die Aufstockung des Investitionsprogramms finanzieren können.
Der Deutsche Städtetag hat gestern in einer Pressemitteilung verkündet, dass die Städte vor dem Bankrott stehen und viele Städte ihre Personal- und Sozialhilfeausgaben nur noch durch neues Schuldenmachen finanzieren können. Gewiss - auch wir in Stuttgart haben Finanzprobleme: Aber wir sprechen in diesem Doppelhaushalt von einem neuen Investitionsprogramm mit einem Volumen von 160 Millionen Euro beziehungsweise 320 Millionen Mark, ohne dass wir zusätzliche Schulden machen. Andere deutsche Städte würden sich bei dieser Finanzlage bereits im Vorgarten des Paradieses wähnen.
Die CDU-Fraktion hat sich mit ihren 26 Haushaltsanträgen, die wir zum Teil gemeinsam mit Freien Wählern und FDP/DVP stellen, an diesen Finanzrahmen gehalten. Und wir haben für Mehrausgaben im Verwaltungshaushalt konkrete Deckungsvorschläge eingereicht - mit einer einzigen Ausnahme, weil dies unser wichtigster Schwerpunkt ist: der Ausbau der Kinderbetreuungsangebote in unserer Stadt.
Wir beantragen, im Doppelhaushalt 2002/2003 zusätzlich über 26 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, damit wir das Defizit sowohl hinsichtlich der Platzzahlen als auch des gewünschten Betreuungsumfangs deutlich abbauen können. Das vorgelegte Konzept des Jugendamtes ist dafür ein gute Grundlage. Wir unterstützen das Ziel, weitere rund 1500 neue und bedarfsgerechte Betreuungsplätze zu schaffen, nachdem wir bereits vor der Sommerpause 2001 die Weichen für rund 650 zusätzliche Plätze gestellt haben. Der Etatansatz für Kinderbetreuungsangebote ist mit unserer vollen politischen Unterstützung das am schnellsten wachsende Budget mit einer Steigerungsrate von 15 Prozent bei den laufenden Ausgaben auf insgesamt 110 Millionen Euro im Jahr 2002.
Es macht jedoch unseres Erachtens keinen Sinn, wenn wir in diesen Haushaltsberatungen über einzelne Einrichtungen und Gruppen sprechen. Wir wollen dem Jugendamt die Flexibilität geben, überall dort, wo entsprechender Bedarf vorhanden und die Schaffung neuer Plätze beziehungsweise die Umwandlung in Angebote mit bedarfsgerechtem Betreuungsumfang möglich ist, auch zügig zu handeln: Deshalb beantragen wir eine flexible Pauschale von 15 Millionen Euro für Investitionen, für Betriebskostenzuschüsse an freie Träger sowie zusätzlich 60 Stellen für neue städtische Einrichtungen mit einem jährlichen Aufwand von rund 2,7 Millionen Euro.
Ich will aber auch hinzufügen, auch wenn die Stadt alle Anstrengungen beim Ausbau der Kinderbetreuungsangebote unternimmt, ohne die Unterstützung des Landes werden wir insbesondere bei den Betreuungsangeboten für Kinder unter drei Jahren an unsere finanziellen Grenzen stoßen. Deshalb setzt sich meine Fraktion auf allen Ebenen und bei allen Gelegenheiten dafür ein, dass das Land zukünftig auch reine Krippengruppen in die Landesförderung einbezieht sowie die finanziellen Rahmenbedingungen für die Kindertagespflege verbessert. Wir sind sehr zuversichtlich, dass der CDU-Landesparteitag am kommenden Wochenende einen solchen Antrag beschließen wird. Wir erwarten aber auch, dass der baden-württembergische Städtetag beim nächsten Spitzengespräch mit der Landesregierung am 27. November diesem Thema Vorrang einräumt und die Kleinkinderbetreuung nicht mit Nachrang versieht, nur weil dieses Thema für Mittel- und Kleinstädte nicht von so herausragender Bedeutung ist.
Im Schulbereich wollen wir zusätzliche Investitionsmittel von rund 24 Millionen Euro bereitstellen und dieses Geld insbesondere im beruflichen Schulwesen einsetzen. Weil dessen Leistungsfähigkeit für die Zukunftschancen der jungen Menschen und für den Wirtschaftsstandort Stuttgart von besonderer Bedeutung ist, muss ein Schwerpunkt gesetzt werden. Wir wollen das Defizit von rund 25 000 Quadratmetern Schulfläche in einem mehrjährigen Investitionsprogramm abarbeiten und in diesem Doppelhaushalt mit drei konkreten Maßnahmen beginnen: einem neuen Berufsschulstandort in Vaihingen, weil hier ein geeignetes Gebäude kurzfristig angemietet und umgebaut werden kann; wir wollen den Erweiterungsbau für die Wilhelm-Maybach-Schule in Bad Cannstatt und wir wollen den Erweiterungsbau für die Cotta-Schule in einer kostengünstigen Version finanziert wissen.
Die CDU-Fraktion legt aber auch größten Wert darauf, dass wir unser Wort bei den großen Investitionsmaßnahmen in den Stadtbezirken einhalten:
Wir beantragen, die Sanierung beziehungsweise den Neubau der Turn- und Versammlungshallen in Sillenbuch, Obertürkheim, Münster, Wangen, Mühlhausen und zusätzlich jetzt Weilimdorf nunmehr auch vollständig im Haushalt abzusichern. Damit wird ein Gesamtaufwand von rund 25 Millionen Euro verbunden sein. Wir fordern aber auch die Verwaltung auf, dafür zu sorgen, dass diese Baumaßnahmen jetzt zügig umgesetzt werden, weil auch diese sechs Projekte geeignete Maßnahmen sind, die in die Olympiabewerbung dieser Stadt passen, weil damit dem Schul- und Vereinssport deutliche Verbesserungen zukommen. Wir wollen in diesem Haushalt auch den Bau des Bürgerzentrums mit der Stadtteilbücherei und der Schulschwimmhalle im Stuttgarter Westen verankert sehen. Ein Aufwand von rund 30 Millionen Euro ist damit verbunden. Der zweitgrößte Stuttgarter Stadtbezirk hat lange genug darauf gewartet, und wir wollen, dass die Misere beim Schulschwimmen in den Innenstadtbezirken auch alsbald ein Ende findet. Weiter beantragen wir mit dem Neubau des Feuerwehrhauses und der Sanierung des Bezirksrathauses in Degerloch die Einrichtung eines Bürgerservice, damit Degerloch nicht der einzige Stadtbezirk ohne ein zentrales Angebot bleibt. Rund vier Millionen Euro sollen dafür in das Investitionsprogramm aufgenommen werden. Auch gegenüber dem Förderverein Hallenbad Untertürkheim wird die CDU-Fraktion Wort halten und 2,4 Millionen Euro für die Sanierung des Bades bereitstellen. Wir haben die Verknüpfung mit dem Bau eines Sportbades mit einem 50-Meter-Becken immer für unrealistisch gehalten, weil die Finanzlage nie so gut sein wird, dass wir hierfür 20 bis 30 Millionen Euro zur Verfügung stellen können. Die Stadt hat zu allererst die Aufgabe, den Schul- und Vereinsschwimmsport zu ermöglichen. Dem kommen wir mit der Entscheidung zugunsten der Sanierung des Hallenbades Untertürkheim nach.
Diese von der CDU beantragten großen Investitionsmaßnahmen in den Stadtbezirken umfassen alleine ein Finanzvolumen von über 60 Millionen Euro. Hinzu kommen viele weitere Maßnahmen, um die Lebensqualität und Infrastruktur in den Stadtbezirken zu verbessern. Über 80 Prozent des 160 Millionen Euro umfassenden Investitionsprogramms für neue Maßnahmen im Haushalt 2002/2003 fließen ganz konkret in die Stadtbezirke. Wer davon spricht, dass sich die von der CDU-Fraktion maßgeblich gestaltete Stadtpolitik einseitig auf Großprojekte konzentriert, der verdreht angesichts dieser Zahlen bewusst die Tatsachen. Die CDU-Fraktion ist immer dafür eingetreten und wird das weiterhin tun, dass eine Balance zwischen den für die Zukunft dieser Stadt wichtigen zentralen Projekten und den Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität in den Stadtbezirken gefunden wird. Wir setzen uns auch weiterhin für einen Ausgleich dieser Interessen ein, weil nur dann eine organische Entwicklung der Stadt als Ganzes möglich ist.
Meine Fraktion will diese für die Bürgerschaft, und ich will Sie nur daran erinnern, welches von den Projekten in der letzten Bürgerumfrage die meiste Zustimmung der Bürgerschaft erzielt hat: das war mit weitem Abstand die Bibliothek 21 im Vergleich zu anderen Sonderbauvorhaben. Wir wollen diese Bibliothek 21 nicht auf den Sankt Nimmerleinstag verschieben, weil wir wissen, dass die Stadtbücherei an diesem Standort, an dem sie heute ist, keinerlei Entwicklungsmöglichkeiten mehr hat und bereits heute nicht mehr zum Beispiel im Bereich der neuen Medien die Angebote präsentieren kann, die notwendig sind. Deshalb haben wir uns in der heutigen Fraktionssitzung für den Standort Pariser Platz entschieden und damit eine Realisierung bis zum Jahr 2005 ermöglicht.
Auch ein dritter Bauabschnitt im Gottlieb-Daimler-Stadion, das heißt der Neubau der Gegengerade und die Sanierung der Funktionsräume in den Kurven, wird aus diesen Mitteln des Zukunftsinvestitionsprogramms finanziert werden können, sofern das Land uns einen namhaften Zuschuss gewährt. Über den letztlichen Umfang dieser Baumaßnahme im Blick auf die Fußball-WM 2006 werden wir in diesen Haushaltsberatungen sicher noch intensiv sprechen müssen.
Keine Realisierungschance sehen wir derzeit für die Finanzierung der Robert-Bosch-Halle über den städtischen Haushalt. Das ist leider eine Konsequenz aus dem dramatischen Einbruch bei den Gewerbesteuereinnahmen. Wir haben jedoch die Hoffnung, dass ein Konzept mit einem privaten Investor und Betreiber gefunden werden kann, der diese eigentlich wünschenswerte Veranstaltungshalle doch noch möglich machen wird, ohne dass der Stadthaushalt belastet wird. Andere Städte, wie zum Beispiel Köln, Hamburg und Berlin, haben diesen Weg beschritten, warum soll das in Stuttgart nicht auch funktionieren.
Dennoch: Auch wenn die Robert-Bosch-Halle nicht auf diesem Wege kommen würde, so stellt dies keine Gefährdung der von uns leidenschaftlich unterstützten Olympiabewerbung dar. Machen wir uns doch nichts vor: Wenn das NOK im Jahr 2003 über den nationalen Bewerber entscheidet, dann wird diese Frage ebenso wenig wie bei der Entscheidung des IOC im Jahr 2005 eine ausschlaggebende Rolle spielen. Es wird von Stuttgart nicht erwartet, jetzt auf Vorrat olympische Bauten zu errichten. Es geht darum, eine auf den unverwechselbaren Stärken Stuttgarts basierende Bewerbungskampagne zu organisieren. Wir brauchen uns als Stadt nicht zu verstellen, sondern wir müssen in dieser Bewerbungskampagne unseren eigenen Weg gehen, dann wird Olympia auch am Neckar zu Hause sein.
Stuttgart hat sich in den vergangenen Jahren außerordentlich positiv entwickelt. Ich will dies an zwei Beispielen deutlich machen: Die Arbeitslosigkeit ist in unserer Stadt auf aktuell 5,6 Prozent zurückgegangen. Das ist immer noch zu hoch und bedeutet keine Vollbeschäftigung. Aber wenn wir an die zweite Hälfte der 90er-Jahre uns zurück erinnern, dann haben wir zu dieser Zeit Arbeitslosenraten von bis zu zehn Prozent gehabt. Und besonders erfreulich ist, dass sich die Zahl der Langzeitarbeitslosen seit dem Höchststand halbiert hat. Ebenso positiv sehen wir die Entwicklung bei der Zahl der Sozialhilfeempfänger in unserer Stadt, die seit 1998 um rund 15 Prozent auf zirka 21 000 Hilfeempfänger abgebaut werden konnte. Das sind Fortschritte, die für den sozialen Frieden und den sozialen Ausgleich in unserer Stadt wichtig sind. Und wir geben aus guten Gründen viel Geld auch dafür aus. Das Sozialbudget ist nicht ohne Grund der größte Etatposten auch in diesem Haushalt.
Wir wissen sehr genau, dass eine menschliche Stadtgesellschaft nur dann gegeben ist, wenn denjenigen, die Hilfe und Unterstützung der Gemeinschaft benötigen, auch tatsächlich geholfen wird. Wir wollen dieses soziale Hilfesystem in unserer Stadt weiter ausbauen, damit die Hilfe zur Selbsthilfe noch wirksamer und treffsicherer für den Einzelnen wird. Deshalb beantragen wir, die Beratungskapazitäten der Schuldnerberatung um 50 Prozent aufzustocken, weil es für überschuldete Menschen ohne diese Hilfe eben keine neue und vernünftige Perspektive gibt.
Klar ist jedoch auch, dass wir die vielfältigen sozialen Aufgaben nur bewältigen können, wenn wir auch in Zukunft die notwendigen Voraussetzungen für eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung und zusätzliche neue Arbeitsplätze schaffen. Dazu gehört der weitere Ausbau der Infrastruktur sowohl im öffentlichen Nahverkehr als auch für den Individualverkehr. Gerade im Straßenbau hat Stuttgart einen deutlichen Nachholbedarf. Wir sind sehr froh, dass es gelungen ist, die Finanzierung des Ausbaus der Heilbronner Straße, des Pragtunnels und des Rosensteintunnels sicherzustellen und diese Maßnahmen Schritt für Schritt bis zum Jahr 2012 umzusetzen.
Ungelöst und seit über 30 Jahren diskutiert wird jedoch die Filderauffahrt, der Bau der B 312 zwischen der B 10 im Neckartal und der mittleren Filderlinie mit Anschluss an die A 8. Wenn wir nichts unternehmen - so viel steht fest -, wird diese vom Bund zu finanzierende Straße auch in diesem Jahrzehnt keine Chance auf Realisierung haben. Wir können und wollen uns damit nicht abfinden, weil die Verbesserung der Lebensqualität in Hedelfingen, Riedenberg, Heumaden, Wangen und im Stuttgarter-Osten entscheidend davon abhängt, ob wir den Durchgangsverkehr und damit Lärm, Staus und Abgase aus diesen Stadtteilen durch den Bau der Umgehungsstraße hinbekommen. Wir wollen auch nicht tatenlos abwarten, dass der wirtschaftliche Strukturwandel der alten Industrieachse im Neckartal entscheidend benachteiligt wird, weil das Neckartal nur unzureichend an die gute Infrastruktur auf den Fildern angebunden ist: Flughafen, Autobahn, zukünftig auch Landesmesse und ICE-Bahnhof sind von entscheidender Bedeutung für die Ansiedlung produktionsnaher Dienstleistungsunternehmen. Deshalb hat sich die CDU-Fraktion zusammen mit Freien Wählern und FDP entschlossen, Bund und Land ein Angebot zur Vorfinanzierung oder alternativ zur Mitfinanzierung von 30 Prozent der Gesamtkosten mit einem maximalen kommunalen Finanzierungsanteil von 45 Millionen Euro zu machen. Wir wollen es ermöglichen, dass für die Filderauffahrt spätestens im Jahr 2004 ein Baubeginn stattfindet. Wir wollen diesen Betrag aus den noch ausstehenden und nicht disponierten Finanzmitteln aus der Fusion von TWS und Neckarwerken im Jahr 1997 im Rahmen eines Zukunftsinvestitionsprogramms II finanzieren. Bei der Filderauffahrt muss die Zeit der guten und vertröstenden Worte vorbei sein. Wer dieses Finanzierungsangebot an Bund und Land ablehnt, der verschiebt die Filderauffahrt auf lange Zeit und überlässt die Bürgerinnen und Bürger in diesen Stadtteilen ihrem Schicksal. Deshalb mein Appell insbesondere an die Damen und Herren der SPD-Fraktion: Tragen Sie diesen Antrag mit und sorgen Sie in Berlin dafür, dass die Filderauffahrt bei den vom Bundesverkehrsminister angekündigten zusätzlichen Investitionsmitteln für den Straßenbau dabei ist. Sorgen Sie dafür. Wir sorgen, dass die Landesregierung diese Vorgehensweise unterstützen wird.
Lassen Sie mich noch auf zwei Anträge der CDU-Fraktion eingehen:
1. Zum Thema Staatstheater: Wir sehen uns gegenwärtig nicht in der Lage, für das Bauprogramm des Staatstheaters zusätzliche Mittel von 7,5 Millionen Euro, wie die Verwaltung beantragt hat, einzustellen, so lange das Land uns bei der Spielbankenabgabe deutlich schlechter behandelt als Baden-Baden und Konstanz. Bei einer Gleichbehandlung mit diesen Städten würden der Stadt jährlich zwischen drei bis vier Millionen Euro zusätzlich zustehen.
Und wir erwarten vom Land, dass es sich trotz seiner eigenen Haushaltsprobleme an seine vertraglichen Verpflichtungen bei den Stuttgarter Philharmonikern hält, tatsächlich einen hälftigen Finanzierungsanteil zu tragen, weil es für das Orchester zwischenzeitlich unzumutbar ist, dass seine Existenz dadurch seit Jahren gefährdet wird.
2. Zum Thema Verwaltungsreform: Wir haben den Eindruck, dass sich dieser Prozess zwischenzeitlich verselbständigt und den Charakter einer Selbsterfahrungsgruppe für Verwaltungsangehörige und einzelne Mitglieder des Gemeinderats angenommen hat. Die CDU-Fraktion erwartet, dass das Finanzziel von 50 Millionen Euro wieder in den Mittelpunkt der Reformbemühungen gestellt wird.
Herr Bürgermeister Murawski: Wir haben bereits in den Haushaltsberatungen 2000 ein Konzept zur Erreichung des Finanzziels angemahnt. Nichts ist in diesen zwei Jahren geschehen - nur eloquente Worte statt konkreter und nachprüfbarer Taten. So kann es aus unserer Sicht nicht weitergehen, weil die Verwaltungsreform nach unserem Eindruck derzeit eher zu einer Minderung der Effizienz der Verwaltung als zu deren Verbesserung beiträgt.
Abschließend will ich für die CDU-Fraktion feststellen: Trotz der deutlich verschlechterten Finanzlage und der dadurch erforderlichen strengen Ausgabendisziplin gehen wir optimistisch in die Beratungen der kommenden Wochen, weil wir auf der erfolgreichen Stadt- und Haushaltspolitik der vergangenen Jahre aufbauen können. Wir sind auch zuversichtlich, dass sich für ein Bündnis der finanzpolitischen Vernunft eine Mehrheit finden wird, damit diese Erfolgsgeschichte in den kommenden zwei Jahren fortgeschrieben werden kann. Nur wer bereit ist, Verantwortung für einen soliden und geordneten Haushalt 2002/2003 zu übernehmen, kann auch berechtigten Anspruch darauf erheben, im Gemeinderat und auf der Bürgermeisterbank die Stadtpolitik entscheidend mitzugestalten.
Für die gute Vorbereitung der Haushaltsberatungen darf ich mich im Namen der CDU-Fraktion beim Oberbürgermeister, beim Finanzbürgermeister, den Mitarbeitern der Stadtkämmerei und allen beteiligten Mitarbeitern der Fachämter und Eigenbetriebe bereits jetzt bedanken. Es liegt jetzt am Gemeinderat, das Beste aus dem vorliegenden Entwurf bis zur 3. Lesung am 20. Dezember 2001 zu machen. Wir sind bereit, und wir stellen uns der Verantwortung, die wir als stärkste Fraktion in diesem Hause haben: Wir setzen auch im Doppelhaushalt 2002/2003 darauf, dass sich Vernunft und Augenmaß in diesem Haushalt durchsetzen.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit."
StR
Kanzleiter
(SPD):
"Wer Erfolg haben möchte, muss seine Ziele nennen, muss von ihnen überzeugt sein und muss sie beharrlich verfolgen. Die SPD-Fraktion weiß, was sie will, sie hat Überzeugungen und Vorstellungen von der Zukunft, und sie ist beweglich genug, sich auf verändernde Bedingungen jeweils neu einzustellen. Ohne Überheblichkeit möchte ich bemerken: Wir haben Erfolg, denn inzwischen sind unsere Ziele für Stuttgart Gemeingut geworden. Die Überschrift über allem lautet nach wie vor und immer mehr: 'Für starke Stadtteile in einem starken Stuttgart'.
Mit hoher Priorität werden wir auch künftig die Stadtbezirke entwickeln und ihre Defizite abbauen. Und, Herr Erster Bürgermeister, dabei geht es nicht um 'Firlefanz', wie Sie in ihrer unnachahmlichen Art meinen. Es geht um den spezifischen Kern unserer Stadt. In den Stadtteilen wohnen die Menschen, hier verbringen sie einen großen Teil ihrer Freizeit, hier sind die Familien verwurzelt und es bestehen die bürgerschaftlichen Netze. Im Wohnbereich vollzieht sich die Integration unserer Gesellschaft mit ihren unterschiedlichen Kulturen und sozialen Schichten. Um die Qualität der Stadtteile zu fördern, ist die SPD-Fraktion auch in den nächsten Jahren bereit, hohe Summen zu investieren.
Für uns Sozialdemokraten ist es selbstverständlich, alles zu tun, was den Wirtschaftsstandort Stuttgart stärkt, allerdings ohne dabei den spezifischen Charakter unserer Stadt zu zerstören. Uns ist wohl bewusst, welche existenzielle Bedeutung Handel und Gewerbe für tolerantes und menschliches Leben in unserer Stadt hat. Nur durch eine gesunde Wirtschaft ist es möglich, die materiellen Existenzgrundlagen der Bevölkerung zu sichern. Viele Konflikte auf der Welt, wie wir sie derzeit erleben, haben ihre Ursache darin, dass eben diese materielle Existenz nicht gesichert ist.
Wir sind auch nicht einäugig. Wir wissen sehr wohl um die Bedeutung großstädtischer Infrastruktur und um die Notwendigkeit, sich im Wettbewerb der Großstadtregionen zu behaupten. Die Entwicklung der Innenstadt liegt uns deshalb sehr am Herzen; Stichwort: Galerie am Schlossplatz, Stichwort: Kulturmeile, Stichwort: Bosch-Areal, und so weiter. Und, lassen sie mich dies ausdrücklich unterstreichen: Die SPD-Fraktion unterstützt die Bewerbung Stuttgarts und der Region zur Durchführung der Olympiade 2012.
Aber gerade auch aus diesem Grund halten wir es nicht für sinnvoll, sich durch Aktionismus und sprunghaftes Verhalten national und international lächerlich zu machen. Die Art und Weise, Herr Oberbürgermeister, wie Sie derzeit in Sachen Trump Tower, leider unterstützt durch eine von Ziellosigkeit geleitete Mehrheit im Gemeinderat, Stadtentwicklungspolitik betreiben, ist ein Beispiel dafür. Wer die Grundregeln für die Stadtplanung verlässt, nämlich transparente Verfahren nach den Regeln der Kunst einzuhalten, und zum Spielball von Investoreninteressen wird, handelt kontraproduktiv. Was wir brauchen, ist kommunale Politik aus einem Guss, die Ziele und Maßstäbe erkennen lässt und der Eigenart unserer Stadt entspricht. In Demokratien werden politische Programme öffentlich diskutiert. Was dann umgesetzt werden kann, muss durch die Parlamente entschieden werden.
Die Menschen wissen dies. Deshalb sind wir im Vorfeld der nun beginnenden Beratungen über den Doppelhaushalt 2002/2003 wieder von unzähligen Bürgerinnen und Bürgern aufgesucht oder angeschrieben worden. Wir wurden auf Defizite und Wünsche aufmerksam gemacht. Unsere Prioritäten sind das Ergebnis einer intensiven Meinungsbildung und sie werden von uns deshalb in den nächsten Wochen sehr ernsthaft und mit guten Argumenten verfolgt. Wie bei allen Haushaltsplanberatungen üblich, haben wir viele Einzelheiten in Anträgen beschrieben. Diese liegen während der Beratungen zur Entscheidung vor. Ich verzichte deshalb darauf, Details zu nennen.
Wir halten unsere Vorstellungen trotz der augenblicklich schwierigen wirtschaftlichen Lage und reduziertem Steueraufkommen für finanzierbar. Wie wir uns dies vorstellen, darauf werde ich später noch zu sprechen kommen. Und, lieber Herr Föll, mit Opposition, wie Sie sich in der Zeitung verbreitet haben, hat das überhaupt nichts zu tun, allenfalls mit unterschiedlichen Schwerpunkten.
Einige generelle Bemerkungen, auch als Antwort auf den Kämmerer bei der Einbringung des Haushalts, möchte ich vorneweg machen. Die Probleme in der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland halten wir für vorübergehend. Bereits im nächsten Jahr wird nach allen Prognosen wieder ein ordentlicher Aufschwung einsetzen, der auch bei den Steuereinnahmen spürbar werden wird. Durch die Auswirkungen der nächsten Stufe der Steuerreform werden die Familien und wird die Wirtschaft um insgesamt 19 Milliarden Mark entlastet. Dies stärkt die Binnennachfrage und damit die schwächelnde Konjunktur. Natürlich geht diese Entlastung zunächst zu Lasten der Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden. Dies ist einkalkuliert. Und dies ist auch gut so. Aber mehr geht momentan nicht. Auch wenn dies von Teilen der CDU in ihrer verzweifelten Lage in Berlin gefordert wird. Ich gehe deshalb davon aus, dass die Bundesregierung ihre richtige Politik nicht ändern wird. Kurzatmige Konjunkturprogramme sind nicht sinnvoll, weil sie ihre Wirkung ohnehin zu spät entfalten könnten. Weitere Steuerausfälle, wie sie durch das Vorziehen der nächsten Stufe der Steuerreform eintreten würden, werden deshalb keine Realität. Und deshalb sind Ihre Befürchtungen, Herr Dr. Lang, eben nicht begründet.
Auch aus einem anderen Grund wäre das Vorziehen der Steuerreform unsinnig. Wegbrechende Steuereinnahmen der öffentlichen Hand, namentlich der Kommunen, würden den dringend notwendigen Ausbau der Infrastruktur, zum Beispiel im Verkehrswesen, von Bund, Ländern und Gemeinden behindern. Wichtige Nachfrageimpulse, die von geplanten und baureifen Vorhaben ausgehen, gingen verloren und die Katze würde sich damit in den Schwanz beißen. Dies kann niemand wollen.
Zur Gewerbesteuer ein Wort: Nicht nur ihre aktuelle Entwicklung, sondern vor allem deren strukturelle Veränderung ist Besorgnis erregend und macht voraussichtlich gesetzgeberisches Handeln erforderlich. Der Städtetag hat völlig recht, dass große, gewinnstarke Unternehmen sich über Jahre durch Nutzung von Steuerschlupflöchern um die Finanzierung der kommunalen Aufgaben herumdrücken. Hier muss etwas geschehen. Jeder muss, entsprechend seiner Leistungsfähigkeit, zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben herangezogen werden. Die Abschaffung der Gewerbesteuer, wie jetzt gerade vom Kollegen Föll proklamiert, ist der falsche Weg. Wir brauchen aus vielen Gründen ein eigenes Recht auf Festsetzung von wirtschaftsbezogenen Hebesätzen. Erfreulicherweise sind wir uns darin auch mit der IHK und den Gewerkschaften einig. Der wichtigste Aspekt in diesem Zusammenhang ist natürlich die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung. Nur wer über seine Einnahmen selbst entscheiden kann, ist frei. Eine alleinige Abhängigkeit von Entscheidungen des Bundes und der Länder erzeugt bei mir eine Gänsehaut.
Kommunale Selbstverwaltung heißt aber auch zu erkennen, dass nicht nur durch das Handeln anderer, sondern auch durch unser eigenes Verhalten bei den anstehenden Haushaltsberatungen die weitere Entwicklung im Ganzen beeinflusst wird. Immerhin ist ein Haushalt mit vier Milliarden Mark oder zwei Milliarden Euro kein Pappenstiel. Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung raten wir deshalb dringend, den ausgewogenen Kurs der vergangenen Jahre fortzusetzen, nämlich Maximales in die Infrastruktur zu investieren, die Grenze aber bei ausgeglichenen Finanzen im mittelfristigen Finanzplanungszeitraum zu setzen. Dies ist der richtige Weg, auch zur Sicherung der Auftragslage unserer Handwerksbetriebe, der unzähligen Planungsbüros und insgesamt der mittelständischen Wirtschaft in unserer Stadt. Ich sage dies ganz bewusst auch speziell an Ihre Adresse, liebe Kolleginnen und Kollegen von FDP und Freien Wählern.
Natürlich, meine Damen und Herren: Die unkalkulierbaren Risiken der kriegerischen Entwicklungen in der Folge der Terroranschläge sind leider nicht auszuschließen. Wenn wir dieses jedoch in unsere Rechnung aufnehmen würden, stünden die Terroristen als Sieger bereits heute fest. Das kann und darf nicht sein. Wir sind davon überzeugt, dass die besonnene Politik unserer Bundesregierung im Inneren und auch nach außen geeignet ist, das momentan angekratzte Vertrauen der Menschen und der Wirtschaft in eine gesunde Wachstumsentwicklung wieder herzustellen. Alle Umfragen deuten erfreulicherweise in diese Richtung. Pessimismus sollte also nicht unser Leitmotiv für die anstehenden Entscheidungen sein.
Lassen Sie mich nunmehr auf unsere Anträge eingehen. Dabei beschränke ich mich allerdings, wie gesagt, auf Schwerpunkte, ohne damit zum Ausdruck zu bringen, die nicht vertieft erwähnten Themen seien weniger wichtig. Wir alle wissen: Oft sind kleine Beträge nicht weniger bedeutend als die großen Finanzbrocken.
Ich verweise hier speziell auf die zahlreichen Anliegen der freien Träger. Das gilt für den Sozialbereich, den Bereich der Behinderten, den Bereich der freien Jugendhilfe ebenso wie für die Drogenhilfe oder die Suizidvorbeugung.
Bei den großen Ausgabeblöcken ganz vorne steht auf unserer Prioritätenliste die Beseitigung des Mangels an Plätzen für die Kindertagesbetreuung. Es ist eine Schande für eine Stadt mit so großer Wirtschaftskraft wie der unsrigen, bei den Kinderbetreuungseinrichtungen einen Mangel von 2000 Plätzen vorweisen zu müssen. Dies kann nicht länger hingenommen werden. Der Mangel an Betreuungsplätzen behindert die soziale Entwicklung unserer Kinder ebenso wie die Chancen vieler Eltern am Arbeitmarkt. Er ist inzwischen auch eine Bremse der wirtschaftlichen Entwicklung. Eine verlässliche Familienpolitik ist heute kein 'weicher', sondern ein harter Standortfaktor. Deshalb wollen wir bis zum Jahr 2005 erreichen, dass wenigstens den Empfehlungen des Deutschen Städtetags entsprochen wird. Dies ist allerdings weit mehr, als die Verwaltung vorschlägt. Dieses Ziel wollen wir durch Beschluss des Gemeinderats festschreiben. Wir wissen sehr wohl, dass dies gewaltige finanzielle und planerische Anstrengungen erfordert. Wir wollen uns dieser Herausforderung stellen und sind deshalb auch bereit, bereits im Doppelhaushalt 2002/2003 für einen ersten Schritt 20 Millionen Euro für den Ausbau der Kapazitäten und 18 Millionen Euro für die Modernisierung von Kindertagesstätten bereitzustellen. Konsequenterweise müssen auch die Stellen für das Betreuungspersonal geschaffen werden. Die Verwaltung ist überdies aufgefordert, alle erforderlichen Schritte zu unternehmen, die Stellen auch zu besetzen.
Die erforderlichen finanziellen Anstrengungen sind groß. Deshalb schließe ich mich an dieser Stelle der Kritik des Kämmerers an der Landesregierung an. Wie lange soll es denn eigentlich noch dauern, bis der Herr Ministerpräsident aufwacht und erkennt, dass die Zeiten, in denen die treu sorgende Hausfrau am heimischen Herd gleichzeitig Kindlein betreut hat, zu Ende sind? Vom Land erwarten wir eine an den heutigen Bedürfnissen der Familien orientierte Förderung der Betreuung, sowohl der Kleinkinder als auch der Schülerinnen und Schüler.
Deutliche Schritte in gleicher Dimension wie bei der Tagesbetreuung sind auch in unseren Schulen erforderlich. Es gibt nicht nur einen riesigen Sanierungsstau bei den Schulen allgemein, sondern eine akute Unterversorgung im Berufsschulbereich. Was Schule online anbetrifft, reicht es nicht aus, auf die notwendige Hilfe des Landes zu verweisen. Wenn wir den Anschluss im wahrsten Sinne des Wortes nicht verlieren wollen, dürfen wir nicht nur die Hälfte dessen machen, was die Fachverwaltung angemeldet hat. Die SPD-Fraktion verlangt deshalb im Schulbereich nicht die Hälfte, sondern das Ganze. Für den Ausbau und die Sanierung der Berufsschulen beantragen wir 17 Millionen Euro für den Haushalt. Darüber hinaus wollen wir innerhalb der Beratungen auch eine Entscheidung über die zusätzlichen Berufsschulstandorte herbeiführen. Bei den allgemeinbildenden Schulen geht es um Ausbau, aber vor allem um Bauunterhaltung und die Gestaltung der Außenanlagen. Gute Schulen im Inhalt und im Äußeren sind eine wichtige Voraussetzung für die Chancengleichheit und den sozialen Frieden in der Stadt.
Ein wichtiges Thema im Bereich der Schulen wird für uns auch die Erweiterung der Schulsozialarbeit sein. Wir wollen, dass die vorhandenen Stellen an Hauptschulen auf zunächst 21 aufgestockt werden. Auch hier ist die Landesregierung gefordert. Wir erwarten, dass dort die Bereitschaft besteht, in die Regelförderung der Schulsozialarbeit einzusteigen.
Im Zusammenhang mit den Schulen ein Wort zu der Situation bei den Schulhausbetreuern. Wir müssen den Realitäten ins Auge sehen. Das bisherige System ist rechtlich nicht mehr haltbar und muss deshalb ersetzt werden. Im Rahmen dieses Haushaltes müssen die materiellen Grundlagen für die gesicherte Zukunft einer qualitativ guten Betreuung unserer Schulhäuser und Hallen geschaffen werden. Unser Vermögen darf in Zukunft nicht mangels guter Pflege schneller vergammeln als bisher. Zu regeln sind zwei verschiedene Komplexe:
- Einmal die sozialverträgliche Umgestaltung der bestehenden Verträge auf eine einwandfreie Rechtsgrundlage und die Sanierung der Existenzgrundlage unserer Schulhausmeister-Familien. Diese haben sich über viele Jahre darauf verlassen, dass alles, was mit ihnen vereinbart war, in Ordnung ist. Sie haben ein Anrecht darauf, von ihrem Arbeitgeber, der Stadt Stuttgart, großzügig behandelt zu werden. Massive Einkommenseinbrüche lehnen wir ab.
- Zum Anderen geht es um die Zukunft. Wir brauchen auch künftig selbstständig und verantwortlich handelnde Hausmeister mit guten Fachkenntnissen. Dies setzt eine ordentliche Bezahlung voraus. Wir glauben im Übrigen auch nicht, dass die Vergabe der Reinigungsleistungen bei gleich bleibender Qualität wesentlich billiger ist als ein System mit Eigenreinigung. Auch die Reinigungskraft trägt zum Erfolg bei und darf deshalb nicht einfach als Kostenfaktor abgetan werden. Und deshalb sind wir der Auffassung, dass das letzte Wort in diesem Zusammenhang noch nicht gesprochen sein kann.
Zum Thema Entwicklung der Stadtteile gehört ganz oben die Qualität des Wohnens. Eine ausreichende Versorgung mit Wohnraum für alle Schichten der Bevölkerung lässt sich nicht allein über den Markt sicherstellen. Wir sind davon überzeugt, dass sich die Streichung der Förderung des sozialen Wohnungsbaus schon bald als Fehler herausstellen wird. Schon jetzt sind Anzeichen einer neuen Wohnungsnot auch in unserer Stadt erkennbar. Das Land und auch der Bund müssen umsteuern, damit wir nicht bald vor nur schwer lösbaren Problemen stehen, wobei ein Zurück zum ersten Förderweg auch aus wohnungspolitischen Gründen allerdings ausgeschlossen sein dürfte. Wir wollen auf unserer Ebene auf jeden Fall unseren Beitrag leisten. Ziel unseres Antrags zum Wohnungsbau ist es, die laufenden Programme aufrechtzuerhalten. Das gilt für das 'Preiswerte Wohneigentum' ebenso wie für das 'Familienbau-Programm' und für die Mitfinanzierung im Bereich des geförderten Wohnungsbaus. Ein besonderes Augenmerk müssen wir auf die Sicherung der Finanzen der SWSG legen. Sie hat in den nächsten Jahren große Anstrengungen zu unternehmen, um ihren Bestand zu sanieren. Es war ein Fehler, der SWSG Kapital zu entziehen. Dieser muss jetzt dringend durch andere Hilfen kompensiert werden.
Ein weiteres Anliegen der SPD-Fraktion ist es, das begonnene Programm zur Revitalisierung der Stadtteile fortzusetzen. Das von der Bundesregierung eingeleitete und geförderte Programm 'Soziale Stadt' muss zu einem Erfolg werden. Voraussetzung ist, dass jetzt die Ergebnisse der Planungen, die im Rahmen der Bürgerbeteiligung entstanden sind, zügig umgesetzt werden. Entsprechende Entscheidungen haben wir beantragt. Die guten Erfahrungen mit der Bürgerbeteiligung sollten nun schnellstens ausgewertet werden, um sie für die Fortsetzung des Programms 'Soziale Stadt' in anderen Stadtteilen nutzbar werden zu lassen. Die Arbeit der runden Tische sollte im Übrigen gezielt unterstützt und gestärkt werden.
Noch ein Schwerpunkt ist anzusprechen. Vor zwei Jahren hat bei den Haushaltsberatungen die Situation der Turn- und Versammlungshallen, der Bürgerzentren und des Bürgerservices eine wichtige Rolle gespielt. Aus unseren Anträgen ist zu entnehmen, dass diese Themen nicht erledigt sind. Im Gegenteil: Nicht eine der beschlossenen Hallen ist auf Baustelle. Und weitere Schritte sind in diesem Jahr nötig. Wir haben beantragt, erneut eine beträchtliche Finanzrate in Höhe von 20 Millionen Euro für diesen Zweck zur Verfügung zu stellen.
Meine Damen und Herren, Kindertagesstätten, Schulen, Turn- und Versammlungshallen, aber auch die Sanierung des Rathauses und der Bau des Bürgerzentrums West sind Aufgaben, die unumgänglich sind. Ich wiederhole, sind Aufgaben, die unumgänglich sind. Im Unterschied zu Projekten wie etwa der Galerie, der Bibliothek des 21. Jahrhunderts, der großen Halle am Wasen oder auch dem Ausbau des Stadions geht es bei diesen Vorhaben nicht um zusätzliche Einrichtungen mit bisher nicht vorhandenen Folgekosten, sondern um Sanierungen und Ersatzbauten. Alle diese Bauvorhaben müssen und werden kommen. Dabei handelt es sich um Investitionen zur Schaffung und zum Erhalt unseres Vermögens und in die Zukunft unserer Jugend. Ihre Realisierung ist lediglich eine Frage des Zeitpunktes. Die Verwirklichung auf die lange Bank zu schieben, bringt nichts - im Gegenteil -, alles wird nur teurer und zudem sind die heute anstehenden Aufgaben nicht erfüllt. Wir schlagen deshalb zur Finanzierung der genannten Projekte vor, für sie, genau für sie, die ich gerade beschrieben habe, aus den Erlösen des Verkaufs von Energieaktien einen Sondertopf in Höhe von 125 Millionen Euro zu bilden. Dies ist möglich, ohne unser Vermögen zu schmälern. Denn, wie gesagt, die Mittel sind im Haushalt ohnehin aufzuwenden. Es ist lediglich eine Frage des Zeitpunktes. Ein Vorziehen dieser Investitionsprojekte ist auch eine wirksame Maßnahme zur Stützung der Konjunktur in Stuttgart.
Anders ist die Situation mit der Großhalle zu sehen. Hier nochmals unsere Position: Wir sind nicht grundsätzlich dagegen, sondern sind für eine Verschiebung um einige Jahre; übrigens nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auch deshalb, weil man dann sehen kann, ob Olympia nur eine sympathische Idee war oder tatsächlich kommt. Dieses Projekt muss zum gegebenen Zeitpunkt selbstverständlich in die Olympiakonzeption eingebaut werden. Im Übrigen sind wir natürlich, Herr Oberbürgermeister, auf Ihren Finanzierungsvorschlag gespannt. Eine private Vorfinanzierung ins Auge zu fassen, halten wir aber vom Grundsatz her für problematisch. Diese ist erfahrungsgemäß am Schluss als die teuerste Finanzierung zu sehen, teurer auf jeden Fall als aus Haushaltsmitteln. Ich verweise in diesem Zusammenhang nur auf das Mineralbad Cannstatt oder auch auf den Engelbergtunnel.
Ein Fehler übrigens, wenn ich es richtig verstanden habe, den möglicherweise die CDU-Fraktion offenbar bei der Süd-Umfahrung Hedelfingen zu wiederholen gedenkt. Ich habe noch nicht richtig verstanden, wie Sie das machen wollen, und deshalb werden wir darüber reden. Aber ich sage Ihnen eines: Zunächst kommt es darauf an, dass die Planungen klar sind und dass vor allem das Land dieses Projekt in der Priorität ganz nach vorne schiebt. Dann erst wird die Finanzierung zu einer regelnden Frage. Wir glauben nicht, dass man da im vorauseilenden Gehorsam schon Mittel in die Finanzplanung einstellen muss.
Was das Stadion angeht, folgendes: Unter der Voraussetzung, dass das Land bereit ist, in die Finanzierung einzusteigen, können wir uns ebenfalls einen dritten Bauabschnitt vorstellen. Allerdings, die volle Dimension mit allem Drum und Dran halten wir nicht für machbar. Wir brauchen nicht unbedingt ein Halbfinalspiel in Stuttgart. Es wäre zwar schön, aber existenznotwendig ist dies nicht.
Herr Bürgermeister Dr. Lang, unser Vorschlag zur Finanzierung der Schulen, der Turn- und Versammlungshallen, der Kindertagesstätten und des Rathauses ist auch finanzpolitisch gerechtfertigt. Beim Verkauf eines Teils unserer Energieaktien werden wir von den Maßnahmen der Steuerreform profitieren. Die Versteuerung des Verkaufserlöses nach altem Recht würde zu einem Weniger an Einnahmen der Stadtkasse in Höhe von um die 350 Millionen Euro führen. Die Stadt Stuttgart ist eben nicht nur Zahler der Steuerreform wie alle anderen öffentlichen Hände, sondern auch Gewinner. Die Selbstfinanzierung der Steuerreform durch wirtschaftliches Wachstum - dies ist ja ihr eigentlicher Sinn - geht nur dann auf, wenn entsprechende Finanzspielräume für Investitionen genutzt werden, und zwar durch alle, die davon profitieren, also auch von uns. Deshalb ist unser Vorschlag gerade in der jetzigen Situation der richtige.
Wir fordern die Verwaltung auf, während der Haushaltsplanberatungen die Details eines Finanzierungsweges vorzulegen, der von unserem beantragten Ansatz ausgeht. Sie sollten dabei auch die zeitliche Dimension mit einbeziehen. Ich will dies an einem Beispiel erläutern: Aus dem Energieverkauf Nummer eins haben wir 500 Millionen Mark erlöst. Daraus wurde das Zukunftsinvestitionsprogramm des Oberbürgermeisters gebastelt. Darin enthalten sind Rückstellungen für die Bibliothek des 21. Jahrhunderts in Höhe von 46 Millionen Euro. Dieses Geld wird aber optimistischerweise erst ab 2004 benötigt. Wir sollten es deshalb jetzt nutzen, um die Schulen zu sanieren, Kindertagesstätten zu bauen, die benötigten Turn- und Versammlungshallen zu erneuern und das Rathaus zu sanieren. Die dafür in der Zukunft ohnehin anfallenden Aufwendungen können dann für die Bibliothek und andere Zukunftsprojekte später herangezogen werden.
Lassen Sie mich zur Klarstellung unterstreichen: Wohlgemerkt, wir wollen nur einen Teil der Energieaktien verkaufen. Nämlich die neun Prozent an der EnBW und die 17 Prozent an der NWS. Die verbleibenden 25 Prozent sollten wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt behalten. Ich nenne hier nur die Stichworte 'Einfluss auf die Wasserzweckverbände' und 'Klärungsbedarf im Bereich der Müllverbrennung beziehungsweise des Abfallverbrennungsvertrags mit der NWS'. Ich will das nicht vertiefen, zu beiden Themen, Herr Oberbürgermeister, erwarten wir noch Ihre Antwort auf unsere Anträge. Zum Antrag bezogen auf die Abfallverbrennungsanlage erwarten wir Ihr Erscheinen am 14. November im Verwaltungsausschuss.
Wenn wir unsere Ziele erreichen wollen, dürfen wir nicht nur Beschlüsse fassen, sondern müssen diese auch umsetzen. Aber genau hier hapert es gewaltig. Die Umsetzung der vom Gemeinderat beschlossenen Projekte ist ein besonders trauriges Kapitel. Das gilt speziell für die Turn- und Versammlungshallen, aber auch generell. Wir wollen, dass im Rahmen der Stellenplanberatungen endlich die erforderlichen Planungskapazitäten geschaffen werden. Es hat keinen Sinn, so weiter zu machen wie bisher. Wir sehen es doch alle täglich. Diejenigen in der Verwaltung, die produktiv arbeiten und Ergebnisse vorweisen sollen, ächzen unter der Last, die wir ihnen aufbürden. Wir sollten so fair sein, nicht nur ständig etwas Neues zu erwarten. Wir müssen auch die Ressourcen zur Verfügung stellen, und zwar dort, wo sie benötigt werden.
Ich sage dies hier in allgemeiner Form, denn Anträge für die Schaffung und die Hebung von Stellen suchen Sie in unserem Antragspaket vergebens. Das gilt für alle Arbeitsbereiche der Stadt. Das hängt nicht damit zusammen, dass wir uns nicht getraut hätten, hier Anträge zu stellen. Es ist schlicht das Ergebnis fehlender Verwaltungskraft. Herr Oberbürgermeister, Sie haben es mit Ihrer, mit unserer Verwaltung wieder einmal nicht geschafft, Ihre Vorstellungen rechtzeitig dem Gemeinderat gegenüber darzustellen. Es ist eigentlich eine Zumutung, dass der Personalbeirat erst am 12. November erläutert bekommt, was sie für das nächste und übernächste Jahr im Personalbereich planen. Anträge dazu werden wir deshalb im Rahmen der laufenden Beratungen nachzuschieben. An dieser Stelle möchte ich trotz allem den Dank an alle Beschäftigten der Stadt für die weit überwiegend hoch qualifizierte Arbeit zum Ausdruck bringen. Wir wissen sehr wohl, dass Mängel ganz wesentlich auf die rigide Personalpolitik zurückzuführen sind, die der Gemeinderat selbst beschlossen hat.
Der Kämmerer hat Recht und es freut mich besonders, dass er meiner Einschätzung, wenn auch mit Jahren Verzögerung, folgt. Jawohl, Herr Erster Bürgermeister, die im Zuge der Verwaltungsreform angeblich einzusparenden 100 Millionen Mark waren von Anfang an eine Schimäre, oder anders ausgedrückt, ein Floh, der uns von den Ideologen der Verwaltungsreform ins Ohr gesetzt wurde.
Bevor ich zum Schluss komme, noch einige Worte zur Kultur. Denn eine Haushaltsrede ohne dieses Kapitel ist keine. Schließlich sind wir eine Kulturnation, oder wollen es zumindest sein. Und von den Künsten erwarten wir ja nicht nur Erbauung, sondern kritische Reflexion unseres Tuns. Kultur in Stuttgart ist - Gott sei Dank - meist ein erfreuliches Kapitel. Dies umso mehr, als es unseren Kulturschaffenden immer wieder gelingt, neues zu kreieren. Und dies trotz aller Schwierigkeiten im Kultur verwaltenden Bereich. Auch bei diesen Haushaltsplanberatungen kommen teure Entscheidungen auf uns zu. Wir werden sie herbeiführen oder mittragen, je nachdem. Nicht alles wird auf einmal gehen. Und vieles ist auf dem Wege. Wir sind stolz auf die große Vielfalt und Qualität der Angebote in Stuttgart:
Besonders stolz sind wir auf die Oper in unserer Stadt. Dreimal 'Oper des Jahres' ist auch eine Verpflichtung für den Gemeinderat. Wir sind deshalb bereit, die vom Operndirektor Klaus Zehelein beabsichtigte Weiterentwickelung zu unterstützen und erwarten dazu die erforderlichen Entscheidungsvorschläge. Dies entspricht unseres Erachtens auch der bestehenden Vertragslage.
Wir sollten im Rahmen des Haushalts auch weitere Entscheidungen zur Weiterentwicklung der Theaterstruktur in Stuttgart treffen, ohne ein abruptes Wendemanöver kontrovers durchsetzen zu wollen. Sie kennen den Spruch von den großen Tankern, die nur langsam umzusteuern sind, wenngleich der große Tanker 'Theaterstruktur in Stuttgart' aus unzähligen kleinen wendigen Motorbooten besteht. Sie sollten in einer Richtung fahren, damit es nicht zu Kollisionen kommt.
Meine Damen und Herren, das Stadtmuseum muss kommen. Noch ist dafür kein riesiger Etat erforderlich. Wir wollen aber den Schwung, der durch die öffentliche Debatte entstanden ist, nicht wirkungslos verpuffen lassen. Deshalb sind schnell die richtigen Weichen für die Zukunft zu stellen. Dankenswerter Weise hat die Verwaltung eine Vorlage vorgelegt, die als Grundlage für die Diskussion hilfreich ist.
Zuletzt zu diesem Komplex der Galerie: Wir stehen nach wie vor dazu. Kleinkarierte Deckelei à la Föll lehnen wir ab. Unserer Erachtens kann es losgehen, sobald der unsägliche Streit über die großen oder die kleinen Räume endlich beigelegt ist. Hier ist endlich eine Vorlage auf dem Tisch, und vielleicht zeigt es, dass Führung gezeigt wurde.
Führung, liebe Kolleginnen und Kollegen aus allen Fraktionen, dies ist letztlich Aufgabe des Gemeinderats. Wir sind selbstbewusst und sachlich kompetent. Lassen sie uns das Beste aus der Situation machen. Nicht Opposition, sondern klares Profil ist das Ziel der SPD-Fraktion. Unsere Bereitschaft zur Zusammenarbeit ist kein Widerspruch dazu, sondern ein Angebot. Es geht um das Wohl unserer Stadt und aller Bürgerinnen und Bürger. Daran lassen wir uns messen."
StRin
Marx
(90/GRÜNE):
"Wir GRÜNE haben die Haushaltsberatungen 2002/2003 unter das Motto 'Prima Klima für unsere Kinder' gestellt. Die meisten Anträge dienen der Verbesserung der Lebensbedingungen unserer Kinder und ihrer Eltern sowie dem Klimaschutz: Massiver Ausbau der Kinderbetreuung und Betreuungseinrichtungen, wohnortnahe Spielplätze und Bewegungsräume, Sanierung der Schulen und deren Freiflächen, Sprachförderung und Schulsozialarbeit, sowie Umsetzung verkehrlicher und energetischer Maßnahmen des Klimaschutzkonzeptes Stuttgart, kurz: KLIKS. Wir hören jetzt schon die vermeintliche Kritik, diese Forderungen seien alle nicht finanzierbar. Aber die genannten Maßnahmen sind größtenteils zu erledigende Hausaufgaben und nicht Investitionen ins eigene Denkmal. Zudem ist jede Ausgabe politisch motiviert. Unsere Politik und unsere Motivation unterscheiden sich deutlich von denen der anderen Fraktionen.
Sind die Haushaltsberatungen zu Ende, ehe sie begonnen haben? Gibt es überhaupt noch Geld zu verteilen? Wie groß ist unser Handlungsspielraum?
Nach einem kurzen Zwischenhoch, in dem die städtischen Finanzen einen schwarzen Zahlenanstrich hatten, wurden millionenschwere Projekte beschlossen, koste es was es wolle. Nützliche Projekte wie die Galerie, die neue Stadtbibliothek, gute, aber sehr teure, wie das Kinder- und Jugendtheater oder die Verlagerung des Olgäle beziehungsweise der Frauenklinik, aber auch entbehrliche Straßenbauprojekte wie der Tunnel Pragsattel, die überflüssige Integrierte Verkehrsleitzentrale sowie die Videoüberwachung oder jetzt gar die Bewerbung für Olympia. Ob man im Moment über eine halbe Million Mark für ein Kunstwerk im STEP-Gelände übrig hat, das stellen wir infrage. Außerdem sind wir der Meinung, dass wir uns zur Zeit den Stadionausbau - wie in dem Umfang beschlossen - nicht leisten sollten, sondern erstmal die Bugwelle liegengebliebener Pflichten abbauen sollten.
Jetzt ist also das Zwischenhoch vorbei, die Steuereinnahmen brechen wieder weg und die Zahlen werden immer röter. Die steuerpolitischen Ziele der Bundesgrünen sind klar: Die Finanzkraft der Kommunen muss gestärkt und auf eine breite, solide Basis gestellt werden, die kommunale Finanzautonomie muss erhalten bleiben. Sind die Haushaltsberatungen also heute schon zu Ende? Aus den verschiedenen Ämtern kommen lange Listen von notwendigen Investitionsaufgaben. Alleine mit dem Antragsvolumen des Schulverwaltungsamtes könnten die Haushaltsberatungen bestritten werden - nur für Sanierungen oder Erweiterungsbauten, unbedingte Pflichtaufgaben. Lauter Pflichten auch aus dem Jugendamt: Für den Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen sind für den nächsten Haushalt Vorhaben in Höhe von 76 Millionen angemeldet und realisierbar. Ein absolutes Muss für uns GRÜNE. Wir stehen zu der Rathaussanierung im beschlossenen Umfang. Jeder Häuslesbauer weiß, dass wenn er/sie nicht in die Substanzerhaltung ständig investiert, diese marode wird. Eine Energieschleuder als Sitz der Stadtverwaltung und des Gemeinderates - statt Vorbildfunktion für die BürgerInnen der Stadt, denen wir energetische Bausanierung nahelegen - ist nicht länger hinnehmbar.
Haben wir darüber hinaus noch haushälterischen Handlungsspielraum? Kaum, denn auch die Vorhaben der sogenannten Wunschliste sind größtenteils Pflichtaufgaben, die angesichts traumtänzerischer Projekte sträflich vernachlässigt wurden. Die ebengenannten Sanierungsmaßnahmen, vor allem im Schul- und Kinderbetreuungsbereich, sind Altlasten, um die man sich bislang zugunsten vieler von uns nicht mitgetragener Projekte gedrückt hat. Die vom Finanzbürgermeister als bedrohlich dargestellte Finanzlage der Stuttgarter Kommune haben wir GRÜNEN zu großen Teilen nicht zu verantworten: Wir wollten die Einnahmenseite nicht verschlechtern und die Gewerbesteuer senken, auch den Verzicht auf Parkgebühren halten wir für eine Fehlplanung. Geblendet von Begeisterung für millionenverschlingende Projekte hat eine Mehrheit des Gemeinderates Haushaltsdisziplin auf das Abstellgleis geschoben. Das neuerliche Finanz-Harakiri mit der Vorfinanzierung der B 312 bestärkt unsere Befürchtungen, dass ausgerechnet die, die sich als Koalition finanzieller Vernunft hier bezeichnen, für die Zukunft Haushaltsdiziplin über Bord werfen.
Wir setzen andere Prioritäten. Mit unseren Haushaltsanträgen verdeutlichen wir unsere politischen Schwerpunkte Kinder und Umwelt und stellen sie zur Diskussion. Wir verlassen damit auch nicht das von OB Schuster beschworene 'Bündnis solider Finanzen', sondern projezieren es nachhaltig in die Zukunft. Die knappe Hälfte unseres Antragsvolumens bilden die Schulhaussanierungen. Sie sollen durch die teilweisen Erlöse aus dem anstehenden Verkauf der Energiebeteiligungen finanziert werden, die wir nicht zum weiteren Geländeankauf der Wackelpartie Stuttgart 21 vervespern wollen, sondern vielmehr als Zukunftsinvestition in unsere Kinder direkt einsetzen wollen. Zur weiteren Deckung schlagen wir, wie gesagt, den Verzicht oder Verschiebung bereits erwähnter, beschlossener Vorhaben vor.
'Prima Klima für unsere Kinder' heißt zunächst ganz allgemein: Die Lebensgrundlagen unserer Kinder und deren Kinder erhalten. Das Gründungsmotto der GRÜNEN: 'Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt' hat an Aktualität und Richtigkeit nichts, aber auch gar nichts, eingebüßt. Wir GRÜNEN übernehmen Verantwortung für künftige Generationen. Für uns steht die Bewahrung natürlicher Lebensgrundlagen, die durch gedankenlosen Ressourcenverbrauch gefährdet sind, im Vordergrund. Umweltschutz ist für GRÜNE kein kostspieliges, luxuriöses Anhängsel, das wir uns eigentlich nur leisten könnten, so lange die Kasse stimmt. Die Ökologie darf mit ökonomischen Argumenten nicht überfordert werden. Eine funktionierende Wirtschaft ist zwar Voraussetzung zur Erfüllung von Grundbedürfnissen und Lebensqualität, sie muss jedoch eingebettet sein in ökologische Zusammenhänge. Dabei definieren wir GRÜNEN Lebensqualität ganz offensichtlich anders als die CDU mit ihren Getreuen. Lebensqualität in Stuttgart heißt für uns nicht Überflutung mit hochtrabenden Projekten. Die eigentliche Attraktivität dieser Stadt ist ihre einmalige Topographie, in die ein Trump Tower auf keinen Fall passt, ob rund, eckig oder pyramidenförmig.
Dass dem OB der Blick für die Maßstäblichkeit und Eigenart seiner Stadt verloren gegangen ist, äußert sich nicht erst in der Begeisterung für den zu hohen US-Import, sondern bereits in seinem für Stuttgart gewählten Markenzeichen 'Booming City'. Das alte verworfene Motiv 'Stuttgart - zwischen Wald und Reben' trifft die Vorstellungen der BündnisGRÜNEN von Lebensqualität in Stuttgart und der Einmaligkeit dieser Stadt allemal eher. Urbane Lebensqualität ist aus unserer Sicht abhängig von einer intakten Umwelt ohne krankmachende Faktoren, zukunftsfähiger Mobilität und Stadtgestaltung, angemessenem Wohnraum- und Arbeitsplatzangebot für alle Menschen, ausgewogenem Kulturangebot, Beteiligungsmöglichkeit der Bürgerinnen und Bürger am Gemeinwesen, Lebensqualität ist abhängig von der Möglichkeit für alle Menschen, am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Wir wollen ein Klima sozialer Gerechtigkeit.
Was heißt nun 'Prima Klima für unsere Kinder' konkret für die kommunalen Haushaltsberatungen? ‚Prima Klima für unsere Kinder' heißt: Chancen auf kindgerechte Entwicklung. Kinder und Kindererziehung wurden lange ausschließlich als Privatangelegenheit der Eltern gesehen. Verantwortung für die Lebensverhältnisse von Kindern muss nach unserer Ansicht die gesamte Gesellschaft übernehmen und tragen. Kinder dürfen nicht länger ein potenzielles Armutsrisiko darstellen.
Experten sind sich darüber einig, dass die niedrigen Geburtenraten im Wesentlichen auf die mangelhafte Vereinbarkeit von Familie und Beruf zurückzuführen sind. Die Stadt, genauso wie die Arbeitgeber in der freien Wirtschaft, müssen sich der Herausforderung einer verbesserten Vereinbarkeit von Familie und Beruf stellen. Sie müssen mit flexiblen Kinderbetreuungsangeboten einerseits, aber auch mit neuen Strukturen am Arbeitsplatz reagieren, die auf die individuellen Lebenslagen von Beschäftigten eingehen, zum Beispiel mit von uns beantragten Telearbeitsplätzen oder fairen Teilzeitregelungen für beide, Väter und Mütter. Dies wäre ein Beitrag dafür, dass qualifiziertes Personal besser gehalten und gewonnen werden kann und dass die Umsetzung von mehr Chancengleichheit von Frauen und Männern vorankommt.
Besonderen Bedarf sehen wir in der Kinderbetreuung vor und nach dem eigentlichen Kindergarten. Versorgungslücken machen wir bei den Null- bis Dreijährigen und in der Ganztagesbetreuung aus, deren Zuverlässigkeit besonders für Alleinerziehende wichtige Voraussetzung ist, nicht in die Sozialhilfe abgedrängt zu werden. In diese Bereiche darf allerdings nicht zu Lasten der hohen Qualität in den Regelkindergärten investiert werden - es müssen zusätzliche Finanzmittel für kurz- und längerfristige bauliche Investitionen eingestellt werden. Damit die Angebote flexibel auf die sich ändernden Nachfragen reagieren können, wollen wir die Fördermittel beziehungsweise Betriebsmittel in den bestehenden Einrichtungen erhöhen. Dabei liegen uns Projekte wie Natur- und Waldkindergärten ganz besonders am Herzen, weil sie Erfahrungen mit der Natur ermöglichen, die in einer Großstadt sonst häufig zu kurz kommen.
Zu einer kindgerechten Entwicklung gehört auch eine gesunde Ernährung. Hier soll die Stadt eine Vorreiterrolle übernehmen und in den städtischen Kindertagesstätten Produkte aus ökologischem Anbau verwenden. Das Ökosiegel der Bundesregierung muss Mindeststandard sein.
Wir sehen Kindergärten als Orte, an denen im vorschulischen Alter Erziehung, Betreuung, Bildung stattfindet - und für nichtdeutsche Kinder und Familien setzt hier die frühzeitige Integration ein. Das Einleben in die neue Kultur geht im Kindergarten spielerisch vonstatten und die gezielte Sprachförderung muss hier beginnen. Wir haben den Ausbau der im Rahmen einer Qualitätsoffensive im letzten Haushalt beschlossenen Sprachförderung beantragt. Auf Dauer können wir es uns nicht leisten, dass Kinder nur deshalb schlechtere Chancen in der Schule haben und schlechter beruflich qualifiziert werden, weil ihre Muttersprache nicht Deutsch ist.
'Prima Klima für unsere Kinder' heißt: Gerechte Bildungschancen. Bildung ist eine der wichtigsten Investitionen in die Zukunft. Im kommunalen Verantwortungsbereich liegt zunächst einmal der bauliche Zustand der Schulgebäude sowie das Vorhalten eines ausreichenden Schulraumangebotes. Den dringenden Nachholbedarf im Hinblick auf Sanierung und Ausstattung habe ich eingangs bereits geschildert und möchte in diesem Zusammenhang auf den besonderen Bedarf im Gewerbeschulbereich hinweisen.
Einen weiteren Bedarf sehen wir im Ausbau der Schulsozialarbeit als Ergänzung zum reinen Bildungsangebot. In Zusammenarbeit der LehrerInnen und SozialarbeiterInnen wird soziale Kompetenz vermittelt, das Schulklima verbessert und die Startchancen der Jugendlichen in das Berufsleben verbessert. Unser Vorpreschen vor vier Jahren hat sich gelohnt, die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung bestätigen den Erfolg der Modellphase. Im Gegensatz zum Kämmerer wollen wir den flächendeckenden Ausbau im Interesse der Kinder jetzt, notfalls auch ohne Zusagen des Landes.
Zum ersten Mal sind - wir begrüßen das außerordentlich - auch die neu zu gestaltenden Freiflächen der Schulen in der Roten Liste aufgeführt. Der traditionelle betonierte Schulhof ist passé. Der Außenbereich muss zur Bewegung einladen, vor allem im Grundschulbereich. Besonders in diesem Alter brauchen die Kinder die Möglichkeit, ihren natürlichen Bewegungsdrang austoben zu können. Auf die Folgen mangelnder Bewegung hat eindrucksvoll der Gesundheitsbericht hingewiesen.
'Prima Klima für unsere Kinder' heißt: Kind- und jugendgerechte Freizeitangebote. Sport ist ein wichtiger Baustein im Freizeitangebot für unsere Kinder. Vereine tragen wesentlich dazu bei, dass die Auswirkungen fehlender Sportstunden in der Schule nicht noch massiver durchschlagen. Um weiterhin diese Aufgabe leisten zu können, braucht es Plätze und ausreichende Hallenkapazitäten, wo überhaupt Sport getrieben werden kann. Deshalb steht für uns nicht Olympia an oberster Stelle, sondern ein ausreichendes Angebot für den Breitensport. Hier müssen bei allen Fraktionen auf die wohlmeinenden Worte gegenüber Schulen, Eltern und Kindern endlich auch Taten folgen. Hieran kann gemessen werden, ob die Versprechen der letzten zwei Jahre in den Stadtbezirken nun auch eingehalten werden. Ein solches Versprechen war das Ringen um eine Großrutsche im Vaihinger Rosentalbad. In gesamtstädtischer Verantwortung gibt es inzwischen andere Prioritäten. Wichtiger als einzelne Attraktionen ist das zuverlässige Schulschwimmen, das nicht immer wieder durch unsägliche Transportdebatten gefährdet wird, und sind nutzerfreundliche Öffnungszeiten der Schwimmbäder, vor allem in den Sommerferien. Wir übernehmen auch die Prioritätenliste der Fachleute der Verwaltung und setzen unsere Priorität im Bad Sonnenberg.
Auch die Kulturarbeit mit und für Kinder leistet einen wichtigen Beitrag für die Persönlichkeitsentwicklung und Werteorientierung unserer Kinder. Wir bedauern die Kostenexplosion für das Kinder- und Jugendtheater, halten es aber für einen unverzichtbaren Bestandteil des Kulturangebotes in Stuttgart. Kürzungen darf es weder bei den Musikschulen noch bei den Stadtteilbüchereien geben.
'Prima Klima für unsere Kinder' heißt: Kindergerechte Stadtgestaltung. Stadtplanung soll sich an einer Maßstäblichkeit in Infrastruktur und Umwelt orientieren, die nach den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen ausgerichtet ist. Das heißt: Eine Stadt wird mit ausreichend Grün- und Freiflächen gestaltet, wo sich Kinder bewegen können, bewegen in guter Luft, ohne Angst, von Autos überrollt zu werden. Eine Stadt plant den Straßenraum in Wohngebieten kindgerecht: Tempo 30 muss in Stuttgart zügig flächendeckend ausgebaut werden und Spielstraßen dürfen nicht weiter verhindert werden. Es kann nicht angehen, dass in der dichtestbebauten Wohngegend, wie dem Stuttgarter Westen, eine fertiggeplante Spielfläche nicht gebaut wird, weil drei Stellplätze verloren gingen. Wo Kinder gerne, sicher und gesund leben, siedeln sich auch die Eltern gerne an. Deshalb haben wir in diesem Bereich Anträge gestellt: von der Stadtentwicklungspauschale über die bespielbare Stadt bis hin zur Spielflächensanierung und -umgestaltung.
'Prima Klima für unsere Kinder' heißt: Eine Umwelt schaffen, die nicht krank macht. Der Gesundheitsbericht trifft eindeutige Feststellungen zum Einfluss von Umweltfaktoren auf die Gesundheit. Der Anstieg chronischer Krankheiten wie Allergien, Asthma und Krebs ist unter anderem auf Luftschadstoffe und Schwebstaube zurückzuführen. Ständige Lärmbelastungen führen zu Herz- und Kreislaufbeschwerden bis hin zum Herzinfarkt. Hauptproduzent für Lärm und toxische Stoffe ist der Straßenverkehr. Auch bei Kindern lässt sich bereits eine Zunahme von Allergien und Asthma bronchiale feststellen. Ihnen bleibt in den Stadtteilzentren häufig nur der befahrene Straßenraum zum Spielen in Ermangelung ausreichender Spiel- oder Grünflächen.
Im Sinne der Lokalen Agenda müssen wir aber auch über den kommunalen Tellerrand hinweg schauen: Das weltweite Klima ist gefährdet, und es bedarf weltweit des lokalen Klimaschutzes, auch in Stuttgart. Im Wesentlichen wird eine zu hohe CO
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-Belastung für die negativen klimatischen Veränderungen verantwortlich gemacht. Hauptproduzent für CO
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ist neben veralteten Heizanlagen auch hier der Straßenverkehr. Diese Zeichen der Zeit haben manche KommunalpolitikerInnen noch keineswegs erkannt: Sie propagieren weiterhin den Bau von zusätzlichen Straßen und meinen, dass eine autoproduzierende Stadt auch wie eine Riesen-Autokreuzung aussehen und dass der Individualverkehr durch teure Leitsysteme noch mehr gefördert und damit subventioniert werden müsse. Kinder sind dieser verfehlten Verkehrspolitik besonders hilflos ausgeliefert, ihre Atmungsorgane sind noch in der Entwicklung und besonders anfällig. Für viele Eltern Grund genug, Stuttgart zu verlassen und ins Umland zu ziehen. Der Negativkreislauf heißt dann: mehr Pendler, noch mehr Autoverkehr im Talkessel, und wieder: noch mehr Wegzug aus Stuttgart.
Mobilität ist zweifelsfrei - auch für die GRÜNEN - ein Grundbedürfnis, sie darf allerdings nicht mit Automobilität gleichgesetzt werden. Wir wollen eine Gleichbehandlung der unterschiedlichen Verkehrsträger, um den notwendigen Umstieg vom Auto realisierbar zu machen. Wir setzen uns verstärkt für die Anliegen der Fußgänger, Radfahrer und ÖPNV-Nutzer ein. Die geplante Integrierte Verkehrs-Leitzentrale (IVLZ) hat ein einziges Ziel: Die Verflüssigung des motorisierten Individualverkehrs. Das ist für 70 Millionen zu wenig und zu teuer, um noch mehr Kamele durchs Nadelöhr zu zwängen. Der Betrag sollte besser zur Attraktivitätssteigerung des ÖPNV ausgegeben werden und zum Ausbau des Radwegenetzes. Der Verkehr, gerade in Stuttgart, muss menschengerechter, muss harmonisiert werden. Kinder müssen nicht autogerecht erzogen werden, sondern die Autofahrer, aber auch die Verkehrsplanung, müssen verstärkt auf Kinder Rücksicht nehmen.
Unser Antragspaket zum Klimaschutz beinhaltet neben den verkehrlichen Verbesserungen (Radwege, ÖPNV, Lärmminderung) wichtige energetische Maßnahmen: Hauptaugenmerk lenken wir auf den zweiten Haupt-CO
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-Produzenten: veraltete Heizanlagen. Ihre Sanierung nach der KleinfeuerungsanlagenVO ist keine Freiwilligkeitsleistung, sondern seit 1997 Pflichtaufgabe, ich betone 1997. Da hatten wir noch eine andere Bundesregierung. Uns ist die Weiterschreibung des Altbau-Sanierungsprogrammes wichtig sowie die Aufstockung des städtischen Contracting, das weit über Stuttgart hinaus als beispielhaft gilt. Im Bereich regenerativer Energien legen wir dieses Mal den Schwerpunkt auf thermische Solaranlagen.
'Prima Klima für unsere Kinder' heißt: Nachhaltig haushalten. Wir stimmen mit dem Oberbürgermeister überein, dass es nicht zu einer weiteren Nettoneuverschuldung kommen darf, denn sie würde eine schwere Erblast für unsere Kinder bedeuten. Wir stimmen ihm zu, dass die Lebensqualität in der Stadt trotz schwieriger Finanzlage erhalten bleiben muss, wenngleich unser Bild von urbaner Lebensqualität andere Schwerpunkte setzt. Die Kinderbetreuung und das Schulleben haben zwar in diesen Haushaltsberatungen einen hohen Stellenwert, sie allein sind nicht ausreichend, um von einer kinderfreundlichen Stadt sprechen zu können. Für eine kinder- und familienfreundliche Stadt müssen die Prioritäten der gesamten Kommunalpolitik überdacht werden, die Grundvoraussetzungen und Rahmenbedingungen insgesamt verbessert werden.
Zum Abschluss wünsche ich uns allen ein 'Prima Klima' auch in den Haushaltsberatungen."
StR
J. Zeeb
(FW):
"Wir behandeln in den nächsten Wochen unseren zweiten Doppelhaushalt nach 2000/2001. Dieses Mal jedoch leider unter anderen Vorzeichen. Das Füllhorn der vergangenen Jahre ist leider leerer geworden durch Umstände, die nicht von der Verwaltung und dem Gemeinderat zu vertreten sind. Wir müssen wieder in andere Richtungen denken. Die heißen: Schuldenabbau und Zinsen sparen, Reduzierung der wünschenswerten Investitionen auf wenige Projekte, Abarbeitung begonnener und beschlossener Aufgaben. Das halte ich für eine der vordringlichsten Aufgaben. Einfach ausgedrückt: Wir werden in diesem Haushalt wieder sparsam sein, um auch zukünftig auf aktuelle Probleme reagieren zu können und die notwendige Luft zum Gestalten unserer Umwelt zu erhalten. Das wird auch der Bürger verstehen.
Kritisch haben wir uns die Frage gestellt, ob ein antizyklisches Verhalten richtiger wäre, neue Schulden zu machen, um weitere Wahlversprechen umzusetzen und Investitionen zur Wirtschaftsförderung zu unterstützen. Ich denke aber, mit unseren Haushaltsgrundsätzen für 2002/2003 kann eine solide Finanzpolitik weitergeführt werden, bei der trotz oftmals nur herbeigeredeter Rezession auch für unsere Bürger in vielfältiger Art etwas Spürbares an Verbesserungen hängen bleiben wird.
Wir beantragen für diesen Haushalt keine Veränderungen bei der Gewerbe- und Grundsteuer; wir werden jedoch die Entwicklungen bei uns und im Umland nicht aus den Augen verlieren. Wir wollen keine Neuverschuldung und eine Reduzierung der Kreditaufnahme, die Fortführung der Schuldentilgung und somit Zinsersparnisse als verfügbares Geld. Erlöse aus den Beteiligungsveräußerungen sind dauerhaft anzulegen, als Vermögen zu sichern und dürfen nicht in den 'normalen' Haushalt einfließen. Die Mittel, die aus der Fusion von TWS und Neckarwerken zur Verfügung stehen, sollen zur Finanzierung der Sonderbauvorhaben des Zukunftsinvestitionsprogramms dienen, das langfristig die Lebens- und Standortqualität Stuttgarts mit sichern hilft.
Wir Freien Wähler unterstützen nach wie vor Stuttgart 21, das für Stuttgart und die Region beispielhaft und richtungsweisend ist; wir unterstützen die Neue Messe, mit der wir leider ein bisschen spät dran sind, aber vielleicht können wir da noch ein bisschen aufholen; auch die städtische Galerie am richtigen Platz halten wir für gut und schnell machbar (diese unsägliche Diskussion um Räume muss schleunigst aufhören, und da ist ein Machtwort von unserem Oberbürgermeister gefordert); wir unterstützen auch den weiteren Ausbau des Gottlieb-Daimler-Stadions - und diese Projekte alle im ersten Zeitfenster. Danach entsprechend dem jeweiligen Planungsstand und Planungsfortschritt und natürlich auch den gegebenen Finanzierungsmöglichkeiten: Wir unterstützen die Bibliothek des 21. Jahrhunderts, die Großsporthalle und natürlich, je nach Erfordernissen, die Planungen für Olympia 2012.
Bei der jetzigen Finanzsituation erscheint es uns richtig und zweckmäßig, zuerst alle Projekte abzuarbeiten, die aus dem vorangegangenen Haushalt anstehen und größtenteils noch nicht in die Gänge gekommen sind aufgrund vielfältiger, oft hausgemachter Verwaltungsprobleme und Entscheidungsdefizite bei uns im Gemeinderat. Da ist viel zu tun bei Turn- und Versammlungshallen, Bürgerservice und Barrierefreiheit in den Bezirksrathäusern, Techniksanierungen bei Schulen und vieles andere mehr. Bei der Betrachtung der nachfolgend angesprochenen Einzelpunkte gibt es viel Konsens mit den Anträgen der CDU und der FDP. Wir wollen aber auch in der Vergangenheit begonnene Überlegungen mit den Kollegen der SPD und den GRÜNEN zu einer sinnvollen Lösung führen. Ich denke dabei an die Rathaussanierung und die Thematik rund um die Stuttgarter Bäderlandschaft. Aber über allem Diskurs bei Einzelthemen dient unsere Arbeit dem Wohle der Bürger der Stadt Stuttgart.
Die Stadt Stuttgart und die Wirtschaftsregion Mittlerer Neckar müssen wieder national und international im Gespräch und im Geschäft sein. Allen Bürgern Stuttgarts, gleich welcher Nationalität und welchem sozialen Stand, muss gute Wohn- und Lebensqualität geboten werden, verbunden mit einem sicheren Arbeitsplatz, ohne Angst vor Entlassungswellen und Konkursen. Es muss sich lohnen, den Firmensitz nach Stuttgart zu verlegen, hier zu arbeiten und gut zu leben, Geld hier zu verdienen und auch die Möglichkeit zu haben, es hier investiv oder konsumtiv wieder auszugeben.
Nun zu unseren Einzelanträgen:
Kinderförderung und Kinderbetreuung: Gemeinsam mit CDU und FDP wollen wir die erkannten Missstände angehen und eine große Geldsumme bereitstellen, die das Jugendamt flexibel, zeitnah und bedarfsorientiert einsetzen kann. Wir unterstützen die Arbeit des Jugendamtes und dessen Leiter, Herrn Pfeifle, insbesondere seine aktive und innovative Personalwerbung und seine Suche nach Kompromissen bei der Diskussion um zuschussgerechte Ausstattungsstandards der Kinderbetreuung. Die Stellenwünsche des Jugendamtes haben erste Priorität. Trotzdem ist nicht alles machbar und nötig. Nicht in jedem Stadtviertel kann für jede Familie, jede Haushaltsstruktur zur gewünschten Zeit die optimale Betreuung angeboten und dauernd vorgehalten werden. Das sollte man in aller Ehrlichkeit nicht vergessen zu sagen. Ein totales, lückenloses Betreuungssystem können und wollen wir nicht aufbauen, sonst verkümmert die Eigenverantwortung in der Familie.
Bauliche Maßnahmen bei Schulen: Hier stehen wir unter einem gewaltigen Investitionsdruck, vor allem bei den gewerblichen Schulen, bei denen zu steigenden Schülerzahlen auch noch die notwendige und kurzlebige High-Tech-Ausstattung ständig den aktuellen Standards anzupassen ist. In unserem Antrag haben wir die notwendigsten Maßnahmen aufgeführt, wobei unsere Schwerpunkte bei desolaten Haustechniken, energiefressenden Fassaden und Dächern und Raumausstattungsdefiziten liegen, wobei Behebung der Raumnot vor überzogenen Ausstattungswünschen rangiert.
Am Rande noch eine Bemerkung zum Thema Schulhausbetreuung und Hausmeisterverträge: Es ist für uns klar, dass die Stadt Stuttgart wie jeder Arbeitgeber saubere Arbeitsverhältnisse schaffen muss, auch wenn das bei manchem Hausmeister zu finanziellen Einbußen führt. Dann muss eben im Einzelfall ein gangbarer, gesetzeskonformer Kompromiss gefunden werden. Dies ist aber in der letzten Konsequenz kein Thema des Gemeinderates, sondern ein Arbeitgeber-/Arbeitnehmerproblem, in das sich weder gutgemeinte Elterninitiativen noch fürsorgliche Rektoren und Lehrer einmischen sollten.
Gesundheitswesen: Wir sind froh, dass nach der sehr guten technischen Ausstattung unserer städtische Kliniken jetzt endlich auch auf den Stationen etwas geschieht. Dies muss energisch weiter betrieben werden, damit unsere Krankenhäuser auch in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben und es keine Mehrklassengesellschaft gibt, angefangen von der Fünf-Sterne-Luxusklinik über die privaten Krankenhäuser bis zu den städtischen Kliniken als Schlusslicht.
Verkehr: Bei den Bürgerumfragen wird immer wieder deutlich, dass die Bewältigung des ständig steigenden Verkehrsaufkommens mit zu den größten Missständen in Stuttgart zählt und zu großer Unzufriedenheit sowohl bei Gewerbetreibenden als auch bei den Berufspendlern führt und sich als Standortnachteil erweist. Zur Problemlösung gibt es ideologische und praktische Ansätze. Wir neigen zum praktisch Machbaren: Wir unterstützen die Einführung des schon lange zugesagten Verkehrsleitsystems, die schnelle Realisierung des B-10-Pragtunnels unter Einbeziehung der angebundenen Straßensysteme und Zubringerachsen. Dies sind Grundvoraussetzungen für eine funktionierende City Prag und für das verkehrstechnische Überleben der angrenzenden Vororte Zuffenhausen, Feuerbach, Stuttgart-Nord und Bad Cannstatt. Die Realisierung der Ortsumfahrung Hedelfingen und der Filderauffahrt der B 312: bis auf Details ist die Planung abgeschlossen und baureif. Deshalb müssen Mittel und Wege gesucht werden zur Realisierung und Bündelung unserer Kapazitäten auf dieses wichtige Verkehrsprojekt.
Kulturleben in Stuttgart: Die lebendige, facettenreiche Stuttgarter Kulturszene müssen wir erhalten. Dazu gehören auch die Planungen für ein angemessenes Stadtmuseum. Wegen Geldmangel dürfen keine renommierten Theater geschlossen werden oder immer wieder in Existenznot geraten. Die Freien Wähler sehen schon viele Jahre die Entwicklung bei den Staatstheatern sehr skeptisch; deshalb auch unser gemeinsamer Antrag zur Reduzierung zusätzlicher Finanzmittel für das Bauprogramm. Hier sind die Verantwortlichen beim Land gefordert ihre Hausaufgaben zu machen. Es ist leicht, sich mit den Meriten der Kunst- und Kulturszene in Stuttgart zu schmücken, aber die finanziellen Zuschüsse dafür einzufrieren. Der Schock der Preissteigerungen beim Theaterhaus sitzt tief, insbesondere die Art, wie sie zustande gekommen sind. Das Theaterhaus an diesem Ort ist allen sehr wichtig, aber ein zweites Mal können wir derartige Kostensteigerungen nicht finanzieren. Diese Rüge müssen sich alle Beteiligten von Theaterhaus, vom Beirat und vom Stiftungsrat rot anstreichen.
Sportförderung: Wie bei jedem Haushalt sind die Freien Wähler auf der Seite des freien Sports, der von vielen ehrenamtlich Tätigen getragen wird. Dieses Engagement ist eine der starken Säulen unserer Gesellschaft, und Stuttgart war hier bisher bundesweit vorbildlich. Auch durch unsere Zeichen der Sportförderung können heutzutage noch Ehrenamtliche motiviert werden, mit Freude ihre zahlreichen Ämter und Funktionen auszufüllen. Bei den ausgewählten Projekten haben wir uns weitestgehend an die Prioritätenliste des Sportamtes und der Vertreter des freien Sportes gehalten und an die Empfehlung des Sportausschusses, in jedem Haushalt eine gewisse Anzahl von Plätzen und Anlagen umzugestalten oder zu renovieren. Ich glaube, die Vertreter des Sports können zufrieden sein.
Stadtteile: Nachdem einige der zugesagten Turn- und Versammlungshallen und Bürgerzentren auf den Weg gebracht worden sind, wollen wir noch einige kleinere, aber für den Bürger vor Ort nicht unbedeutende Punkte fordern und unterstützen, wie zum Beispiel: Gebührenbefreiung für Veranstaltungen der Vereine in den Stadtbezirken, Stadtteilmanager in den Außenbezirken als Pendant zur Stuttgart-City-Initiative, Platzgestaltungen, die für das Wohlfühlen in den Bezirken sehr wichtig sind, Erhöhung des Budgets der Bezirksbeiräte, die bisher mit dieser Mehrverantwortung sehr sorgfältig und gewissenhaft umgegangen sind. Dies würde die Bezirke stark aufwerten und auch den Sitzungen des Bezirksbeirates mehr Gewicht verleihen.
Stadtentwicklung: Die Stuttgarter Stadtentwicklung ist nicht nur auf Stuttgart 21 und auf das Reizthema Trump Tower zu beschränken, wie es bei manchen Gesprächsrunden zur Zeit den Anschein hat. Vielmehr sollte die Stuttgarter Wohnungspolitik und deren Umsetzung gemäß Flächennutzungsplan wieder zum Leben erweckt werden, bevor wieder großes Geschrei nach fehlendem Wohnraum kommt. Wer das Wohnraumzweckentfremdungsverbot wieder einführen möchte, sollte zuerst nach Berlin und den dortigen Verantwortlichen blicken, die die Mieterschutzgesetze so einseitig betreiben, dass kein frei finanzierter Mietwohnungsbau mehr erfolgt. Wenn dann die staatliche Wohnbauförderung noch ausgesetzt wird, ist eine dramatische Wohnraumverknappung unabwendbar. Wichtig ist für die Freien Wähler auch die Ausweisung von Bauflächen, nicht nur für preiswertes Wohnen, sondern wieder vermehrt auch für Ein- und Zweifamilienhäuser. Bauland auch für Besserverdienende, die wir ja auch gerne in unseren Stadtgrenzen behalten wollen.
Stellenplan der Stadt Stuttgart: Selbstverständlich steht der Bedarf bei der Kinder- und Jugendbetreuung im Vordergrund, ebenso wie Stellen im sozialen Umfeld. Wir werden aber auch unser Augenmerk auf Ämter richten, bei denen aufgrund zu knapper Stellenbemessung Investitionen verhindert oder verzögert werden. Wir denken dabei an Stellenschaffungen beim Hochbauamt, beim Baurechtsamt und beim Stadtplanungsamt, jedoch mit der Maßgabe, dass diese Ämter die anstehenden Aufträge dahin gehend analysieren müssen, was vordringlich und was überflüssig ist. Nichtsdestoweniger kann es nicht angehen, dass Investitionswillige mit dem Hinweis auf 'Überlastung' abgeschreckt und vergrault werden.
Imageförderung: Lassen Sie mich noch eine Bemerkung zum 'Stuttgarter Image' machen: Wir stehen täglich im Wettbewerb um Standortvorteile mit vielen deutschen und europäischen Städten. Die Arbeitsplätze in Stuttgart sind begehrt und bekannt; jedoch ist oftmals die hohe Lebensqualität unserer Stadt mit den sie umgebenden Wäldern, unserem Wein, mit den schönen Weinbergen, mit den Mineralbädern, den Parks, den kulturellen Angeboten und dem abwechslungsreichen Umland völlig unbekannt. Die Stuttgart-Marketing-GmbH macht eine hervorragende Arbeit und produziert viele gute Ideen. Wir müssen diese Inhalte aber auch positiv füllen und weitergeben und nicht alles mit schwäbischer Skepsis und Miesmacherei schlecht reden, zum Nachteil Stuttgarts gegenüber anderen Städten, die hier viel mutiger agieren.
Die Fraktion der Freien Wähler wird wie bisher auch, bei den jetzt anstehenden Haushaltsdebatten ihrer sachbezogenen Linie treu bleiben und ohne populistische Parteipolemik uns wichtig erscheinende Haushaltsposten ansprechen und konsensbereit mit den anderen Fraktionen diskutieren. Wir werden das im Sinne der Sache, des finanziell Machbaren und zum Wohle der Stuttgarter Bevölkerung angehen. Da keine aktuellen Wahlen anstehen, ist Stimmenfang mit unbezahlbaren sozialen Wohltaten nicht erforderlich. Eine straffe Haushaltsführung mit klaren Vorgaben und Zielen lässt uns wirkungsvoll arbeiten. Die angestrebten Investitionen, aber auch die Sparmaßnahmen, da bin ich sicher, werden beim Bürger Verständnis finden.
Wir wünschen uns für die anstehenden Wochen der Haushaltsberatungen eine kollegiale Atmosphäre und eine diesem Gremium angemessene Redekultur, die geprägt sein sollte vom sachlichen Diskurs, Respekt und persönlicher Wertschätzung, auch gegenüber dem politisch Andersdenkenden."
StRin
Werwigk-Hertneck
(FDP/DVP):
"Nun bin ich seit knapp zwei Jahren Stadträtin der FDP und habe die Ehre, meine erste Haushaltsrede für unsere Fraktion halten zu dürfen. Viel ist schon gesagt worden. Wir Liberale im Stuttgarter Rathaus widmen uns seit geraumer Zeit hauptsächlich den drei großen Sachthemen: Mobilität in unserer Stadt, Bildung und Familie. Unsere eigenen Erfahrungen als Bürgerinnen und Bürger in unserer Stadt und die Umfrageergebnisse der letzten Bürgerumfrage legten diese drei Themen zur politischen Bearbeitung nahe. Gerade in unserer Fraktion ist jedoch auch die gesundheits- und sozialpolitische Absicherung des Menschen ein wichtiger Schwerpunkt. Dafür hat die Stadt auch eine sichere Basis zu schaffen, von der aus sich die Bürgerinnen und Bürger in Eigenverantwortung ihre Lebenswelt gestalten können. Daran werden wir also unsere Entscheidungen beim Geldausgeben orientieren. Hier sind unsere Prioritäten, wobei natürlich auch Entscheidungsprozesse im Kunst- und Theaterbereich nicht vernachlässigt werden.
Der Haushaltsentwurf ist schon angesichts des vorgelegten dicken Buches erschlagend. Erschlagend auch wegen der hohen festen Kosten. Entscheidungen der Stadträte seit Jahrzehnten und gesetzliche Vorgaben des Landes und des Bundes reduzieren unseren Entscheidungsspielraum im Verwaltungshaushalt von zirka 1,75 Milliarden Euro auf etwa 40 Millionen Euro. Uns ist nicht bekannt, wie die SPD-Fraktion diesen Spielraum auf ein Investitionsprogramm von 125 Millionen Euro hochrechnen kann. Die NWS-Erlöse sind auch nach unserer festen Überzeugung nicht dafür geeignet, die Mittel in den normalen Verwaltungshaushalt einzubringen. Sie sind eben gerade nicht Gegenstand unserer Haushaltsberatungen in diesem Bereich! Sollten sie fließen, so wird man über deren Verwendung sprechen. Mit uns Liberalen ist jedoch nur eine Verwendung für den Vermögenshaushalt zu diskutieren. Vermögen unserer Väter und Mütter sollte Geld unserer Kinder und Enkel bleiben und nicht in unserer Generation und nicht in guten finanziellen Zeiten verbraucht werden. Dies muss auch der Stuttgarter Bevölkerung klar und ehrlich gesagt werden. Das ist auch unsere Kommunikationsaufgabe. Die Wünsche sind verständlich hoch. Der Spielraum unserer Entscheidungen ist jedoch relativ klein.
Wir sehen auch mit Sorge die wirtschaftliche Entwicklung aufgrund der unterlassenen Reformen der rot-grünen Bundesregierung, die Entlassungswellen, die in den letzten Tagen verkündet wurden, und die globale Wirtschaftssituation - insbesondere nach den Ereignissen des 11. September diesen Jahres. Dies wird nicht ohne Folgen für unserern Stadthaushalt in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten bleiben. Jedoch bemerkte auch unser Fraktionsvorsitzender Rolf Zeeb kürzlich, mit 'angemessener Gelassenheit und dem notwendigen Optimismus' könne man schon an die Finanzlage der Stadt herangehen. Schließlich wissen wir wie die Bürger, dass es Stuttgart im Vergleich zu anderen Großstädten der Bundesrepublik gut geht. Ich zitiere Herrn Ersten Bürgermeister Dr. Lang aus einem Zeitungsartikel der Stuttgarter Nachrichten vom 23. Februar 2001: 'Wenn man den Schuldenstand, die Rücklagen, die Investitionsrate und die Steuerhebesätze zum Maßstab nimmt, dann belegt Stuttgart einen Spitzenplatz'.
Als Liberale sind und bleiben wir Realpolitiker. Wir schließen uns selbstverständlich dem vom Oberbürgermeister geforderten 'Bündnis für eine vernünftige Finanzpolitik' an. Dies war schon immer so, vor allem wenn es um Ausgabenbegrenzungen geht. Wichtig ist uns, dass es für die Bürgerinnen und Bürger keine zusätzlichen Steuer-, Beitrags-, und Gebührenerhöhungen gibt. Die im letzten Doppelhaushalt durchgesetzte Gewerbesteuerermäßigung ist derzeit ausreichend, zumal wir mit drastisch sinkenden Gewerbesteuerzahlungen im kommenden Doppelhaushalt zu rechnen haben.
Wir sehen auch die zu geringe Rückführungsrate an den Vermögenshaushalt, und wir sehen, dass unser Ziel einer schuldenfreien Landeshauptstadt Stuttgart noch weit entfernt ist. Es reicht nach unserer Auffassung nicht aus, keine weiteren Kredite mehr aufzunehmen beziehungsweise den Rahmen nicht auszuschöpfen. Wir wollen langfristig den Schuldenstand der Stadt auf Euro Null zurückführen! Dies müsste doch eigentlich ein sympathisches und stolzes Stadtziel sein - und wir könnten es noch energischer anstreben. Darum werden wir weiter werben, und darum werden wir immer wieder fordern, dass nicht verbrauchte Haushaltsmittel sofort zur Schuldentilgung verwendet werden.
Die FDP-Fraktion unterstützt die Finanzierung der großen Sonderbauvorhaben durch das Zukunftsinvestitionsprogramm 2002. Dies erhält uns auch den notwendigen Spielraum für die Durchsetzung unserer politischen Stadtziele: Mobilität, Bildung und Familie. Über diese Spielräume haben wir nun zu debattieren und Mehrheiten mit Bündnissen auf Zeit mit CDU und Freien Wählern zu suchen und schließlich auch zu entscheiden. Wir haben selbstverständlich auch den großen Teil der festgelegten Ausgaben und Einnahmen auf den Prüfstand zu stellen.
Im Einzelnen:
Zur Mobilität: Die Stuttgarterinnen und Stuttgarter und ihre Nachbarn haben sich trotz aller entschiedenen Gegenwehr offensichtlich dazu entschlossen, ihr Auto ständig und überall in der Stadt zu benutzen. Das war und ist eine 'Abstimmung mit den Rädern'. Wir müssen also gegen den alltäglichen Stau etwas unternehmen. Deshalb hat die FDP-Fraktion die Planung einer Verkehrsleitzentrale sehr unterstützt. Ob der nun vorgeschlagene Kostenrahmen von vielen Millionen Euro in diesem Doppelhaushalt schon realisierbar ist, erscheint uns angesichts anderer wichtiger Ziele fraglich. Wir halten auch Vorhaben in Zuffenhausen, am Wilhelmsplatz in Bad Cannstatt, am Hölderlinplatz im Stuttgarter Westen und auch in der Stadtmitte beim Übergang von der Königstraße in die Marienstraße für finanzierbar. Wir fordern ein Konzept zur verkehrlichen Verbesserung im Bereich Wasen/Daimler-Stadion und Robert-Bosch-Halle. Vorher kann man keine großen Projekt bauen.
Die B 312 wird ebenso wie der Nord-Ost-Ring von uns gefordert. Hier ist jedoch in besonderem Maße der Bund und das Land gefragt. Die Verhandlungen müssen energischer vorangetrieben werden. Stuttgart braucht einen guten Verkehrsring um den Stadtkessel herum! Wir setzen uns also mit Freien Wählern und CDU für eine Vor- oder Mitfanzierung dieses Ausbaus ein. Dies wird ein großes Projekt zur Verkehrsentlastung sein. Ob Teilstrecken genügen, wissen wir nicht.
Unser politisches Ziel der guten Bildung und Ausbildung kann die Stadt trotz der Kulturhoheit des Landes unterstützen. Die Schulen weisen einen verheerenden Rückstand an Renovierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen auf. Sie sind im Moment dem Schüleransturm kaum gewachsen - auch und gerade im Hinblick auf Kernzeitbetreuung und die Verwirklichung der verlässlichen Grundschule. Stuttgart ist hier schon sehr weit gekommen. Wir werden aber noch erhebliche Finanzmittel in erheblicher Millionenhöhe in Schulbauten und dazugehörige Turn- und Sporthallen, insbesondere auch bei den Berufsschulen, stecken müssen.
Der Zustand städtischer Gebäude ist wegen des hohen Sanierungsbedarfs erschreckend, ob es sich um Kliniken oder Schulen, um Turnhallen oder um unser Rathaus handelt. Offensichtlich hat man in den Nachkriegsjahren immer nur gebaut und gebaut und keine Rücklagen für Renovierungen gebildet. So muss unser Rathaus dringend saniert werden. Dieses schluckt natürlich einen großen Teil unseres Investitionsvolumens im Vermögenshaushalt. Außerdem wollen wir ein Stadtmuseum in der Planung unterstützen.
Als wichtigen sozialen Beitrag unterstützen wir viele Projekte, unter anderem auch die privaten Anstrengungen des Körperbehindertenvereins, in Stuttgart-Berg, endlich ihr neues Wohn- und Dienstleistungszentrum bauen zu können. Und wir wünschen uns auch die Unterstützung großer und kleiner privater Träger, auch der Kirchen, für die allgemeine Familien- und Lebensberatung.
Apropos Familienpolitik, dem dritten wichtigen Schwerpunkt unserer Arbeit: In diesem Doppelhaushalt hat die Kinderbetreuung auch für uns den höchsten Stellenwert. Angesichts unseres finanziellen Spielraums für Freiwilligkeitsleistungen und angesichts der vielen anderen wichtigen Anliegen in unserer Stadt werden wir Investitionen und Betriebskostenzuschüsse für Kinderbetreuungseinrichtungen in Höhe von 25 Millionen Euro vorstellen. Zudem sind sicherlich zirka 60 Stellen zu schaffen. Die Vorstellungen der Verwaltung und die Vorstellungen der Eltern in der Stadt, die sich bislang zu Wort gemeldet haben, sind damit sicherlich nicht in vollem Umfang realisiert. Vielleicht können wir im Laufe des Haushalts über weitere Finanzierungsmittel sprechen, wenn sie dann zur Verfügung stehen. Es muss ja schließlich auch erst Raum und Personal gefunden werden. Auch wir mahnen natürlich eine verbesserte Landesförderung für die Kleinkinder und für die Ganztagsbetreuung an.
Wir Liberalen legen in diesem Zusammenhang allerdings auch großen Wert auf eine verbesserte Förderung privater Träger, insbesondere von Betrieben für Kinderbetreuung. Die sollten sich weitaus mehr einbringen, und deshalb geht unser Aufruf an alle Verantwortliche in dieser Stadt, den großen Bedarf an Kinderbetreuungseinrichtungen zu befriedigen! Nur in einer großen gemeinschaftlichen Anstrengung werden alle Wünsche erfüllt werden können. Es ist auch hier ausgeschlossen, dass nur die Stadt Ansprechpartner sein soll. Der Staat, die Kommune ist nach grundsätzlicher Auffassung der Liberalen immer nur subsidiär zuständig, also erst dann, wenn alle privaten und gesellschaftlichen Anstrengungen nicht ausreichen, um elementare Bedürfnisse zu befriedigen. Sonst müssten wir ja noch mehr Steuern und Abgaben zahlen!
Dies ist übrigens auch ein Grund, warum wir die vielen, vielen und bereits zurechtgekürzten Stellenwünsche der Verwaltung sehr kritisch betrachten und sehr sorgfältig darüber entscheiden müssen. Die Rationalisierungseffekte der letzten zehn Jahre sollten nicht zunichte gemacht werden. Dennoch müssen wir erkennen, dass wir ehrgeizige Bauvorhaben planen und neue Aufgaben zum Beispiel in Schulen und bei der Kinderbetreuung festgelegt haben. Die Verwirklichung ist hier sicherlich nur mit der Schaffung neuer Stellen möglich.
Wir Liberale im Rathaus waren und sind stets für eine vielschichtige Wirtschaft, interessante Arbeitsplätze und hohe Wohnqualität. Dies haben wir immer wieder in den letzten zwei Jahren durch unsere Anträge bewiesen. Die Stadt hat vielfältige Pflichten und Freiwilligkeitsaufgaben wahrzunehmen, was an die Grenzen ihrer personellen und finanziellen Möglichkeiten führt. Nach unserer Ansicht ist es vordringlich, Bereiche an die Privatwirtschaft zu übertragen, die dort im Wettbewerb kostengünstig und effizient ausgeführt werden können. Folgerichtig gilt dies beispielhaft für die Bereiche Müllentsorgung, Flughafen, Klinikum und Kinderbetreuung und auch für die private Finanzierung und Betreuung der Robert-Bosch-Halle.
Einen letzten Aspekt möchte ich noch nennen: Die Stadt ist Arbeitgeber für etwa 11 000 Menschen - ohne die Eigenbetriebe. Wir müssen uns fragen lassen, wie gut ist die Führungsspitze im Rathaus und wie gut ist der Gemeinderat eigentlich, wenn es um die Fürsorge für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geht? Hier gibt es sicherlich verschiedenste Auffassungen. Unserer FDP-Fraktion kann man nicht vorhalten, wir würden gewerkschaftlich denken. Aber wir sind selbst Arbeitgeber in unseren Berufen und wir wissen, was Arbeitgeber-Fürsorge ist.
Uns missfällt zum Beispiel sehr der Umgang mit unseren Schulhausmeistern und ihren Ehefrauen. Ein schlechtes Gesetz gegen die Scheinselbstständigkeit, der Wegfall eines sinnvollen 630-Mark-Gesetzes und der Poker der Verwaltung, sich an diese Gesetze nicht halten zu wollen, geht eindeutig zu Lasten dieser Hausmeisterehepaare und ihrer Mitarbeiter und letztlich auch zu Lasten der Sauberkeit in unseren Schulen. Seit zwei Jahren mahnen wir hier individuelle, gesetzmäßige und konstruktive Lösungen an. Bislang ist nichts Sichtbares geschehen. Jetzt wurden Kündigungen von Seiten der Stadt ausgesprochen. Eine unerträgliche Situation für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unserer Stadt. Gestern hätte ich noch gesagt: Herr Oberbürgermeister, wir fordern Sie auf, diese Sache zur Chefsache zu machen! Heute loben wir Sie, dass Sie sie gestern zur Chefsache gemacht haben, vielen Dank.
Zum Schluss möchte ich mich im Namen unserer ganzen FDP-Fraktion für die gute Zusammenarbeit mit der Rathausspitze, dem Finanzreferat, allen Amtsleiterinnen und Amtsleitern und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken. Sie leisten prima Arbeit, sie vertreten die Anliegen unserer Bürgerinnen und Bürger der Stadt engagiert für sie und auch oft mit ihnen und auch uns gegenüber. Und sie gehen außerordentlich klug und professionell mit uns Stadträten um."
StR
Lieberwirth
(REP):
"Zunächst einmal möchte ich hervorheben, dass die Aufstellung des Doppelhaushaltes seit dem Jahr 2000 sich bewährt hat und sich als großer Vorteil erwiesen hat. Das heißt nicht, dass sich jetzt durch den Doppelhaushalt die Arbeit der Stadträte halbiert hat, aber es ist doch einiges einfacher geworden. Wir können die Anträge jetzt alle auf einmal stellen. Wir können auch noch - und das ist auch ein großer Vorteil - über einen längeren Zeitraum abschätzen, wie sich die finanzpolitischen Zielsetzungen des Gemeinderates verwirklicht haben, wie sie umgesetzt worden sind und wie sich die wesentlichen Eckdaten und auch die Kernaussagen des Haushaltes verändert haben.
Aber wir müssen auch einen Wermutstropfen in den Wein schenken. Über die Beratungen des Haushaltes 2000/2001 müssen wir sagen, dass sich die Haushaltslage doch wesentlich verschlechtert hat, auch genau in dem Sinne, wie es das Finanzreferat in der Vergangenheit gesagt hat. Hier müssen wir dem Finanzreferat Recht geben, wenn die Haushaltsrisiken ganz klipp und klar sich bewahrheitet haben, gerade auf der Steuereinnahmenseite und auch hinsichtlich der Warnzeichen in Bezug auf wirtschaftliche Entwicklung, Steuerpolitik des Bundes und die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt.
Was unsere jetzige schwierige Lage anbelangt, so kann niemand sagen, er hat nichts davon gewusst. Wir haben in unseren früheren Haushaltsberatungen und in unseren Aussagen immer wieder gesagt, dass die Großprojekte auf Dauer die Stadt in finanzielle Schwierigkeiten bringen. Wir sind in eine regelrechte Projektfalle geraten, die viele notwendige Maßnahmen der Stadt sehr schwierig macht. Unsere Spielräume sind enger geworden, Spielräume im finanziellen Bereich, im kulturellen Bereich, im Bereich der Bildung und im sozialen Bereich und natürlich auch unsere Spielräume hinsichtlich der Steuerentlastung und der Gebührenentlastung der Bürger. Und dies alles vor einem Hintergrund einer konjunkturellen Abschwächung, eines Ansteigens der Arbeitslosenzahlen sowie der zahlreichen angekündigten Sparmaßnahmen, die sich aus den Bundes- und aus den Landeshaushalten ergeben. Die Projektfalle ist durch eine Vielzahl von Projekten bedingt - insgesamt mit einem Finanzrahmen von etwa zwei Milliarden Mark - und viele Projekte davon sind noch in der Schwebe, die eine lange Laufzeit haben und die politisch auch in der Bevölkerung sehr stark und heftig umstritten sind. Wir haben uns hier auf Geldmittel festgelegt, die uns für weitere Maßnahmen praktisch in einen finanziellen Würgegriff nehmen. Und was noch schlimmer ist, meine Damen und Herren, das sind die Mehrausgaben, die mit diesen Projekten verbunden sind: Größenordnung Rathaussanierung und Galerie in Höhe von 50 Millionen Mark. Auch die Folgekosten dieser Projekte werden den Haushalt in Zukunft belasten. Auch auf diesen Punkt haben wir immer wieder hingewiesen.
Zu den Großprojekten – ich will sie hier nicht alle aufzählen, Sie kennen sie - Stuttgart 21 und die Fildermesse mit insgesamt 1,2 Milliarden Mark, die Galerie am Kleinen Schlossplatz, die Bosch-Halle und die Bibliothek, Gottlieb-Daimler-Stadion, Theaterhaus, Klinikum, Verkehrsbauwerke, wie die Stadtbahnverlängerung, Prag- und Rosensteintunnel. Wir sagen nicht, dass wir gegen diese Projekte sind. Es kommt nur auf den Zeitrahmen an, es kommt darauf an, dass die Projekte in einem vernünftigen Zeitraum gestreckt auch verwirklicht werden. Es gibt einen Zeithorizont, der auch von der Bevölkerung akzeptiert wird, und es muss auch eine Akzeptanz in der Bevölkerung da sein. Die Stadt München hat ein Projekt verwirklicht, den Bau eines Stadions, da gab es eine Umfrage in der Bevölkerung. Die Mehrheit der Bevölkerung hat sich für das Stadion ausgesprochen. Warum ist so etwas hier in Stuttgart nicht möglich? Abstimmungen über Großprojekte – so etwas müsste auch hier möglich sein.
Und, meine Damen und Herren, wir wollen vor dem Hintergrund der jetzigen Situation noch einmal ganz klar sagen: Die Stadt erweckt hier nicht den Eindruck einer soliden Finanzplanung. Wir befinden uns in einem finanziellen Sinkflug, der böse enden kann. Und die Maxime, wir können das eine tun ohne das andere zu lassen, können wir uns auf Dauer und in Zukunft nicht mehr leisten. Die Stadt täuscht dem Bürger hier ganz offensichtlich etwas vor.
Auch was die Kennzahlen des Haushaltes anbelangt wie Mindestzuführungsrate, Nettoinvestitionsrate und Schuldentilgung – auch diese Kriterien sind unter Druck geraten. Und wir sehen genügend Warnzeichen, um zu einer soliden Haushaltspolitik zurückzukehren. Zu einer Haushaltspolitik gehört auch der Abbau von Schulden sowie die Bildung von Rücklagen für Krisenzeiten, nicht nur die Bildung von Rücklagen für Großprojekte, die in Zukunft realisiert werden sollen. Bei den dringend eingestuften Investitionsmaßnahmen wird deutlich, wie die Forderungen der Fachämter und die des Finanzreferates auseinanderklaffen. Das ist auch eine Folge dieser Projektfalle. Auch die Personalbedarfssituation des Stellenplanentwurfes spricht eine ebenso deutliche Sprache. Von den 242 von den Fachämtern beantragten Stellen sind bereits 116 im Vorgriff beschlossen. Damit ist der Spielraum für dringenden Personalbedarf gerade im Kinderbetreuungsbereich ganz stark eingeschränkt.
Wir haben bei den letzten Haushaltsplanberatungen das Thema finanzielle Belastungen der Bürger angesprochen. Wir fordern auch heute wieder einen Haushalt für den Bürger und fordern die Stadt und den Gemeinderat auf, hier in Stuttgart in erster Linie an die Lebensqualität, an die Lebenssituation und an den Lebensstandard der Bürger zu denken. Das ist für uns eine der wichtigsten Aufgaben. Und das ist auch die grundgesetzlich fixierte Aufgabe und das Thema der kommunalen Selbstverwaltung, nicht ob jetzt Stuttgart eine Metropole mit dem Kennzeichen D ist und ob Stuttgart jetzt als Großstadt unbedingt sich aufschwingen muss. Viele Menschen, die wir angesprochen haben, sagen deutlich, dass sie die aktuelle Entwicklung mit großer Skepsis sehen. Hier kommt es jetzt auf die richtigen Entscheidungen des Gemeinderates und der Verwaltung an. Wer sich in der Vergangenheit die Korrespondenz der Bürger und auch die Leserbriefe angesehen hat, kann diese Einschätzung sehr gut nachvollziehen.
Wir haben unseren Schwerpunkt bei diesem Haushalt auf die Stadtentwicklung und eben auch auf die Großprojekte konzentriert. Wie es der Professor Ostertag gesagt hat: Stellt sich hier die Frage der Auflösung der Stadt, des Zerfalls der Stadt? Wir sagen, wir sehen es nicht so negativ, dass diese Auflösung stattfindet, im Gegenteil. Wenn die Stadt ihren Kern erhält, dann kann die Stadt auch bewahrt werden. Unsere Stadt ist allerdings in den letzten Jahren nicht schöner geworden. Wenn wir uns bestimmte Stadtteile ansehen, wie Gablenberg oder Stuttgart-West, dann sehen wir sehr deutlich, dass diese Stadtteile und diese Stadtbezirke verfallen. Und hier ist ein dringender Sanierungsbedarf notwendig. Auch das Bestreben, die historische Bausubstanz und den historischen Charakter der Stadt zu bewahren, wurde oft vereitelt. Viele sagen, und wir sagen das auch, dass der Amerikanisierung der Stadt durch Hochhäuser, funktionale Büros, durch Einkaufszentren außerhalb der Stadt, durch ein Veröden der Stadtzentren Einhalt geboten werden muss und dass Stuttgart niemals zu dieser Amerikanisierung neigen darf und niemals diese Amerikanisierung verwirklichen darf.
Es geht nicht um die moderne Stadt, sondern es geht um die Stadt, in der Lebensqualität eine wichtige Rolle spielt. Wir sehen diese Entwicklung leider bei vielen geplanten Bankgebäuden hinter dem Hauptbahnhof, am Bollwerk, am Wilhelmsplatz und auch an anderen Stellen der Stadt. Und diese Entwicklung gipfelt in dem geplanten Trump Tower mit seinem dazu gehörigen Hochhausensemble mit vier weiteren Türmen. Müssen wir dieses Wahrzeichen unbedingt in Stuttgart haben? In München zum Beispiel werden Sie kein einziges Hochhaus im Stadtzentrum finden. Dort ist das einzige Hochhaus wirklich die Frauenkirche, der Frauendom. Und wenn Sie sich andere Stadtteile angucken in Stuttgart, da gibt es genügend Plätze, wo man Hochhäuser hinbauen könnte: in Weilimdorf, am Wallgraben, in Vaihingen oder am Fasanenhof, Businesspark in Möhringen. Dort haben Hochhäuser Platz, und dort könnte man Hochhäuser hinbauen, ohne dass sie die Stadt stören, ohne dass sie den Anblick der Stadt stören und ohne dass das Klima geschädigt wird. Wir wollen hier mit diesem Trump Tower nicht die Bausünden der 60er-Jahre wiederholen. Damals, zu der Zeit, da hat man auf den Bergen, auf den Gipfeln, Hochhäuser hingebaut. Ich glaube, die Zeit ist vorbei. Auch die Wirtschaftlichkeit der Hochhäuser ist stark in Frage gestellt. Wenn Sie einmal den Energiebedarf rechnen, der hier erforderlich ist, wie zum Beispiel die Klimaversorgung. Und wer will heute, nach diesem 11. September, noch gerne in einem solchen Hochhaus arbeiten? Es gibt Plätze in Stuttgart, wo man Hochhäuser hinbauen kann. Wir sind nicht gegen Hochhäuser, aber man muss den richtigen Platz in dieser Stadt finden.
Allgemein ist hier in Stuttgart immer weniger Platz für eine traditionelle, kleingliedrige und historische Substanz. Der Rückgang vieler traditioneller Einzelhandelsunternehmen und des Kleingewerbes in den Kernbereichen der Stadt sind ein sicherer Beweis hierfür. Gleichzeitig vernachlässigen und geringschätzen wir oft die Notwendigkeit, unser historisches Stadtbild und Baudenkmäler in dieser Stadt zu schützen und zu erhalten. Wir wollen diese Stadt nicht in einen Rummelplatz verwandeln. Zum Beispiel der Schlossplatz, der erst mit einer Million Mark saniert worden ist: Warum kann man nicht hier auf andere Plätze gehen, wie zum Beispiel auf den Marktplatz oder den Wilhelmsplatz oder auf den Wasen. Auch da wären solche Veranstaltungen möglich, die hier auf dem Schlossplatz durchgeführt werden. Gerade konnte noch verhindert werden, dass das Kaiser-Wilhelm-Denkmal auf dem Karlsplatz abgeräumt wird. Wir müssen auch alle Anstrengungen unternehmen, dass solche traditionellen Ereignisse, wie der Wochenmarkt und andere Veranstaltungen, die in Stuttgart eine große Tradition haben, wie zum Beispiel auch der Flohmarkt, ihren Platz in der Stadt weiterhin behalten.
Wir sollten auch mal über den Tellerrand gucken. Schauen wir uns mal die Stadt Frankfurt an. Hier hat man es fertig gebracht, Hochhäuser nur an ganz bestimmten Stellen der Stadt zu bauen. In Potsdam hat man es fertig gebracht, dass sich die Stadt wieder dazu entschlossen hat, das alte, von den SED-Genossen abgerissene Stadtschloss wieder aufzubauen. Bei der größten Immobilienmesse in Cannes konnte die Stadt sich der Investoren nicht erwehren, die bereit waren, dieses Stadtschloss mit aufzubauen. Warum? Weil hier eine Entscheidung getroffen worden ist. Hier ist eine ganz klare Entscheidung von der Stadtverwaltung und von den Stadtverordneten getroffen worden, dieses wieder aufzubauen. Und es gibt noch andere Beispiele – hier sollte sich die Stadt Stuttgart auch ein Vorbild nehmen. Oder nehmen Sie die Stadt Dresden. In Dresden wird die Frauenkirche wieder aufgebaut. Da stehen die Besucher mit staunenden Augen davor. Das ist ein Ereignis. Und auch hier finden sich die Investoren, die bereit sind, die Altstadt in Dresden wieder aufzubauen um die Frauenkirche herum. Das sind wirkliche Ereignisse, das sind städtebauliche Wahrzeichen im Kern, im Zentrum der Stadt, diese historischen Bauwerke, dieses Prägende in der Stadt wieder herzurichten. Wenn die Leute dort staunend davor stehen, wenn Sie das selbst mal gesehen haben, werden Sie begeistert sein. Hier in Stuttgart stehen die Leute nur mit großen Augen vor einer Straße, wo wieder mal zwei Fahrspuren verengt wurden zu einer Fahrspur und der Radweg irgendwo im Nirwana landet.
Wir kritisieren in diesem Zusammenhang die oft mangelnde Sensibilität und das unterentwickelte Engagement im Bereich des Denkmalschutzes. Es gibt hier verschiedene Beispiele, wie den Abriss der Stuttgarter Bank an der Königstraße, das wäre nicht erforderlich gewesen, den Abriss der Postfassade am Cannstatter Bahnhof oder des Ochsens in Vaihingen, um nur mal einige Beispiele zu nennen. Warum denkt man nicht mal darüber nach – nur darüber nachdenken -, den Stuttgarter Marktplatz historisch wieder aufzubauen? Das wäre doch ein Ereignis für Stuttgart. Das wäre doch etwas. Wer das zahlt? Das können auch die Privaten zahlen. Die Investoren sind dafür da. Schauen Sie sich mal den Frankfurter Römerberg an. Ihr Kollege, Herr Oberbürgermeister, der OB Wallmann, hat damals diesen Römerberg wieder aufgebaut. Wenn Sie dort tagsüber lang gehen und auch abends lang gehen, dieser Römerberg vor dem Frankfurter Rathaus ist belebt. Da spielt sich etwas ab. Der Platz ist nicht tot. Vielleicht mal darüber nachdenken und über diesen Tellerrand schauen, was sich in anderen Städten abspielt.
Und was noch bedauerlich ist – sofern Stuttgart 21 kommt -, das wäre der Abriss der Hauptbahnhofflügel, die Bonatz einmal als mit das Schönste an diesem Hauptbahnhof bezeichnet hat. Deshalb, Herr Oberbürgermeister, kann ich nur den Appell an Sie richten: Bauen Sie diese Stadt wieder auf. Entwickeln Sie eine Strategie, das Zentrum wieder aufzubauen, die Bezirke zu sanieren und die Moderne und die Industrie vorwiegend an den Rändern der Stadt anzusiedeln. Das wäre eine gewachsene Stadt, so wie es, glaube ich, Professor Ostertag gesagt hat, dann wäre die Stadt auch wieder die Bühne des Lebens, das, was eine Stadt interessant macht.
Nun noch etwas zu der kommunalen Grundversorgung und der Leistungsfähigkeit der Stadtverwaltung. Stuttgart muss die Versorgung und das Leistungsangebot für seine Bürger nicht nur erhalten, sondern auch stetig weiterentwickeln. Wir begrüßen hier ausdrücklich den Bürgerservice, der sich sehr positiv und sehr gut gerade in den Stadtbezirken, in den Bezirksämtern entwickelt hat und für die Bürger eine echte Erleichterung darstellt. Es gibt noch Schwierigkeiten im Bereich der Sozialhilfe, besonders die hohe Fluktuation, die in diesem Bereich vorhanden ist, aber das wird sich auf Dauer nur schwer bewerkstelligen lassen, weil das eben Aufgaben sind, die sehr viele Schwierigkeiten und sehr viel Arbeitsaufwand bedeuten. Aber hier eine Anerkennung an die Mitarbeiter der Stadt, die sich hier im Sozialbereich und gerade in der Sozialhilfe ganz stark engagieren und den Menschen dort helfen, so gut sie können.
Kritisieren müssen wir auch die Kinderbetreuung und die Schul- und Hallensanierung und die Förderung der Sportstätten. Hier ist ein hoher Bedarf gerade in den Stadtbezirken. Und dieser Bedarf muss in Zukunft weiter vorangetrieben werden. Aber es darf nicht sein, dass wir durch diese Großprojekte diese Investitionen in die Zukunft verhindern oder einengen.
Wir denken auch an die Bemühungen der Stadt um das Ehrenamt. Wir begrüßen zwar die einzelnen bisherigen Maßnahmen, die vorgenommen worden sind, aber die Ehrenamtlichen brauchen auch Beratung und Vermittlung, nicht nur diese Beratung und Vermittlung, sondern auch konkrete Leistungen, Hilfeleistungen und eine klare rechtliche Absicherung. Hier liegen Anspruch und Wirklichkeit noch weit auseinander.
Zu den wirtschaftlichen Maßnahmen der Stadt: Gerade in einer Zeit sich abzeichnender Wirtschaftsabschwächung muss die Stadt den bisherigen Weg der Entlastung vor allem mittelständischer und kleinerer Unternehmen vorantreiben. Und gerade weil die Gewerbesteuer eine Mittelstandssteuer geworden ist, ist es erforderlich, diese Gewerbesteuer auch zu senken. Damit erreichen wir wieder einen größeren Zulauf von Betrieben, die sich in der Vergangenheit außerhalb Stuttgarts angesiedelt haben, die gerne wieder nach Stuttgart zurück kommen würden, und wir erreichen die Ansiedlung und eine höhere Beschäftigung und eine Standortsicherung hier in Stuttgart. Im Rahmen unserer Finanzpolitik halten wir deshalb eine maßvolle Senkung der Gewerbesteuer um jeweils fünf Punkte jeweils in den nächsten zwei Jahren für angemessen. Ich glaube, wir setzen damit ein Signal, und zwar das richtige Signal für den Mittelstand, wenn wir schon diese Mittelstandssteuer reduzieren wollen.
Wichtig ist uns auch, die vielen Mieter in Stuttgart zu unterstützen. Dies gilt für die Ausstattung der SWSG. Hier war es ein Fehler, die 40 Millionen der SWSG zu entziehen, Einfluss auf die Mietnebenkosten zu nehmen durch Gebühren und Grundsteuer. Und deshalb halten wir auch eine Senkung der Grundsteuer um zehn Prozent für geboten. Auch das ist ein Signal an die Mieter, um weitere Nebenkosten, die ja heute schon oft die zweite Miete sind, zu senken.
Wir betonen auch nach wie vor, dass aus der Sicht der vielen Senioren, die durch die demografische Entwicklung in Zukunft hier in Stuttgart sein werden, es angeraten ist, sich mehr um die Senioren dieser Stadt zu kümmern. So wie es einen Schulbeirat gibt, müsste es auch einen Seniorenbeirat geben, der in kompetenter Weise die Aufgaben der Senioren übernimmt und ganz klar sagt, wo die Prioritäten liegen, welche Aufgaben dringlich sind und welche Aufgaben erforderlich sind.
Zum Thema Sicherheit wiederholen wir unsere bekannten Positionen hinsichtlich der Verstärkung der Präsenz von Vollzugsbeamten nicht nur im Stadtzentrum, sondern auch in den Außenbezirken. Wir möchten mehr Aktivität gegen Drogenkriminalität und wiederholen hier auch unseren Standpunkt: Wir sind nach wie vor gegen Fixerstuben und wir sind dafür, dass diejenigen Ausländer, die hier mit Drogen handeln, auch schneller und mit Nachdruck abgeschoben werden.
Im Bereich der Kultur und Bildung haben wir eine Reihe von Anträgen gestellt: Anträge für die finanzielle Verbesserung der Stuttgarter Philharmoniker, für Theater, für Musikschule und noch für andere Dinge. Auch auf diesem Gebiet ist in Stuttgart ein hoher Nachholbedarf festzustellen. Die bereits angebotenen traditionellen Kultur- und Bildungsangebote müssen erweitert werden, vor allem im Bereich der Kinder- und Jugendtheater. Besonders hervorzuheben ist hier natürlich auch, dass Stuttgart dreimal den Titel 'Opernhaus des Jahres' erhielt. Es ist ein Skandal, dass gerade die Stuttgarter Musikschule nach unseren Informationen eine Warteliste von mehr als 1.000 Kindern aufweist.
Wir begrüßen die Methoden und die Verfahren und die Maßnahmen der Stadt zur Integration von Ausländern, die bereit sind, sich hier in unserer Stadt einzugliedern und sich hier anzupassen. Die Amerikaner sagen übrigens nicht 'integration', sondern sie sagen 'assimilation'. Aber, meine Damen und Herren, Integration darf keine Einbahnstraße sein. Es muss von beiden Seiten die Bereitschaft vorhanden sein. Und wir dürfen uns auch nicht anbiedern. Die Einwanderungskosten, wenn Sie mal den Haushalt zusammenrechnen, welche Posten hier genannt sind, angefangen von den Unterbringungskosten von Asylbewerbern und Flüchtlingen, von der Grundsicherung für soziale Dinge, wie Krankenkostenunterstützung, haben wir einen Betrag von insgesamt 75 Millionen Mark in diesem Haushalt. Das sind nur die direkten Kosten. Die indirekten Einwanderungskosten, die in verschiedenen Posten auch noch vorhanden sind, wie zum Beispiel bei dem Frauenhaus, wenn man das zusammenrechnet, dann kommen diese Einwanderungskosten zumindest noch einmal so hoch. Wir stellen auch noch einmal die Integrationsfrage im Zusammenhang mit der Frage der Terroranschläge in den USA am 11. September. Wir haben rechtzeitig darauf hingewiesen, dass man ausländische Extremisten und Fanatiker hier in unserem Land nicht dulden darf. Das, was Herr Schily jetzt auch sagt, genau damit liegt er auf unserer Linie. Vor wenigen Monaten noch hätte man ihn sicher als Extremisten bezichtigt. Auch in Stuttgart wird nach den Vorfällen um die Moschee in Heslach und um eine muslimische Veranstaltungsreihe mit der Rathausbeteiligung endlich klar, dass Integration Eingliederung und Einfügung heißt und nicht mit Steuergeldern geförderte Abkapslung und Segregation, also ein Nebeneinander. Wir begrüßen diesen neuen Denkansatz und hoffen auf eine entsprechende Umsetzung der neuen Erkenntnisse. Wir stellen allerdings auch hier die Frage, ob bei zunehmender Arbeitslosigkeit - wenn diese Zahl von vier Millionen im nächsten Jahr wieder erreicht wird - das Thema Zuwanderung überhaupt noch zu verantworten ist.
Stuttgart hat gerade durch seine Wirtschaftskraft, seine vielen Attraktionen sowie durch die topografische Lage ein fast chronisches Verkehrsproblem. Wir unterstützen deshalb Maßnahmen, die Verkehrsbelastung vor dem Hintergrund eher zunehmender Fahrzeugbewegungen zu reduzieren. Wir müssen die hierfür notwendige Verkehrsinfrastruktur schaffen, den ÖPNV weiterentwickeln und alle Begleitmaßnahmen zur Verbesserung der Verkehrslenkung und der Verkehrsknüpfung in die Wege leiten.
Viele der genannten Punkte und viele der genannten Großprojekte, die auf die Stadt zukommen, sind auch eine Ursache der Stadtflucht, vor allem von gut verdienenden Arbeitnehmern, von Familien und Leistungsträgern, die in den Speckgürtel um Stuttgart herum abwandern. Wir sagen nochmals: Diese vielen Defizite verzeihen uns die Bürger auf Dauer nicht. Wir dürfen die Bürger nicht überfordern. Wenn Sie an die Messe denken, die auf den Fildern geplant ist: Schon heute ist die B 27, wenn Sie morgens mal entlang fahren, ständig belastet und überbelastet. Schon heute haben Sie dort Staus, die für die Bürger eine Belastung darstellen, die dann durch eine solche Messe nur noch vergrößert werden.
Wir möchten auch noch kurz auf die Verwaltungsreform und die Gesamtsteuerung eingehen. Hier haben die Mitarbeiter der Verwaltung Vorbildliches geleistet und man muss sagen, dass die Mitarbeiter neben ihrer Arbeit bisher sich stark engagiert haben und diese Verwaltungsreform und diese Gesamtsteuerung mitgetragen haben. Das verdient große Anerkennung, auch wenn heute gesagt wird, dass diese Verwaltungsreform noch nichts bringt und nur Geld kostet. Es ist bekannt, dass solche gravierenden organisatorischen Änderungen erst im Laufe der Zeit etwas bringen und dass sich dann erst die positiven Auswirkungen zeigen.
Abschließend möchten wir uns bei allen Mitarbeitern bedanken, die diesen Haushaltsentwurf mit zustande gebracht haben, und wir möchten uns bei diesen Mitarbeitern bedanken, die auf unsere Anfragen uns so freundlich und so hilfsbereit unterstützt haben."
StR
Deuschle
(PDS):
"Die finanzielle Situation der Kommunen wird immer schwieriger. Die Einnahmen bei der Gewerbesteuer sind dramatisch zurückgegangen. Die Ursache dafür ist aber weniger in der schwächeren Wirtschaftsentwicklung zu finden, als in der Gesetzgebung in Berlin. Auf die Auswirkungen der Unternehmenssteuerreform für die Kommunen habe ich schon in der Aussprache zum Haushalt 2000/2001 hingewiesen.
Am 1. Januar dieses Jahres trat die Unternehmenssteuerreform in Kraft. Dividenden von Kapitalgesellschaften bleiben jetzt nicht nur körperschaftssteuer-, sondern auch gewerbesteuerfrei. Diese Regelung gilt vor allem für die großen Banken, die Versicherungen, aber auch für andere global agierende Großbetriebe. Sie können also auch über andere Formen ganz legal riesige Gewinne einfahren und müssen davon keinen Pfennig in die Kassen der Kommunen abführen. Gleichzeitig aber hat diese rot-grüne Bundesregierung die Gewerbesteuerumlage, die Zahlungen der Kommunen an Bund und Länder, erhöht, aber nicht einmalig, sondern in Stufen von 20 Prozent im Jahr 2000 auf knapp 28 Prozent im Jahr 2005. Das bedeutet, dass sich die finanzielle Ausstattung der Städte und Gemeinden in den nächsten Jahren weiter verschlechtern wird. Steuergeschenke vom Bund an die Großkonzerne - der Bund holt sich die Steuerausfälle aus den Kassen der Kommunen. Ich frage Sie, was ist das denn anderes als die Fortführung der neoliberalen Politik eines Kanzlers Kohl. Das ist Umverteilung von unten nach oben. Das große Geld bedient sich letztendlich in den Stadtkassen. Damit ist aber der Grundgedanke einer Gewerbesteuer ad absurdum geführt. Der lokale Bezug dieser Steuer ist weg. Ja, sie bekommt den Charakter eines beliebigen, freiwilligen Beitrags. Was ist denn übrig geblieben von den Versprechungen der Bundesregierung, die finanzielle Situation der Kommunen zu verbessern. Nicht nur nichts, sondern genau das Gegenteil ist passiert.
Was die Städte und Gemeinden ganz dringend brauchen, ist die Neuregelung des kommunalen Finanzwesens. Die Kommunen müssen über stabile eigene Steuereinnahmen verfügen, um die Aufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge überhaupt leisten zu können. Wenn das nicht geschieht, dann sind wir auf der schiefen Ebene von der kommunalen Selbstverwaltung hin zur privatwirtschaftlichen Fremdverwaltung. Nachdem mit der Unternehmenssteuerreform vom Prinzip der 'Beteiligung der Wirtschaft an den infrastrukturellen Leistungen nach ihrer Wirtschaftskraft' nun völlig abgewichen wird, stellt die PDS keinen Antrag auf Erhöhung des Hebesatzes. Aber wir wollen auch keine weitere Senkung. Ich halte es für ungeheuerlich, dass sich die großen Betriebe aus ihrer sozialpolitischen Verantwortung für diese Stadt und ihre Menschen herausstehlen. Zu einem Bekenntnis zu einem Standort gehört es auch, dass ein entsprechender finanzieller Beitrag für die Infrastruktur geleistet wird. Das aber ist mit ein paar Smart(ie)s an die Landkreise und die Landeshauptstadt nicht getan.
Es ist eine alte Weisheit, dass jede Mark nur einmal ausgegeben werden kann. Deshalb ist es in den anstehenden Haushaltsberatungen ganz wesentlich zu überprüfen, ob die Gewichtung und die Schwerpunktsetzungen in diesem Haushalt stimmen. Wir müssen aber auch bereits beschlossene Projekte unter anderen Gesichtspunkten neu bewerten. Die finanziellen Möglichkeiten der Stadt haben sich verschlechtert. Im Vergleich zu anderen Städten aber ist es ein Jammern auf hohem Niveau, und wir verfügen über exklusive Möglichkeiten, durch Umschichtungen im Haushaltsentwurf gewaltige Mittel für die Daseinsvorsorge frei zu spielen.
Kinder sind unsere Zukunft. In dieser Aussage gibt es eine wirklich seltene Übereinstimmung über alle Parteigrenzen hinweg. Bis, ja bis wir bei den Maßnahmen sind. Da enden dann die Gemeinsamkeiten. Rund 2000 Plätze fehlen in der Ganztagesbetreuung von Kindern in Stuttgart. Wir sind mit dem derzeitigen Angebot meilenweit von den Empfehlungen des Städtetags entfernt. Das ist ein Skandal, den wir uns aus mehreren Gründen nicht leisten können. Der etwas ältere Spruch 'Heirat ist kein Ersatz für einen qualifizierten Arbeitsplatz' hat nach wie vor Gültigkeit. Immer mehr Frauen wollen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Voraussetzung dafür aber ist, dass das Angebot der Kinderbetreuung vorhanden ist. Nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ. Ein Blick in den Armutsbericht der Stadt macht deutlich, dass viele Kinder und Jugendliche auf die Unterstützung von Sozialhilfe angewiesen sind. Besonders hart trifft es kinderreiche Familien, Familien, in denen nur ein Elternteil arbeiten gehen kann, unddie Alleinerziehenden mit ihren Kindern. Mit der Erhöhung des Versorgungsgrades der Ganztagesbetreuung schaffen wir die Voraussetzung für ein selbstständiges Erwerbsleben von Frauen und damit auch die Entlastung der Sozialhilfe. Investitionen in die Ganztagesbetreuung von Kindern sind also in mehrfacher Hinsicht Investitionen in die Zukunftssicherung. Deshalb darf hier nicht gespart und auch nicht gekleckert werden. Es muss, im wahrsten Sinne des Wortes, geklotzt werden. Dafür sind insgesamt 115 Millionen Mark angemessen.
Sie fragen nach der Finanzierbarkeit? Ein Beispiel: Der Verzicht auf den Pragsatteltunnel und damit auf den Ausbau der B 10 zur Stadtautobahn. Diese Maßnahme würde nicht nur Millionen für die Kinder freisetzen, sondern mit weniger motorisiertem Verkehr uns auch der Verwirklichung des Qualitätsziels Luft einen bedeutenden Schritt näher bringen. Mit dieser Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs kann auch auf die Einrichtung der integrierten Verkehrsleitzentrale verzichtet werden. Das sind noch einmal mindestens 70 Millionen Mark in den nächsten Jahren. Wer das genau durchrechnet, kommt zu dem Schluss, dass über diesen Weg nicht nur die Ganztagesbetreuung finanziert werden kann, sondern auch noch ordentlich Geld übrig bleibt, um den öffentlichen Nahverkehr auszubauen. Damit haben wir dann in zweierlei Hinsicht Investitionen in die Zukunft getätigt für die Kinder und die Lebensqualität insgesamt in dieser Stadt; zwei wesentliche Standortfaktoren, sowohl für die Wirtschaft wie auch für die Menschen, die dann Stuttgart wieder als Arbeits- und Lebensraum neu entdecken können. Weitere Geldquellen für ein Umsteuern sind zum Beispiel der Verzicht auf die neue Messe, die Modernisierung des Kopfbahnhofs statt dem Milliardenloch Stuttgart 21, und auch der Glaskasten 'Neue Galerie' gehört zu diesen Posten.
Die PDS unterstützt grundsätzlich die städtische Förderung von Betriebskindergärten. Und wir freuen uns auch über die Eröffnung der Kindertagesstätte 'Sterntaler' in Möhringen. Ich will jetzt nicht auf die Einzelheiten dieser Tagesstätte eingehen. Darüber hat die Presse ausführlich berichtet, aber eines möchte ich doch los werden: Es wäre schön, wenn alle Kinder in dieser Stadt diese Qualität der Betreuung bekommen könnten. Es müssen ja nicht gleich 17 Millionen für 130 Kinder investiert werden, dieser Betrag hätte locker ausgereicht, um zumindest auch die 250 Kinder, die noch auf der Warteliste in diesem Betrieb stehen, mit zu versorgen. Das nur am Rande. Was mich wirklich umtreibt, ist die Tatsache, dass dieser Konzern DaimlerChrysler, der seit fast einem Jahrzehnt keinen Pfennig Gewerbesteuer mehr bezahlt, einen Antrag auf Förderung dieser Einrichtung stellt. Unverfrorenheit ist noch ein mildes Wort für das, was ich dabei empfinde. Förderung von Betriebskindergärten ja, aber nur für die Betriebe, die sich an der Finanzierung der kommunalen Infrastruktur beteiligt haben. Wenn der angesprochene Betrieb seine Gewerbesteuer bezahlen würde, dann hätten wir keine Diskussion darüber, woher wir das Geld für die Investitionen der Ganztagesbetreuung nehmen sollen. Mit diesem Betrag könnten wir die fehlenden Plätze rauf und runter finanzieren.
Es ist ein Skandal und ein gewaltiger Imageverlust für Stuttgart, wenn Studenten ihren Studienplatz in Stuttgart aufgeben, weil sie kein Dach über dem Kopf finden. Das aber ist die Folge einer verkorksten Wohnungsbaupolitik. Es ist natürlich richtig und gut, wenn die Stadt preiswertes Wohneigentum für junge Familien anbietet. Aber nicht alle sind als Teil der sogenannten Erbengeneration reichlich ausgestattet worden. Was fehlt, sind bezahlbare Mietwohnungen vor allem für Familien und eben auch für die studierende Jugend. Geplante und bereits beschlossene Wohnungs- und Häuserverkäufe machen wirklich deutlich, dass die im letzten Haushalt beschlossene Herabsetzung des Stammkapitals der SWSG um 50 Millionen Mark ein Riesenfehler war.
Jeder, der abhebt und nur noch in Großprojekten wie Stuttgart 21, Neue Messe, Stadtautobahn, Olympia und vieles anderes mehr denkt, der verliert leicht die Bodenhaftung. Zu diesen Projekten gehört auch der Trump Tower. Dieser Klotz ist ein Zeichen. Die Frage lautet nur: ein Zeichen für was? Ein Wahrzeichen wird er sicher nicht. Wahr ist auf alle Fälle, dass, wer sich zu weit entfernt und abhebt in allzu große Höhen, für den verschwimmen die eigentlich wichtigen Themen. Sie werden unkenntlich, ja, sie werden gar nicht mehr wahrgenommen. Also, kommen Sie wieder runter, weg von den Prestigeobjekten, hin zu einer Politik, die den Namen kommunale Daseinsvorsorge wirklich verdient.
Dazu gehört auch die Fürsorgepflicht für die abhängig Beschäftigten. Einer Fürsorgepflicht wird der vorgelegte Entwurf zur Schaffung von Stellen überhaupt nicht gerecht. Abzüglich der im Vorgriff beschlossenen Stellen bleiben sage und schreibe rund 100 Stellen für 2002 und ganze 57 Stellen für 2003 übrig. Eines muss ich Ihnen bescheinigen, Sie haben von der Industrie gelernt. Denn auch dort ist eine vorausschauende Personalplanung ein Fremdwort. Zurück zum Zahlenwerk. Wenn ich die neuen Stellen für zwingende gesetzliche Aufgaben abziehe, dann bleiben für die anderen neuen Aufgaben kaum noch Stellen übrig. Mit diesem Vorschlag schreiben Sie nicht nur die ständige Arbeitsüberlastung in den Ämtern fest, nein, Sie verschärfen die permanente Überlastung noch zusätzlich. In dem vorgelegten Zahlenwerk schlägt die Verwaltung nur rund 25 Prozent der von den Ämtern geforderten Stellen vor.
In der Gemeindeordnung § 56 Einstellung, Satz 1 steht: 'Die Gemeinde ist verpflichtet, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen geeigneten Beamten, Angestellten und Arbeiter einzustellen.' Davon, Herr Oberbürgermeister, sind Sie aber meilenweit weg. Wenn ich mir die Situation in den Bürgerbüros, im Schulverwaltungsamt, im Jugend- und Sozialamt vor Augen führe, um nur ein paar Beispiele zu nennen, dann frage ich mich, wann wird dieser Paragraph der Gemeindeordnung endlich umgesetzt. Die Fluktuation, die seit Jahren um die zehn Prozent beträgt, in einigen Ämtern auch noch höher ausfällt, macht mehr als deutlich, dass was faul ist. Sicher gibt es für Fluktuation unterschiedliche Ursachen, aber in dieser Höhe weist sie eindeutig darauf hin, dass entweder die Arbeitsbelastung unerträglich geworden ist oder/und dass es mit der Führungsqualität nicht zum Besten steht. Und das muss nicht der unmittelbare Vorgesetzte sein, sondern kann auch in ganz anderen Regionen schweben. Die PDS fordert deshalb, 200 Stellen über den Vorschlag der Verwaltung hinaus zu genehmigen. Dass es immer schwieriger geworden ist, Personal zu finden, bestreitet niemand. Neben den Einkommenserwartungen, die im öffentlichen Dienst wahrlich keine Begeisterungsstürme hervorrufen, liegt es vielleicht auch an dem Ruf der Arbeitssituation bei der Stadt Stuttgart. Deshalb kommt der Nachwuchsgewinnung durch die eigene Ausbildung eine große Bedeutung zu. Es liegt ein Antrag von mir vor, die Ausbildungsplätze im Einstelljahr 2002 um 25 und im Jahr 2003 um weitere 20 zu erhöhen. Die Zahlengrundlage ist aber das Einstelljahr 2000, nicht 2001.
Soweit die Schwerpunkte der PDS für den Haushalt 2002/2003. Alle Themen, die uns in dieser Stadt bewegen, konnten wir in der Kürze weder an- noch ausdiskutieren, und alles, was wir an Anträgen gestellt haben, haben Sie nicht wiedergefunden.
Zum Schluss will ich noch auf einen Antrag hinweisen, der nicht haushaltsrelevant ist, mir aber sehr am Herzen liegt. Der furchtbare Anschlag am 11. September traf unschuldige Menschen. Kinder blieben an diesem Abend in den Kindergärten und -tagheimen zurück, weil niemand mehr da war, um sie abzuholen. Weltweit gab es Solidarität mit den Opfern und Hinterbliebenen, Spenden und Benefizveranstaltungen. Auch wenn Geld nicht die Wunden heilen kann, so hat diese Solidarität den Hinterbliebenen aus ihrer finanziellen Not geholfen. Not gibt es aber auch seit den Militäraktionen in Afghanistan, Not bei unschuldigen Zivilisten, und wieder sind es Kinder, die am meisten unter Angst und Not zu leiden haben. Unbenommen, wie jede und jeder Einzelne von Ihnen zu den Bombardements stehen mag, muss den Flüchtlingskindern in Afghanistan geholfen werden. Ich bitte Sie, unabhängig von Weltanschauung und Parteibuch, meinen Antrag auf Überweisung von 15 000 Mark auf das Konto des UNO Kinderhilfswerkes UNICEF für eine notwendige humanitäre Hilfsaktion zu unterstützen."
Im Anschluss an die Allgemeine Aussprache ergreift EBM
Dr. Lang
das Wort. Er betont nochmals, es sei angesichts der Verschlechterungen unumgänglich, bei allen Ausgaben einen strengen Maßstab anzulegen und sich um größtmögliche Ausgabendisziplin zu bemühen. Die gestellten Anträge hätten deutlich gemacht, dass in wesentlichen und wichtigen Fragen der Stadtpolitik unterschiedliche Positionen bestünden. Letzterem wird von StR
Kanzleiter
widersprochen; er hebt die hohe Übereinstimmung über die Prioritäten hervor. Unterschiede gebe es lediglich bei der Frage, in welchem quantitativen Umfang diese Ziele umzusetzen seien.
Den Vorwurf von EBM
Dr. Lang
aufgreifend, die SPD-Gemeinderatsfraktion habe den bisherigen Konsens verlassen, Erträge aus Energieverkäufen nicht für Investitionen einzusetzen, bittet StR
Kanzleiter
, den Vorschlag der SPD-Gemeinderatsfraktion zur Vorfinanzierung der prioritär notwendigen Aufgaben ernsthaft zu prüfen und auch darzulegen, wo der Unterschied bestehe beispielsweise zwischen der Galerie am Kleinen Schloßplatz und den Kindertagesstätten. Bei beiden handle es sich seiner Ansicht nach um Einrichtungen investiver Natur.
EBM
Dr. Lang
bedauert, den Appell von StR Föll, beim Deutschen Städtetag für die Abschaffung der Gewerbesteuer und die Einführung einer Kommunalsteuer einzutreten, nicht aufgreifen zu können. Er legt die Gründe dar, aus denen er dies für einen falschen Weg hält. Er sei jedoch gerne bereit, sich vertieft mit der Frage der Reform des Gemeindefinanzsystems auseinander zu setzen, sobald sich die im Deutschen Städtetag bereits in Gang gekommene Diskussion durch Vorschläge aus dem Bereich der Wirtschaft und der Industrie weiterentwickelt habe.