Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
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GZ:
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Sitzungstermin: 20.10.2005
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Schuster
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Huber-Erdtmann
Betreff: Allgemeine Aussprache über den Doppelhaushaltsplan-Entwurf 2006/2007

Beratungsunterlagen sind der Entwurf des Doppelhaushaltsplans 2006/2007 sowie die weiteren dem Gemeinderat zu den Haushaltsplanberatungen vorliegenden Unterlagen <siehe Sitzung des Gemeinderats vom 06.10.2005, Niederschrift Nr. 230>.


Zum Entwurf des Haushaltsplans 2006/2007 werden folgende Anträge eingebracht:

CDU-GemeinderatsfraktionNrn. 299 - 344 sowie Nr. 507
SPD-GemeinderatsfraktionNrn. 345 - 381
Gemeinderatsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNENNrn. 382 - 417
Gemeinderatsfraktion Freie WählerNrn. 418 - 436 sowie Nr. 516
FDP-GemeinderatsfraktionNrn. 437 - 457
Gemeinderatsgruppe DIE REPUBLIKANERNrn. 458 - 478 sowie Nrn. 512, 513 und 514
StRin Küstler (DIE LINKE.PDS)Nrn. 479 - 498
StR Rockenbauch (SÖS)Nrn. 499 - 506


Die Anträge sind dem Originalprotokoll sowie der Ausfertigung für die Hauptaktei beigefügt.


Die Redebeiträge zur Allgemeinen Aussprache folgen nachstehend im teilweise redigierten Wortlaut.


StR Uhl (CDU):

"'Der Haushalt hat die Aufgabe, die zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Ausgaben festzusetzen und die dazu benötigten Finanzierungsmittel zu beschaffen', so heißt es schlicht und ergreifend im Lehrbuch zur Funktion des Haushaltsplans. Diesen so einfach klingenden Satz zu beherzigen, fällt aber in der Realität nicht immer leicht. Denn die Aufgaben sind vielfältig, und das, was wünschenswerterweise zu erledigen ist, kann schnell die vorgegebenen Budgetgrenzen sprengen.

So hat auch der Erste Bürgermeister Michael Föll bei der Einbringung des Haushalts 2006/2007 vor zwei Wochen in den Gemeinderat mit seiner Aussage 'Der Schuldenabbau hat weiterhin Priorität' eine klare Zielvorgabe gesetzt, der es nach Meinung der CDU-Fraktion nicht nur zu folgen, sondern die es nach Kräften zu unterstützen gilt. Die Gefahr, die Budgetgrenzen zu überschreiten, verringert sich damit deutlich.

Die eigentliche Zuführungsrate vom Verwaltungshaushalt an den Vermögenshaushalt hätte bei einem strukturell gesunden Verwaltungshaushalt von rund 2 Mrd. € 150 Mio. € betragen müssen - minus 16,6 Mio. € sind Realität. Immerhin, ein wenig Hoffnung und zurückhaltenden Optimismus verheißen die Prognosen für die Zuführungs-raten in den Jahren 2007 bis 2009 in der Größenordnung von 80 Mio. € jährlich.

Hoffnung auf Besserung der finanziellen Situation der Städte und Ge-meinden dürfen wir uns auch durch die Regierungsbeteiligung der CDU/CSU in Berlin machen. Ordentliche Rahmenbedingungen für ein gutes wirtschaftliches Klima bei den notwendigen Investitionen in die Infrastruktur sind für die Kommunen wesentlich - ich meine, es besteht begründete Hoffnung für die Zukunft. Meine Damen und Herren, Sie wissen, man muss immer das Beste hoffen; das Schlimme kommt von ganz alleine.

Dennoch ist der Haushalt an sich nicht auf dem Prinzip Hoffnung zu erstellen. Das war in Stuttgart unter christdemokratischer Führung noch nie der Fall. Vielmehr bewegt sich die Stadt bereits seit Anfang der neunziger Jahre auf einem konsequenten Entschuldungskurs, der zur mittelfristigen Entschuldung bis zum Jahr 2010 führen soll.

Unter diesen Prämissen hat die CDU-Fraktion in den vergangenen Wochen ihre internen Haushaltsberatungen geführt. Sie hat es sich nicht leicht gemacht bei der Aufstellung ihres politischen Maßnahmenkatalogs für die Jahre 2006/2007 und darüber hinaus. Denn wir lehnen eine über die von der Verwaltung vorgeschlagene interne und externe Kreditfinanzierung und ein über den vorgesehenen Zugriff auf Rücklagen hinausgehendes Investitionsvolumen ab. Von daher ist der politische Handlungsrahmen eng gesteckt, aber es gehört für uns zur finanzpolitischen Vernunft, den eingeschlagenen Sparkurs beizubehalten und demzufolge Haushaltsanträge mit konkreten Deckungsvorschlägen gegenzufinanzieren. Das bedeutet in der Konsequenz, dass die von uns ins Auge gefassten Investitionsmaßnahmen nur in der Abhängigkeit von der Durchsetzung der erarbeiteten Einsparungsmaßnahmen realistisch sind.

Wenn die anderen Fraktionen dieselben Maßstäbe an ihr haushaltspoliti-sches Handeln anlegen, bin ich einmal mehr nicht nur der Hoffnung, dass wir einen soliden Haushalt zum langfristigen Wohl der Bürgerinnen und Bürger, einschließlich der kommenden Generationen, aufstellen können. Wie sagte doch Karl Popper: 'Optimismus ist Pflicht.'

Viel Optimismus verlangt uns auch das Klinikum Stuttgart ab. Mit der Erarbeitung eines Sanierungskonzeptes wurde zwar der erste Schritt getan, alles hängt aber jetzt von der konsequenten Umsetzung dieser Maßnahmen ab. Die eingeleiteten Maßnahmen greifen, und hier gilt mein ausdrücklicher Dank allen Beteiligten, vor allem auch dem Gesamtpersonalrat Klinikum, der sich über die Maßen eingebracht hat und das Sanierungskonzept mitträgt. Das Sanierungs- und Finanzierungskonzept des Klinikums Stuttgart ist ambitioniert. Ich warne jedoch die Mutlosen, voreilig Konzepte in Frage zu stellen, Hürden aufzubauen, die Mitarbeiter zu verunsichern und damit das Projekt insgesamt zu gefährden. Die Landeshauptstadt Stuttgart stellt dem Klinikum Eigenmittel in der Höhe von 51 Mio. € zur Verfügung und überlässt dem Klinikum Grundstückserlöse in der Größenordnung von ca. 95 Mio. €, insgesamt also ca. 145 Mio. €.

Wir erwarten, dass sich das Land mit ca. 520 Mio. € an der Finanzierung beteiligt. Die Finanzierungslücke von etwa 140 Mio. € muss durch das Klinikum geschlossen werden. Ich habe keine Sorge, dass die Verantwortlichen eine wirtschaftlich tragfähige Lösung finden werden. Die CDU-Fraktion jedenfalls ist nicht bereit, die aufgestellten Prämissen der Finanzplanung aufzukündigen.

Zurück zum Stadthaushalt und der Haushaltspolitik der CDU-Fraktion: Grundsätzlich begrüßt die CDU-Fraktion die Vorschläge der Verwaltung zur Mittelverwendung mit einem Volumen für Neuinvestitionen von 170 Mio. €. Wir unterstützen auch den wesentlichen Eckpunkt des Etatentwurfs - die Auflösung der Rücklage in Höhe von 40 Mio. € für die Filderauffahrt der B 312. Dazu sind wir bereit, weil die Bundesstraße von der bisherigen Mehrheit von Rot-Grün in Berlin aus dem Bundesverkehrswegeplan herausgenommen worden ist und weil das Straßenstück auch auf absehbare Zeit, realistisch gesehen, keine Chance auf Verwirklichung hat. Dennoch hält die CDU im Grundsatz an der Umsetzung der dringend notwendigen Verkehrsbaumaßnahme mit der Südumfahrung Hedelfingen und der Ostumfahrung Riedenberg fest - zur nachhaltigen Verkehrsentlastung der betroffenen Anwohner in Hedelfingen, Rohracker und Riedenberg. Richtig ist vor diesem Hintergrund deshalb, dass diese Mittel zu einem guten Teil jetzt für anderweitig dringende Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen in Stuttgart eingesetzt werden.

Lassen Sie mich damit zu den von der CDU-Fraktion beabsichtigten Investitionen und deren Finanzierungen überleiten.

· Zur Finanzierung der von uns vorgeschlagenen Maßnahmen in den unterschiedlichen Bereichen haben wir Einsparungen aus der sogenannten 'grünen Liste' vorgenommen sowie Kürzungen bei Förderungen bestimmter Institutionen zugunsten anderer Institutionen errechnet, immer dort, wo es sinnvoll und sozial verträglich ist.

· Darüber hinaus haben wir Einsparungsvorschläge mit einem Gesamtvolumen von 5,5 Mio. € erarbeitet. Lassen Sie mich die wesentlichen Posten dieser Streichungen näher erläutern. So ist beispielsweise das städtische Förderprogramm namens Energiesparprogramm etwas durchaus Lobenswertes. Wenn aber die Nachfrage nach Fördermitteln aus diesem Topf so gering ist, dass sie nur zu einem kleinen Teil abgeschöpft werden - möglicherweise, weil die Menschen angesichts steigender Energiepreise, Förderprogramm hin oder her, ohnehin energiesparende Gebäudeausbauten vornehmen -, dann hat das Programm nur noch einen Mitnahmeeffekt, was dessen Existenzberechtigung zumindest hinterfragen lässt. Wir fordern deshalb eine Kürzung der Mittelausstattung für das Programm um 1 Mio. €.

Ich möchte an dieser Stelle auch ausdrücklich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung danken, denn sie haben seit 1990 - seit der Haushaltskonsolidierung - einen großen Teil der notwendigen Sparmaßnahmen mitgetragen. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben in dieser Zeit ihr Bestes gegeben. Auf den Jubilarfeiern, die wir alljährlich durchführen, bekommt man auch mit, wie viel Herzblut sie tatsächlich an ihrem Arbeitsplatz einsetzen und wie sie mit Herzblut 25 und 40 Jahre in dieser Stadtverwaltung gearbeitet haben. Deswegen mein herzlicher Dank an die vielen tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Stadtverwaltung, die für die Bürger in dieser Stadt eine wirklich ansprechende und gute Leistung erbringen. Und wenn auch in diesem Haushalt wieder das Personal seinen Teil beitragen muss, um Investitionen tätigen zu können und diese Stadt im Schuldenabbau voranzubringen, dann möchte ich ausdrücklich Dank sagen und Sie auffordern, weiter an diesem Projekt mitzuarbeiten.

Kürzen nicht um des Kürzens willen, sondern nur da, wo es sinnvoll und notwendig ist - davon sind wir ausgegangen, um an anderer Stelle sinnvollere und dringendere Investitionen für die Bürgerinnen und Bürger Stuttgarts vornehmen zu können. Diese Investitionen sollen überwiegend dezentral, d. h. vor Ort in den Stadtbezirken, dort, wo die Menschen ihren Lebensmittelpunkt haben, zu Verbesserungen in der Lebensqualität führen: in den Bereichen Schule und Bildung, beim Sport, in den Familien-einrichtungen und Begegnungsstätten, in den sozialen Einrichtungen und bei der Verkehrsinfrastruktur.

Unsere Investitionsschwerpunkte liegen mit einem Gesamtvolumen von ca. 125 Mio. €. in den Bereichen Schule, Bildung, Familien und Kinder. Für den Verkehr haben wir Investitionen vorgesehen in der Größenordnung von 80 Mio. €. Diese sind, wie gesagt, alle gegenfinanziert oder durch den Verwal-tungsvorschlag gedeckt.


Schule und Bildung

- Bei den allgemeinbildenden Schulen wie der Steinbachschule in Vai-hingen, den Grundschulen im Burgholzhof und in Zazenhausen sind dringende Erweiterungsbauten in Angriff zu nehmen, um den mit der zusätzlichen Wohnbebauung einhergehenden erhöhten Schülerzahlen und dem größeren Raumbedarf gerecht zu werden. Dringender Sanierungs- und Erweiterungsbedarf besteht auch bei der Linden-Realschule und dem Wirtemberg-Gymnasium in Untertürkheim sowie bei der Wilhelmschule in Wangen - Investitionen, die sich auf 11,5 Mio. € belaufen. Unterstützen wollen wir auch das Dillmann-Gym-nasium mit einem Zuschuss in Höhe von 750.000 €. Es hat bereits in vorbildlicher ehrenamtlicher Leistung 2,25 Mio. € an Eigenmitteln für den Bau der Schulaula gesammelt. Dieses Engagement wollen wir honorieren.

- Aber auch im Sonderschulbereich wie bei der Bodelschwinghschule in Möhringen wollen wir Mittel für Sanierungsarbeiten einstellen. Die dringend notwendige Sanierung des Sanitärbereiches wollen wir in Angriff nehmen und den Verbindungsflur zum Neubau herstellen.

- Ebenso sollen an beruflichen Schulen notwendige Sanierungen in Höhe von 5 Mio. € durchgeführt werden.

- Für noch nicht bewilligte IZBB-Maßnahmen beantragen wir 5 Mio. €, um die notwendige Ganztagesbetreuung schrittweise umzu-setzen. Und wir hoffen natürlich auch weiterhin auf eine angemessene Beteiligung des Landes Baden-Württemberg.

- Die Planungen für eine Schule für Gesundheit und Pflege müssen vorangetrieben werden.

- Hinzu kommen Sanierungen von Schulaußenanlagen, Turn- und Versammlungshallen, die insbesondere dem Schulsport dienen - in einer Größenordnung von über 6 Mio. €.


Kinder, Familien und Betreuung

- Ein wichtiges Anliegen im Kontext der Thematik 'Kinderfreundliche Stadt' und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist der Ausbau der Kindertageseinrichtungen. Wir beantragen deshalb Investitionszu-schüsse in Höhe von 5 Mio. €. Das bedeutet für uns beispiels-weise auch, dass Mehreinnahmen aus Gebührenerhöhungen der Sprachförderung und der Ausweitung des Betreuungsangebots für Kinder unter drei Jahren zugute kommen.

- 'Einstein in der Kita' und 'Schulreifes Kind' sind Projekte, die wir unterstützen wollen.

- Die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist auch ein wirt-schaftspolitisches Thema ersten Ranges, und dies nicht nur wegen des sich abzeichnenden Fachkräftemangels, sondern auch wegen des bereits begonnenen Kampfes der Städte um Einwohner. Wenn Eltern in einer Stadt ein gutes Kinderbetreuungsangebot vorfinden, erhöht das die Attraktivität dieser Stadt, auch für potenzielle Neubür-ger, und es erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die in der Regel gut ausgebil-deten Mütter und Väter in ihrem Job bleiben.

- Wir sind, wie zuvor angesprochen, kritisch und mit vertiefenden Dis-kussionen an die Investitionsvorschläge der Verwaltung herangegan-gen. Und so sind wir etwa im Bereich der Kinderspielplätze nicht den Vorschlägen der Verwaltung gefolgt, sondern haben einige der vorge-schlagenen Totalsanierungen nach eingehender Besichtigung vor Ort nicht für notwendig befunden. Wir schlagen deshalb vor, dass die so-mit eingesparten Mitteln in Höhe von 250.000 € in die Erneuerung von Spielgeräten bei einer großen Anzahl von Spielplätzen investiert werden.


Verkehr

- Dasselbe gilt für Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen. Auch hier haben wir eigene Akzente gesetzt für Projekte, die über die 'grüne Liste' hinausgehen. Beispiele hierfür sind Kreisverkehre in der Verdi-/Furtwänglerstraße in Botnang, am Wilhelmsplatz in Stuttgart-Mitte und an der Scharnhauser-/Dreifelderstraße in Plieningen. Selbst-redend ist für uns, dass Lösungen zur Verbesserung der Verkehrssituation für die vom Wegfall der Filderauffahrt B 312 betroffenen Menschen gefunden werden - auch wenn diese eben nur als suboptimale Alternativen zu besagtem Verkehrsprojekt gelten könnte. Den Rückbau der Rohrackerstraße und die Umgestaltung des Hedelfinger Platzes unterstützen wir mit Nachdruck.

- Auch die Verbesserung des Radverkehrsnetzes als Bestandteil des gesamten Verkehrswegenetzes gehört zu den von uns vorgeschlage-nen verkehrlichen Maßnahmen. Wir beantragen deshalb den Ausbau des Neckarradweges.


Sport

- Die Sportvereine leisten eine hervorragende Arbeit, insbesondere auch als Schnittstelle von Jugendförderung, Stärkung der Sozialkom-petenz und zukünftig vermehrt auch in der qualitätsvollen Nachmit-tagsbetreuung. Für Umbaumaßnahmen haben wir deshalb über 3,5 Mio. € eingestellt für die Vereine HTC Stuttgarter Kickers, SG Untertürkheim, TSV Zuffenhausen, FC Feuerbach, SV Prag, PSV Stuttgart, das Eissportzentrum Waldau und nicht zuletzt die Bezirkssportanlage in Degerloch.


Senioren

- Der Themenkomplex 'Ältere Menschen in Stuttgart' stellt einen weite-ren großen gesellschaftspolitischen Bereich dar, dessen Bedeutung aufgrund des demographischen Wandels weiter zunehmen wird. Dem verschließen wir uns nicht, sondern wir wollen wichtige Planungen und Maßnahmen finanziell unterstützen, insbesondere mit der Zielsetzung, dass ältere Menschen möglichst lange selbstbestimmt wohnen können. Weiterbildung etwa durch Hörbücher bei der Stadtbücherei oder die Altenbildungsarbeit im Treffpunkt Senior sind uns wichtig. Das praktizierte unmittelbare Miteinander von Alt und Jung wie im Luise-Schleppe-Haus in Stammheim oder in den Generationen-häusern der Rudolf Schmid und Hermann Schmid-Stiftung ist für uns auch aus gesellschaftspolitischer Sicht sehr wertvoll.


Jugend und Soziales

- Damit bin ich beim Thema Jugend und Soziales, womit sich im enge-ren Sinn immerhin acht unserer Anträge befassen: das Projekt Schulsozialarbeit, das Anti-Gewaltprogramm STOP, sozialpädagogische Angebote für jugendliche Spätaussiedler, die Sucht- und Drogenhilfe bis hin zur Schuldnerberatung und zu familienentlastenden Diensten. Der CDU ist die soziale Komponente in unserer Stadt für ein gutes Miteinander ein wichtiges Anliegen, denn soziale Kälte zerstört ein intaktes zwischenmenschliches Klima in der Stadt. Wir beantragen deshalb für diese vielfältigen Projekte Mittel in Höhe von ca. 2,5 Mio. €.


Kultur

- Stuttgart ist weithin bekannt und berühmt für sein hochwertiges kulturelles Angebot. Dies soll auch so bleiben. Wir beantragen deshalb in diesem Gesamtkomplex, bestehend aus Medien, 'Interkultur', Theater und Musik - Feuerwehrmusik wie auch Jazz - Fördermittel in Höhe von rund 750.000 €.

Es liegt mir fern, Ihnen jede einzelne unserer beantragten Investitionen darzulegen - diese können in unseren ausliegenden Haushaltsanträgen nachgelesen werden. Wichtig erscheint mir, die Schwerpunktsetzung der CDU-Fraktion in den Haushaltsberatungen verdeutlicht zu haben - zum einen das Themengebiet Schule, Bildung und Kinderbetreuung und zum anderen das Themengebiet Verkehr. Letzteres lässt sich weniger in der Anzahl der einzelnen Maßnahmen als vielmehr in seinem Finanz-volumen insgesamt erkennen.

Die CDU-Gemeinderatsfraktion hat eine in sich ausgewogene und schlüssige Gesamtkonzeption für die politische Rahmengestaltung in der Landeshauptstadt Stuttgart erarbeitet - damit geht sie selbstbewusst in die Beratungen des Doppelhaushalts 2006/2007.

Ich hoffe, es gelingt, einen dem eingangs zitierten Satz aus dem Haushaltslehrbuch entsprechenden Haushaltsbeschluss im Dezember zu erreichen. Wir alle haben die Verantwortung, gemeinsam einen zukunfts- und tragfähigen, das heißt an den Realitäten orientierten Haushaltsplan zu beschließen - zum Wohle der Stuttgarter Bürgerinnen und Bürger.

Lassen Sie mich schließen mit einem Satz aus der Haushaltsrede von 1995, der noch immer Gültigkeit hat, einem Satz, den damals meine sehr geschätzte ehemalige Kollegin Ingrid Ritter in ihrer Haushaltsrede gebraucht hat. Dieser Satz lautete:

'Die Zukunft gehört denen, die der nachfolgenden Generation Grund zur Hoffnung geben.'

Dies sollte unser aller gemeinsames Ziel in diesen Haushaltsberatungen 2006/2007 sein."


StR Reißig (SPD):

"I. Einführung

'Allmächtig ist doch das Geld', hat Friedrich Schiller einmal gesagt. Es wird Sie nicht überraschen, dass wir als Stuttgarter Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten zwar ausdrücklich nicht Anhänger dieser Weltanschauung sind. Aber natürlich legen wir mit dem städtischen Doppelhaushalt 2006/07 den entscheidenden finanziellen Grundstein für die kommunalpolitische Entwicklung der Landeshauptstadt in den nächsten zwei Jahren. Die SPD wird sich dieser Verantwortung stellen.

Auch die jüngste Bürgerumfrage in Stuttgart zeigt ja wieder: Die Menschen leben gerne hier und sie fühlen sich wohl. Stuttgart braucht deshalb keine verbissene und oft von Peinlichkeiten geprägte Suche nach einem künstlichen Image. Nein, Stuttgart ist die Stadt der Tüftler und Denker, die Stadt der Mobilität und der Internationalität, natürlich die Stadt zwischen Wald und Reben und eine Stadt mit einem unbeschreiblichen Reichtum in Kultur und im Sport.

Stuttgart ist nach wie vor das Herz einer der wirtschaftlich und finanziell stärksten Regionen in Europa. Diese Stärke ist vor allem den Hunderttausenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern dieser Stadt und dieser Metropolregion zu verdanken, denn sie schaffen die Produkte und Dienstleistungen, die oft in Europa oder gar weltweit führend sind. Hier liegt die Grundlage unseres Fortschritts und auch unseres nach wie vor hohen Wohlstandsniveaus - und deswegen muss die Politik dieser Stadt darauf ausgerichtet sein, dass dieses Fundament so stark bleibt und weiter gestärkt wird, denn der globalisierte Wettbewerb geht, wie wir leidvoll erfahren, auch am Standort Stuttgart nicht vorbei. Wir nehmen unternehmerische Entscheidungen, wie den geplanten Abbau von 1.100 Stellen bei DaimlerChrysler in Untertürkheim, die befürchtete Schließung des Omnibuswerks Neoplan in Möhringen oder auch die viel zu hohe Jugendarbeitslosigkeit von über 10 % in Stuttgart mit Sorge zur Kenntnis. Dies zeigt: Wir dürfen trotz eingeschränkter Handlungsmöglichkeiten der Kommunalpolitik nicht die Hände in den Schoß legen oder allein auf den Markt setzen, sondern auch wir müssen unserer Verantwortung gegenüber den arbeitenden Menschen in dieser Stadt gerecht werden.

Dafür sind in den nächsten Jahren auf vielen Feldern der Kommunalpolitik weiterhin große Anstrengungen erforderlich. Das betrifft Investitionen in harte Standortfaktoren wie die Wohnraumversorgung und die Verkehrsinfrastruktur, das betrifft vor allem aber die sogenannten weichen Standortfaktoren wie hervorragende Bildungs- und Ausbildungsinstitutionen, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie funktionsfähige und vor allem auch bezahlbare Einrichtungen in der Daseinvorsorge.

Die SPD hat in der Vergangenheit ganz wesentlich dazu beigetragen, dass die Weichen in Stuttgart richtig gestellt wurden. Wir wollen fortführen, was wir begonnen haben. Zunächst möchte ich aber ein paar Worte sagen zur finanziellen Situation und zum vorgelegten Doppelhaushalt.


II. Finanzielle Grundsätze

Wir, die SPD, stehen für eine Haushaltspolitik, die dem Prinzip der Nachhaltigkeit verpflichtet ist. Wir dürfen heute nicht vervespern, was späteren Generationen zusteht. Deshalb haben wir den Konsolidierungskurs in den vergangenen Jahren mitgetragen und deshalb sehen wir ihn auch weiterhin als Grundlage unserer Politik an.

Herr Erster Bürgermeister, Sie haben bei der Haushaltseinbringung auf Zumutungen von Bund und Land für die Städte und Gemeinden hingewiesen, und da kann ich Ihre Worte nur unterstreichen. So werden etwa im Zuge von Hartz IV die Entlastungen beim Wohngeld nur zu einem Bruchteil vom Land Baden-Württemberg an die Kommunen weitergeleitet. Allein dadurch fehlen uns im Verwaltungshaushalt 9 Mio. €.

Der Kurs in Stuttgart hat gleichwohl dazu geführt, dass wir hier handlungsfähig sind. Die Pro-Kopf-Verschuldung kann sich im Vergleich zu anderen Großstädten sehen lassen. Und wir haben in den letzten Jahren Haushaltsüberschüsse erwirtschaftet, die zu einem erheblichen Schuldenabbau geführt haben. Dadurch haben wir in Stuttgart heute auch die große Möglichkeit, Investitionen zu tätigen, die Arbeitsplätze, Wohlstand und soziale Sicherung gewährleisten, denn was wir genauso wenig brauchen wie einen Haushalt auf Pump, ist ein Einsparkurs, der sich gegenüber den anstehenden Erfordernissen Scheuklappen auferlegt. Wir haben dringende Aufgaben, die wir in jedem Fall wahrnehmen müssen und die wir eben nicht als Bugwelle vor uns herschieben können - denken wir nur an den Sanierungsstau bei städtischen Gebäuden. Und wir haben neue gesellschaftspolitische Aufgaben, die wir erfüllen müssen, etwa bei der Bildung und der Betreuung.

Deshalb sagen wir: Wenn wir 2006 die Verschuldung nicht in dem Maße herunterfahren können wie in den vergangenen Jahren, dann können wir dies guten Gewissens und ohne Wehklagen hinnehmen. Vor diesem Hintergrund will ich fünf Punkte nennen, die uns bei der Finanzierung des Haushalts wichtig sind.


1. Eine Politik des Rasenmähers lehnen wir ab.


2. Die Finanzverwaltung darf sich nicht vor ihrer Verantwortung drücken.


3. Wir wollen Finanzierungszuschüsse konsequent abrufen.


4. Für uns ist klar: Eine Erhöhung der Gewerbesteuer kommt derzeit nicht in Frage.


5. Wir freuen uns über den Erkenntnisgewinn in Sachen Filderauffahrt.


III. Das SPD-Programm

Die SPD legt ein Haushaltsprogramm vor, das an die Erfolge der letzten Jahre anknüpft und gleichzeitig auf der Höhe der Zeit ist. Mit unserem Programm wollen wir Arbeit und Wohlstand, sozialen Zusammenhalt und ein selbstbestimmtes Leben in einer vielfältigen und liebenswerten Stadt mit einer gesunden Umwelt sichern. Der Schwerpunkt unserer Haushaltsanträge liegt dabei auf dem Ausbau von Bildung, Betreuung und Qualifizierung.


1. Bildung und Betreuung

Unsere Industrie, das Handwerk, Handel und Dienstleistungsbranchen sind auf qualifizierte Arbeitskräfte angewiesen. Menschen ohne Ausbildung haben in der Zukunft nur noch geringe Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Deswegen ist alarmierend, dass fast 20 % eines Jahrgangs in Stuttgart die Schule ohne oder mit einem unzureichenden Abschluss verlassen. Unser Ziel heißt: Kein junger Mensch soll künftig ohne Ausbildung sein. Deshalb investieren wir in die Köpfe der jungen Leute.

A. Berufliche Schulen

Die SPD drängt darauf, dass die Stadt ihre Verantwortung als Träger der Berufsschulen optimal wahrnimmt. Durch steigende Schülerzahlen und den wachsenden Bedarf an Ausbildungsberufen ist bis zum Jahr 2002 bei den beruflichen Schulen ein ungedeckter Schulraumbedarf von 25.000 m² entstanden. Dazu kommt, dass viele Berufsschulgebäude dringend sanierungsbedürftig sind.

Diese Situation wollen wir nicht akzeptieren. Wir wollen, dass in Stuttgart kein Jugendlicher auf der Straße stehen muss, nur weil die Stadt nicht ausreichend Schulräume zur Verfügung stellt. Wir beantragen deshalb ein Investitionsprogramm für Modernisierungen an unseren beruflichen Schulen in Höhe von 5 Mio. €.

Im Rahmen der Haushaltsberatungen muss außerdem, dies ist uns ganz wichtig, die Standortentscheidung für das neue Berufsschulzentrum für die Schule für Gesundheit und Pflege und die Hauswirtschaftliche Schule fallen. Wir freuen uns, wenn unser Vorstoß, den wir gemeinsam mit der CDU unternommen haben - beste Grüße nach Berlin an dieser Stelle! -, nun zu Ergebnissen führt. Immerhin handelt es sich um ein Projekt in der Größenordnung von 50 Mio. €. Zwar stehen bei diesen Beratungen nur die Planungskosten an - die übrigens bisher viel zu gering veranschlagt wurden -, aber wir sagen, wir wollen bis spätestens in zwei Jahren auf Baustelle sein.

B. Allgemeinbildende Schulen

Der Sanierungsstau an den beruflichen Schulen findet seine Entsprechung an den allgemeinbildenden Schulen. Bereits im letzten Doppelhaushalt haben wir hier einen Pflock eingeschlagen und dadurch viele Schulen und Turnhallen auf Vordermann gebracht. Wir wollen nun nicht auf halbem Wege stehen bleiben und fordern eine Modernisierungsoffensive von 23 Mio. €, um nur die größten baulichen Mängel zu beheben. Wir wollen die Schulen in die Lage versetzen, mit einer guten räumlichen Ausstattung die dringend notwendigen neuen Wege in der Bildung einzuschlagen.

Generell verlangen wir allerdings von der Verwaltungsspitze eine Lösungsstrategie, wie sie den über zig Jahre hinweg vernachlässigten Bauunterhaltungen und der überbordenden Bugwelle bei der Gestaltung von Außenanlagen an Schulen beikommen will. In der sogenannten roten Liste der Fachverwaltung sind mittlerweile Wunschmaßnahmen von sage und schreibe 67 Mio. € verzeichnet - ohne jeglichen Abarbeitungsvorschlag. Dieser Investitionsstau wird in jedem Haushalt höher, weil jeweils an der gleichen Stelle nichts geschieht. Wir erwarten klipp und klar von der Verwaltung, dass sie im Interesse der Schülerinnen und Schüler jetzt Sanierungsperspektiven aufzeigt.

Angesichts der enorm steigenden Anforderungen an den gesamten Lebensraum Schule wollen wir auch die flächendeckende Ausweitung von Schulsozialarbeit weiter anpacken. Wir gewährleisten die bisherige Stellenausstattung an den beruflichen und an den Hauptschulen und fordern hier drei weitere Stellen zusätzlich.

C. Ganztagesschulen

Ein Wort zu den Ganztagesschulen: Es hat ja auch im Stuttgarter Rathaus seine Zeit gedauert, bis der Oberbürgermeister und die Kolleginnen und Kollegen von der CDU es aufgegeben haben, Ganztagesschulen als Stiefkind zu behandeln. Die Pisa-Studie, viele Auseinandersetzungen im Gemeinderat und das für die ganze Republik segensreiche 4-Mrd.-Investitionsprogramm der rot-grünen Bundesregierung haben hier schließlich den Durchbruch gebracht.

Vom Förderprogramm des Bundes werden nach heutigem Stand 24 Stuttgarter Schulen mit einem Fördervolumen von 8 Mio. € profitieren. Wir erwarten nun, dass auch die Landesregierung nicht nur in Worten, sondern auch in Taten - und das heißt vor allem in Lehrerdepu-'Taten' - erkennen lässt, dass ihr der Ausbau dieser erfolgreichen Schulform wirklich am Herzen liegt.

Die SPD wird sich weiterhin für ein flächendeckendes Netz von Ganztagesschulen in Stuttgart einsetzen. Sie sind ein entscheidendes Angebot, um Eltern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. Und sie sind schlicht eine Notwendigkeit, um die Bildungschancen benachteiligter Bevölkerungsgruppen zu stärken.

D. Kinderbetreuung

Im Zentrum unseres Zukunftsprogramms steht der Ausbau hochwertiger Angebote bei Bildung und Betreuung für Kinder. Stuttgart leidet trotz der erheblichen Anstrengungen, die wir in den vergangenen Jahren unternommen haben, immer noch unter großem Nachholbedarf in der Kinderbetreuung. Das Ziel, die kinderfreundlichste Stadt zu werden, darf kein bloßes Etikett sein, hinter dem inhaltliche Weichenstellungen zurückbleiben. Deshalb wollen wir mit einem Millioneninvestitionsprogramm den Weg der letzten Jahre weitergehen.

Zum einen müssen wir die infrastrukturellen Voraussetzungen für eine bedarfsgerechte Betreuung schaffen. Wir stellen für Neubauten und Sanierungen von städtischen Kitas und Einrichtungen der freien Träger über 25 Mio. € zur Verfügung. Dabei werden wir, wie ich bereits angesprochen habe, darauf achten, dass es bei den Baumaßnahmen zu keinen Schmalspurlösungen kommt, die die pädagogische Qualität einschränken.

Zum zweiten fordern wir in der Kinderbetreuung einen Kraftakt zur Schaffung von Plätzen für Kinder unter drei Jahren. Wir freuen uns, dass sich inzwischen auch bei den konservativen Parteien langsam die Erkenntnis durchsetzt, dass die stark steigende Erwerbstätigenquote von Müttern eben nicht daran liegt, dass dies etwa Rabenmütter sind. Männer wie Frauen haben einen selbstverständlichen Anspruch auf die Ausübung ihres Berufs, und wir können auf gut qualifizierte Frauen im Wirtschaftsleben nicht verzichten. Dass es gerade in einer Großstadt oft auch der finanziellen Notwendigkeit geschuldet ist, Beruf und Familie miteinander verbinden zu müssen, will ich dabei ausdrücklich erwähnen.

Sage und schreibe 1.400 Kinder und ihre Eltern warten heute in Stuttgart vergeblich auf einen Krippenplatz. Wir haben hier einen Versorgungsgrad von gerade einmal 16 %. Die SPD will diesen Versorgungsgrad mittelfristig auf 30 % erhöhen und tut dazu in den nächsten Jahren einen wichtigen großen Schritt. Wir beantragen die Schaffung von 360 neuen Plätzen und wollen dafür über 3 Mio. € bereitstellen.

Zum dritten wollen wir in der pädagogischen Qualität einen Quantensprung in Angriff nehmen. Mit 'Einstein in der Kita' und der Sprachförderung im Kindergarten wurden in den vergangenen Jahren die Weichen für frühkindliche Bildung in Stuttgart richtig gestellt. Nicht zuletzt die Internationalität unserer Stadt - ein Drittel der Kinder kommt aus Migrantenfamilien - erfordert, aus diesem Erfolgsmodell nun eine flächendeckende Offensive zu machen. Wir werden darum kämpfen, dass die 4,5 Mio. € Mehreinnahmen durch die anstehende Kita-Gebührenerhöhung vollständig in die vorschulische Bildung investiert werden und nicht im allgemeinen Haushalt verschwinden.


2. Soziale Infrastruktur

Stuttgart hat eine soziale Infrastruktur, die es zu pflegen gilt. Stadt und sogenannte freie Träger bieten jungen Menschen Emanzipationsmöglichkeiten und Freizeitgestaltung, sie bieten Familien Hilfe- und Beratungsmöglichkeiten und sie bieten für die fortgeschrittenen Semester Sicherheit im Alter. Diese Daseinsfürsorge ist auch in Zukunft wichtig, damit es in unserer Stadt weiter menschlich zugeht, die Solidarität gewährleistet ist und der Standort Stuttgart attraktiv bleibt.

Um diese Infrastruktur aufrechtzuerhalten, wollen wir die seit 2003 bestehende Deckelung für die freien Träger aufheben und eine jeweils einprozentige Erhöhung der Zuschüsse in den nächsten beiden Jahren vornehmen, denn eine Beibehaltung dieser Deckelung würde unweigerlich zu Angebotseinschränkungen quer durch den Jugendhilfe-, den Gesundheits-, ja den ganzen sozialen Bereich führen. Wir wollen keinen derartigen Sozialabbau und sind daher bereit zu diesen moderaten Erhöhungen.

Im Rahmen der Unterstützung von Familien treten wir ein für eine Ausweitung der Mutter-Kind-Zentren und der städtischen Erziehungsberatung, denn eine kinderfreundliche Stadt entsteht logischerweise erst aus einer familienfreundlichen Stadt.

Die SPD steht für eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendarbeit in den Stadtteilen. Wir wollen in der offenen Jugendarbeit neue Jugendhäuser verwirklichen, wir wollen die Jugendverbände stärken und wir wollen die Landeskürzungen für die mobile Jugendarbeit auffangen. Und wir bleiben auch in diesem Haushalt bei unserem Grundsatz, in jedem Doppelhaushalt zwei Waldheime für die Kinderstadtranderholung zu sanieren. Hinzu kommt die Schaffung und Modernisierung von Spielplätzen. 'Kinderlärm ist Zukunftsmusik', wie der OB so schön zu sagen pflegt.

Was für den Zustand der Schulen und Kindertagesstätten gilt, gilt auch für die Alten- und Pflegeheime. Notwendige Heimsanierungen und die Schaffung von neuen Plätzen sind bei weitem noch nicht abgeschlossen, auch wenn wir teilweise etwas anderes in der Zeitung lesen. Wir beantragen den Bau des Pflegeheims im Fasanenhof und drängen auf die Realisierung von vier weiteren Heimprojekten im Rahmen der kommenden Haushaltsperiode.

Und zu einer gesunden sozialen Infrastruktur gehört insbesondere auch der Sport - und zwar in der Spitze wie in der Breite. Stuttgart ist in Anbetracht der hochkarätigen Sportveranstaltungen - allen voran die Fußball-WM - immer noch (oder wieder) eine Stadt des Spitzensports. Wir begrüßen es an dieser Stelle ausdrücklich, dass der VfB Stuttgart sich mit seiner Jugendakademie für den Standort Stuttgart entschieden hat. Deshalb tragen wir den zusätzlichen Sportstättenbedarf und die Verbesserung der Sportplatzsituation auch mit. Ob dies gleichwohl alles in diesem Doppelhaushalt finanziert werden kann, darüber wird man sich unterhalten müssen.

Stuttgart ist aber vor allem eine Stadt des Breitensports, aus dem die Spitze herauswächst. Wir stehen auch weiterhin für eine Modernisierung der Plätze von Sportvereinen. Angesichts neuer gesellschaftlicher Entwicklungen, Anforderungen durch immer mehr 'fitte Senioren' oder wachsende Integrationserfordernisse bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund ist es allerdings an der Zeit, den Sport in Stuttgart weiterzuentwickeln. Daher wollen wir das geplante Sportentwicklungsprogramm angehen. Und dazu gehört auch eine Forcierung der Talentförderung, für die wir uns jetzt mehr Unterstützung erhoffen, als das bei den letzten Beratungen der Fall war.


3. Integration

Ich habe es schon mehrfach erwähnt: Stuttgart ist eine internationale Stadt. Mehr als ein Viertel unserer Bevölkerung wurde im Ausland geboren. Wir brauchen in Stuttgart, nach unserer Überzeugung, keine Extremdiskussion zwischen Multikulti einerseits und Leitkultur andererseits. Stuttgart ist für ein insgesamt gut funktionierendes Zusammenleben von Menschen unterschiedlichster Herkunft und unterschiedlichster Kulturen seit Manfred Rommel ein wertvolles Vorbild. Toleranz, sozialer Friede und kulturelle Vielfalt sind angesichts der Globalisierung und angesichts eines sich erweiternden Europas riesige Standortvorteile. Unser Ziel ist es, dass dies so bleibt.

Dafür wollen wir die erfolgreichen Integrationsmaßnahmen ausbauen. Dazu gehört die bereits erwähnte Sprachförderung im Kindergarten, dazu gehören aber auch die stark nachgefragten städtischen Sprachkurse in Stadtteilen und Schulen für Erwachsene. Wir wollen eine erhöhte Förderung des Forums der Kulturen sowie des Deutsch-Türkischen Forums erreichen. Beide Institutionen bieten mit ihren bunten Aktivitäten wichtige Plattformen für kulturellen Reichtum und für Verständigung in dieser Stadt. Nachdem auch der Oberbürgermeister hier immer voll des Lobes ist, gehen wir davon aus, dass unser Vorschlag auf Zustimmung stoßen wird. Wir jedenfalls wollen dem hohen Anspruch, der durch die Preisverleihung der Bertelsmann-Stiftung gesetzt wurde, gerecht werden.


4. Wohnungsbau

Die Bevölkerungsentwicklung dieser Stadt wird neben der Arbeitsmarktentwicklung von der Chance abhängen, geeignete Wohnungen zu finden. Die Bereitstellung von bezahlbarem und attraktivem Wohnraum entspricht einem Grundbedürfnis der Menschen. Außerdem sind Bau und Sanierung von Wohnungen schlicht Wirtschaftsförderung und damit ein wichtiger Standortfaktor. Wir haben uns deshalb auf die Fahnen geschrieben, um jeden Einwohner zu kämpfen. Wir wollen bezahlbaren Wohnraum für alle in Stuttgart lebenden Familien, aber auch für Berufstätige, die nach Stuttgart wollen, für Studenten, Alleinstehende und alte Menschen. Allein wegen des steigenden Wohnraumbedarfs sind bis 2020 ca. 25.000 zusätzliche Wohnungen erforderlich. Zur Deckung des Bedarfs sind deshalb ein- bis zweitausend neue Wohnungen pro Jahr nötig.

Dies macht auch in Zukunft öffentlich geförderten Wohnungsbau notwendig. Konkret fordern wir pro Jahr 200 Wohnungen im sozialen Mietwohnungsbau, 130 Mietwohnungen für mittlere Einkommensbezieher, 150 Wohneinheiten im Programm 'Preiswertes Familienwohneigentum' und 220 Wohnungen im Rahmen des Familienbauprogramms.

Besonders wichtig ist uns dabei, unsere Eigentumsförderprogramme zu verbessern, damit mehr Familien die Möglichkeit haben, ihren Traum vom eigenen Häusle in Stuttgart - und nicht im Umland - zu verwirklichen. Dabei müssen wir berücksichtigen, dass für das Preiswerte Wohneigentum nicht genügend baureife städtische Grundstücke zur Verfügung stehen. Wir fordern deshalb: Die Stadtverwaltung erwirbt Grundstücke, insbesondere in Gebieten, wo eine Bestandsverbesserung erreicht werden soll, und gibt sie dann an Bauwillige ab. Finanzieren lassen sich die Kosten durch Grundstückserlöse beim Verkauf von SWSG-Besitz.

Stuttgarts Flächen sind bekanntlich knapp. Die Erschließung von Wohnbauflächen im Bestand hat daher für uns Priorität, oder anders gesagt: Innenentwicklung kommt vor Außenentwicklung. Deshalb werden wir uns für eine konsequente Nutzung der urbanen Wohnbaupotenziale auf Stuttgart 21, beim Güterbahnhof in Bad Cannstatt oder auf dem Killesberg nach dem Messe-Umzug einsetzen.

Das Energiesparprogramm im Wohnungsbereich wollen wir fortsetzen. Es hat sich bewährt und trägt zu einer nachhaltigen Entwicklung bei. Und zu einer angemessenen Wohnraumversorgung gehört ein attraktives Wohnumfeld. Daher wollen wir für die durch Lärm besonders geplagten Stadtbezirke Zuffenhausen und Bad Cannstatt Lärmminderungsmaßnahmen vorantreiben.


5. Stadtentwicklung

Eng mit der Wohnungspolitik hängt die Stadtentwicklungspolitik zusammen. Stuttgart steht hier wie andere Großstädte in einem Europa der offenen Märkte und Gesellschaften vor neuen Herausforderungen. Dazu kommt der erwähnte demografische Wandel. Wir wollen Stuttgart durch eine vorausschauende Stadtentwicklungsplanung auf die künftigen Veränderungen vorbereiten und dabei die wunderschöne, einzigartige Landschaft noch mehr als bisher zur Geltung bringen.

Das vorgelegte Stadtentwicklungskonzept zeigt dazu viele Entwicklungspotenziale auf. Wir beabsichtigen, in einem ersten Schritt in die aufgezeigten Leitprojekte einzusteigen. Das betrifft den Travertin-Park am Neckar sowie den Landschaftspark auf den Fildern. Dabei sind uns die Anregungen der Bürgerinnen und Bürger wichtig. Für die bestehenden Lokale-Agenda-Gruppen möchten wir deshalb die Fördergelder sichern.

Was den Radverkehr in Stuttgart betrifft, nehmen wir im Gegensatz zum Oberbürgermeister sein Grundsatzpapier ernst; wir wollen daher die Mittel zum Ausbau des Radwegenetzes auf 1,2 Mio. € verdoppeln. Der OB hat Recht, wenn er - wie am 16.09.2005 in der Cannstatter Zeitung zu lesen war - sagt: 'Es ist ein langer Weg, der da vor uns liegt, und es wird Zeit, dass wir in Sachen Rad in die Gänge kommen.' Wir hätten uns nur gewünscht, Herr Oberbürgermeister, dass Sie diesen Weg im Haushalt von Anfang an gefahren wären; auch, um vor der Rad-WM entsprechend zu investieren.

Neben zahlreichen Verkehrsoptimierungen in den Stadtbezirken wollen wir auch die drängenden Infrastrukturprojekte in der Innenstadt aufs Gleis setzen. Wir wollen in unser Schaufenster investieren, etwa durch die Instandsetzung der Oberen Königstraße, und auch die trennenden Verkehrsschneisen überwinden. Deshalb muss unser Gesamtkonzept für den City-Ring endlich auf den Weg gebracht werden. Dazu gehören neben Deckeln über die Konrad-Adenauer-Straße - sozusagen als erster Schritt zur 'Untertunnelung' - der Verkehrsversuch mit den beiden Fußgängerüberwegen über die Hauptstätter Straße und der Kreisverkehr am Wilhelmsplatz. Angesagt ist auch der Ausbau der Heilbronner Straße. Dies ist eine zentrale verkehrspolitische und auch wirtschaftliche Notwendigkeit.

Apropos wirtschaftliche Notwendigkeit: Nach dem gelungenen Spatenstich für die Neue Messe stehen in den kommenden Jahren weitere große Herausforderungen wie die Entscheidung zu Stuttgart 21, die Nachnutzung des Messegeländes auf dem Killesberg durch Wohnen und Wissenschaft und die Bebauung des Güterbahnhofgeländes auf der Tagesordnung. Auch die Planungen für die Bibliothek 21 und unser Stadtmuseum müssen voranschreiten, damit wir auch in Zukunft wissen, woher wir kommen und wohin wir gehen. Die Bauentscheidung für die Bibliothek hängt dabei bekanntlich mit der positiven Entscheidung für Stuttgart 21 zusammen.

Die SPD wird alles dafür tun, dass durch all’ diese Projekte Arbeitsplätze, Wohlstand und ein glückliches Gemeinwesen gesichert und gemehrt werden. Lassen Sie mich aber angesichts der Finanzdimensionen noch auf ein Thema speziell eingehen, das uns unter den Nägeln brennt, und das ist die Situation des Stuttgarter Klinikums.


6. Klinikum

Es ist ein Trauerspiel, dass es bis heute keinen abgestimmten Verwaltungsvorschlag zur Finanzierung der Klinikinvestitionen gibt. Der Haushaltsentwurf geht offenbar davon aus, dass die Investitionen Angelegenheit des städtischen Haushalts sind. Wie anders wäre es zu erklären, dass alles, was notwendig erscheint, in die rote Wunschliste der Verwaltung aufgenommen wurde? Nur leider: Es fehlt dazu der Antrag der Verwaltung in der grünen Investitionsliste.

Bekanntlich vertritt der Kämmerer die Auffassung, dass der Investitionsbedarf des Klinikums rein über den Wirtschaftsplan des Klinikums zu finanzieren ist. Ein gemeinsamer Vorschlag der Verwaltung ist also derzeit nicht zu erkennen, aber er ist dringend notwendig. Wir erwarten diesen Vorschlag deshalb in den Haushaltsberatungen und gehen dabei von drei Prämissen aus:

1. Die Qualität des Klinikums als kommunales Krankenhaus der Maximalversorgung darf nicht gefährdet werden.

2. Es sind verbindliche Aussagen darüber erforderlich, dass das Land die in Aussicht gestellten Zuschüsse auch tatsächlich zusagt.

3. Dem Klinikum dürfen keine unrealistischen Finanzierungsbeiträge abverlangt werden. Wir erwarten einen Finanzierungsmechanismus, der den gesetzlichen Vorgaben des 'dualen Systems' entspricht, das heißt, dass mit den Pflegesätzen der Betrieb finanziert wird und für die Investitionen das Land und die Träger, also auch die Stadt, zuständig sind.


7. Personalpolitik

Abschließend noch ein Wort zur Situation der Beschäftigten. Die Stadtverwaltung Stuttgart hat eine Vielzahl an qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wir wissen, dass die Haushaltskonsolidierung von vielen Beschäftigten mehr abverlangt, als diese und übrigens auch wir uns dies wünschen. Im Gegensatz zu anderen in diesem Hause versuchen wir daher, in der Personalpolitik das richtige Augenmaß zu bewahren.

Wir sind der Auffassung, dass die Stellenbesetzungssperre und die Beförderungssperre nicht auf Dauer beibehalten werden dürfen, weil Motivation und Aufgabenerledigung darunter leiden. Insofern ist uns die vor zwei Wochen vorgestellte Sichtweise des Kämmerers zu einseitig. Das gleiche gilt für eine systematische Planung der Personalentwicklung, für die die erforderlichen Haushaltsmittel zur Verfügung stehen müssen.

Wir wollen dem Anspruch gerecht werden, ein sozialer Arbeitgeber für die Stadt zu sein. Wir danken allen Beschäftigten der Verwaltung und ihrer Eigenbetriebe und Gesellschaften für die gute Arbeit, die nach wie vor ihren Preis wert ist. Besonders danke ich heute den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus der Kämmerei und den Ämtern für die wieder einmal gewohnt gelungene Vorbereitung der Haushaltsberatungen.


IV. Schluss

Wir stehen in diesem Haushalt für das, was wir stets politisch vertreten haben. Wir machen kein Themen-Hopping und keinen Schlagwort-Wettbewerb um die reizendsten Etiketten wie andere an der Stadtspitze. Uns geht es darum, mit einer kontinuierlichen Politik unter Wahrung des sozialen Miteinanders die Innovations- und Leistungsfähigkeit Stuttgarts zu erhalten und auszubauen.

Neben dem Gedenkjahr Friedrich Schillers, den ich anfangs zitiert habe, begehen wir dieses Jahr auch ein Jubiläum Albert Einsteins, der bekanntlich im Schwabenland geboren wurde. Und dieser sagte einmal: 'Der Staat ist für die Menschen da und nicht die Menschen für den Staat. Der Staat sollte also unser Diener sein, nicht wir Sklaven des Staates.' In diesem Sinne geht die SPD ganz schwäbisch in die anstehenden Haushaltsberatungen."


StR Pätzold (90/GRÜNE):

"Den richtigen Maßstab anlegen

Der Haushaltsplanentwurf für die Jahre 2006/2007 liegt vor uns, dick und prall gefüllt mit Zahlen - ein fiskalisches Modell der Stadt in den nächsten zwei Jahren. Gespannt blicken wir darauf herab und versuchen, ihn zu deuten. Lassen Sie uns in die Hocke gehen und das Modell aus einer anderen Perspektive betrachten, wie das jeder von uns mit Modellen so gerne macht. Wir blicken in die Zahlenschluchten hinein und entdecken breite Straßen, kleine Wege, Sackgassen und Einbahnstraßen. Wir stoßen auf große Paläste, prunkvolle Denkmäler, neue Gebäude, Häuser, die schon bessere Zeiten gesehen haben, und wacklige Schuppen. Legen wir jetzt den Menschen als Maßstab an, um die Dinge im richtigen Zusammenhang zu sehen.

Wenn wir den Menschen als Maß der Dinge ansetzen, dann müssen wir sehen, was er braucht, um in Stuttgart zu arbeiten, zu wohnen und zu leben, denn wir sehen hier nicht nur Zahlen, Summen und Budgets, wir sehen einen Entwurf zur Gestaltung der Lebensbedingungen der Bewohner dieser Stadt. Dies erfordert, ja zwingt uns zu einem sehr sorgfältigen und nachhaltigen Handeln. Für uns GRÜNE ist dies selbstverständlich, es ist die Grundlage unserer Politik, getreu unserem Gründungsmotto: 'Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt'. Wir werden unsere verantwortungsbewusste Finanzpolitik fortführen. Höhere Schulden zu Lasten zukünftiger Generationen sind zu vermeiden, so gut es geht. Schulden zu verstecken rächt sich und ist mit uns nicht zu machen.

Wie die zukünftigen Generationen aussehen werden, das ist im Augenblick die spannende Frage. Der Anteil der Jungen an der Bevölkerung wird weniger, der Anteil der Alten wird größer. Viele ältere Menschen ziehen zurück in die Stadt, weil sie dort am urbanen Leben teilhaben wollen. Sie möchten aber nicht in die Seniorenheime, sondern in hochwertige Stadtwohnungen mit allem Komfort ziehen. Kurze Wege, gute Infrastruktur und nahe Versorgungsangebote brauchen sie genauso wie Familien mit Kindern. Dies stellt uns vor neue Aufgaben, erfordert neue Konzepte und Ideen. Die alten Pläne sind nicht mehr aktuell, greifen nicht mehr. Der demografische Wandel vollzieht sich und wird uns zu anderem Denken zwingen. Dieser Umbruch erfordert von uns vielfältige Konzepte, so vielfältig wie die Gesellschaft, die hier lebt.

Die Frage nach der Zukunft dieser Stadt hat in letzter Zeit eine heftige Diskussion entfacht. Es geht um neue Einwohner, um die Steigerung der Attraktivität Stuttgarts, um junge Familien, um neues Bauland. Die letzten freien grünen Flächen werden vom Bauwahn gefressen, werden der Siedlungsfläche einverleibt. Diese 'Föllerei' wird Stuttgart schwer aufstoßen.

Sicherlich brauchen wir genügend und auch bezahlbare Wohnungen. Aber wir brauchen diese nicht nur für junge Familien. Wir brauchen Wohnungen für große Familien, kleine Familien, Alleinerziehende, Wohngemeinschaften, ältere Menschen, junge Menschen und Menschen mit Migrationshintergrund, für eine Vielzahl von Lebensentwürfen und Lebensabschnitten, die es hier in Stuttgart schon gibt.

Die zukünftigen Bewohner werden sich in ihrem Umfeld wohler fühlen, wenn sie Anteil an der Gestaltung haben. Deshalb ist für uns GRÜNE die Baugemeinschaft ein Baustein hin zu einer attraktiveren Stadt, hin zu kostengünstigem Wohnraum und hin zu mehr Mitbestimmung. Wenn Menschen sich zu einem Projekt zusammenschließen, um ihre Zukunft nach ihren Wünschen zu gestalten, ist dies keine Spinnerei oder eine anrüchige Angelegenheit. Es ist gemeinschaftliches Engagement, das auch Anerkennung und Förderung erfahren muss.

Die Fläche Stuttgarts ist endlich, wir können diese nicht vermehren. Also müssen wir mit dem, was wir haben, sorgfältig und effektiv umgehen. Wir brauchen eine Art Recycling, eine Flächenkreislaufwirtschaft für Bauflächen, aber auch für Gebäude. Ein Anfang ist mit dem Nachhaltigen Bauflächenmanagement (NBS) gelegt, aber dieses muss endlich konsequent angewandt werden. Die Untersuchungen im Rahmen des NBS haben gezeigt, dass der Bedarf an Wohnflächen größer ist als das Angebot. Gleichzeitig ist das Angebot an Gewerbeflächen größer als der Bedarf.

Wohnen und Arbeiten können sich ergänzen, können in einem Mischgebiet nebeneinander bestehen. Doch die Mehrheit des Gemeinderats zeigt sich auch bei diesen Ideen als Bremser. Die Umwandlung leerstehender Büro- und Gewerbebauten bietet die Chance, ökonomisch und effizient Flächen und Gebäude auszunutzen. Wirtschaftsförderung muss man hier einfach weiter denken. Wir denken mit unseren Vorschlägen weiter, wenn wir fordern, dass das Altbausanierungsprogramm ausgebaut wird. Damit erzielen wir drei positive Effekte: besseren Wohnraum, Umweltschutz durch energetische Sanierung und mehr Arbeit für das Handwerk.

Die Umnutzung von Bauflächen ist ein Haushaltssparprogramm ohnegleichen. Es ist hingegen ein teures Unterfangen, neue Wohngebiete an den Rändern zu erschließen. Setzt man gleichzeitig die Einwohnerdichte herunter, erhöht man die Kosten für die Ver- und Entsorgung und die Erschließung, und das ganze Vorhaben wird bei genauer Betrachtung immer unwirtschaftlicher. Es ist also tatsächlich Geldverschwendung.

Wenn wir mehr Wohnraum brauchen, weil jeder von uns mehr Fläche für sich in Anspruch nimmt, dann müssen wir stärker verdichten. Die Stadt hat sich immer durch eine maximale Flächenausnutzung ausgezeichnet. Diese Dichte kann aber nur verträglich sein, wenn sie kombiniert ist mit Freiräumen und einer guten Infrastruktur. Die Stadt der kurzen Wege lebt von dieser Eigenschaft. Am Killesberg haben wir eine einmalige Gelegenheit, einer größeren Anzahl Menschen einen Platz zum Leben zu geben. Der schöne Park ist da, der Stadtbahnanschluss auch. Was fehlt, sind die passenden Wohnungen.

Immer wieder entzündet sich die Diskussion am hochwertigen Wohnen. Wir GRÜNE haben einen weiteren, offeneren Begriff von hochwertigem Wohnen, denn wir können uns dies in allen möglichen Kombinationen vorstellen, nicht nur im Einfamilienhaus und im Reihenhaus. Das Penthouse z. B. ist die hochwertigste städtische Wohnform. Es ist aber immer kombiniert mit ein paar Stockwerken Wohnungen drunter. Hochwertig und dicht schließen sich also nicht aus.

Wir haben uns leider daran gewöhnt, bei Grundstücksgeschäften primär nur noch in Zahlen zu denken. Der bestmögliche Verkaufspreis zur Finanzierung von Prestigeprojekten steht im Vordergrund. Es wäre besser, die Rechnung andersherum aufzumachen und die wertvollen Flächen so gut wie möglich zu nutzen und ein Stück lebendige und attraktive Stadt daraus zu machen. Das zieht Menschen in die Stadt und ist darum wirtschaftlicher.

Viele Menschen streben nach einem eigenen Garten, weil sie in der Stadt nicht genügend Grün- und Freiflächen haben und die vorhandenen oft in einem erschreckenden Zustand sind. Die Investitionen in Spiel- und Grünflächen, in begrünte Innenhöfe sind Investitionen in die Zukunft der Stadt. Wir GRÜNEN sind deshalb froh, dass unser jahrelanges Rufen nach Verbesserung der Spielflächensituation jetzt Eingang in den Haushaltsplanentwurf gefunden hat - endlich 'Prima Klima für unsere Kinder!' oder 'kinderfreundliches Stuttgart', wie es der OB ausdrücken würde.

Die Parkanlagen und Grünanlagen sind die grünen Lungen der Stadt. Diese müssen wir hegen und pflegen und wo nötig auch wiederherstellen. So ist der Stadtgarten für Interimsbauten jahrelang missbraucht worden. Er hat eine Reparatur dringend nötig, um inmitten eines der dichtest bewohnten Stadtteile wieder seine Funktion als kleines Paradies zu erfüllen.

Wir müssen weiterhin unsere Stadtteilzentren stärken, denn sie garantieren uns lebendige Stadtteile. In ihnen findet das städtische Leben statt. Sind sie attraktiv, stärken sie den Stadtteil und schaffen eine Identität. Handel und Gewerbe bilden dabei den Rückhalt dieses ökonomischen Kleinzentrums. Es lebt von Synergieeffekten, von gegenseitigem Austausch. Die Verlagerung von Supermärkten in Gewerbegebiete und an den Rand der Stadtteile zerstört dieses Gleichgewicht. Wir brauchen identitätsstiftende Viertel statt gesichtsloser Vorstadtsiedlungen.

Die Verbesserung der direkten Umgebung der Menschen muss auch die Verbesserung der In- frastruktur beinhalten. Stadtteilhäuser wie in Stuttgart-Mitte als zentraler Treffpunkt für Kind und Kegel oder die Sanierung öffentlicher Freiflächen wie vor der Brenz-Schule oder die Neuge-staltung des Rupert-Mayer-Platzes schaffen Identität und Freiräume für das urbane Leben.

Wohnstraßen und Spielstraßen stehen für das, wie sie heißen. Sie sind kein Luxus oder verhindern das Parken, sie sind notwendig, um die Menschen in der Stadt zu halten. Stuft man den Platz herab zum bloßen Parkraum, wertet man die Nutzer auch ab. Wer möchte schon auf einem Parkdeck wohnen. Wenn diese Stadt kinderfreundlicher werden soll, dann dürfen die Maßnahmen vor den Straßen nicht Halt machen. Menschengerecht statt autogerecht, so sieht für uns die Zukunft aus: ein begrünter Innenhof im Rossbollengässle mit Spielplatz und einer Quartiersgarage.

Lärm macht krank, schlechte Luft ebenso. Eine lebenswerte, attraktive Stadt ist auch eine gesunde Stadt. Dazu gehört aktiver Lärmschutz und Luftreinhaltung. Dies sind Investitionen für die Menschen dieser Stadt. Diese Aufgabe fordert von uns keine Hinhaltepolitik und kein Zögern, sondern den sofortigen Einsatz zukunftsfähiger und innovativer Konzepte. Fahrverbote für Stinker und Umrüstung von Altfahrzeugen mit Filtern sind kein Luxus, sondern eine Pflicht den Menschen gegenüber. Stuttgart als innovative Autostadt kann es sich nicht leisten, dass das Auto den Menschen schädigt.

Die letzte Bürgerumfrage in Stuttgart hat ergeben, dass der größte Missstand zu viel Straßenverkehr ist. Politik und Stadtverwaltung sollten auf die Bürger hören, wenn sie ihre Aufgabe ernst nehmen. Größere Straßen verursachen mehr Verkehr. Deshalb ist ein weiterer Ausbau der Straßen aus technischer Sicht Unsinn und aus Sicht immer mehr Bürger nicht gewollt.

Aber selbst renommierte Wissenschaftler dringen bei manchen Räten nicht durch die ideologische Mauer. Das Verkehrsgutachten zu den B 14-Überwegen zeigt, dass die Ampeln dort den Verkehr durch eine grüne Welle verflüssigen können. Es kann aber nicht sein, was politisch nicht gewollt ist. Die Chance, den Verkehr flüssiger zu machen und gleichzeitig die Menschen ebenerdig über die Straße zu bringen, wird hier aus ideologischen Gründen behindert.

Unsere Straßen und Plätze sind meist zu monofunktionalen Verkehrsflächen verkommen. Bei dem knappen Raumangebot in der Stadt können wir uns das nicht mehr leisten. Der öffentliche Raum muss mehrfach genutzt werden, dann rechnet sich auch dessen teure Herstellung und sein Unterhalt. Eine Straße kann mehr leisten, als nur dem Verkehr zu dienen. Ein gutes Beispiel ist die Theodor-Heuss-Straße, die als Boulevard Platz für Handel, Gewerbe, Gastronomie, Fußgänger, Autofahrer und Radfahrer bietet.

Wir haben keinen Parkplatzmangel. Wir nutzen nur den vorhandenen Platz zum Parken nicht richtig aus. Freie, kostenlose Parkplätze in den Straßen und in den Wohngebieten führen dazu, dass teure Parkhäuser und Tiefgaragen fast leer stehen. Der öffentliche Raum ist zugeparkt und kann nicht genutzt werden. Quartiersgaragen schaffen den Platz, Bewohnerparkzonen und eine bessere Überwachung helfen, das Ganze besser zu organisieren.

Wenn wir ökonomisch und effizient mit Flächen und Geld umgehen wollen, dann müssen wir uns auch neuen Ideen öffnen. In mechanischen Parkgaragen können im Vergleich zu herkömmlichen ein Drittel mehr Autos untergebracht werden. Sie sind sicher und entsprechen dem heutigen Stand der Technik. Andere Städte machen es vor. Der Preis: eine Minute länger auf sein Auto warten. Der Gewinn: Ein Stück Stadt kommt zurück und kann wieder von den Bewohnern vielfältig genutzt werden. Autos macht es nichts aus, im Dunkeln eng gestapelt zu werden, Menschen schon. Deshalb gehören die Menschen ans Licht und die Autos unter die Erde.

Die Flächen in der Stadt sind heiß umkämpft. Verschiedene Interessen und Nutzungen prallen aufeinander. Aber jeder Einwohner hat die gleichen Rechte, ob er Auto oder Fahrrad fährt. Eine ausgewogene Mischung mit Chancen für jeden ist ein Teil der lebenswerten und mobilen Stadt. Dazu gehört auch eine gerechte Förderung der einzelnen Verkehrsarten. Aber solange eine allgemeine Preissteigerung nur beim ÖPNV und nicht auch bei den Parkgebühren zum Tragen kommt, solange der Individualverkehr weiter über alle Maßen vor allem indirekt gefördert wird, besteht keine Chancengleichheit. Gute Worte reichen nicht aus.

Beim neuen Radverkehrskonzept hatte unser OB viele gute Worte. Engagiert angekündigt, vorbereitet mit einem Runden Tisch, der über Zuständigkeitsgrenzen hinweg Konzepte erarbeitet hat, blieb der Prozess in den Startlöchern stecken. Es war keine Bereitschaft da, auch die finanziellen Mittel dafür bereitzustellen und den Radwegeetat zu erhöhen. Der Runde Tisch hat Geld gekostet und es wurde Arbeitszeit investiert - alles für die Akten, kein sparsamer und effektiver Umgang mit Menschen, Ideen und Geld. Wenn Sie schon gute Ideen haben, Herr Ober- bürgermeister, die Sie umsetzen wollen, dann müssen Sie auch in Ihrem Haushalt Geld dafür vorsehen.

Auch in diesem Haushaltsentwurf ist ein großer Brocken dem Straßenverkehr vorbehalten. Zwar ist dem Oberbürgermeister und dem Obersten Kämmerer inzwischen klar geworden, dass die eingelagerten 40 Mio. € für die Filderauffahrt besser genutzt werden sollten, aber bei deren Einsatz sind sie nicht schlauer geworden. Man steckt zwar endlich einen Teil der frei werdenden Mittel in die dringende Sanierung von Schulen, aber der größte Teil geht wieder in den Straßenverkehr. Für den großzügigen sechsspurigen Ausbau der Heilbronner Straße wird geklotzt und nicht mit Flächen gegeizt. Bei den Schulen, die unsere Kinder für die Zukunft fit machen sollen, wird dagegen nur der kleinstmögliche Flächenbedarf genehmigt. So sehen keine Investitionen in die Zukunft unserer jungen Einwohner aus. Deshalb fordern wir mehr Mittel zur Sanierung unserer Schulen. Dort sind sie besser angelegt als in zwei Kilometern Stadtautobahn.

Das Stadtentwicklungskonzept wurde Ende letzten Jahres vorgestellt, ein ambitioniertes Werk mit vielen guten Ideen, ein Leitfaden für die Zukunft. Jedoch ist dieses Werk nur dann etwas wert, wenn wir alle auch den Willen haben, es umzusetzen, und nicht, wenn uns wie bei anderen Projekten der Mut verlässt und die Pläne wieder in die Schublade wandern. Wir GRÜNEN haben den Mut, den Verstand und die Ideen, Stuttgart eine Zukunft als lebenswerte Stadt zu geben.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Bürgerinnen und Bürger, ich habe jetzt nicht mit vielen Zahlen und Einzelheiten aus dem Haushalt jongliert, denn für uns ist es hier wichtiger darzulegen, was unsere Gründe und Ziele für unser nachhaltiges und vernünftiges Haushalten sind. Unsere Anträge wurden ja ausgeteilt, die muss ich nicht vorlesen.

Trotz steigender Einnahmen aus Steuern und allgemeinen Zuweisungen sind im Haushalt keine großen Sprünge zu machen, auch deshalb nicht, weil man sich solche Klötze wie die neue Messe ans Bein gebunden hat. Viele Wünsche und Bedürfnisse werden deshalb nicht erfüllt werden.

Nichtsdestoweniger sehen wir es als notwendig an, dass unsere Beschäftigten nicht weiter wie ausgepresste Zitronen zur Sanierung des Haushalts herhalten müssen. Die Stellenwiederbesetzungssperre muss beendet werden. Nach den Haushaltskonsolidierungen gibt es keine Arbeitsplätze mehr, bei denen es nicht auffällt, dass dort niemand arbeitet. Die Sparmaßnahmen beim Personal haben eine Grenze erreicht. Mehr geht nicht, sonst geht gar nichts mehr.

In den Wettstreit über eine seriöse Haushaltspolitik treten wir gerne ein, Herr Uhl. Wir werden aber bei allen unseren Entscheidungen den Menschen als Maßstab ansetzen. Wir vergessen nicht, dass wir in das wahre Vermögen dieser Stadt investieren - in ihre Bewohner."


StR Zaiß (FW):

"Der diesjährige Doppelhaushalt steht wieder unter dem Motto: Sparen! Auch wenn wir im Vergleich zu anderen Städten noch gut dastehen, können wir nicht die Augen davor verschließen, dass die finanzielle Situation der Stadt schwierig ist. Die Kassenlage ist bekanntlich angespannt, und somit wird es immer schwerer, eine ausgewogene Balance zwischen Investitionen und Sparmaßnahmen zu finden. In manchen Fällen muss aber auch ein gewisses Risiko eingegangen werden, um in schwierigen Zeiten Notwendiges voranzubringen, Perspektiven aufzuzeigen, um nicht alles kaputt zu sparen. Wir, die Freien Wähler, hoffen, das richtige Augenmaß für diese Situation zu haben.

Wir werden uns über zentrale Themen Gedanken machen müssen, wie etwa über
- Schuldenabbau und Zinsersparnis
- Investitionen auf die dringlichen Projekte konzentrieren
- Abarbeitung begonnener und beschlossener Vorhaben
- Stärkung der Wirtschaft und Sicherung der Arbeitsplätze in der Stadt wie in der Region.

Dies wird eine schwierige Gratwanderung werden unter sachlicher Abwägung aller Interessen, aller Vor- und Nachteile, die wir nur im gemeinsamen Diskurs bewältigen können.

Denn wie nie zuvor stehen die Kompetenz und die Glaubwürdigkeit der Freien Wähler und aller Parteien auf dem Prüfstand. Die Ereignisse der letzten Wochen bei den Wahlen in der Bundespolitik müssen uns im Stuttgarter Gemeinderat zugleich Warnung wie auch Ansporn und Verpflichtung sein, unseren Wahlauftrag gewissenhaft zu erfüllen. Aber mit gutem Willen gelingen auch Kompromisse - siehe Bundespolitik.

Die Bürgerinnen und Bürger der Landeshauptstadt leben gerne in Stuttgart und schätzen die Lebensqualität in ihrer Stadt. Damit das so bleibt, ist der Gemeinderat gefordert, die Attraktivität der Stadt durch umfangreiche Sport-, Kultur- und Freizeitangebote weiterhin zu erhalten und zu verbessern. Unsere liebenswerte Kulturlandschaft, geprägt durch Weinbau im Neckartal bzw. Acker- und Gemüsebau auf den Fildern, ist für viele Anreiz, nach Stuttgart zu ziehen. Es ist unsere Aufgabe, dafür genügend Wohnraum bzw. Wohnfläche anzubieten. Auch den großen, mittleren und kleinen Unternehmen müssen Anreize geboten werden, ihren Firmensitz in Stuttgart zu belassen oder besser noch, ihn nach Stuttgart zu verlegen. Denn nur dies sichert die so notwendigen Arbeitsplätze, die wir dringend brauchen.


Kommen wir nun zu unseren Einzelanträgen:

1. Straßenbau und Verkehr

Feinstaub und Lärm belasten unsere Umwelt, oft ausgelöst durch lange Verkehrsstaus. Stauzeiten kosten Geld. Insbesondere das Handwerk und die Zulieferbetriebe sowie Lieferanten in die Stadt klagen über lange Anfahrtszeiten, wobei dafür oft nur wenige Kilometer gefahren werden müssen. Weil unsere Straßen aber permanent überfüllt sind, sind diese Zeiten oft zu lang. Wir, die Freien Wähler, fordern in einer Stadt, die wie kaum eine andere in dieser Republik von und mit der Automobilindustrie lebt, dass unser innerstädtisches Straßennetz sowie die Bundesstraßen in der Landeshauptstadt nachhaltig verbessert werden. Wir fordern die neue Bundesregierung auf, die Filderauffahrt - Südumfahrung von Stuttgart - wieder in den Bundesverkehrswegeplan aufzunehmen, und wollen dafür auch die 'geparkten' 40 Mio. € weiter zur Verfügung halten, mindestens so lange, bis die neue Regierung sich zu diesem Thema geäußert hat - wir wollen dieses Geld also nicht an anderer Stelle ausgeben -, denn Messe, Flughafen und die Verbindung zur A 8 sorgen in Zukunft für ein höheres Verkehrsaufkommen und machen die Südumfahrung zwingend erforderlich.

Was jedoch in unserer Kompetenz liegt, müssen wir tun. Deshalb beantragen wir für die Unterhaltung der Straßen und Gehwege in der Stadt 800.000 € mehr pro Jahr, also insgesamt jährlich 8,4 Mio. €. Dies würde der gesamten Stadt zugute kommen.


2. Gesundheitswesen

Unser Gesundheitswesen verschlingt viele Millionen Euro. Im Moment ist keine Entspannung in diesem Bereich in Sicht. Als Eigentümer des Klinikums Stuttgart sind wir gefordert, unsere Häuser der Maximalversorgung auch entsprechend zu unterstützen. In Zeiten immer weiter steigender Krankenhauskosten ist es wichtig, richtige Strukturen und entsprechende Arbeitsbedingungen zu schaffen, damit unser Klinikum möglichst wirtschaftlich und effizient arbeiten kann.

Wir unterstützen in den Haushaltsberatungen nachhaltig den in der Machbarkeitsstudie festgestellten Investitionsbedarf von ca. 800 Mio. € und hoffen auch, dass dieses Geld sinnvoll und schnell für den richtigen Bau ausgegeben werden kann. Während der Beratungen muss aber über weitere Details debattiert werden, da gewisse Rahmenbedingungen noch abgeklärt werden müssen. Dazu gehört unter anderem die Frage nach der Abschreibung der neu zu errichtenden Gebäude, zu den Verkaufserlösen - ob es richtig ist, diese über das Klinikum zu tätigen oder über das Referat WFB, das sind Fragen, die noch in den Beratungen geklärt werden müssen. Genauso wichtig ist die Frage, wie denn die Wirtschaftlichkeit gewährleistet ist, wenn die Gebäude fertiggestellt sind.

Selbstverständlich ist uns klar, dass ohne eine Änderung der Strukturen eine Wirtschaftlichkeit nicht erreicht werden kann. Wir fordern deshalb von der Verwaltung einen entsprechenden Vorschlag, wie die Finanzierung gesichert werden kann, denn das Klinikum kann dies mit Sparmaßnahmen und Einsparungen alleine nicht schultern!


3. Kinder sind unsere Zukunft

Wir wollen die Kinderbetreuung fördern, denn Kinder helfen, unsere älter werdende Gesellschaft abzusichern. Deshalb sollten speziell für die Kinderbetreuung jährlich 3 Mio. € eingestellt werden. Kinderbetreuung bedeutet aber nicht nur, Kinder bis zu 3 Jahren zu betreuen, sondern unsere Kinder sollten auch an Schulen, und hier speziell an Hauptschulen mit sozialen Brennpunkten, betreut werden. Dafür beantragen wir 6 weitere Stellen mit einem Finanzbedarf von 255.000 €.

Bauliche Maßnahmen an Schulen werden wir im Rahmen der Haushaltsberatungen stark unterstützen, wobei wir darauf achten werden, dass die Stadtteile möglichst gleichmäßig bedacht werden, damit nicht stadtteilbezogene Nachteile für unsere Kinder entstehen.

Auch die Kinderspielplätze, die oft im Argen sind, und die darauf befindlichen Spielgeräte sind uns wichtig. Wir wollen den Ausbau und die Sanierung tatkräftig unterstützen.

Des Weiteren sind Ferienwaldheime in Zeiten geringerer Finanzmittel für viele Familien unterstützenswert, um ihren Kindern einen kleinen Urlaub zu ermöglichen. Wir unterstützen auch in Zukunft die Arbeit der Waldheime und beantragen deshalb die Förderung der Waldheime Steinhaldenfeld, Degerloch und Riedenberg in einer Gesamthöhe von 2.216.000 €.


4. Stadtentwicklung und Wohnbauförderung

Unsere Stadtentwicklung hängt eng mit dem Wohnungsbau zusammen. Stuttgart soll weiter wachsen! Wir wollen keinen Bevölkerungsrückgang hinnehmen; deshalb sehen wir die Notwendigkeit für den Bau von neuen Wohnungen. Wir unterstützen deshalb familienfreundliches Bauen und preiswertes Wohneigentum. Wir wollen die Stadtentwicklung fördern, indem wir neue Bauflächen und Nachverdichtungen dort, wo es sinnvoll ist, befürworten.


5. Landwirtschaft

Natürlich soll auch die Landwirtschaft in dieser Stadt nicht zu kurz kommen. Für das kommunale Landwirtschaftskonzept beantragen wir, 30.000 € in den Haushalt einzustellen. Mit diesem Geld soll das freiwillige Förderprogramm - Ackerrandstreifen, Streuobstwiesen, Grünlandstreifen usw. - unterstützt werden. Diese Förderung ist gleichzeitig als ein Beitrag zu oft fehlenden Ausgleichsflächen zu betrachten und wäre ein kleiner Beitrag zur Erhaltung unserer Kulturlandschaft.


6. Kulturleben in Stuttgart

Die Kultur in Stuttgart darf nicht zu kurz kommen. Erst das Zusammenspiel der einzelnen Faktoren macht das besondere Flair unserer Stadt aus. Kaum eine Stadt in der Republik kann auf so viel Kunst und Kleinkunst verweisen wie Stuttgart. Deshalb fördern und unterstützen wir die Theater und die Kunst mit Augenmaß, jedoch wohl wissend, dass diese Gelder erst an anderer Stelle verdient werden müssen.


7. Feuerwehrhäuser

Freiwillige Feuerwehren sind ein wichtiger Bestandteil der Rettungsdienste; deshalb unterstützen wir auch diese Einrichtungen nachhaltig. Wir bitten um Freigabe der Gelder für die Feuerwehrhäuser Weilimdorf und gleichzeitig um Freigabe der Planungsgelder für Obertürkheim.

Es ist bisher gelungen, in jedem Haushalt eine Neuinvestition einzustellen und zu finanzieren. Wir wollen das auch dieses Mal tun. Gleichzeitig darf es aber nicht unterbleiben, auch in diesem Bereich über die rettungstechnisch besten Lösungen nachzudenken.


8. Sportbauvorhaben

Sport und Sportveranstaltungen sind uns ein Anliegen. Wir werden alle Maßnahmen, die in den Haushaltsberatungen anstehen, wohlwollend unterstützen. Natürlich ist uns bewusst, dass nicht alles, was wünschenswert erscheint, auch machbar ist. Deshalb gilt auch hier: Erst muss das Geld verdient und eingenommen sein, bevor es ausgegeben werden kann.

Da aber Sport der Gesundheit dient und bei Jugendlichen auch eine große soziale Komponente darstellt, werden wir diesen Bereich stark unterstützen: im Hallenbau beispielsweise den TVH Möhringen, im Freibadbereich das Inselbad, das in einem schlechten Zustand ist und saniert werden sollte, und im Einbau von Kunstrasenplätzen - nur zu nennen beispielsweise den HTC Stuttgarter Kickers.


9. Radverkehrförderprogramme

Radfahren ist Freizeit und Sport. Wir wollen daher den Ausbau des Stuttgarter Radwegenetzes weiter verbessern. Besonders an den Engstellen des Neckartalradweges ist dies notwendig.

Bei einem Besuch des Wirtschaftsausschusses bei DaimlerChrysler wurde eine Beteiligung beim Ausbau des Neckartalradweges in Aussicht gestellt. Wir sollten dieses Angebot nutzen und für das Projekt ebenfalls 100.000 € in den Haushalt einstellen.


9. Altenpflege

Die Versorgung der Bevölkerung in punkto Alten- und Pflegeheime sowie in Mehrgenerationeneinrichtungen ist uns wichtig. Zu unserem Leben gehört aber auch das Sterben. Deshalb beantragen wir, das Hospiz Stuttgart mit 50.000 € zu fördern, zumal sich diese Einrichtung bereit erklärt hat, Schulungen für Pflegekräfte aus den Alten- und Pflegeheimen zu übernehmen, um Sterbende auf ihrem letzten Weg angemessen zu begleiten.


Schlussbemerkung:

Meine Damen und Herren, bei den jetzt anstehenden Haushaltsberatungen werden wir Freien Wähler unserer bekannt sachbezogenen Linie treu bleiben. Wir werden uns wichtig erscheinende Haushaltsposten ansprechen und diese konsensbereit mit den anderen Fraktionen diskutieren, um im Sinne der Sache, des finanziell Machbaren und zum Wohle der Stuttgarter Bevölkerung konstruktiv zu entscheiden. Wir werden versuchen, den an den Haushaltsdebatten Beteiligten zu signalisieren, dass ihre Anliegen ernst genommen und nicht gleich mit dem Hinweis auf fehlende Mittel abgelehnt werden. Jedoch bitten wir schon jetzt um Verständnis, wenn wir uns zu einigen Investitionen nicht durchringen können und deshalb dann keine Mehrheiten zustande kommen.

Wir wünschen uns für die anstehenden Wochen der Haushaltsberatungen eine kollegiale Atmosphäre und eine diesem Gremium angemessene Redekultur, die geprägt sein sollte vom sachlichen Diskurs, von Respekt und von persönlicher Wertschätzung, auch gegenüber dem politisch Andersdenkenden - immer zum Wohle der Stadt und ihrer Bürgerinnen und Bürger.

Manchmal wäre es hilfreich, die Stadtväter - und Stadtmütter natürlich - würden sich an den Ursprung der Stadt, deren Wohlstand mit dem Weinbau in Zusammenhang steht, erinnern und vor und zu ihren Beratungen ein Glas Wein trinken:

Denn Wein in Maßen beflügelt den Geist
und schärft den Verstand,
er löst die Zunge
und lässt manches leichter erscheinen.

Schon vor 200 Jahren sagte der große deutsche Dichter Johann Wolfgang von Goethe treffend: 'Es ist nicht genug, zu wissen, man muss es auch anwenden; es ist nicht genug, zu wollen, man muss es auch tun.' In diesem Sinne: Packen wir's an!"


StRin v. Stein (FDP):

"'Wir sollten uns alle um unsere Zukunft sorgen, denn wir werden den Rest unseres Lebens darin verbringen.' Dieses Zitat stammt vom amerikanischen Philosophen Charles F. Kettering. Es gilt auch für ein Gemeinwesen, für eine Stadt wie Stuttgart!

Mit unserer städtischen Haushalts- und Finanzplanung für die nächsten beiden Jahre 'sorgen' wir uns um ein Stück unserer Zukunft, der Zukunft der Stadt und vor allem natürlich aller Menschen, die in unserer Stadt leben und arbeiten. Bevor wir uns ausschließlich damit beschäftigen, betrachten wir das Umfeld, in dem sich unsere Stadt befindet, und wir sehen die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen.

Die Herausforderungen an Stadt, Staat und Gesellschaft sind bekannt: Der demographische Wandel mit einer alternden Gesellschaft und dem daraus resultierenden Ungleichgewicht zwischen den Generationen, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund - das sind zentrale Themen der näheren Zukunft. Mit einer soliden und zukunftsorientierten Haushaltspolitik stellen wir uns diesen Herausforderungen!

Unsere Politik orientiert sich an liberalen Schwerpunkten. Hierbei gilt für uns, dass die Wirtschaft einen zentralen Platz einnimmt, denn ohne die große Wirtschaftskraft in unserer Stadt sind viele der für uns wichtigen Vorhaben im sozialen und kulturellen Bereich nicht zu realisieren. Nur erfolgreiche Unternehmen zahlen die Steuern, die wir für die Erledigung der städtischen Aufgaben brauchen, insbesondere für die freiwilligen Leistungen, die die Lebensqualität maßgeblich beeinflussen. Wenn wir ein Klima schaffen, das erfolgreiches Handeln der Unternehmen ermöglicht, profitieren wir alle. In diesem Zusammenhang ist uns eine effizientere Vermarktung der Stadt Stuttgart mit ihren vielfältigen Attraktionen wichtig. Wir haben dafür Mittel beantragt.

Ein weiterer Schritt für ein besseres wirtschaftliches Klima könnte die von uns seit Jahren geforderte Abschaffung der Gewerbesteuer sein. Uns ist klar, dass diese Steuer momentan eine wichtige Säule für die Einnahmen der Kommunen ist und beim Wegfall auszugleichen wäre. Wir haben die Stadtverwaltung mehrfach aufgefordert, sich für die Abschaffung der Gewerbesteuer einzusetzen. Wir halten diese Steuer für ungerecht. Sie macht die Stadt und deren Aufgabenerledigung abhängig von Konjunktur und Branche - Stuttgart hat dies in der Vergangenheit deutlich zu spüren bekommen.

Die Abschaffung der Gewerbesteuer führt zu einer Entlastung der Betriebe, insbesondere des Mittelstandes. Entlastung bedeutet mehr Geld. Daraus erhöhen sich die Einnahmen aus der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer, die anteilig auch der Stadt zufließen. Zudem hätte eine Streichung zur Konsequenz, dass die Gewerbesteuerumlage, die die Gemeinden an Bund und Land abführen, entfiele.

Neben der Wirtschaftskraft liegt uns die Steigerung der Lebensqualität aller Stuttgarter am Herzen.

Für uns gehört u. a. dazu
· das Wohnen - für alle Stuttgarter muss es ihren Bedürfnissen entsprechend ein angemessenes und attraktives Wohnangebot geben -,
· die Unterstützung der vielfältigen Kultur-, Theater- und Sportszene
· und ein weiterer bedarfsgerechter Ausbau der Leistungen im sozialen und Bildungsbereich.

Wir haben ein großes Augenmerk auf den Lebensqualitätsfaktor 'Bildung und Erziehung' gelegt. Schulen sind für uns ein zentral wichtiger Bildungsraum. Es besteht hier ein erheblicher Sanierungsbedarf vieler Schulen. In der Vergangenheit wurde zugunsten eisernen Sparens und gegen unsere früheren Anträge auf dringend notwendige Sanierungsinvestitionen verzichtet. Unsre Fraktion setzt sich für die Sanierung der dringendsten Vorhaben ein. Wir wollen damit deutlich machen, dass für uns funktionsgerechte und modernisierte Schulen für eine erfolgreiche Bildungsvermittlung notwendig sind. Wir gehen davon aus, dass schöne Schulen zum Lernen und Arbeiten motivieren.

Beim Ausbau der Kinderbetreuung sind wir auf einem guten Weg. Für uns beginnt Bildung im Kindergarten. Lange bevor andere dies erkannten, hat unsere liberale Bürgermeisterin Gabriele Müller-Trimbusch Konzepte entwickelt, wissenschaftlich ausgewertet und in Stuttgart umgesetzt. Ein solches Pionier-Konzept ist unter anderem das Lernangebot 'Einstein im Kindergarten'. Dass von der Stadtverwaltung eine flächendeckende Einführung endlich angestrebt wird, unterstützen wir sehr gerne. Dabei ist uns wichtig, dass das Personal in den Einrichtungen eine adäquate Qualifizierung erfahren muss, um so die Kinder fachgerecht zu begleiten.

Beim Thema Ganztagesbetreuung von Schulkindern hat die Stadt ihre Hausaufgaben gemacht. Das Land ist am Zug, endlich die Mitfinanzierung sicherzustellen. Es kann nicht sein, dass diese Kosten überwiegend oder alleine von den Kommunen getragen werden müssen. Ohne eine Co-Finanzierung ist eine Verwirklichung des Vorhabens auf Dauer schwierig.

Beim wichtigen Thema Sprachförderung hat sich einiges getan, insbesondere bei der vorschulischen Spracherziehung. Schön, dass die Beherrschung der deutschen Sprache als wichtigste Zugangsvoraussetzung zu Bildung und Integration gesehen wird. Ohne den Abbau von Sprachbarrieren ist der Zugang zu Bildungsmöglichkeiten nahezu unmöglich, Chancengleichheit ist damit nicht gegeben. Programme zum Deutschlernen finden unsere volle Unterstützung.

Ein weiterer Faktor für eine gute Lebensqualität ist die Mobilität in unserer Stadt. Dass der Verkehr in Stuttgart kurz vor dem Kollaps steht, ist nichts Neues. Stuttgart braucht endlich Entlastung, das fordern wir seit Jahren. Daher bleiben wir auch - allem Widerstand zum Trotz - bei unserer bisherigen Forderung, dass der Nord-Ost-Ring so schnell wie möglich realisiert wird. Auch die Optimierung des ÖPNV wird eine notwendige Entlastung bringen; dabei muss er immer bezahlbar bleiben.

Ein weiteres wichtiges Anliegen unserer Fraktion ist es, den Zustand unserer Straßen zu verbessern. Auch hier wurden notwendige Sanierungen zugunsten eisernen Sparens in eine ferne Zukunft verschoben. Unter den schlechten Straßen leiden nicht nur die Fußgänger, Radfahrer oder Autofahrer, sondern auch ganz erheblich die Anwohner. Sie beklagen die zusätzliche Lärmbelästigung, hervorgerufen durch einen Straßenbelag, der im Aussehen deutlich an 'Schweizer Käse' erinnert. Diese Straßen sind kein Aushängeschild für die Landeshauptstadt. Wir fordern deshalb, die Mittel für die Straßenunterhaltung zu erhöhen, um weitere Schäden zu vermeiden.

Dass wir die Planungsmittel für eine wirkliche Überbauung der Konrad-Adenauer-Straße fordern, entspricht unseren seit Jahrzehnten bekannten Bemühungen.

Wir stehen nach wie vor zu Stuttgart 21. Die Bebauung auf dem Gelände A1 lässt - wenn auch nur teilweise - eine Realisierung erkennen.

In diesem Zusammenhang weisen wir nochmals auf unseren Antrag vom April dieses Jahres hin, in dem wir das Regierungsviertel auf Stuttgart 21 fordern. Wir halten die Ansiedlung der Landesministerien für eine angemessene Nutzung des freien Geländes. Wir begrüßen es sehr, dass der Ministerpräsident unseren Vorschlag aufgegriffen hat und die Möglichkeiten der Errichtung eines Regierungsviertels prüfen lässt. Es ist nachgewiesen, dass die dadurch frei werdenden Flächen im Stadtgebiet neue und interessante Nutzungsmöglichkeiten bieten, z. B. im Neuen Schloss, dem Mittnachtsbau oder dem Prinzenbau. Zusätzliche Verkaufsflächen auf Stuttgart 21 brauchen wir nicht!

Bekanntlich fordern wir schon seit Jahren Privatisierungen nach dem Prinzip: privat vor Staat. Wir denken da insbesondere an das Klinikum. Ist es sinnvoll, auf Dauer Geld in ein 'Fass ohne Boden' zu schütten, wo wir das Geld zur Erledigung aller anfallenden kommunalen Aufgaben so dringend brauchen? Oder ist hier nicht der liberalen Urforderung nach einer Klinikumsprivatisierung nachzukommen?

Die Grundlage all dieser Wünsche oder Anforderungen an eine lebenswerte Stadt ist - ich habe es eingangs schon bemerkt - eine solide Haushaltspolitik. Ohne Zweifel, die Landeshauptstadt ist gut aufgestellt. Dass die Jahresrechnung zum zweiten Mal in Folge außergewöhnlich gut ausgefallen ist, ist erfreulich. Unser Oberbürgermeister und der Kämmerer haben ja das ehrgeizige Ziel, bis 2010 unsere Stadt schuldenfrei zu machen. Es gilt bei diesem Gedanken, die richtige Balance zu finden zwischen Konsolidierungskurs und Investitionen. Wir halten es für falsch, Zukunftsinvestitionen - bei genauerem Hinsehen sind es überwiegend Sanierungen, die die Stadt wie eine Bugwelle seit Jahren vor sich herschiebt - zu vernachlässigen.

Uns ist wohl bewusst, dass nicht mehr in allen Bereichen ein gleichbleibend hohes Niveau der städtischen Leistungen garantiert werden kann. Dennoch ist die Handlungsfreiheit für die Zukunft unserer Stadt zu gewährleisten: Also keine Sparpolitik um jeden Preis!

Es geht immer wieder ums Geld. Im Schillerjahr zitieren wir gerne eben diesen: Schon Friedrich Schiller, der seinem Vater Sorgen machte, weil er Schulden hatte, es aber lieber für sich und seine Familie verbrauchte, sobald er zu Geld kam, schrieb, er könne es für sein 'Glück besser gebrauchen'. Er hat mit dieser Einstellung Bleibendes geschaffen.

In diesem Sinne: Gehen wir mit Neugier, Optimismus und Tatkraft an die nun startenden Haushaltsberatungen!

Zum guten Schluss danke ich im Namen meiner Fraktion unseren Geschäftsstellenmitarbeitern, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung, der Rathausspitze und den Amtsleiterinnen und Amtsleitern für die gute und zukünftige Zusammenarbeit."

StR Dr. Schlierer (REP):

"Die bei der Einbringung des Haushaltes 2006/2007 vom Ersten Bürgermeister angesprochene kritische Finanzsituation der Städte und Gemeinden ist nicht neu, und es steht zu befürchten, dass uns die Krise der Gemeindefinanzen auch in den kommenden Jahren als Dauerproblem begleiten wird. Die Aussichten für die weitere finanzielle Entwicklung geben daher keinen Anlass zu Optimismus, selbst wenn es, was unstreitig ist, Stuttgart derzeit besser geht als manch anderen Städten.

Dies zeigt sich auch im vorgelegten Haushalt. Mit der vorgesehenen gesetzlichen Mindestzuführungsrate vom Verwaltungshaushalt an den Vermögenshaushalt wird gerade noch den Vorschriften der Gemeindehaushaltsverordnung Rechnung getragen. Von einem investiven Spielraum, der gerade im Blick auf die Zukunft und im Interesse der Schaffung von Arbeitsplätzen wichtig wäre, kann keine Rede sein. Dabei wird die Situation für die Jahre 2006 und 2007 noch durch Einnahmen in Gestalt außerordentlicher Zinserträge, die als einmalige Ausschüttungen aus den in den vergangenen Jahren thesaurierten Fondserträgen zur Verfügung stehen, einmalig abgefedert. Eine weitere Erwartung in dieser Hinsicht können wir heute nicht für die weitere Planung zugrunde legen. Die vorgesehenen Investitionsvorhaben werden durch Abschmelzen von Rücklagen und durch Kredite finanziert, wobei die Finanzierung über innere Darlehen in Höhe von über 262 Mio. € diese Möglichkeit abschließend erschöpft. Der Haushalt lebt also von der Substanz. Dies geschieht zwar mit Vorsicht - so der Herr Oberbürgermeister -, aber eben auch ohne Hoffnung auf Besserung.

Die Ursachen dafür sind vielschichtig und von uns als Gemeinderat, soweit es die Einnahmenseite angeht, nur begrenzt beeinflussbar. Letztlich geht es um das System der Gemeindefinanzierung, deren längst überfällige und durchgreifende Reform in der Vergangenheit im Gestrüpp der divergierenden Verteilungsinteressen stecken geblieben ist. Wir werden diese Konflikte zwar nicht lösen können, aber wir müssen uns selbst klar werden, welche Zielvorstellungen von uns als Kommune in der Auseinandersetzung mit Bund, Land und Verbänden zu verfolgen sind.

In diesem Zusammenhang muss auch die vom Stadtkämmerer angesprochene Haltung des Landes Baden-Württemberg thematisiert werden. Dass das Land die Entlastung beim Wohngeld im Rahmen der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe nur zu einem kleinen Teil weitergibt und überdies ständig Kürzungen im kommunalen Finanzausgleich vornimmt, um den eigenen Haushalt zu Lasten der Kommunen zu sanieren, muss angeprangert werden. Aber es stört mich, wenn ausgerechnet jene Krokodilstränen vergießen, die am ehesten in der Lage wären, auf die politischen Entscheidungsträger im Land Einfluss zu nehmen. Ich frage Sie, Herr Dr. Schuster und Herr Föll, wo bleibt denn hier die Intervention bei Ihren Parteifreunden in der Villa Reitzenstein und im Neuen Schloss? Über die Kürzungen des kommunalen Finanzausgleichs entscheiden doch die Abgeordneten von Union und FDP im Landtag nach den Vorgaben der Landesregierung. Es wäre Ihre Aufgabe als Vertreter der Landeshauptstadt, die Landesregierung zur höherer Einsicht und zur Abkehr vom falschen Weg im Umgang mit den Kommunen zu bringen. Jedenfalls reicht die Klage hier im Gemeinderat nicht.

Nachdem bei der Einbringung des Haushaltes zur Zukunft der Gewerbesteuer sowohl vom Herrn Oberbürgermeister wie vom Kämmerer Ausführungen gemacht wurden, muss dieses Thema angesprochen werden. Die zunehmende kommunale Finanzkrise in Deutschland mit einer kommunalen Aufgaben- und Ausgabenexpansion einerseits und unzureichender Ausstattung der Finanzierungsbasis andererseits wird insbesondere dadurch verursacht, dass über kommunale Aufgaben in hohem Maße durch Bund und Land entschieden wird, während die Städte und Gemeinden die finanziellen Lasten tragen müssen und durch eine Nachfrage der Unternehmen und Bürger nach kommunalen Leistungen bei nur wenig ausgeprägtem Kostenbewusstsein hinsichtlich der Aufgabenerfüllung zunehmend in Anspruch genommen werden.

Eine umfassende Reform des Gemeindefinanzsystems sollte daher vor allem drei Anforderungen gerecht werden:

1. der Sicherung einer aufgabengerechten Finanzierungsbasis für unterschiedlich strukturierte Kommunen,

2. der Stärkung von Anreizen zu einer präferenzgerechten und wirtschaftlichen Aufgabenerfüllung und

3. der Einführung von Anpassungsmechanismen zur Justierung des Finanzsystems bei strukturellen Aufgaben-, Ausgaben- und Einnahmenänderungen.

Ich gebe zu, dass das von der Stiftung Marktwirtschaft vorgeschlagene Konzept mit der Ablösung der Gewerbesteuer durch ein sog. 4-Säulen-Modell diesen Anforderungen nicht entspricht. Aber der Ansatz, nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger als Nutzer kommunaler Leistungen umfassend und fühlbar an der Finanzierung kommunaler Leistungen zu beteiligen, ist per se nicht falsch. Die zuletzt vorgenommene Verbreiterung der Gemeindesteuerbemessungsgrundlage hat diesem Aspekt nur sehr eingeschränkt Rechnung getragen. Das bedeutet in der Konsequenz eine Verbreiterung der steuerlichen Bemessungsgrundlage, ohne die Anreizkompatibilität in Gestalt des kommunalen Hebesatzrechtes aufzugeben. Dass die Gewerbesteuer heute nicht mehr ausreicht, um die Probleme der Zukunft zu lösen, liegt auf der Hand. Bei dieser Gelegenheit die kleine historische Anmerkung: Adam Smith formulierte bereits 1776, dass eine Besteuerung niemals dem Gewerbefleiß der Bürger hinderlich sein dürfe. Dessen ungeachtet führte der preußische Staat im Jahr 1810 die Gewerbesteuer ein. Diese Abgabe sollte den kriegsgeschädigten Staatshaushalt sanieren und ist uns bis heute erhalten geblieben. Dass diese Steuer in ihrer Form heute den Anforderungen nicht mehr Rechnung trägt, liegt auf der Hand. Sie allerdings einfach abzulösen, ohne klarzumachen, wie dann in der Zukunft das Steueraufkommen der Kommunen gesichert werden soll, reicht nicht aus. Dass die Streichung der einen Steuer woanders eventuell Entlastungs- oder Mehraufkommenseffekte erzielt, reicht nicht allein aus, dass die Kommunen in der Zukunft ihren Aufgaben gerecht werden können.

Was wir brauchen, ist eine Steuer, die die konjunkturellen Schwankungen im Steueraufkommen, die chronische Unterfinanzierung und auch den Verfall der Investitionen beseitigt. Wir brauchen ein Finanzsystem, das auf einer kommunalen Wirtschaftssteuer mit möglichst breiter Bemessungsgrundlage aufbaut. Schließlich geht es auch darum, durch eine Steigerung der kommunalen Investitionen endlich auch dem Arbeitsmarkt entsprechende Anreize zu vermitteln und zu neuen Arbeitsplätzen zu gelangen.

Mit hehren Worten hat der Erste Bürgermeister die Leistungsfähigkeit der Stuttgarter Bürgerschaft als Grundpfeiler einer erfolgreichen städtischen Finanzpolitik beschworen. In der Tat: Die Leistungsfähigkeit und auch die Leistungsbereitschaft unserer Bürgerschaft können sich sehen lassen. Gewerbefleiß und Erfindungsgabe geben unserer Stadt eine immer noch beeindruckende Dichte von großen, kleinen und mittelständischen Unternehmen, auch im produzierenden Gewerbe, und machen Stuttgart bis heute zu einer europäischen Ingenieurshauptstadt. Aber auch wir spüren inzwischen den scharfen Wind der Globalisierung. Traditionsunternehmen, die auf gesunden Füßen zu stehen schienen, werden aufgeben, Arbeitsplätze gehen ununterbrochen verloren. Das Vertrauen in eine prosperierende Zukunft und stetige Wohlstandsmehrung ist dahin. An deren Stelle treten Skepsis und Unsicherheit.

Umso wichtiger ist es, mit dem Vermögen der Kommune und der Solidargemeinschaft sorgfältig umzugehen. Die Kommunalpolitik kann mit den ihr zur Verfügung stehenden Instrumenten, deren einflussreichstes bekanntlich das Geldausgeben ist, nur wenig tun, um neue Aufschwünge herbeizuführen. Aber sie kann an manchen Stellen einiges Positive bewirken.

Und sie kann auch einigen Schaden anrichten, wenn sie diese Instrumente falsch einsetzt. Dazu zählt für uns auch die Vernachlässigung der (Verteilungs-)Gerechtigkeit: Das Prinzip von Leistung und Gegenleistung muss auch im Lichte des Sozialstaatsprinzips beachtet werden. Wer von der Solidargemeinschaft etwas erwartet, muss auch bereit sein, seinen Beitrag zu ihr zu leisten. Wenn die Zahl derer überhand nimmt oder stark steigt, die auf Kosten der Solidargemeinschaft leben, wird diese gefährdet und irgendwann gesprengt. Deshalb brauchen wir zum Erhalt der solidarischen Lastenverteilung auch ein härteres Vorgehen gegen Leistungsmissbrauch.

Zur Ausgabenseite

Beim Ausgeben werden wir uns angesichts der geschilderten Finanzsituation zwangsläufig ans Sparens erinnern müssen. Und die Definition des Sparens lautet bekanntlich ganz einfach: weniger ausgeben, als man einnimmt. Niemand weiß das besser als wir Schwaben. Nur halten wir uns gerade im öffentlichen Bereich nicht immer daran. Auch in diesem Haushaltsentwurf hat die Stadt ihre Gestaltungsspielräume zur Reduzierung der laufenden Ausgaben nach unserer Ansicht nicht ausgeschöpft.

Niemand fordert einen totalen Sparzwang. Aber ein Prinzip muss gelten: Vorrang haben die notwendigen Investitionen für die Erhaltung der Vermögenssubstanz in den Stadtbezirken und für die Sicherung der öffentlichen Daseinsfürsorge, der Bildungsangebote und vor allem der Lebensqualität für Kinder und Familien. Wir müssen Prioritäten setzen. Wir müssen unsere knappen Gelder dort einsetzen, wo wirklich Bürgern in Not geholfen wird, die aus eigener Kraft nicht mehr zurechtkommen können. Wir müssen aber dort unsere Ausgaben reduzieren, wo der Nutzen zweifelhaft ist und wo bisweilen doch der Verdacht aufkeimt, dass Partikularinteressen und Lobbygruppen bedient werden.

In unseren Haushaltsanträgen haben wir eine Linie aufgezeigt, wie im Bereich der sozialen Ausgaben in manchen Bereichen umgesteuert werden kann: hin zu einer Stärkung von unabdingbaren Angeboten - ein Beispiel ist die städtische Notunterkunft für Obdachlose in der Hauptstätter Straße, die dringend der Sanierung bedarf -, weg dagegen von der Subventionierung einer breiten Palette von freien Trägern, die zum Teil erhebliche Summen erhalten, die einfach aus besseren Zeiten fortgeschrieben wurden. Bei diesen meist freiwilligen Leistungen hat die Stadt erhebliche Gestaltungsspielräume, die auch genutzt werden müssen. Da gibt es keinen absoluten Bestandschutz. Bei vielen Beratungs- und Betreuungsangeboten stellt sich die Frage, ob sie überhaupt noch in unsere Zeit passen.

Wir schlagen deshalb eine Reihe von Kürzungen vor. Sie können das unseren Anträgen entnehmen; ich will sie heute hier nicht im Einzelnen darstellen. Unsere Leitlinie bei diesen Vorschlägen ist es, das Gemeinwohl und das Wohl unserer Bürger an die erste Stelle zu setzen. In diesem Sinne bitten wir die Mitglieder des Gemeinderates auch um Unterstützung für diese Vorschläge.

Sparen bedeutet im Übrigen auch: Die Sanierung des städtischen Haushalts und das Festhalten an kostenträchtigen Prestigeprojekten passen nicht zusammen. Es muss nicht jede Großsportveranstaltung nach Stuttgart geholt und bezuschusst werden, nur damit man sich mit dem ziemlich unscharfen Titel einer 'Sporthauptstadt' schmücken kann. Nichts gegen Marketing, nichts gegen Förderung des Tourismus, aber großzügiges Sponsoring von Sportarten wie beispielsweise dem Radsport, bei denen genügend Werbe- und anderweitige Sponsorengelder vorhanden sind, ist nicht erforderlich. Wir setzen dagegen auf die Verbesserung der Sportstätten für den Breitensport, z. B. von Sportplätzen wie beim SV Prag oder anderen Vereinen.

Ich will bei dieser Gelegenheit auch noch einmal daran erinnern, dass wir schon vor Jahren davor gewarnt haben, beim Engagement in großen Prestigeprojekten die Folgelasten richtig einzuplanen. Unsere kritische Position und unsere Skepsis hat sich bestätigt. Jüngstes Beispiel - obwohl das nur eine Kleinigkeit zu sein schien - ist die neue Galerie am Schlossplatz, wo wir sehen, dass die Folgekosten später das Problem sind, auch wenn das Ganze sich zunächst einmal schön ausnimmt und schön darstellbar ist.

Herr Oberbürgermeister, zu den gescheiterten visionären Entwürfen, die Sie verfolgt haben und verfolgen und die wir natürlich auch in diesem Haushalt widergespiegelt finden, gehört zweifelsohne auch die Vision von der 'Einwanderungsstadt'. Die schönen Preise, zuletzt von Herrn Bundesinnenminister Schily verliehen, dürfen nicht über die großen materiellen wie immateriellen Kosten hinwegtäuschen. Zu den materiellen Kosten haben wir Ihnen eine Reihe von Einsparungsvorschlägen vorgelegt. Sie betreffen in erster Linie die Bereiche Integration und Interkultur. Es wird immer klarer, dass die bisherige Integrationspolitik zwar einer florierenden Integrationsindustrie nützt, dass aber dadurch die Entstehung von Parallelgesellschaften auch in unserer Stadt nicht verhindert wird.

Anstatt sich im Glanze von Preisen für Integrationspolitik zu sonnen, müssen auch hier Kosten transparent gemacht werden. Und nur wenn wir die Realität nicht beschönigen, sondern zur Kenntnis nehmen, können wir auch auf die Verursacher dieser Kosten, nämlich die Verantwortlichen für die Einwanderungspolitik in Bund und Ländern, einwirken und diese vielleicht zum Umsteuern veranlassen. Das gebietet schon die Verantwortung für die eigenen Bürger. Ich will hier jemanden ganz Unverdächtigen zitieren: 'Die Arbeiterklasse trägt die Hauptlast der Einwanderung, während Markt- und Multikulti-Liberale die öffentliche Auseinandersetzung darüber dominieren' - so der Harvard-Professor George Borjas in einer Studie für das Center of Immi- gration Studies. Die Hauptlast: Das ist die Umverteilung von den Einheimischen zu den Eingewanderten, wie es auch der Bevölkerungswissenschaftler Herwig Birg und der ifo-Präsident Werner Sinn erst kürzlich in entsprechenden Arbeiten konstatiert haben.

Wir sagen an dieser Stelle: Integration ja, aber Integration ist auch Holschuld jener, die hier eingewandert sind, und nicht nur Bringschuld der Stadt. Wir können auch Eigenleistung von jenen verlangen, die dauerhaft dazugehören wollen. Nicht immer mehr Geld und mehr Sozialarbeiterstellen sind der Schlüssel, sondern auch das Einfordern von Eigenleistung, Eigenbeteiligung und Willen zur Integration.

Erlauben Sie mir hier eine Einflechtung, ganz aktuell anlassbezogen, aber sicherlich auch aus einer gewissen eigenen Erfahrung gespeist. Mir geht es um die aktuelle Diskussion über das von der Landesregierung beabsichtigte Kopftuchverbot in Kindergärten. Herr Oberbürgermeister, ich kann mich noch gut daran erinnern, dass wir REPUBLIKANER 1998 damals im Landtag eine Novellierung des Schulgesetzes gefordert hatten, um die notwendige rechtliche Grundlage für ein Verbot von Kopfbedeckungen aller Art im Schulunterricht, aus welcher ideologischen Motivation auch immer, abzusichern. Damals argumentierte die Kultusministerin Schavan genauso wie Sie heute, es gebe keinen Bedarf, und das trotz des Falls Ludin, der schon damals in den Schlagzeilen war. Jetzt haben wir den nächsten Konfliktfall, und wieder behaupten einige im Land, es bedürfe keiner gesetzlichen Regelung. Die Landesregierung brauchte damals fünf Jahre und einen Prozess durch sämtliche Instanzen, bis ihr endlich das Bundesverfassungsgericht zur höheren Einsicht verhalf, dass wir REPUBLIKANER mit unserer Forderung damals Recht hatten und eine gesetzliche Regelung erforderlich ist. Jetzt wollen Sie, Herr Oberbürgermeister, denselben Fehler von Frau Schavan wiederholen. Ich staune nur über so viel Lernresistenz.

Meine Damen und Herren, statt große Visionen zu verfolgen, müssen wir den Blick auf das Naheliegende richten und auch vor der eigenen Haustür Ordnung schaffen. Der Investitions- und Sanierungsstau in den Bezirken ist groß. Schulen und Turnhallen bröckeln an allen Ecken und Enden. Wir haben in unseren Anträgen eine Reihe von besonders dringlichen Maßnahmen wie die Sanierung der Grund- und Hauptschule Wangen oder der Turnhalle der Johann-Friedrich-von-Cotta-Schule aufgegriffen.

Auch bei Spielplätzen und Spielflächen ist der Investitions- und Sanierungsbedarf immens. Wir sollten die finanziellen Spielräume, die wir noch haben, in erster Linie diesen Bereichen zuwenden, wo es um die Zukunft unserer Bürgerschaft und unserer Kinder geht. Das gilt für uns auch für die frei werdenden Mittel aus der Auflösung der Rücklage für die Filderauffahrt, die unserer Ansicht nach unter den obwaltenden Umständen nicht nur zu einem Teil, sondern vollständig für die Sanierung von Schulen, Kindergärten und Spielplätzen eingesetzt werden sollten. Wir sehen zwar auch die Notwendigkeit mancher Straßenprojekte, aber hier müssen die Prioritäten richtig gesetzt werden.

Auch in den Bezirken gibt es viel zu tun. Der Neubau des Feuerwehrhauses Weilimdorf, der schon erwähnte Umbau von Sportplätzen und die Sanierung des Inselbades Untertürkheim sind nur einige besonders dringliche Beispiele. Wir müssen in die Erhaltung der Vermögenssubstanz investieren und das Funktionieren von Institutionen der Sicherheit und der öffentlichen Daseinsfürsorge wie der Feuerwehr sicherstellen. Die sichtbaren Zeichen unserer Kultur wie Brunnen und Friedhöfe dürfen nicht dem Verfall preisgegeben werden. Ebenso müssen wir uns stärker um die Beseitigung von Verunzierungen aller Art, beispielsweise durch die Unsitte der Graffiti-Schmierereien, kümmern. Auch Schmuddelecken in der 'guten Stube', wie das Areal um das Rathaus-Parkhaus an Eich- und Nadlerstraße, sollten wir verbessern. Wir sollten diese Situation bereinigen und das Erscheinungsbild auch im Blick auf das nächste Jahr verbessern.

Wenn wir über die finanzielle Situation unserer Stadt sprechen, dürfen wir uns nicht damit zufrieden geben, als Einäugiger König unter den Blinden zu sein. Ich sage das auch im Blick auf die Schuldenreduzierung. Wir haben dies im Wesentlich erkauft durch Aufgeben der Beteiligungen an Energieunternehmen. Das ist für die Bürger eine zweischneidige Sache: einerseits die Verminderung der Schuldenlast, andererseits aber auch ein Verlust an Qualität. Der Ärger um ständige Gaspreiserhöhungen lässt Ungutes ahnen. Auch die Landesregierung hat inzwischen begriffen, dass die Entwicklungen auf dem Energiemarkt für das ganze Land abträglich sein können. Profitmaximierung statt vorausschauendem und regelmäßigem Investieren ist für die Erhaltung und im Interesse der Daseinsfürsorge nicht gut. Ein verantwortungsbewusster städtischer Betrieb wird sich immer darum kümmern, seine Anlagen und sein Leitungsnetz so zu erhalten, dass sie auch für künftige Generationen leistungsfähig bleiben. Bei einem profitorientierten Unternehmen ist das nicht der Fall.

Noch ein Wort zu dem Großvorhaben Klinikum: Im Rahmen der dualen Finanzierung hat das Land die Hauptlast des Bauvorhabens zu tragen. Die Stadt selbst beteiligt sich mit einem sehr beachtlichen Anteil. Ob der dann immer noch fehlende Betrag in dreistelliger Millionenhöhe tatsächlich vom Eigenbetrieb selbst aufgebracht werden kann, steht angesichts der Unsicherheit, die die sogenannten Gesundheitsreformen im Bereich der Krankenhausfinanzierung gebracht haben, in den Sternen. Wir hoffen, dass das vom Kämmerer vorgetragene Finanzierungskonzept sich umsetzen lassen wird. Aber wir melden heute schon Zweifel an dieser Kalkulation an. Möglicherweise wird sich die Stadt in noch weit größerem Umfang an der Finanzierung dieses unverzichtbaren Projektes beteiligen müssen, obschon sie dazu rechtlich nicht verpflichtet ist.

Es wäre wünschenswert, wenn wir heute nach Jahren der Konsolidierung ein Licht am Ende des Tunnels der Beschränkungen erkennen könnten. Es wäre schön, das Ziel der schuldenfreien Stadt 2010 würde für uns näher rücken. Leider werden wir auch in den vor uns stehenden Haushaltsberatungen letztlich darauf achten müssen, dass wir einen rechtlich konformen Haushalt zustandebringen und dass wir uns auch über die nächsten zwei Jahre mit Prioritätensetzungen und Kürzungen hinwegretten. Vielleicht - aber Anlass zu diesen Hoffnungen gibt es eigentlich nicht - wird die Situation der Kommunen in den nächsten vier Jahren durch entsprechende Schritte des Bundes gebessert. Letztlich aber werden wir uns darauf einstellen müssen, dass es nach dem jetzt vor uns stehenden Haushalt eher schwieriger werden wird. Dessen ungeachtet sind wir gespannt auf die vor uns stehenden Beratungen.

Zum Schluss darf ich noch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung, der Eigenbetriebe und natürlich insbesondere der Kämmerei für ihre Arbeitsleistung bei der Erstellung des vorgelegten Haushaltsentwurfes unseren ausdrücklichen Dank aussprechen."


StRin Küstler (DIE LINKE.PDS)

"DIE LINKSPARTEI.PDS nennt als Ziele für den kommenden Stadthaushalt:

Zukunftsinvestitionen - und das bedeutet: Investieren in die Zukunft der Kinder und der Jugend, für Bildung und in soziale Sicherheit.
Damit verbindet sich eine soziale und offene Stadt.
Niemand darf ausgegrenzt werden!
Alle müssen Anschluss halten können!


1. Zur Einnahmenseite

Wir haben hier recht bombastische und scheinbar staatsmännisch klingende Reden gehört über die Misere der Städte - und da ist etwas Wahres dran -, aber wenn man es nüchtern betrachtet und wenn man sich die Rede von EBM Föll zur Einbringung des Haushalts in Erinnerung ruft, dann muss man sagen, Stuttgart ist ohne Abstriche eine reiche Stadt. Trotzdem sagen Sie bei jeder sozialen Forderung, wir müssen sparen. Sparen ist in Ordnung, aber an den richtigen Stellen. Dann ist es möglich, alle wichtigen Aufgaben zu erfüllen.

Das Geld der Stadt reicht für die wichtigen Aufgaben, und dafür ist eine Umschichtung nötig: weg von Events und Profisport und hin zu Investitionen für die Jugend und den sozialen Bereich, denn das sind nachhaltige und zukunftswirksame Investitionen. Einer meiner Vorredner hat gerade 2,25 Mio. € für die Kindertagesbetreuung verlangt. Am letzten Donnerstag hat der Gemeinderat jedoch mit leichter Hand 4 bis 5 Mio. € für drei Sportereignisse beschlossen. Schon mit 10 % unserer Ausgaben für die Fußballweltmeisterschaft könnten wir im Bereich Jugend und Soziales vieles tun.

EBM Föll hat in seiner Haushaltsrede angekündigt, dass er am 1. Dezember die neue Prognose für die Einnahmenseite der Stadt vorlegt. Ich werde vorerst keine Erhöhung der Hebesätze für die Gewerbe- und Grundsteuer beantragen, weil ich denke, dass das Geld bei richtiger Verteilung reichen müsste. Aber Stuttgart bietet für die ansässige Industrie und das Gewerbe eine hervorragende Infrastruktur und hat gleichzeitig die niedrigsten Hebesätze aller Großstädte. Daher können Industrie und Gewerbe - wenn es nötig wird - sehr wohl ihren Anteil an der Finanzierung der Aufgaben der Stadt angemessen erhöhen. Sollten die Prognosen sich ernsthaft verschlechtern, werde ich eine entsprechende Erhöhung der Hebesätze beantragen.

Ein paar Hinweise möchte ich gerne noch zu den Zahlen in der Einbringungsrede machen. Zum einen hat EBM Föll bei den Zahlen Änderungen gegenüber den im Juli beschlossenen Eckpunkten vorgenommen, die dem Gemeinderat im Detail aufgewiesen werden sollten. Zweitens hat er bei den Risiken der Stadt die Schulden bei den Eigenbetrieben nicht mitgerechnet. Diese sind aber auch Risiken der Stadt, weil z. B. die Schulden bei der Stadtentwässerung von den Einwohnerinnen und Einwohnern über die Gebühren abgetragen werden müssen.

Drittens war ziemlich auffallend, dass EBM Föll als Rahmen für neue Investitionen den Betrag von 170 Mio. € nannte und dann zwei Sätze weiter sagte: 'Einschließlich der Bauunterhaltungen verteilen sich die Investitionen vor allem auf das Gemeinschaftsziel 'Kinderfreundliches Stuttgart' mit insgesamt 123 Mio. €.' Es scheint also, als ob von den 170 Mio. € zwei Drittel für diesen Zweck vorgesehen seien. Was aber durch diese Aussage in der Öffentlichkeit nicht klar wird, ist, dass hier Äpfel und Birnen verglichen werden, denn die erste Zahl, die 170 Mio. €, nennt nur die Neuinvestitionen, und in der zweiten Zahl sind die bereits beschlossenen Maßnahmen sowie die Zuschüsse von Dritten enthalten. So erscheint der Anteil für Kinder und Jugendliche doch gleich ein ordentliches Stück größer. Wenn Sie sich die Neuinvestitionen anschauen, werden Sie feststellen, dass der größte Brocken für den Verkehr ist und nicht für Kinder und Jugendliche. Es wird sich also lohnen, auf diese Zahlen noch einmal näher einzugehen.

Sehr unklug finde ich, dass sich unser neuer Stadtkämmerer nicht darauf konzentriert, mit großem Elan und großer Kenntnis die Finanzen zu managen. Ich finde, er überhebt sich, wenn er den Oberfachreferenten auf allen Gebieten geben will. Fachleute müssen festlegen, wie groß ein Klassenzimmer ist und was die Qualität im Bildungs- und sozialen Bereich ausmacht. Auch Ihr Vorgänger, Herr Föll, hatte eine harte Hand. Aber er kannte seine Grenzen. Wenn Sie sich für omnipotent halten, schadet das der Zusammenarbeit in der Stadtverwaltung und der fachlichen Qualität.


2. Zu den Ausgaben und Investitionen

Ich werde nicht alle einzelnen Anträge vortragen, die ich gestellt habe, sondern ich möchte die Ziele darlegen, die ich und DIE LINKSPARTEI.PDS in dieser Haushaltsberatung verfolgen. Ein Brief aus dem Stuttgarter Osten, der auch an die anderen Gemeinderatsmitglieder ging, hat mich sehr nachdenklich gemacht. Auf Wunsch der SSB als Grundstückseigentümerin und von Anliegern wurde auf den Baumrondells am Ostendplatz eine absolut hässliche Vorrichtung angebracht und Sitzplätze wurden abgebaut, um sogenannte Penner zu vertreiben. Was wird die Folge sein? Diese Menschen suchen sich einen anderen Platz, von dem sie wieder vertrieben werden, und so im Kreis rum. Das ist der letzte Dreh einer Abwärtsspirale, in die ausgegrenzte Menschen getrieben werden - nicht alle, aber doch einige, vor allem viel zu viele.

Wir sind eine reiche Gesellschaft, eine reiche Stadt, aber auch wir spüren die Folgen einer massenhaften Langzeitarbeitslosigkeit. Wir haben auch in Stuttgart Tausende von Menschen, die nie wieder einen regulären Erwerbsarbeitsplatz finden werden oder die nur noch vorübergehend schlecht angesehene und schlechter bezahlte Arbeit bekommen oder die erst gar nicht ins Arbeitsleben hineinkommen. Auch wir haben Kinder aus benachteiligten Elternhäusern, die in der Schule nicht ausreichend gestärkt und gefördert werden, die keinen Schulabschluss schaffen. Wir haben neue Sozialgesetze, welche die Betroffenen arm machen und unter Druck setzen, die eine Zumutung für die Sachbearbeiter sind und ungeheuer viel Geld verschlingen.

Was können wir tun? Bundes- und Landesgesetze kann die Stadt nicht ändern. Sie kann aber wohl ihren Einfluss geltend machen, dass z. B. die Regelsätze so erhöht werden, dass sie zum Leben reichen und dass die Bürokratie nicht zur Schikane wird. Vor allem aber - und darum geht es auch in diesen Haushaltsberatungen - kann und muss die Stadt den Zugang zu den öffentlichen Gütern schaffen, die Selbsthilfe stärken und die Ausgrenzung bekämpfen. Darum sage ich: Investitionen in die Jugend und in die Bildung sichern auch die Zukunftsfähigkeit der Stadt. Sie hören das auch aus der Wirtschaft unter dem Titel 'Förderung der weichen Standortfaktoren', aber ich will hier von den Menschen sprechen. Diese Investitionen geben der nächsten Generation eine Zukunft. Begleitet werden muss das durch eine Politik, die die Menschenwürde all derer sichert, die aus dem Arbeitssystem hinausgedrückt wurden. Auch sie müssen teilhaben am gesellschaftlichen Leben. Sie brauchen soviel Mittel, dass sie selbst aktiv werden können - für sich selbst und gemeinsam mit anderen. Und wenn es so schlimm geworden ist, dass sie krank, depressiv und 'störend' sind, dann brauchen sie zumindest einen Platz, an dem sie angenommen und geduldet sind.


Welche Aufgaben, welche Investitionen fordere ich deshalb? Es sind im Wesentlichen drei Bereiche:

a) Investitionen in Kinderbetreuung und Bildung

Zügiger, bedarfsgerechter Ausbau der Kinderbetreuung und Bildung - hier geht es um drei Dinge: um ausreichende Plätze, um den weiteren Ausbau der Qualität, aber auch um das Ziel, dass dieser wichtige Teil der Bildung wie die Schulen kostenfrei und allen Kindern zugänglich wird. Die Stadt Stuttgart darf sich nicht zum Vorreiter machen, dass durch die Hintertür Gebühren für die Schulen eingeführt werden. Nichts anderes ist es, wenn wir anfangen, für sogenannte außerschulische Angebote, mit denen angeblich die Ganztagesschule geschaffen wird, Geld zu verlangen. Deshalb darf es dieses nicht geben, dass in der Schule Gebühren verlangt werden.

Ausbau der Ganztagesschulen, und zwar nicht durch Elterngebühren finanziert, sondern durch das Land, das für die Bildung verfassungsgemäß zuständig ist, und ergänzt durch die Stadt, die gute Rahmenbedingungen durch Schulbau, Ausstattung, Essen und Ergänzung zum Unterrichtsprogramm durch betreuende Bildung und Maßnahmen wie Sozialarbeit an den Schulen leisten muss - hier ist die ressortübergreifende Zusammenarbeit zwischen dem Schulverwaltungsamt und dem Jugendamt gefordert. Aber nicht in dem Sinne, wie es z. B. jetzt unser neuer Kultusminister fordert, der von 'Zusammenarbeit oder Zusammenbringen von Kinderbetreuung und Schule' spricht, wobei ich fürchte, dass das am Ende darauf hinausläuft, dass die Schule wie die Kinderbetreuung Geld kosten wird.

Das Ziel muss auch sein, dass kein Kind die Hauptschule ohne Abschluss verlässt. Mit guten Ganztagesschulen lässt sich das fördern. Jugendliche, die ohne Hauptschulabschluss abgehen, haben alle Chancen für die Zukunft verbaut.

Ich möchte noch eine Bemerkung machen zu den Bildungszielen. Ich halte es für ganz schlecht, wenn die Landesregierung das Kopftuchverbot auch in Kindertagesstätten und Kindergärten einführt. Warum? Genau in dieser Zeit lernen diese Kinder Toleranz, und sie lernen, dass ein gutes Zusammenleben verschiedener Kulturen, verschiedener Lebensauffassungen und verschiedener Arten der Religion tatsächlich möglich ist. Es ist damit ein wirklich hervorragender Beitrag, um ein friedliches und gutes Zusammenleben in der Gesellschaft zu fördern.


b) Investitionen ins Soziale

Das schließt an den vorigen Punkt an. Die Sorgenkinder, wenn man das so sagen darf, sind die unter 25-Jährigen ohne Arbeitsplatz, die offenbar durch die JobCenter nicht in ausreichendem Maß gefördert werden. Dass die Bedingungen schwierig sind und dass die Beschäftigten dort im Übermaß strapaziert werden, ist deutlich. Trotzdem - Weiterqualifizierung und Eingliederung finden praktisch nicht statt. Damit dürfen wir uns nicht abfinden. Wir werden den Bericht über das JobCenter in der nächsten Sitzung des Gemeinderats diskutieren. Ich werde dann fordern, dass die Stadt ergänzende Bildungsmaßnahmen für diese Jugendlichen bereitstellt.

Wir brauchen auch in diesem Bereich Investitionen für die Zukunft der Jugend, auch wenn wir zugeben müssen, dass es in diesem Alter schon schwerer ist, sie zu erreichen. Vor allem kommt es darauf an, dass bei der Jugend auch die Eigeninitiative gefördert und ihre Selbsttätigkeit unterstützt wird. Umso weniger verstehe ich, dass eine Initiative, die es seit dreißig Jahren in Stuttgart gibt, der Jugendhausclub Degerloch, plattgemacht wird. Ich fordere erneut, dass die Stadtverwaltung dem JHCD angemessene Räume zur Verfügung stellt, und zwar bald, damit dieser Jugendhausclub seine Arbeit fortsetzen kann.

Die Hartz-Gesetze und ihre Folgen werden uns noch Jahre begleiten. Die Stadt muss meiner Meinung nach die betroffenen Menschen unterstützen, dass sie nicht ausgegrenzt werden, sondern am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Das ist eine Frage der Menschenwürde für die Betroffenen, aber auch eine Frage der Demokratie und der Würde der gesamten Gesellschaft. Was es bedeutet, wenn wir einen dauerhaften Sektor blanker Armut zulassen, können Sie in anderen Gesellschaften sehen. Also nicht nach dem konservativen Motto: 'Knapp halten, damit der Anreiz zur Arbeit nicht verloren geht!' Wo es keine Arbeit gibt, nützt das sowieso nichts. Wir müssen das Selbstwertgefühl erhalten, Krankheit und Depression verhindern. Das geschieht durch Möglichkeiten der Selbstorganisation, der Möglichkeit, selbstständig aktiv zu sein. Sicherlich tut die Stadt Stuttgart hier schon einiges, z. B. über die Bonuscard und die Bezuschussung des Pass Orange. Aber wegen der Zeitbeschränkung ist mit dem Pass Orange nicht nur die Arbeitssuche erschwert - wir bräuchten ja eigentlich ein Jobsucher-Ticket -, sondern auch die Teilnahme an Veranstaltungen und die Aufnahme ehrenamtlicher Tätigkeiten. Werben Sie um die Erwerbslosen, damit sie ihre Kenntnisse und Erfahrungen nicht verlieren und nicht glauben, sich verstecken zu müssen, weil sie ausgegrenzt werden. Holen Sie die Erwerbslosen in die ehrenamtliche Arbeit. Insofern ist die Bonuscard zu verbessern.

Es sollte sowieso überprüft werden, welche Verbesserungen in diesem Bereich noch möglich sind. Wenn man genauer hinschaut, kostet das gar nicht wirklich viel mehr, denn die Busse und Bahnen fahren sowieso, und das Theater und viele andere Veranstaltungen könnten leere Plätze auch freigeben für die Inhaber der Bonuscard. Für ganz und gar unproduktiv und falsch halte ich den Antrag, der heute von der CDU vorgelegt worden ist und der in der Tendenz auch von den GRÜNEN unterstützt wird, dass die Bonuscard aufgegeben wird oder nur noch für Kinder und Jugendliche gilt und dafür bei der Familiencard aufgestockt wird. Bei der Familiencard ist die Grenze für das Einkommen so, dass sie auch in die Mittelschichten hineinreicht. Die 60 € pro Kind sind für die Armen zu wenig und für die, die mehr haben, ein Geschenk. Wenn Sie nun die Bonuscard nur noch für Kinder geben, werden alle Armen in der Stadt, die keine Kinder haben, dafür bestraft und in ihrer Teilnahme am gesellschaftlichen Leben beschränkt. Ich glaube nicht, dass es richtig sein kann, das Problem zu lösen durch eine Umverteilung von denen, die am wenigsten haben, zu denen, die ein bisschen haben.

Ich möchte hier auch auf eine Einrichtung eingehen, in der Erwerbslose nicht nur als Fälle behandelt werden, die beraten und angeleitet werden müssen, sondern zu deren Konzept und Programm Selbstorganisation und Förderung des Selbstwertgefühls und der Kreativität gehören. Dass man dies im Gemeinderat verteidigen muss, ist ziemlich bedauerlich. Im Stuttgarter Arbeitslosenzentrum SALZ finden Erwerbslose vom akademisch bis zum einfachst Gebildeten aus den unterschiedlichsten Berufen zeitweise oder länger Hilfe und Ermutigung. Daher kann das SALZ sogar ein Vorbild sein für Initiativen, die nicht von der Depression, sondern von der Ermutigung und Wertschätzung Erwerbsloser ausgehen.

Die Deckelung der Zuschüsse an die Träger der Freien Wohlfahrtsverbände muss aufgehoben werden. Diese Form des Outsourcings ist auch eine versteckte Form des falschen Sparens an sozialen Aufgaben. Den freien Trägern bleibt bei der Deckelung nur die Möglichkeit, ihre Leistungen einzuschränken.

Eine Kommune muss sich daran messen lassen, wie sie mit den Ärmsten in ihren Reihen umgeht. Deswegen fordere ich eine Verbesserung der Standards der Flüchtlingsbetreuung und der Flüchtlingsunterbringung, mindestens eine Rückkehr zu dem früher einmal sehr gelobten Stuttgarter Modell mit einer Beschränkung der Zahl der Plätze und der Verbesserung des Betreuungsschlüssels.


c) Wohnungsbau

Eine Stadt, die über etwa 15 % der Wohnungen verfügen kann, z. B. über ihre eigene Wohnungsbaugesellschaft, kann damit auch merkbar Einfluss auf den Wohnungsmarkt nehmen, sowohl im Standard als auch bei den Preisen. In Stuttgart beträgt der Anteil der städtischen Wohnungen aber weniger als 8 %. Es fehlen vor allem Wohnungen für Familien mit Kindern und mit geringem und unterdurchschnittlichem Einkommen. Der zusätzliche Bau von günstigen Wohnungen hilft nicht nur vielen dieser Leute, damit beeinflussen Sie auch die anderen Preissegmente. Es wird dann mehr Familien möglich, in Stuttgart zu bleiben oder zuzuziehen.

Es ist in Stuttgart tatsächlich schwer, ausreichend Plätze für den Neubau von Wohnungen zu gewinnen und gleichzeitig Umweltziele zu verteidigen, denn auch die gute Luft gehört zur Stadtqualität, ebenso der Lärmschutz und der Schutz vor Emissionen. Deshalb muss das Recycling von Flächen fortgesetzt und verstärkt werden. Aktive und passive Lärm- und Emissionsschutzmaßnahmen sind erforderlich.


d) Kliniken

Eine wichtige Investition, die vom Ansatz her bereits beschlossen ist, betrifft die Kliniken. Ich teile hier die Bedenken über das Finanzierungskonzept. Nicht die Knebelung der Belegschaft - durch welche Geschäftsform auch immer - bringt hier Fortschritte. Meines Erachtens leistet die Belegschaft bereits ihren Anteil: gute Arbeit, die einen guten Ruf des Klinikums und eine gute Auslastung bringt. Diese Grundlage der wirtschaftlichen Arbeit liegt in der Verantwortung des Personals.

Die Stadt muss ihren Anteil an der Verantwortung ebenfalls schultern. Wenn der Kämmerer vorschlägt, einen großen Teil der Finanzierung durch den Grundstücksverkauf der aufgegebenen Standorte zu finanzieren, so kann er das nicht dem Klinikum aufhalsen, sondern muss sich selbst darum kümmern und die Verantwortung übernehmen. Das ist seine Arbeit. Der Bau von Kliniken ist Sache der Stadt, mit Hilfe des Landes. Auch die Rechnung mit der Effizienzrendite ist meines Erachtens trotz aller Gutachten noch längst nicht schlüssig.


Schlussbemerkungen

Die Belegschaft der Stadtverwaltung und der Betriebe der Stadt hat in den letzten zehn, zwölf Jahren enorme Beiträge geleistet, um die wirtschaftliche Situation der Stadt zu verbessern. Die Stadt hat ihre Schulden reduziert, sie hat gleichzeitig investiert und sie hat die Hebesätze für Gewerbesteuer und Grundsteuer heruntergesetzt. Sie sollte der Belegschaft dafür nicht nur danken, sondern sie sollte auch erkennen, wann es heißt aufzuhören, an der Schraube zu drehen. Beispiele wurden in der Öffentlichkeit bereits diskutiert, wie der Bücherbus oder die Stadtplanung im Westen. Daher möchte ich mich gegen weitere pauschale Kürzungen einsetzen. Ich bin dagegen, dass Beschäftigte nicht entsprechend den Anforderungen bezahlt werden und keine Aufstiegsmöglichkeiten haben. Auch der Schutz vor Gesundheitsgefahren am Arbeitsplatz und vor Gefahrstoffen muss beachtet werden.

Stuttgart geht es gut - dann soll es auch allen Stuttgarterinnen und Stuttgartern gut gehen. Dazu gehören die Eingewanderten und die Flüchtlinge, denn sie sind Teil unserer Bevölkerung. Kinder aus Migrantenfamilien und Flüchtlingskinder sind auch Stuttgarter Kinder und müssen die gleichen Rechte haben. Darum bedeutet 'Zukunftsinvestitionen tätigen' in die Zukunft der Kinder und Jugend für Bildung und in soziale Sicherheit zu investieren. Wir brauchen eine soziale und offene Stadt. Alle müssen Anschluss halten können."


StR Rockenbauch (SÖS):

"Heute sind wir aufgefordert, im sprichwörtlichen Sinne gut hauszuhalten. Aber genau über das 'gut haushalten' haben wir heute schon sehr viel gehört. Wir sollten erst einmal zwei Fragen stellen: 1.Was heißt eigentlich haushalten? 2. Womit sollen wir haushalten bzw. wo sollten wir haushalten?

Ich meine, wir können uns da eine Menge aus der Ökologie abschauen, der 'Lehre vom Haus' und damit des Haushaltens schlechthin. Sie beantwortet uns nämlich diese Fragen. 1. Haushalten heißt, mit begrenzten Mitteln so zu wirtschaften, dass Grenzen nicht zu Knappheit führen und trotz eines sparsamen Umganges mit Wasser, Boden und Luft das Leben blüht. 2. sollten wir diese Art des Wirtschaftens in allen gesellschaftlichen Bereichen anwenden.

Der Gemeinderat, der gerade dabei ist, die Mittel für die nächsten zwei Jahre zu verplanen, muss sich also fragen, ob er in allen Bereichen, die unsere Gesellschaft ausmachen, gut haushaltet, und zwar

- im Bereich des demokratischen Miteinanders
- im Bereich des sozialen und kulturellen Zusammenlebens und
- im Bereich der Wirtschaft und Infrastruktur

Während der vorliegende Haushaltsentwurf von diesen drei Bereichen eigentlich nur den ökonomischen betrachtet, wollen wir von 'Stuttgart, ökologisch, sozial (SÖS)' versuchen, hier eine grundsätzlichere Sichtweise anzustoßen. Das heißt, wir verstehen unter 'gut haushalten', dass wir in bestem ökologischen Sinne darauf achten, dass nicht nur die ökonomischen Ressourcen und die Naturressourcen nachhaltig genutzt werden, sondern auch, dass sich die politischen, die sozialen und die kulturellen Kräfte ständig wieder erneuern können.

Die erste Frage, die wir uns nun stellen sollten, lautet: Leisten diese Haushaltsberatungen einen Beitrag zur Belebung der politischen Kultur in Stuttgart? Sicher, jeder von uns würde sich als lupenreinen Demokraten bezeichnen. Aber warum zeigt uns dann der eigentliche Souverän, nämlich Stuttgarts Bürger und Bürgerinnen, die kalte Schulter? Warum gehen - egal, ob zu Kommunal- oder OB-Wahlen - nur noch 50 Prozent zur Wahl, warum ist also der Hälfte der Stuttgarter ihre Zukunft egal? Oder vertrauen sie einfach nicht mehr den jetzigen politischen Institutionen wie dem Gemeinderat, oder haben sie einfach das Gefühl, die machen ja doch, was sie wollen? Ich fürchte, dass es Letzteres ist, und eigentlich können wir uns diesen Zustand nicht länger leisten. Es ist nämlich auch eine Frage, wie weit wir bei diesem Haushalt bereit sind, die Bürgerinnen und Bürger ernsthaft zu beteiligen. Da hilft uns eine Aussage unseres Herrn Oberbürgermeisters, dass eine Senkung des Quorums bei Bürgerentscheiden unter die vom Landtag nun beschlossenen 25 Prozent der Wahlberechtigten die Gefahr schaffe, 'dass eine Minderheit der Bevölkerung unter Missachtung des Gemeinwohls ihre Interessen durchsetzt', wenig. Ich frage mich, woher dann die Sicherheit kommt, dass die 20 Prozent der Wahlberechtigten, die unseren Oberbürgermeister gewählt haben, nicht eben eine solche Minderheit sind.

Ein zukunftsfähiges Gemeinwesen und ein nachhaltiges Wirtschaften kann aber nur entwickelt werden, wenn man den Menschen ein ernsthaftes Mitsprache- und Mitentscheidungsrecht einräumt. Das Wesentliche dabei ist mehr Nachvollziehbarkeit und Transparenz, ohne die keine ernsthafte Beratung möglich ist. Dazu gehört auch die notwendige Zeit für die direkte Rückkopplungsmöglichkeit an die Verwaltung. Nichts ist so gut geeignet, Leute zu politisieren und zu aktivieren, wie Haushaltsberatungen, wo es schließlich um ihr Geld geht. Wir von SÖS sind der Meinung, dass die Menschen am motiviertesten mitarbeiten, wenn sie nicht nur mitberaten dürfen, sondern wenn sie mitentscheiden können. Sonst wird eine Pseudo-Beteiligung wie zum Runden Tisch Radverkehr, wie bei Stuttgart 21 oder wenn sich Bürger auf den letzten Drücker noch schnell zu einem schon auf Hochglanz gedruckten Stadtentwicklungskonzept äußern dürfen, nur zu Frust führen.

Auch wenn bis jetzt noch § 21, Absatz 2, Satz 4 der Gemeindeordnung Bürgerentscheide über die Haushaltssatzung ausschließt, sollte Stuttgart sich schleunigst auf den Weg machen, Vorreiter in Sachen Bürgerhaushalte zu werden. Außer der Angst der Gemeinderäte und der Verwaltung, hier an Einfluss zu verlieren, gibt es keine wesentlichen Argumente gegen Bürgerhaushalte, wie Beispiele aus der Praxis belegen, siehe Porto Alegre. Dort wurde das Aufstellungsverfahren für den Haushalt einfach auf den Kopf gestellt. In den Stadtteilen, vor Ort, haben sich die Bürger getroffen und ihre Belange definiert, während gleichzeitig die Verwaltung Rechenschaft abgelegt hat. Auf einer höheren Ebene haben Repräsentanten aus diesen Stadtteilen ein Gesamtkonzept erarbeitet, und schließlich wurde beides in Übereinstimmung gebracht. Davon sollten wir uns inspirieren lassen.

Oft wird eingewandt, die Entscheidungen seien so komplex, dass die Einwohnerinnen und Einwohner damit überfordert seien. Dazu kann ich nur aus der GRDrs 990/2004 zitieren - es ging dort um den Bürgerantrag von ver.di und anderen auf Erweiterung der Hauptsatzung im Hinblick auf Bürgerentscheide: 'Die umfassende Information der gesamten wahlberechtigten Bevölkerung, die für sachgerechte Entscheidungen erforderlich ist, ist dagegen noch um vieles anspruchsvoller und aufwändiger'. Und weiter heißt es dort: 'Deshalb soll der Katalog der wichtigen Gemeindeangelegenheiten nicht pauschal erweitert werden'. Im Klartext: Bürgerentscheide machen Arbeit und kosten Geld, und das will man keiner, denn wir sind gerade dabei, zu sparen.

Ich glaube aber, es gibt genug gute Gründe, die diesen Mehraufwand rechtfertigen: Die direkte Beteiligung aller Einwohnerinnen und Einwohner bietet die Chance, neben dem fachlichen Wissen der Experten das Alltagswissen, die alltägliche Erfahrung der Bevölkerung mit in die Entscheidungen einfließen zu lassen. Außerdem bietet die breite Beteiligung die Chance, zu ungewöhnlichen und kreativen Lösungen zu kommen. Die Leute vor Ort wissen am genauesten, wo sie der Schuh drückt. Die zusätzliche Arbeit in Vermittlung und Transparenz führt darüber hinaus zu einer höheren Akzeptanz und Legitimation der Entscheidungen, was sich in einer deutlich konfliktfreieren Umsetzung, also weniger Klagen und Prozesse, bemerkbar macht. Betrachtet man den Zeitraum von der Planung bis zu Umsetzung, kommen manche Projekte damit sogar schneller voran.

Schließlich wird das Erlebnis, dass man in Stuttgart direkt mitgestalten kann, zu einer stärkeren Identifikation mit der Stadt führen. Menschen - gerade in Zeiten der Arbeitslosigkeit - ernten neue Anerkennung und Selbstvertrauen, ja wachsen in Beteiligungsprozessen über sich hinaus. Untersuchungen haben darüber hinaus belegt, dass durch die direkte Kontrolle der Bürger Bürokratie und Korruption abgebaut und außerdem dominierende Wirtschaftsinteressen zurückgedrängt werden können. Auch das saniert Stadthaushalte.

Ein demokratisches Gemeinwesen ist nur dann demokratisch, wenn es die Fähigkeit zur Selbstkorrektur besitzt. Auch das ist übrigens ein Merkmal von sogenannten 'Bürgerhaushalten'. Vor Jahren hat die Landeshauptstadt über den Verkauf ihrer Anteile an den Neckarwerken Stuttgart an die Energie Baden-Württemberg auch alle Einrichtungen zur Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser verkauft. Es ist allerhöchste Zeit, diesen Fehler wieder zu korrigieren. Daher werde ich beantragen, unverzüglich mit der EnBW Verhandlungen über die Rückabwicklung des Verkaufs der Wasserversorgungseinrichtungen aufzunehmen.

Auch beim Cross-Border-Leasing muss korrigiert werden. Ich werde beantragen, dem Gemeinderat zu berichten, wie und zu welchen Konditionen alle Verträge über Cross-Border-Leasing baldmöglichst aufgelöst werden können. Klar ist, dass es mit einem Bürgerhaushalt erst gar nicht so weit gekommen wäre.

In Stuttgart herrscht eine lustige Tradition: Will man etwas für die Kunst tun, baut man ein teures Kunstmuseum. Will man Kinder und Erwachsene zum Lesen bringen, braucht man eine Bibliothek des 21. Jahrhunderts. Will man etwas für den Sport tun, baut man Stadien und Arenen und bewirbt sich als Austragungsort für teure Weltmeisterschaften. Statt froh zu sein, dass den Menschen eine gute, dezentrale medizinische Versorgung in überschaubaren Einrichtungen zur Verfügung steht, baut man für 800 Millionen € einen Großklinikum-Koloss. Es scheint hier, dass Geld keine Rolle spielt.

Ganz anders sieht das Finanzgebaren im Kleinen, im Kleinlichen aus, wie zum Beispiel beim Stuttgarter Arbeitslosenzentrum (SALZ), wo der Finanzbürgermeister lächerliche 45.000 € streichen und damit die Existenz des SALZ vernichten will. Die Arbeitslosigkeit macht auch um Stuttgart keinen Bogen. Die Menschen, die davon betroffen sind, brauchen einen Ort, wo sie sich mit anderen Betroffenen treffen können, wo sie sich austauschen können, wo sie auch Beratung finden. Deshalb beantrage ich für das SALZ einen jährlichen Zuschuss auf dem Niveau von vor zwei Jahren.

Es ist aber noch viel mehr denkbar - und ich meine auch finanzierbar -, wenn der Gemeinderat meinem Vorschlag folgt, den Kaufvertrag über die Stuttgart 21-Flächen rückgängig zu machen. Die Landeshauptstadt hatte Ende 2001 mit Zustimmung des damaligen Gemeinderats beschlossen, fast das gesamte Gelände von Stuttgart 21 zu kaufen. Damit sollte ein letztes Mal die Deutsche Bahn AG unter Druck gesetzt werden, das Projekt Stuttgart 21 zu realisieren. Es ist seitdem eine einzige Hängepartie. Ich halte einen Rücktritt vom Kaufvertrag für notwendig, um das Projekt Stuttgart 21 endgültig zu beenden. Stuttgart 21 bedeutet Rückbau der Kapazitäten des Bahnknotens Stuttgart und für alle Zeiten die Verhinderung eines Ausbaus von Stuttgart zu einem Integralen Taktverkehrsfahrplan-Vollknoten, es bringt keine Reisezeiteinsparungen, dafür massive Eingriffe in Umwelt, privates Eigentum und in die Heilquellen, und es kostet ungefähr 3 bis 4 Mrd. €. Stuttgart 21 ist ein Projekt der Politik für Banken und Bauwirtschaft, nicht aber für Bahnfahrer, und eigentlich auch nicht für die Deutsche Bahn AG. Es trägt auch nicht dazu bei, dass mehr Verkehr auf die Schiene verlagert wird; es ist auch kein Güterverkehrsprojekt und insofern auch unbedeutend für die europäischen TEN-Förderprojekte.

Zur Finanzierung von Stuttgart 21 waren einmal ca. 2,2 Mrd. DM Grundstückserlöse kalkuliert worden. Tatsächlich werden die Grundstückserlöse nach bahninternen Papieren nur bei ca. 500 Mio. € liegen. Dennoch führte und führt die Bindung der S 21-Finanzierung an die erlösten Grundstückspreise zu einer Entwicklung auf diesen Flächen, die alles andere als eine Entwicklung im Sinn von Nachhaltigkeit ist. Solange aber Stuttgart 21 nicht beendet wird, kann die Alternative Kopfbahnhof 21 nicht geplant und realisiert werden. Kopfbahnhof 21 leistet wesentlich mehr als Stuttgart 21, kostet mit Anbindung an Flughafen und Neubaustrecke 1,2 Mrd. €, ist ein voller ITF-Knoten, und das alles ohne Eingriffe in Heilquellen und privates Eigentum und nur wenigen in die Umwelt. Dass dies auch juristisch aus der Vertragsformulierung heraus machbar ist, habe ich in meinem Antrag dargestellt. Wenn die zurückfließende Kaufsumme so verwendet wird, wie ich das vorschlage, dann wäre dies auch eine mittelbare Wirtschaftsförderung mittels Schaffung neuer Arbeitsplätze und damit Einkommen, die mit den Prinzipien der Nachhaltigkeit in Einklang stünden.

Und noch ein weiteres 'Sparkässle' könnte aufgemacht werden: Nach dem Geschäftsbericht 2004 der LBBW beträgt der Anteil der Landeshauptstadt an den 1,4 Mrd. € Nominalkapital der LBBW 18,9 %. Hinzu kommt noch die stille Beteiligung in Höhe von ca. 800 Mio. €. Wenn jetzt von Ministerpräsident Oettinger von einem Gesamtwert von 11 bis 12 Mrd. € ausgegangen wird, dann beträgt der Anteilswert der Landeshauptstadt ca. 2 Mrd. € plus den stillen Einlagen. Die bisher gewohnten Ausschüttungen der LBBW an ihre Anteilseigner waren ca. 6 % jährlich, bezogen auf das Nominalkapital. Bezogen auf den realen Wert von diesen 12 Mrd. € wären es 'nur' 0,5 bis 0,6 %. Hier stellt sich für mich dann doch die Frage, ob die Landeshauptstadt an einer solchen Beteiligung festhalten soll. Dazu kommt, dass seit dem 19. Juli dieses Jahres die Gewährträgerhaftung - also auch die der Landeshauptstadt - für die LBBW weggefallen ist. Die LBBW will sich nach den Aussagen ihres Vorstandsvorsitzenden am Kapitalmarkt orientieren und deshalb auch die Eigenkapitalrendite maximieren. Eine Bank, deren Ziel die Eigenkapitalrenditen-Maximierung ist, muss nicht von der Kommune als Anteilseignerin unterstützt werden. Deshalb schlage ich vor, dass der Gemeinderat beschließt, die Beteiligung an der LBBW zu verkaufen und das dann vorhandene Kapital zur Förderung nachhaltiger Projekte einzusetzen. Dabei denke ich zuerst an Rückkauf von Gütern der öffentlichen Daseinsvorsorge, wie Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung, wie ich bereits ausgeführt habe. Jedoch wären dann auch Mittel vorhanden, um z. B. eine Energieversorgung auf der Basis erneuerbarer Energien aufzubauen. Das würde richtig Arbeitsplätze schaffen.

Es wäre aber auch mehr Geld da für Kulturschaffende in den Stadtteilen, für einen kostenfreien Eintritt von Kindern in Museen und Galerien, für Stadtteilbibliotheken und für den Breitensport statt für den Profi-Sport.

Um Stuttgarts Schulen fit für den Ganztagesbetrieb zu machen, brauchen diese die nötige In- frastruktur und das nötige Personal. Das kostet bekanntermaßen Geld. Um unsere Kinder bestmöglichst zu bilden, wird es weiterhin wichtig sein, dass es gelingt, die klassische schulische Bildung mit der Persönlichkeitsbildung zu verbinden. Das setzt ein pädagogisches Angebot der Jugendhilfe voraus.

Und natürlich kann durch ehrenamtliches Engagement die Schule zusätzlich belebt werden und die vorhandene Infrastruktur nach Schulschluss als eine Art Stadtteilzentrum genützt werden, in dem sich die Generationen und Kulturen der Stadteile treffen, egal ob jetzt in Werkstätten, Computerräumen, Diskussionsforen, auf den Theaterbühnen oder um gemeinsam Sport zu machen.

Es hilft also nichts, Stuttgart einfach per Deklaration zur kinderfreundlichen Stadt auszurufen. Man muss das Geld dafür zur Verfügung stellen. Und da sprechen die Realitäten eine andere Sprache.

Die Verwaltung plant eine Gebührenerhöhung für die Kindertagesstätten von ca. 12 % und darüber hinaus eine Anhebung des Essensgeldes um ca. 11 %. Das ist das Gegenteil von kinderfreundlich. Dies ist ein Vielfaches der allgemeinen Preissteigerungsrate und durch nichts zu rechtfertigen. Es richtet sich vor allem gegen Familien mit geringerem Einkommen und vor allem gegen Frauen. Ganz besonders der Sonderzuschlag bei den Krippenplätzen von 30€/Monat im Jahr 2006 und nochmals 30 €/Monat mehr im Jahr 2007 lassen diesen Hintergedanken stark vermuten. Gerade in diesem Bereich besteht eine besondere Diskrepanz zwischen Bedarf und vorhandenen Plätzen. Es fehlen in Stuttgart über 1.600 Plätze im Bereich der 0 - 3-Jährigen. Der Verdacht liegt nahe, dass mit der Sonderabgabe der Bedarf über den Preis gedrückt werden soll. Von solch einer Gebührenerhöhung sind in erster Linie Kinder betroffen, die eher unterstützt werden sollten, unter anderem auch Kinder aus Einwandererfamilien. Ich bin der Meinung, dass die Kinderbetreuung ein Teil des Bildungssystems ist und von daher eigentlich kostenfrei sein müsste. Deshalb beantrage ich: keine Gebührenerhöhung, stattdessen eine schrittweise Reduzierung der Gebühren für den Besuch der Kindertagesstätten auf Null bis zum Jahr 2010. Stuttgart, eine der reichsten Kommunen, müsste doch eigentlich deutlich mehr in Bildung und Betreuung investieren, da die Kinder unsere Zukunft sind und gerade in diesem Bereich sich Investitionen wirklich lohnen.

Es würde Stuttgart aber auch gut tun, wenn wir im Bereich Wirtschaft und Infrastruktur von einem Prestige- und Event-Denken Abstand nähmen. Herr Oberbürgermeister Dr. Schuster betont immer wieder die Notwendigkeit, im 'globalen Wettkampf' der Kommunen ganz vorne mitzumischen, ja, Stuttgarts Wohl und Schicksal wird davon abhängig gemacht, und man investiert Hunderte von Millionen in den Standort, siehe Messe, Stuttgart 21, Straßeninfrastruktur - ich erinnere an die Heilbronner Straße.

Ist es aber eigentlich nicht erst der Glaube an diese Wettkampfsnotwendigkeit, die uns abhängig macht, die Investitionen in einer Höhe erfordert, die uns so belasten, dass wir mit dem Status quo oder gar einem Rückgang der Wirtschaft oder der Bevölkerung nicht überleben können? So geben wir massig Geld für die Rahmenbedingungen aus, aber ob dies Erfolg hat, liegt nicht in unserer Macht. Wir tun das, weil wir auf ein grenzenloses Wachstum hoffen, ein Wachstum, das leider neben Haushaltsgrenzen auch keine Grenzen des Naturhaushaltes kennt, was der Fortgang der Versiegelung von Flächen beispielhaft belegt. Sicher, Schulden sind schlimm, sie wären gar nicht nötig, wenn wir das Einsparpotenzial nutzen würden, das ich vorhin angesprochen habe, aber ein bankrotter Naturhaushalt raubt unseren Kindern die Lebensgrundlagen.

Gerade erst war zu lesen, dass sich der Klimawandel wohl schneller als erwartet vollzieht. Dass die nicht erneuerbaren Energien und Rohstoffe zur Neige gehen, wird hier wohl niemand bestreiten. Aber was tun die Stadt Stuttgart, die Verwaltung und wir, um dieser Verantwortung eigentlich ernsthaft gerecht zu werden? Ich habe einmal nachgefragt, was die Stadt zu tun gedenkt, um ihrer Selbstverpflichtung hinsichtlich der CO2-Emissionen nachzukommen, nämlich eine Reduzierung zwischen 1990 und 2005 um dreißig Prozent zu erreichen. Dass das vorliegende Klimaschutzkonzept nichts getaugt hat, wird im neuen Energiebericht bestätigt: Wir haben 11 % erreicht. Mit wurde erwidert, die KLIKS-Maßnahmen seien deshalb nicht wirkungslos, weil dafür schon 50 Mio. € in den letzten zehn Jahren aufgewendet wurden. Seltsame Logik! Deshalb machen wir jetzt die Probe aufs Exempel, und zwar jährlich: Ich beantrage, das Bilanzierungsverfahren der CO2-Emissionen künftig jährlich durchzuführen. Das kostet einmalig 40.000 € und dann jährlich 40.000 €; dann haben wir es schwarz auf weiß, ob wir wirklich näher an das Ziel rankommen oder ob es nur Kosmetik ist, was wir tun.

Nachhaltiges Wirtschaften erfordert außerdem, dass wir mit Boden, Wasser und Luft so umgehen, dass die Lebensgrundlagen erhalten bleiben, indem wir so wirtschaften, dass das, was wir verbrauchen, auch wieder nachwachsen kann.

Statt auf mehr 'Wettbewerb der Metropolen' zu setzen, sollten wir uns besser auf den Aufbau unabhängiger regionaler Wirtschaftskreisläufe konzentrieren. Dies würde dann auch dauerhaft den Verkehr reduzieren. Ich möchte bei dieser Idee auch ein Lob aussprechen: Mir hat die Idee, die Autos unter die Erde zu bringen, ziemlich gut gefallen. Unsere Ideen zu einem wirklich nachhaltigen Verkehrskonzept finden Sie in unserer Stellungnahme anlässlich der Feinstaubdiskussion.

Ich glaube, dass der unverantwortliche Umgang mit der Natur gerade daher kommt, dass wir den Menschen als Maßstab unseres Handelns genommen haben und nicht die Gesamtheit und Komplexität des Naturhaushaltes. Diese selbstbestimmten, demokratisch kontrollierten, unabhängigen regionalen Wirtschaftskreisläufe müssten mit erneuerbarer Energie und nachwachsenden Rohstoffen auskommen. Vielleicht bräuchte man wieder eine TWS, die diese Versorgung sicherstellen könnte. So eine Entwicklung würde zwar Jahre dauern, aber gerade deswegen sollten wir uns jetzt dieses ehrgeizige Ziel setzen. Warum sollten wir nicht den Ehrgeiz haben, die erste Großstadt zu werden, die sich unabhängig macht von nicht erneuerbaren Energien? Wäre dies nicht ein großer Innovationsschub für den Mittelstand und das lokale Handwerk in Stuttgart? Warum wird so etwas nicht einmal im Stadtentwicklungskonzept angedacht? Vielleicht, weil wir dann zugeben müssten, dass wir so nicht weitermachen könnten? Wir könnten dann auch nicht derartige kausale Zusammenhänge formulieren wie 'die Wirtschaft braucht qualifizierte Arbeitskräfte, und deswegen investieren wir in die Köpfe junger Menschen', sondern wir müssten sagen, 'Bildung ist keine Ware, sondern ein Menschenrecht'. Nicht nur der Staat, sondern auch die Wirtschaft ist für den Menschen da.

Wie Sie sich erinnern, habe ich schon skizziert, was im demokratischen Miteinander und im Bereich Soziales und Kulturelles getan werden kann, um eine Entwicklung im Sinne der Nachhaltigkeit zu unterstützen, und dass wir statt Verzicht ein lebendigeres, demokratischeres, sozialeres und jetzt eben auch ein ökologischeres Gemeinwesen erhalten. Was will die FDP eigentlich noch gestalten, wenn sie alles privatisiert hat?

Abschließend will ich kurz anschneiden, dass wir fast ausschließlich über die Ausgabenseite geredet haben, aber es ist klar, dass eine lokale nachhaltige Entwicklung natürlich eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung voraussetzt. Es kann nicht sein, dass die Kommunen die schlechte Haushaltspolitik der Länder und des Bundes ausbaden müssen. Deswegen ist auf Dauer auch über lokale Bürger- und Wirtschaftssteuern nachzudenken. Ich hoffe, es ist klar geworden: Ein nachhaltiger Haushalt würde nicht billiger werden, aber er würde die Prioritäten radikal anders setzten und er würde Geld aus Bereichen, die nicht nachhaltig sind, freisetzen für eine nachhaltige Entwicklung.

Ich weiß, das dies eine etwas ungewöhnliche Haushaltrede war. Ich hoffe aber auch, das wir gezeigt haben, dass es auch dann, wenn wir die ökonomischen und die ökologischen Grenzen ernst nehmen, möglich wäre, gut hauszuhalten. Ob das mit diesem Gemeinderat geht, wird sich zeigen."


OB Dr. Schuster schließt die Allgemeine Aussprache ab mit dem Dank an die Rednerinnen und Redner für die zahlreichen Überlegungen, Anregungen und Anträge, mit denen man sich in den kommenden Wochen bei den Haushaltsplanberatungen befassen werde.