Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
410/2005
GZ:
SJG
Sitzungstermin: 23.06.2005
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Schuster
Berichterstattung:der Vorsitzende, BMin Müller-Trimbusch
Protokollführung: Frau Huber-Erdtmann
Betreff: Erhöhung der Gebühren für den Bereich Tageseinrichtungen für Kinder ab 01.01.2006 - Zielbeschluss

Vorgang:

Jugendhilfeausschuss vom 13.06.2005, nichtöffentlich, Nr. 38

Ergebnis:
1. BMin Müller-Trimbusch sagt zu, dass entsprechend dem Antrag von StR Wölfle (90/GRÜNE) künftig auch bereits die Vorberatungen der Vorlage für den Zielbeschluss einer Gebührenerhöhung öffentlich stattfinden.

2. Die Ziffer 3 des gemeinsamen Antrags Nr. 185/2005 wird wie von StR Wölfle vorgebracht um das Wort "jährlich" vor der Zahl 2,2 Mio. € ergänzt. In dieser Form wird der Antrag vom Jugendhilfeausschuss einstimmig angenommen.

Weiter nimmt der Jugendhilfeausschuss den Antrag 192/2005 zustimmend zur Kenntnis. BMin Müller-Trimbusch sagt zu, dass die in diesem Antrag genannten Schwerpunkte bei der Ausarbeitung der im Antrag 185/2005 beschlossenen Qualitätsentwicklung berücksichtigt werden.

3. Der Jugendhilfeausschuss beschließt bei 9 Ja-Stimmen und 5 Nein-Stimmen mehrheitlich, entsprechend dem Antrag von StR Wölfle den in Ziffer 3 von Anlage 1 der GRDrs 410/2005 genannten Zuschlag in Höhe von 60 € für Krippenplätze von 0- bis 3-Jährigen aus dem Zielbeschluss zur Gebührenerhöhung herauszunehmen.

Mit dieser Änderung wird die GRDrs 410/2005 in die nachfolgenden Gremien verwiesen.


Sozial- und Gesundheitsausschuss vom 20.06.2005, nichtöffentlich, Nr. 66

Ergebnis:
bei 6 Ja-Stimmen und 9 Stimmenthaltungen mehrheitliche Zustim-mung zur Beschlussantragsfassung des Jugendhilfeausschusses


Verwaltungsausschuss vom 22.06.2005, nichtöffentlich, Nr. 237

Ergebnis:
einmütige Zustimmung zum Beschlussantrag sowie zum Antrag Nr. 185/2005


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Referats Soziales, Jugend und Gesundheit vom 01.06.2005, GRDrs 410/2005, mit folgendem

Beschlussantrag:

Die Gebühren für den Bereich Tageseinrichtungen werden zum 01.01.2006 in der als Anlage 2 beigefügten Fassung erhöht.

Die Anhörung des städtischen Gesamtelternbeirats sowie der kirchlichen Gesamtelternbeiräte und des Gesamtelternbeirats der freien Träger, die im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband organisiert sind, wird auf der Basis dieses Zielbeschlusses durchgeführt.

Entsprechend diesem Zielbeschluss erstellt das Jugendamt eine Beschlussvorlage mit der erforderlichen Satzungsänderung.

Weitere Beratungsunterlage ist der gemeinsame Antrag der Gemeinderatsfraktionen von CDU, SPD, Bündnis 90/DIE GRÜNEN, FDP und Freien Wählern vom 10.06.2005, Nr. 185/2005 "Gebührenerhöhung für den Bereich der Tageseinrichtungen für Kinder" sowie der Antrag der SPD-Gemeinderatsfraktion vom 13.06.2005, Nr. 192/2005 "Kita-Gebühren: Qualitätsverbesserungen konkret angehen!".

Die einführenden Worte von OB Dr. Schuster und BMin Müller-Trimbusch sowie die Stellungnahmen der Mitglieder des Gemeinderats sind nachstehend im leicht gekürzten Wortlaut wiedergegeben:

BMin Müller-Trimbusch:

"Wir legen Ihnen heute eine Vorlage vor, die ihren Ursprung im Jahre 1999 hat. Damals hat der Gemeinderat mit der GRDrs 163/1999 beschlossen, die Gebühren für die Kinderbetreuung in den Tageseinrichtungen regelmäßig alle zwei Jahre anzupassen. Dabei wurde auch festgelegt, dass jeweils zuvor der Gemeinderat über die Anpassung einen Zielbeschluss fassen soll. Dieses Verfahren wird mit der Ihnen heute vorgelegten GRDrs 410/2005 praktiziert und eingeleitet.

Allerdings möchte ich auch darauf hinweisen, dass es heute zunächst nur um einen Zielbeschluss des Gemeinderats geht, der die Grundlage für die notwendige Anhörung der Elternvertretungen sowie der freien Träger ist. Die endgültige Beschlussfassung wird dann erst im Rahmen der Haushaltsplanberatungen 2006/2007 stattfinden.

Mit Blick auf die derzeitige Gebührensituation in Stuttgart möchte ich auf Folgendes aufmerksam machen: Stuttgart gehört bundesweit zu den Großstädten mit den niedrigsten Kita-Gebühren. Auch ein Vergleich mit den anderen Kommunen innerhalb Baden-Württembergs zeigt, dass die Gebühren in Stuttgart die niedrigsten sind. Dies ist eine gewollte, familienpolitische Leistung der Landeshauptstadt, die der Gemeinderat immer uneingeschränkt - und dafür möchte ich mich auch persönlich sehr herzlich bedanken - unterstützt hat. Die bewusst sehr niedrig gehaltenen Kindertagesstättengebühren sind zweifellos auch ein zentrales Element der kinder- und familienfreundlichen Landeshauptstadt Stuttgart. An diesem Grundsatz soll und wird sich auch nach dem Ihnen jetzt vorliegenden Vorschlag der Verwaltung zur Gebührenanpassung in Zukunft nichts ändern.

Hierbei gilt es jedoch auch zu berücksichtigen, wie die derzeitige Kostenverteilung aussieht. So belaufen sich die monatlichen Kosten pro Platz für ein 3- bis 6-jähriges Kind in einer Ganztageseinrichtung auf 668 €, für ein 0- bis 3-jähriges Kind in einer Kinderkrippe dagegen auf 1.249 €. Ein Krippenplatz verursacht also aufgrund der notwendigen intensiveren Betreuung rd. 90 % höhere Kosten. Dennoch wurde den Eltern bisher für eine Betreuungsstunde in einer Kinderkrippe die gleiche Gebühr berechnet wie in einer Ganztageseinrichtung für 3- bis 6-Jährige. In Prozentzahlen ausgedrückt heißt das, die Eltern eines Kindes in einer Ganztageseinrichtung für 3- bis 6-Jährige zahlen bisher rd. 10,6 % der realen Kosten, während die Eltern eines 0- bis 3-jährigen Kindes nur 5,6 % der tatsächlich anfallenden Kosten tragen. Dennoch wollen wir es bei den beiden Betreuungsformen - auch wegen der Transparenz für die Eltern - weiterhin bei der einheitlichen Gebühr pro Betreuungsstunde belassen. Im Interesse eines Ausgleichs schlagen wir aber vor, von den Eltern einen pauschalen monatlichen Zuschlag von 60 € pro Krippenplatz zu erheben.

Abschließend möchte ich noch das problematische und von Ihnen ja auch immer wieder mit sehr eindeutigen Botschaften versehene Thema der Gebührenhöhe bei Familien, die nicht in Stuttgart wohnen, kurz kommentieren: Der Gemeinderat hat bereits im Dezember 2003 entschieden, künftig nur noch Betreuungsplätze für Stuttgarter Kinder zu fördern. Die Umlandkommunen haben jedoch bisher kein Interesse an einer Kostenbeteiligung für die Betreuung der Kinder ihrer Einwohner in Stuttgart gezeigt. OB Dr. Schuster hat in verschiedenen Gesprächsrunden mit den Bürgermeisterkollegen der Umlandgemeinden wie auch den Landräten die Sache besprochen. Es blieb relativ still im Raum. Wir setzen nach wie vor auf die Einsicht der Menschen und wir denken, dass wir einerseits die Stuttgarter Steuerausgaben nur in Stuttgart für Stuttgarter Kinder und Bürger ausgeben sollten und die anderen sich zumindest an dieser Frage beteiligen sollten."


OB Dr. Schuster:

"Nachdem das vor anderthalb Jahren gesetzte Datum - der 01.01.2006 - näher rückt und sich bislang keine freiwillige Lösung für eine Beteiligung anderer Kommunen an den Betreuungskosten abzeichnet, wäre es richtig, dass der Landesgesetzgeber tätig wird. Es ist ja auch schon von unserem Ministerpräsidenten angedeutet worden, dass er sich vorstellen kann, das Kindergartengesetz um einen Passus zu ergänzen, in welchem klargestellt wird, dass die Kommunen, die entlastet werden, weil das Kind in einer anderen Kommune den Kindergarten besucht, einen Ausgleich an die Kommune bezahlen, in der der Platz in Anspruch genommen wird. Das wäre eine faire, sachgerechte Lösung.

Es ist zu überlegen, ob man nicht eine Resolution an das Land verabschieden sollte mit dem Ziel, dass im Herbst das Kindergartengesetz entsprechend ergänzt wird. Klar ist, dass keine Kommune bereit ist, freiwillig relativ hohe Beträge an die Landeshauptstadt zu bezahlen. Aus den Erfahrungen der letzten Jahre wissen wir, dass dies ein schwieriges Unterfangen ist. Die Radikallösung, die dann gegebenenfalls im Raum stünde, nämlich Kindern von außerhalb in Stuttgart keinen Betreuungsplatz mehr zu geben, wäre sicherlich für alle Beteiligten nicht wünschenswert. Es muss daher über einen finanziellen Ausgleich laufen. Ich wäre dem Gemeinderat dankbar, wenn er mit einem entsprechenden Votum diese Forderung dem Land gegenüber unterstreichen würde.

Die Problematik betrifft ebenso Städte wie Ludwigsburg, Esslingen oder Freiburg - wenn auch in kleinerem Umfang -, also praktisch alle Städte, die einerseits eine zentrale Funktion innehaben und andererseits die Betreuungsaufgabe - vor allem im Krippenbereich - intensiver wahrnehmen als andere Gemeinden. Ich bin mir sicher, dass wir Verbündete finden werden."


StR Uhl (CDU):

"Die Fraktionen von CDU, SPD, Bündnis 90/DIE GRÜNEN, Freien Wählern und FDP werden zum 07.07.2005 dem Gemeinderat eine gemeinsame Resolution vorlegen, in der das Land aufgefordert wird, das Kindergartengesetz wie von OB Dr. Schuster dargestellt zu novellieren. Der Entwurf der Resolution liegt den Fraktionen bereits vor.

BMin Müller-Trimbusch hat inhaltlich bereits alles ausgeführt, was zu dieser Vorlage zu sagen ist. Die CDU-Fraktion wird der Erhöhung der Gebühr je Betreuungsstunde von 0,53 Cent auf 0,60 Cent zustimmen. Es gibt dazu einen gemeinsamen Antrag der Fraktionen, diese Mehreinnahmen für eine Qualitätsoffensive in den Tageseinrichtungen für Kinder zu verwenden. Wir wollen eine Verbesserung der Situation. Deshalb ist die geplante Erhöhung vom Kostendeckungsgrad her angebracht, aber auch unter dem Gesichtspunkt der Qualitätsverbesserung ein richtiger Schritt.

Der zweite Teil der Vorlage sieht einen Zuschlag für 0- bis 3-Jährige um 60 € pro Monat vor. Wir haben uns die Entscheidung, dieses mitzutragen, nicht einfach gemacht. In den verschiedenen Ausschüssen ist das Thema ja ausgiebig behandelt worden. 60 € sind ein nicht unerheblicher Betrag, der auf die Familien zukommt. Deshalb sind wir gemeinsam mit der SPD-Fraktion der Meinung, dieser Zuschlag könnte etwas sozialverträglicher umgesetzt werden, indem ab dem 01.01.2006 ein Zuschlag in Höhe von 30 € eingefordert wird und ab dem 01.01.2007 von weiteren 30 €. Es ist beiden Fraktionen daran gelegen, dass dies bereits jetzt im Zielbeschluss festgeschrieben wird, sodass wir im Jahre 2006 nicht erneut in eine Anhörung gehen müssen. Ziel muss sein, den Familien schon jetzt zu sagen, was auf sie zukommt. Es ist uns klar, dass damit weniger Geld für die Qualitätsoffensive zur Verfügung steht, aber ich denke, dieser Schritt ist richtig und sozialverträglich."


StR Kanzleiter (SPD)

"Das ist heute kein ganz einfacher Beschluss, denn es wäre leichter, Gebühren zu senken. Und in der Tat wäre es ja auch eine längerfristige Überlegung, darüber nachzudenken, ob wir für Kinder im Jahr vor der Einschulung noch Betreuungsgebühren erheben sollten. Das ist aber nur eingebettet in eine Politik möglich, die auch vom Land her gefördert werden muss. Als Kommune sind wir leider überfordert, einen solchen Beschluss zu fassen.

Wir als SPD-Fraktion kämpfen seit vielen Jahren um eine Verbesserung der Kinderbetreuungssituation in unserer Stadt. Wir sind stolz darauf, dass wir in den vergangenen Jahren doch auch einiges erreicht haben. Laut GRDrs 400/2005 ist eine weitere Verbesserung vorgesehen; es ist aber noch lange nicht das, was wir erreichen wollen. Wir brauchen gerade im Bereich des frühkindlichen Betreuungsangebots weitere Fortschritte. Nach wie vor sind wir hierbei immer noch nicht an der Spitze der Bewegung in dieser Republik. Eine kinderfreundliche Stadt muss natürlich das Ziel haben, an die Spitze zu kommen. Deshalb wollen wir auf diesem Wege weitergehen.

Wenn wir heute die Gebührenerhöhung ins Auge fassen, dann gehen wir mit einer Vorstellung hinein, die von der Verwaltung formuliert wurde. Wir wollen aber entsprechend unserem gemeinsamen Antrag, dass das Geld, das wir jetzt über die Gebührenerhöhungen hereinholen, vollständig in die Qualitätsverbesserung in den Kindertagesstätten eingebracht wird. Es muss eine Entscheidung getroffen werden über die Reduzierung der Gruppengrößen, eine Ausweitung der Sprachförderung, der Projekte 'Einstein im Kindergarten', 'G'sund und G'scheit' usw. Das ist auch Teil der Integrationspolitik und wird zu nachvollziehbaren Verbesserungen führen.

Wir wollen nun heute der Vorlage der Verwaltung insoweit zustimmen, als wir die Erhöhung der Gebühren von 0,53 € auf 0,60 € pro Betreuungsstunde mittragen, aber wir wollen das Krippengeld wie von StR Uhl dargestellt im Stufenverfahren regeln. Die Eltern erfahren nun, dass wir ihr Geld aufgrund des weit geringeren Kostendeckungsgrads in diesem Bereich brauchen, aber wir nehmen eine sozialverträgliche Anpassung vor, da die Eltern sich frühzeitig auf die neue Situation einstellen können. Mit dieser Modifizierung sollte die Vorlage in die Anhörung bei der Elternvertretung und bei den freien Trägern gehen."


StR Wölfle (90/GRÜNE):

"Glücklicherweise wissen wir heute, dass es nicht nur ein Vorteil für die Eltern ist, dass ihre Kinder frühzeitig die Betreuungseinrichtungen besuchen, sondern es gibt hierfür auch ein öffentliches Interesse. Deshalb ist es vernünftig und gerechtfertigt, auch Steuergelder dafür auszugeben.

Die von StR Uhl angesprochene Resolution kann aus meiner Sicht bereits in dieser Sitzung verabschiedet werden, denn es ist Sache des Landes, das Gesetz zu ändern, damit die Kommunen bei der Betreuung von Kindern anderer Kommunen nicht auf deren Freiwilligkeitsleistungen angewiesen sind.

Mit ihren Anstrengungen in den letzten Jahren, das Betreuungsangebot zu verbessern, brauchen sich in der Tat weder Gemeinderat noch Verwaltung zu verstecken. Die Gebührenerhöhung von 53 Cent auf 60 Cent ist nicht überraschend, sie war im Prinzip angekündigt, weil alle Angebote in diesem Bereich nach dem gleichen Prinzip berechnet werden sollen. Unsere Fraktion versteht daher nicht, dass jetzt das sogenannte 'Windelgeld' für die Betreuung der 0- bis 3-Jährigen erhoben werden soll und man damit vom Prinzip 'gleiche Gebühr für die gleiche Zeit, egal in welcher Einrichtung' abweicht. Natürlich wissen auch wir, dass die Kosten eines klassischen Krippenplatzes deutlich höher sind als die eines Kindergartenplatzes. Aber wir sind vernünftigerweise nicht dazu übergegangen, künftig die Gebühren danach zu bemessen, wie viel der jeweilige Platz kostet. Wir haben jetzt auch viele altersgemischte Gruppen, sodass die Eltern gar nicht erkennen, ob es ein Krippenplatz ist oder nicht. Sie wissen nur, dass sie 60 € zusätzlich zahlen müssen, wenn das Kind jünger als 3 Jahre alt ist.

Wir halten das für falsch und für nicht zukunftsträchtig, weil wir ein Interesse daran haben sollten, dass Eltern, die eine Betreuung für ihre Kinder brauchen, weil sie arbeiten wollen und müssen, ihre Kinder auch versorgt bekommen, und dass es sich nach wie vor lohnt zu arbeiten. Gleich unter welcher Regierung - die Arbeitszeiten werden noch flexibler werden, die Löhne eher sinken als steigen, und es wird viele Eltern geben, die darauf angewiesen sind, in schlecht bezahlten Jobs zu arbeiten. Sie sind daher erst recht darauf angewiesen, ihre Kinder vernünftig untergebracht zu haben.

Die Fraktionen von CDU und SPD sprechen von einem mutigen Schritt eines Kompromisses. Dieser bedeutet aber nichts anderes, als dass die Erhöhung um 60 € um ein Jahr verschoben wird, aber im Grunde sind sie mit den 60 € einverstanden. Der Zwischenschritt der 30 € führt zu neuen Gebührenbescheiden und verursacht Verwaltungsaufwand. Ich hätte es schön gefunden, wir hätten uns in dem Zielbeschluss auf den Verzicht verständigt. Ich hoffe, dass die Elternreaktionen dazu führen, dass wir über das 'Windelgeld' noch einmal neu nachdenken. Wir wiederholen unseren Antrag, diesen Zuschlag nicht einzuführen, und bitten um getrennte Abstimmung."


StR Gulde (FW):

"Von der Systematik her halte ich es grundsätzlich für falsch, Kindergartengebühren zu erheben. Für mich zählt der Regelkindergarten zur frühkindlichen bzw. zur Vorschulerziehung; er sollte als solcher durch das Land gebührenfrei organisiert sein. Es käme auch niemand auf den Gedanken, Erstklässler mit einer Gebühr zu belegen. Das ist aber Landespolitik, und die haben wir hier nicht zu betreiben. Die im Landtag vertretenen Parteien könnten diesen Ansatz ja vielleicht einmal aufgreifen.

Wenn wir aber der falschen Systematik folgen, kommen wir zu Gebührenanpassungen. Die jetzige Gebührenerhöhung soll ca. 13 % betragen und liegt damit klar über der Preissteigerungsrate; die Gebühren sind aber trotzdem vergleichsweise so gering, dass immer noch viele Kinder von außerhalb nach Stuttgart in den Kindergarten gebracht werden.

Begründet wird die Erhöhung in Ziffer 6 der Anlage 1 zur GRDrs 410/2005 mit der Finanzierung neuer Angebote für Kinder. Dazu liegen ja auch schon zwei Anträge vor. In den Ausschüssen wurde immer wieder eine Qualitätsverbesserung angesprochen. Ausschlaggebend ist für mich hierfür allein der Betreuungsschlüssel. All die schönen Projekte können nur mit entsprechender 'Man- und Womanpower' verwirklicht werden. Unter dieser Voraussetzung, nämlich der Verbesserung des Betreuungsschlüssels, können wir auch der überproportionalen Gebührenerhöhung zustimmen.

Kommen wir zum zweiten Punkt der Zielbeschlussvorlage, dem neuen Zuschlag für Kinder von 0 bis 3 Jahren. Grundsätzlich finde ich diesen Zuschlag bei der Ganztagesbetreuung, die eine Berufstätigkeit ermöglicht, unter dem Gesichtspunkt der Leistungsfähigkeit sozial gerecht und auch gerechtfertigt, auch wenn er die 1999 beschlossene Regelung teilweise wieder aufhebt. Ich kann grundsätzlich auch verstehen, dass eine neue Gebühr, die von 0 auf 60 € steigt, als heftig empfunden wird. Wir halten aber fest: Es sind 3 € pro Tag. Und bei jeder Erwerbstätigkeit sollten für die Möglichkeit, einer Arbeit nachgehen zu können, 3 € pro Tag für die Kinderbetreuung herausspringen. Kinder von Eltern, die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch erhalten, sind ja sowieso befreit.

Ich kann es daher verstehen, aber nicht unterstützen, dass diese zusätzliche Gebühr in zwei Schritten eingeführt werden soll. Ich halte das für sozial falsch. Fraglich ist für mich aber, warum dieser zusätzliche Betrag enden soll, wenn das Kind drei Jahre alt ist. Meiner Ansicht nach resultiert das aus der isolierten Betrachtung des Betreuungsschlüssels, der für die Kleinen natürlich höher ist. In der Realität scheint es aber so zu sein, dass die Gruppen der 0- bis 3-Jährigen und der 3- bis 6-Jährigen in der Ganztagesbetreuung gar nicht unbedingt getrennt sind und auch nicht getrennt betreut werden sollen; der erhöhte Schlüssel kommt somit auch den älteren Kindern zugute, was grundsätzlich begrüßenswert ist. Da die Eltern der 3- bis 6-Jährigen also bei Ganztagesbetreuung genauso von der besseren Betreuung profitieren wie die 0- bis 3-Jährigen, möchte ich auch vor dem Hintergrund einer Systematik - der Regelkindergarten sollte frei sein, die Ganztagesbetreuung mit sozialverträglicher Selbstbeteiligung organisiert werden - den Gedanken aufgreifen, den Zuschlag in dann für alle deutlich abgesenkter Form auch auf die 3- bis 6-Jährigen auszudehnen."


StRin von Stein (FDP):

"Die FDP-Fraktion wird die Vorlage mittragen und der Erhöhung der Gebühr um 7 Cent je Stunde zustimmen. Das bereits Gesagte möchte ich insoweit ergänzen, dass es uns nicht nur darum geht, einen besseren Betreuungsschlüssel zu erreichen, sondern dass die Erzieherinnen besser qualifiziert werden müssen, damit sie tatsächlich in der Lage sind, das angestrebte Vorschulangebot an die Kinder heranzubringen. Die Entwicklungsfenster bei Kindern in diesem Alter müssen viel stärker genutzt werden.

In Bezug auf den Krippenzuschlag schließe ich mich meinem Vorredner an, denn es müsste berufstätigen Eltern möglich sein, diese Gebühr zu finanzieren; so viel sollten ihnen ihre Kinder wert sein."


StR Lieberwirth (REP):

"Es ist sicher richtig, dass Stuttgart eine der wenigen Großstädte mit niedrigen Kindergartengebühren ist und dass es auch in dieser Stadt finanzielle Zwänge gibt. Auf der anderen Seite hat OB Dr. Schuster immer propagiert, dass Stuttgart die kinder- und familienfreundlichste Stadt in Deutschland werden soll. Da gehört es unseres Erachtens auch dazu, dass wir die Kindergärten von Gebühren freihalten. Wir haben immer wieder gefordert, dass wir eine kostenfreie Kinderbetreuung in Stuttgart verwirklichen wollen, und wir bleiben auch bei dieser Auffassung. Genauso wie Schule kostenfrei ist, so sollte es in Zukunft auch die Kinderbetreuung sein.

Angesichts der demografischen Entwicklung wäre eine kostenfreie Kinderbetreuung sicher auch ein Beitrag für eine aktive Bevölkerungspolitik. Auch die Bundesregierung hat erkannt, dass die demografische Entwicklung uns dazu zwingt, familienfreundlicher und kinderfreundlicher zu werden. Deshalb müsste die Stadt gerade diesen Zielbeschluss der Bundesregierung umsetzen und zu einer gebührenfreien Kinderbetreuung kommen.

Wir werden auch nicht dem Kompromissvorschlag zustimmen, die Pauschale für den Krippenplatz in zwei Stufen zu erhöhen, sondern stattdessen den Antrag der Grünen unterstützen. Die Vorlage selbst lehnen wir ab."


StRin Küstler (PDS):

"Bereits bei der letzten Erhöhung habe ich ausgeführt, dass ich der Meinung bin, Bildung von Kindern in den frühen Lebensjahren bis zum Schuleintritt müsste kostenlos sein wie das gesamte Bildungssystem. Wenn Sie also einen Zielbeschluss fassen, dann müsste das Ziel heißen Absenkung bis dahin, dass die Betreuung gebührenfrei wird. Was Sie jetzt machen, ist das Gegenteil, und es ist auch nicht sozial ausgewogen. Ich halte es für sehr bedauerlich, dass die 'bürgerlichen' Parteien inzwischen anerkennen, welche Bedeutung die Bildung in den frühen Lebensjahren hat, daraus aber nicht die entsprechenden Schlussfolgerungen ziehen.

Unser Kindergartenbeitrag ist insofern nicht sozial, als er für die Leute, die wenig verdienen, zu hoch ist, und weil er diejenigen, die mittlere und höhere Einkommen haben, deutlich begünstigt. Das wurde mit dem Beschluss im Jahr 1999 so festgelegt. Die Staffelung wurde aufgehoben und es wird alle zwei Jahre erhöht. Das Aufgeben der Staffelung wurde mit den Personalkosten für die Einkommensprüfungen begründet. Es müsste dennoch einen Weg geben, eine Staffelung vorzunehmen. Dann würde der Vergleich mit anderen Städten bereits anders aussehen, denn diese haben zwar im Durchschnitt oft einen höheren Beitrag, er ist für die unteren Einkommen jedoch deutlich geringer.

Wer Leistungen nach Hartz IV erhält, muss zwar keine Gebühr bezahlen, aber das Essensgeld ist hoch und kann für diese Menschen zum Hindernis werden. Und wer nur wenig über den Regelsatz hinaus bekommt, muss bereits den vollen Satz zahlen.

Auch die Krippenpauschale ist in meinen Augen nicht gerechtfertigt. In anderen Bereichen - z. B. den Schulen - werden auch keine Unterscheidungen nach Lebensalter oder höheren Aufwendungen gemacht. Das Signal, was davon ausgeht, ist außerordentlich negativ. Eltern haben mir gegenüber die Vermutung geäußert, dass die Stadt zu wenig Hortplätze hat und deshalb die Gebühren erhöht.

Den Antrag Nr. 185/2005 halte ich von der Tendenz her für richtig. Deshalb war ich erstaunt darüber, dass in derselben Sitzung des Jugendhilfeausschusses eine Vorlage über den Ausbau der Kinderbetreuung beschlossen wurde, in der stand, die Stadt wolle beim Land darauf hinwirken, den Betreuungsschlüssel nicht zu verbessern, wenn in eine Gruppe Zweijährige aufgenommen werden. Das sehe ich im Widerspruch zu diesem Antrag."


StR Rockenbauch (SÖS):

"Das Ziel, kinderfreundlichste Stadt werden zu wollen, wird unglaubwürdig, wenn wir jetzt die Kinderbetreuungsgebühren erhöhen. Gerade in Zeiten von Hartz IV können wir es uns nicht leisten, dass Kinder zusätzlich zu einem Jobrisiko werden, weil man sich Betreuung immer schwerer leisten kann. Derzeit demonstrieren die Studenten vehement gegen Studiengebühren. Für die 0- bis 6-Jährigen liegt es in unserer Verantwortung, dafür zu sorgen, dass Betreuung, Ausbildung und Bildung generell keine Ware wird und kostenlos bleibt."


BMin Müller-Trimbusch geht auf einige der angesprochenen Punkte ein:

- Von allen Fraktionen sei unisono gefordert worden, Kinderbetreuung ab drei Jahren müsste eigentlich komplett kostenfrei gestellt werden als Teil einer Bildungsvorbereitung und Sozialisation für die Schule. Diese Auffassung teile sie, aber man habe mit einer Systematik zu tun, die dann erst einmal geändert werden müsste. Deshalb sollte man pragmatisch einen Schritt nach dem anderen tun.

- Die besonders hohen Gebühren im Krippenbereich hätten damit etwas zu tun, dass es eine geringere Gruppengröße und einen höheren Ausstattungsstandard gibt.

- Zur Vermutung, dass die Gebühren für Eltern mit schlecht bezahlten Jobs zum Armutsrisiko werden könnten, weise sie darauf hin, dass alle wirtschaftlich schlecht gestellten Personen stets die Möglichkeit haben, sich von den Gebühren komplett oder auch teilweise befreien zu lassen.

- Wenn Kinder in der Tageseinrichtung mit Essen versorgt werden, so ergebe sich eindeutig eine häusliche Ersparnis. Lege man die 60 € monatlich auf 20 Tage um, würden sich pro Tag 3 € für drei Mahlzeiten ergeben.

- Wenn bei einer stufenweisen Erhöhung des Krippenzuschlags wie von StR Uhl vorgeschlagen verfahren würde, nämlich einen Beschluss zu fassen und das Verfahren einmal einzuleiten, dann würde nicht mehr Verwaltungsaufwand als sonst auch entstehen.

- Wären die Gebühren in Stuttgart tatsächlich so hoch, dass sie als Abschreckung dienen sollen, um die Plätze nicht so zu belasten, dann müsse man fragen, warum 700 Eltern aus anderen Kommunen ihre Kinder in Stuttgart betreuen lassen. Die Gebühren seien hier erheblich günstiger, und offensichtlich seien auch Qualität und Angebotspalette deutlich besser.

- Das Thema Gruppengröße sei vor einigen Jahren intensiv im Gemeinderat diskutiert worden, als man entschieden habe, die Gruppengrößen vorübergehend von 25 auf sogar 28 aufzustocken, um allen Kindern wenigstens im Jahr, bevor sie in die Schule kommen, den sozialen Kontakt mit anderen Kindern zu ermöglichen. Man habe aber auch beschlossen, parallel dazu die Kinderbetreuungsplätze systematisch auszubauen. Genau diesen doppelten Weg sei man seither gegangen, und sie sei der Auffassung, dass man ihn auch pragmatisch weitergehen sollte, sodass dann irgend-wann die Anhebung der Gruppengröße nicht mehr nötig ist.

- Sie wolle sich noch einmal für die großartige Unterstützung des Gemeinderats bedanken, der in den vergangenen Jahren Millionenbeträge in die Hand genommen hatte und es zu einem Schwerpunkt gemacht habe, das Betreuungsangebot weiter auszudifferenzieren und umfänglichst auszustatten. Sie erinnere an den Beschluss von vor vier Jahren, wo zwischen den Haushaltsplanberatungen 20 Mio. DM bewilligt wurden, um einen deutlichen Schritt weiterzukommen. Insofern sei Stuttgart absolut auf dem richtigen Weg in Richtung familien- und kinderfreundliche Stadt.


StR Wölfle (90/GRÜNE) betont, er kenne die Möglichkeiten der Gebührenbefreiung. Aber angesichts der Einkommen in den unteren Lohngruppen wolle er nicht, dass diese Menschen auf Transfereinkommen angewiesen sind, sondern sich von ihrem erarbeiteten Geld eine gute Betreuung leisten können.

StR Kanzleiter (SPD) erklärt, es könne nicht das Ziel sein, dauerhaft größere Gruppenstärken zu haben als 25. Wenn nach den weiteren Beratungen die erhöhten Gebühren beschlossen worden sind und auch dem Antrag zugestimmt wurde, dass die erwarteten 2,2 Mio. € dem System Kindertagesbetreuung zugute kommen, dann wolle seine Fraktion dabei auch ihren Antrag Nr. 192/2005 berücksichtigt wissen. Klares Ziel sei, die Gruppengröße weiter zu senken, die Sprachförderung wesentlich zu verbessern und die Qualität des Bildungsangebots insgesamt in den Kindertagesstätten weiter zu steigern. Denn wer jetzt als Kleinkind in einen Kindergarten kommt, werde in der Zukunft nur eine Chance haben, wenn diese Einrichtung eine so hohe Qualität hat, dass sie das Kind befähigt, auch in der Schule und im weiteren Leben Erfolg zu haben.


Abschließend stellt OB Dr. Schuster zur Abstimmung:

1. Antrag von StRin Küstler (PDS), die Gebühren nicht zu erhöhen:

2. Antrag von StR Wölfle (90/GRÜNE), den Zuschlag von 60 € für Krippenplätze aus dem Zielbeschluss herauszunehmen

3. Antrag von StR Uhl (CDU), den Zuschlag für Krippenplätze in zwei Stufen einzuführen, und zwar ab dem 01.01.2006 in Höhe von 30 € und ab dem 01.01.2007 in Höhe von weiteren 30 €

4. GRDrs 410/2005, jedoch mit stufenweiser Erhöhung des Krippenzuschlags wie vorstehend beschlossen

5. gemeinsamer Antrag Nr. 185/2005 der Gemeinderatsfraktionen von CDU, SPD, Bündnis 90/DIE GRÜNEN, FDP und Freien Wählern vom 10.06.2005 (in der Fassung des Jugendhilfeausschusses)
Weiter sagt OB Dr. Schuster zu, dass die Verwaltung die Überlegung von StR Gulde (FW), für 0- bis 6-Jährige in entsprechend altersgemischten Gruppen die gleichen Gebühren zu erheben - wobei der Zuschlag deutlich abgesenkt werden sollte - als Prüfauftrag mitnimmt.