Protokoll:
Gemeinderat
der Landeshauptstadt Stuttgart
Niederschrift Nr.
TOP:
278
2
Verhandlung
Drucksache:
999/2002
GZ:
A, F
Sitzungstermin:
12/05/2002
Sitzungsart:
öffentlich
Vorsitz:
OB Dr. Schuster
Berichterstattung:
der Vorsitzende, EBM Dr. Lang
Protokollführung:
Frau Haasis
sp
Betreff:
Haushaltssicherungskonzept 2002
Vorgang: Verwaltungsausschuss vom 27.11.2002,
nichtöffentlich, Nr. 503
Ergebnis: Vorberatung
Verwaltungsausschuss vom 04.12.2002,
nichtöffentlich, Nr. 546
Ergebnis: Einstimmige Beschlussfassung, die zweite stellvertretende Amtsleitungsstelle beim Kulturamt zu streichen.
Zum Antrag Nr. 405/2002 Ziff. 1:
"Der Verwaltungsausschuss beschließt einstimmig, dass in der Sitzung des Reform- und Strukturausschusses am 29.01.2003 eine Bestandsaufnahme der Themen vorzulegen ist, welche mit den freien Trägern bis wann besprochen werden sollen (Themenbereiche: KJHG, Sport, Kultur)."
Zu den Anträgen Nr. 402/2002, Nr. 403/2002 und 405/2002:
Siehe Übersicht des Finanz- und Beteiligungsreferats vom 05.12.2002
Zur GRDrs 999/2002:
Weiterleitung des in Ziff. 4 - s. u. - geänderten Beschlussantrags ohne Votum an den Gemeinderat
Beratungsunterlagen sind neben der gemeinsamen Vorlage des Referats Allgemeine Verwaltung und des Finanz- und Beteiligungsreferats vom 11.11.2002, GRDrs 999/2002, die Anträge Nr. 402/2002 der SPD-Gemeinderatsfraktion, Nr. 403/2002 der Gemeinderatsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN, Nr. 405/2002 der CDU-Gemeinderatsfraktion - jeweils mit Stellungnahme des Herrn Oberbürgermeisters vom 29.11.2002 - sowie der Antrag Nr. 411/2002 der SPD-Gemeinderatsfraktion.
Außerdem liegt die dieser Niederschrift angeheftete, mit Schreiben vom 05.12.2002 übersandte Übersicht des Finanz- und Beteiligungsreferats zum aktuellen Stand des Haushaltssicherungskonzepts 2002 vor. In dieser Übersicht berücksichtigt wurden die Veränderungen, die der Verwaltungsausschuss am 04.12.2002 beschlossen bzw. auf die der Reform- und Strukturausschuss am 20.11.2002 hingewiesen hat.
OB
Dr. Schuster
hebt einleitend hervor, das Haushaltssicherungskonzept stelle auch eine bittere Pille für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dar, denn es bedeute, dass die Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Stellen tangiert seien und in deren Bereichen es zu Umorganisationen komme, verstärkt auf andere verlagert werde. OB Dr. Schuster geht auf die Gründe für die dramatischen Einbrüche bei den Finanzen ein. Er hoffe auf eine baldige Umsetzung der Gemeindefinanzreform, zu der der Städtetag eine klare Position bezogen habe, vor allem hinsichtlich der Weiterentwicklung der Gewerbesteuer. Fakt sei jedoch zunächst, dass die Einnahmeneinbrüche auf die Schnelle nicht ausgeglichen werden könnten. Es müsse nun versucht werden, wenigstens einen partiellen Ausgleich zu schaffen, und er bitte deshalb um Zustimmung zu diesem Haushaltssicherungskonzept.
Die Ausführungen von EBM
Dr. Lang
werden nachstehend im gekürzten Wortlaut wiedergegeben:
"Aufgrund der dramatischen Verschlechterung der Finanzlage der Landeshauptstadt halte ich es für erforderlich, Ihnen nochmals kurz die Entwicklung unserer Haushaltssituation darzulegen und damit klarzustellen, dass die neue Konsolidierungsrunde kein Selbstzweck, sondern zwingende Notwendigkeit ist. Die wesentlichen Ursachen unserer Haushaltsmisere sind
1. der Einbruch bei der Gewerbesteuer. Das Unheil hat schon im Jahr 2001 begonnen. Damals verfehlten wir unseren Gewerbesteueransatz um sage und schreibe 201 Mio. €. Es war leider kein einmaliger Ausrutscher. Deshalb mussten wir bei der Aufstellung des Nachtragshaushaltes 2002/2003 im Sommer den Gewerbesteueransatz für das laufende Jahr nochmals um 47,5 Mio. € zurücknehmen. Und auch diese Reduzierung war noch nicht das Ende der Fahnenstange. Die Entwicklung im 2. Halbjahr ergab weitere Ausfälle beim Gewerbesteueraufkommen für dieses Jahr von 55 Mio. €.
Betrachtet man nun den Finanzplanungszeitraum 2002 bis 2006, müssen die Gewerbesteuereinnahmen um 430 Mio. € niedriger angesetzt werden. Rechnet man davon die abzuführende Gewerbesteuerumlage ab, so ergibt sich immerhin noch ein Nettoverlust von 314 Mio. €.
Wenn die Gewerkschaft ver.di angesichts dieser Zahlen den Einbruch bei der Gewerbesteuer als (wörtliches Zitat, so in der Presse in diesen Tagen und Wochen nachzulesen) 'durchsichtiges taktisches Manöver des Kämmerers' wertet, so kann man sich nur an den Kopf fassen, bei allem Verständnis für Meinungsäußerungsfreiheit. Ich habe den Gewerbesteuereinbruch doch nicht erfunden, sondern er ist bittere Realität.
2. Die Mindereinnahmen aufgrund der November-Steuerschätzung: Hier waren die Kommunen im Vergleich zu Bund und Ländern am stärksten vom Rückgang betroffen. Unsere Ausfälle belaufen sich bei den Gemeindeanteilen an der Einkommen- und an der Umsatzsteuer sowie am kommunalen Finanzausgleich im Finanzplanungszeitraum auf 85 Mio. €.
3. Sonstige negative Veränderungen durch Maßnahmen des Bundes, des Landes, des Landeswohlfahrtsverbandes, einfach stichwortartig genannt als Beispiele: die höheren Sozialversicherungsbeiträge, die Energiesteuer, das Sparpaket des Landes und die höheren Umlagesätze des Landeswohlfahrtsverbandes. Diese Belastungen summieren sich im Finanzplanungszeitraum auf rund 67 Mio. €.
Berücksichtigt man noch verschiedene zwangsläufige Verschlechterungen in Höhe von 23 Mio. € und zählt dann alles zusammen, so sind seit der Aufstellung des Nachtragshaushaltes im Sommer für den Finanzplanungszeitraum 2002 bis 2006 Verschlechterungen von insgesamt 371 Mio. € zu verzeichnen. Diese Deckungslücke, die es zu schließen gilt, haben wir in der GRDrs 1109/2002 aufgezeigt.
Der massive Verfall unserer Einnahmen und die zusätzlich nicht beeinflussbaren Belastungen haben unsere Haushaltsansätze für die Jahre 2002 und 2003 sowie die mehrjährige Finanzplanung bis 2006 Makulatur werden lassen. Unsere Hoffnungen auf eine Hilfe vom Bund, aber auch vom Land, haben sich in keinster Weise erfüllt. Der Bund gibt 'Steine statt Brot'. Nicht nur die absolut gerechtfertigte Rücknahme der Gewerbesteuerumlage wurde den Kommunen bisher verweigert. Dies würde uns jährlich etwa 31 Mio. € bringen, wenn Sie das auf den Finanzplanungszeitraum hochrechnen also mehr als 120 Mio. €. Ich will an der Stelle sagen, ich habe die Hoffnung auf eine positive Entscheidung noch nicht ganz aufgegeben. Der Bundesrat hat, wie vielleicht der eine oder andere von Ihnen weiß, mehrheitlich die Rücknahme beschlossen. Was die Mindeststeuer angeht, gehe ich davon aus, dass dazu gegebenenfalls Regelungen kommen. Man muss abwarten, wie die Entwicklung weitergeht.
Es steht fest, dass der Bund uns höhere Arbeitgeberanteile bei der Sozial- und auch bei der Krankenversicherung beschert. Wir haben höhere Energiesteuern, die alle Gemeinden trifft. Wir haben eine Nullrunde bei den Krankenhäusern sowie steuerpolitische Pläne im Wohnungsbau, die die Rahmenbedingungen für die Wohnungswirtschaft, insbesondere in den Großstädten, massiv und nachhaltig verschlechtern. Deshalb war es auch richtig und notwendig, dass der Gemeinderat diese Resolution verabschiedet hat. Auch das Land greift uns in die Tasche und versucht, seinen Haushalt teilweise auf Kosten der Kommunen zu entlasten. So sollen u. a. die Leistungen für die Spätaussiedler, die Flüchtlingsbetreuung, für verschiedene soziale Dienste, beim öffentlichen Personennahverkehr und im Bereich des Straßenbaus reduziert werden. Die genauen Auswirkungen können wir im Augenblick noch nicht abschätzen.
In dieser Situation müsste eigentlich jedem klar werden, dass an einer Haushaltskonsolidierung, und sei sie letztlich noch so schmerzlich, kein Weg vorbeiführt. Diese Einsicht ist, glaube ich, bei den meisten vorhanden. Sie ist sicherlich auch in sehr viel stärkerem Maße in unserer Bevölkerung vorhanden, als dies letztlich auch die Politiker glauben. Aber diese Einsicht trifft nicht auf die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und - zumindest für Teile – nicht auf unsere Personalvertretung zu. Ver.di bezeichnet die dringend notwendige Haushaltskonsolidierung wörtlich als 'einen Angriff auf die Beschäftigten der Landeshauptstadt'. Man will dort offenbar nicht zur Kenntnis nehmen, was sonst in der Republik abläuft. Fakt ist doch, Tag für Tag verliert eine große Zahl von Arbeitnehmern ihren Arbeitsplatz. Die würden sich alle glücklich schätzen, in einer ähnlich abgesicherten Position wie die städtischen Mitarbeiter zu sein. Das muss man in aller Deutlichkeit sagen. Und ich will in dem Zusammenhang auch ein Wort zur Personalvertretung – nicht pauschal für alle Personalvertretungen in den Ämtern – sagen: natürlich ist es, wie der Herr Oberbürgermeister gesagt hat, 'eine bittere Pille', aber man muss doch immer noch Form und Anstand wahren und muss die Fakten richtig darstellen, und dieses ist gröblichst verletzt.
Wie schon bei der Konsolidierungsrunde in den 90er-Jahren, die ja ungleich schmerzlicher war als das, was wir uns jetzt vorgenommen haben, hat sich der Personalrat des Jugendamtes wieder besonders lautstark und mit viel Getöse, aber - so sehe ich es – sehr unsachlich zu Wort gemeldet. In einer Resolution wendet sich die Personalvertretung des Jugendamtes – ich zitiere – 'gegen eine Sparpolitik auf dem Rücken der Beschäftigten'. Seitens der Personalvertretung wurde geltend gemacht, dass die Sparvorschläge sozial unausgewogen und sogar undurchführbar seien. Mehrere Zeitungen haben über die Personalversammlung des Jugendamtes am 26. November 2002 berichtet, in der nach den Medien tatsächlich behauptet worden ist, dass nach dem Konsolidierungskonzept - und dies halte ich für die Spitze der Unsachlichkeit – im Bereich des Jugendamts bis 2006 von den insgesamt 2.000 Stellen nicht weniger als 300 Stellen abgebaut werden sollen. Was ist Tatsache? Die Verwaltung hat vorgeschlagen, 3,3 Stellen in der Verwaltungsabteilung abzubauen, die Reinigungskosten in der Größenordnung von rund 400.000 € zu reduzieren, 1 Sekretariatsstelle sowie 3 Stellen, die ohnehin einen kW-Vermerk haben, zu streichen, den Etat für die Einstellung geringfügig Beschäftigter um 74.000 € zu verringern sowie im Küchenwesen die im Jugendamt vorhandenen Rationalisierungsbemühungen aufzugreifen und in diesem Bereich die Wirtschaftlichkeit um 10 % zu verbessern, womit eventuell der Abbau von 6 Stellen verbunden sein kann. Es handelt sich hierbei um ein Entlastungsvolumen von rund 1,1 Mio. €, was angesichts eines Budgets für die laufenden Personalausgaben beim Jugendamt in Höhe von knapp 70 Mio. € und einem Sachkostenbudget von 21,6 Mio. € eine nachgerade verschwindend geringe Größenordnung darstellt. Im Übrigen hat der Gemeinderat gerade diesen Bereich der Kinderbetreuung von allen Sparmaßnahmen weitestgehend ausgenommen und hat zusätzlich erhebliche Finanzmittel hierfür in der Vergangenheit bereitgestellt. Wer, wie die Personalvertretung des Jugendamtes, im Hinblick auf die dramatische Finanzlage der Landeshauptstadt und den daraus resultierenden Herausforderungen in einer solch falschen und verzerrenden Weise in der Öffentlichkeit Stimmung zu machen versucht, stellt sich selbst ins Abseits und hat für meine Begriffe verwirkt, ernst genommen zu werden.
Allerdings, und dies will ich in aller Deutlichkeit sagen, ist es meines Erachtens unmöglich, Einnahmenausfälle und Mehraufwendungen in der vorher von mir genannten Größenordnung kurzfristig mit Haushaltssicherungskonzepten aufzufangen. Die Finanzen der Landeshauptstadt wären aufgrund dieser Verschlechterungen in einem katastrophalen Zustand, der uns völlig lahm legen und handlungsunfähig machen würde, wenn nicht die Oberbürgermeister Rommel und Dr. Schuster gemeinsam mit dem jeweiligen Gemeinderat im letzten Jahrzehnt eine solide und vorausschauende Politik betrieben hätten, wobei sich - dies sage ich in aller Bescheidenheit - das Finanzreferat nicht als Hemmschuh erwiesen hat. Dazu gehört die Haushaltskonsolidierung in den 90er-Jahren, die uns Verbesserungen von knapp 200 Mio. € jährlich gebracht hat. Aber auch die frühzeitigen Weichenstellungen bei unseren städtischen Beteiligungsunternehmen - ich denke an die Fusion TWS/Neckarwerke, an die Schaffung der Landesbank und nicht zuletzt an die Veräußerung unserer Energiebeteiligungen - haben uns in eine Lage versetzt, die erneut eingetretenen Verschlechterungen aus eigener Kraft und, nach meiner Auffassung, mit erträglichen Einschnitten zu meistern. Ich rede natürlich immer vom Status quo, so wie er sich heute darstellt; niemand weiß letztlich, was die nächsten Wochen und Monate bringen werden. Die frühzeitige Haushaltskonsolidierung und die Veränderungen bei den städtischen Beteiligungen haben es möglich gemacht, seit 1995 die städtischen Schulden fast zu halbieren, weshalb wir jetzt im Großstadtvergleich mit Abstand die geringste Verschuldung aufweisen. Dadurch wird unser Haushalt nachhaltig von Zinszahlungen entlastet. Im gleichen Zeitraum ist die Verschuldung beim Bund und bei den Ländern in der Größenordnung zwischen 30 und 50 % gestiegen.
Wir haben Grundstücke im Bereich von Stuttgart 21 und dem Güterbahnhof Bad Cannstatt um 517 Mio. € erwerben können. Wir haben eine rentierliche Einlage in der Größenordnung von 537 Mio. € bei der Landesbank gezeichnet. Wir haben eine Rücklage für Zukunftsinvestitionen für wichtige Infrastrukturmaßnahmen von etwas mehr als 300 Mio. €. Wir haben 350 Mio. € in Spezialfonds angelegt, und wir haben vorgesehen, 487 Mio. € vom Veräußerungserlös vorübergehend zur Verringerung von äußerer Schuldaufnahme einsetzen zu können. Wir haben mit diesen Maßnahmen wichtige Weichenstellungen für die Zukunft vorgenommen. An dem Willen und der festen Absicht, die aus den Beteiligungsverkäufen resultierenden Mittel dauerhaft als städtisches Vermögen zu erhalten, kann auch die zwischenzeitlich deutlich verschlechterte Finanzlage der Stadt nichts ändern. Bezüglich des Grunderwerbs, der stillen Einlage bei der Landesbank, der Investition in Zukunftsprojekte wie Messe, Galerie und sonstige Infrastrukturmaßnahmen und der Geldanlage in Spezialfonds ist der Vermögenserhalt bereits sichergestellt. Für mich ist es unabdingbar, dass der Werterhaltungsgrundsatz auch für die vorübergehend zur Vermeidung von Kreditmarktdarlehen vorgesehenen 487 Mio. € gilt.
Doch nun zurück zur Haushaltskonsolidierung: Das von der Verwaltung in den letzten Monaten erarbeitete Haushaltssicherungskonzept wurde am 20. November 2002 im Reform- und Strukturausschuss eingebracht. Das Konzept war zum Stand der Einbringung darauf angelegt, den Stadthaushalt über die Umsetzung von 52 Einzelmaßnahmen mittelfristig um knapp 52 Mio. € zu entlasten. Wir haben die Vorlage ausführlich in einer Sondersitzung des Reform- und Strukturausschusses und zweimal im Verwaltungsausschuss zusammen mit Anträgen der Gemeinderatsfraktionen von CDU, SPD und Bündnis 90/GRÜNE vorberaten. Daraus haben sich Änderungen ergeben, die in der heute dem Gemeinderat zugeleiteten Übersicht im Einzelnen aufgeführt sind. Durch die genannten Änderungen erhöht sich der Konsolidierungsbeitrag per Saldo um 0,8 Mio. € auf 52,6 Mio. €.
Soweit zu Einzelmaßnahmen nicht bereits Sachbeschlüsse vorliegen oder solche nicht erforderlich sind, werden die Maßnahmen vom Gemeinderat im Wege eines Zielbeschlusses festgelegt. Die Verwaltung wird auf der Grundlage dieser Zielbeschlüsse die einzelnen Sachvorlagen erarbeiten und bis zum 30.04.2003 in die gemeinderätlichen Gremien einbringen.
Im Rahmen der Erarbeitung der Sachvorlagen, ich will ausdrücklich noch einmal darauf hinweisen, wird auch die Personalvertretung entsprechend den Regelungen des LPVG beteiligt.
Erfreulich ist, und das will ich auch sehr nachhaltig und positiv vermerken, dass sich in den Vorberatungen gezeigt hat, dass im Gemeinderat die Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung erkannt wurde und eine breite Mehrheit für das vorgelegte Haushaltssicherungskonzept vorhanden ist. Allerdings, die Stunde der Wahrheit kommt, wenn in den nächsten vier Monaten die Zielbeschlüsse konkretisiert werden. Mein Appell geht einfach dahin, den jetzt vorgegebenen Konsolidierungsbeitrag von 52,6 Mio. € auf keinen Fall zu unterschreiten. Sofern in den nächsten Monaten einzelne Punkte keine Mehrheit im Gemeinderat finden, was ja durchaus denkbar ist, sollten Ersatzvorschläge in gleichem Wert gefunden und beschlossen werden.
Das Haushaltssicherungskonzept 2002 liegt mit seinem Volumen, gemessen an der Verschlechterung der städtischen Finanzlage, an der unteren Grenze. Deshalb ist es auch notwendig, zusätzliche Haushaltssperren anzuordnen. Weiterhin wurde die Deckungsreserve auf einen Minimalbetrag zurückgeführt. Das heißt im Klartext, dass für zusätzliche Ausgaben im Verwaltungshaushalt oder gar weitere Investitionsvorhaben derzeit und auf absehbare Zeit keinerlei Spielraum vorhanden ist. Ich bitte den Gemeinderat und natürlich auch die Verwaltung, dies bei allen Planungen und Handlungen nachhaltig zu berücksichtigen."
OB
Dr. Schuster
dankt sowohl EBM Dr. Lang und BM Murawski als auch Herrn Schaible (StKäm) und seinem Team für die Erarbeitung des Haushaltssicherungskonzeptes 2002.
StR
Föll
(CDU) betont, die Notwendigkeit einer Haushaltskonsolidierung und einer Haushaltssicherung zeige sich zwangsläufig, wenn man sich die Situation insbesondere aufgrund des Einbruchs der Gewerbesteuer um rd. 150 Mio. € pro Jahr anschaue und feststelle, dass die Zuführungsrate des Verwaltungshaushaltes zum Vermögenshaushalt negativ sei. D. h., die laufenden Ausgaben seien höher als die laufenden Einnahmen. Das heute vorgelegte Haushaltssicherungskonzept bedeute zwar die Abwendung der negativen Zuführungsraten, aber es bedeute noch lange nicht die Erzielung von Überschüssen im Verwaltungshaushalt, um auch in der Zukunft die notwendigen Finanzmittel für neue Maßnahmen und Investitionen zu erwirtschaften. Deswegen sage er sehr bewusst, dass es sich um die erste Stufe handle. Der Ergänzungsantrag der CDU-Gemeinderatsfraktion heiße für ihn ganz konkret, dass es auch eine zweite Stufe der Haushaltskonsolidierung geben müsse.
Die CDU-Gemeinderatsfraktion wolle alle Maßnahmen ergreifen, damit diese Stadt in finanzpolitischer Hinsicht in Zukunft handlungsfähig bleibe. Wenn man dieser Tage in der Zeitung lese, dass beispielsweise in Freiburg zwei Museen, zwei Bäder, eine Förderschule und eine psychologische Beratungsstelle geschlossen würden und Sportvereine, kulturelle Gruppen und Wohlfahrtsverbände weniger Zuschuss erhielten sowie kein Kulturbürgermeister eingesetzt werde, zeige dies, von welch hohem Niveau ausgehend in Stuttgart Haushaltskonsolidierung betrieben werde.
Die CDU-Gemeinderatsfraktion sei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, insbesondere des Referats Allgemeine Verwaltung und des Finanz- und Beteiligungsreferats, sehr dankbar für die Unterbreitung dieser Vorschläge. Er gehe von einer offenen und sachorientierten Diskussion mit den Betroffenen in den kommenden Monaten aus. Wo notwendig, seien Änderungen vorzunehmen, aber die Diskussion dürfe nicht mit der Illusion geführt werden, die Konsolidierungsbeträge in den einzelnen Bereichen könnten aufgegeben werden.
Bezüglich des Personalrats und der Gewerkschaft hoffe er - so StR Föll -, dass diese zu einer sachorientierten und vernünftigen Diskussion zurückfänden. Aber auch der Gemeinderat könne dazu einen Beitrag leisten.
Haushaltskonsolidierung sei zwingend. Sie geschehe nicht aus Spass oder Freude, sondern aus Notwendigkeit, um diese Stadt zukunftsfähig zu machen. Die CDU-Gemeinderatsfraktion erwarte von allen die Bereitschaft, einen Beitrag zu leisten. Wichtig sei auch, dass sich die Fraktionen nicht ausschlössen, und er sei deshalb sehr froh, dass die 10-prozentige Kürzung der Fraktionsmittel im Haushaltssicherungskonzept enthalten sei. Auch das Bürgermeisteramt sei zwischenzeitlich - nach Ansicht seiner Fraktion - ausreichend verankert.
Er halte dieses Haushaltssicherungskonzept für ausgewogen, gerecht und vernünftig und die CDU-Gemeinderatsfraktion stimme - so StR Föll - zu, wohl wissend, dass es sich um den Anfang und nicht um das Ende handle.
StR
Kanzleiter
(SPD) unterstreicht, zur Haushaltskonsolidierung gebe es keine Alternative. Wegen des starken Einbruchs bei den Einnahmen seien bei den Ausgaben Konsequenzen zu ziehen. Die SPD-Gemeinderatsfraktion wolle nicht in die Verschuldung hineingehen und wolle keine Schuldenpolitik betreiben. Aber es müsse maßvoll und sachgerecht gehandelt werden, und man dürfe die Notwendigkeit des Handelns nicht dazu nutzen, andere Ziele zu verfolgen. Nicht ideologische Ziele seien anzustreben, sondern pragmatische, die sich aus den Zahlen und Fakten ergäben.
Die Art und Weise, wie ver.di die Interessen der Beschäftigten wahrnehme, sei - ob man sie gut oder schlecht finde - zu respektieren. Seiner Ansicht nach lasse sich daraus etwas für Stuttgart nicht ganz Unproblematisches erkennen: Der Stil, wie er - zum Teil mindestens - in der Stadtverwaltung praktiziert werde, habe diese bestimme Form des Protestes als Konsequenz. Ziel sei es, den Haushalt wieder in Ordnung zu bringen und dabei nach Möglichkeit Leistungen, die die Bürgerinnen und Bürger erwarteten, nicht zu kürzen und keine Einrichtungen zu schließen. Es müsse sozialverträglich gehandelt werden, nach innen wie nach außen. Der Umgang der Verwaltungsspitze auch mit den Amtsleitern sei zu überdenken. Die Amtsleiter seien vom Gemeinderat gewählt und hätten eine hohe demokratische Legitimation. Die SPD-Gemeinderatsfraktion habe Respekt vor deren fachlichen Leistungen und sie habe auch hohen Respekt vor den Personalräten. Personalführung sei eine Frage der Steuerung, und diese müsse wahrgenommen werden.
Die SPD-Gemeinderatsfraktion akzeptiere die Aufgabenkritik. Hierbei handle es sich um einen permanenten Prozess. Vermieden werden sollte, Ideologie zu betreiben nach dem Motto: Alles, was die Stadt macht, ist schlecht und muss ausgegliedert oder vergeben werden. Der Gemeinderat müsse wissen - und dies habe die SPD-Gemeinderatsfraktion in ihren Anträgen verlangt -, was für die Stadt unter dem Strich günstiger sei. Sie wolle die Zahlen kennen und die Auswirkungen für die Stadtverwaltung erfahren. Darin sehe er eine sachbezogene Arbeit, die nicht von Vorurteilen ausgehe.
Man benötige zudem Vorbilder, weshalb die SPD-Gemeinderatsfraktion verlangt habe, im Bereich des Bürgermeisteramts und des Herrn Oberbürgermeisters ebenfalls ein deutliches Signal zu setzen. Es sei darüber nachzudenken, ob der in Aussicht gestellte Zielbeschluss ausreiche. Auch der Gemeinderat sei bereit, einen Beitrag zu leisten.
Des Weiteren stelle sich die Frage, wie es im Investitionsbereich weitergehe. Die SPD-Gemeinderatsfraktion vertrete die Auffassung, der Investitionshaushalt dürfe nicht eingeschränkt werden. Aufträge seien auch nach außen zu vergeben. Die Stadt trage wesentlich zur Belebung der Baukonjuktur bei, und seine Fraktion unterstütze insoweit die Aussagen der Handwerkskammer. Sie halte es für vertretbar, über einen gewissen Zeitraum durch eine Inanspruchnahme eines Teils der Energieerlöse eine Innenfinanzierung durchzuführen. Allerdings lege sie Wert darauf, dass dieses Geld in den nächsten Jahren wieder erwirtschaftet und zurückgeführt werde. Vermögen müsse Vermögen bleiben, und es müsse nachvollziehbar sein, wofür man die Mittel eingesetzt habe.
Linie der SPD-Gemeinderatsfraktion sei es nach wie vor, die Stadtbezirke bevorzugt zu behandeln, weshalb es aus ihrer Sicht erfreulich sei, dass man als Konsequenz dieser Haushaltsmisere das Projekt "große Halle" und den Ausbau des Gottlieb-Daimler-Stadions unter dem Gesichtspunkt "Halbfinale" in Frage gestellt habe. Die SPD-Gemeinderatsfraktion sehe sich in ihrer bisherigen Haltung bestätigt, die Stadt dürfe sich mit den großen Projekten nicht übernehmen. Zuerst sollten die für diese Stadt elementar wichtigen Aufgaben erfüllt werden, wie der Bau von Kindertagesstätten, die Sanierung von Schulen und die Verbesserung der Infrastruktur in den Stadtbezirken. Das werde in den nächsten Wochen und Monaten das Leitbild seiner Fraktion sein. Sie werde konstruktiv an den Vorlagen mitarbeiten, und sie werde versuchen, alle Betroffenen, die noch nicht gefragt worden seien, einzubeziehen und deren Argumente zu bewerten, um dann entsprechend zu entscheiden. Heute stimme die SPD-Gemeinderatsfraktion der Vorlage in der im Verwaltungsausschuss beratenen Form zu.
Eingehend auf die von StR Kanzleiter zur Vorgehensweise von ver.di gemachten Ausführungen erklärt EBM
Dr. Lang
, er halte den Versuch, die Mitarbeiter/-innen aufzuwiegeln, für unverantwortlich. StR
Kanzleiter
stellt fest, es sei von ihm nicht der Stil der Proteste gerechtfertigt worden, sondern er habe auf deren Ursachen hingewiesen. Hinsichtlich weiterer Einsparungen im Bereich des Herrn Oberbürgermeisters empfiehlt EBM
Dr. Lang
, die Besetzung der Stelle eines Technischen Bürgermeisters zu überdenken.
StR
Wölfle
(90/GRÜNE) stellt fest, es werde zurecht gesagt, Stuttgart sei eine reiche Stadt. Als Kommune habe die Stadt jedoch ein ernstes Problem. Die vorgelegten Zahlen sprächen eine eindeutige Sprache, weswegen es aus Sicht der Gemeinderatsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN keine Alternative zur Reduzierung der Ausgabenseite gebe. Eingehend auf den von EBM
Dr. Lang
vorgetragenen Appell an die Gemeinderatsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN, ihren Einfluss in der Bundesregierung geltend zu machen, um die Zurücknahme der Gewerbesteuerumlage zu erreichen, sagt StR
Wölfle
entsprechende Bemühungen zu.
Zu schmerzlichen Einschnitten wie in Freiburg sei man in Stuttgart nicht gezwungen. Aus persönlicher Sicht müsse er - so StR Wölfle - sagen, dass er von den Mitarbeitern des Jugendamtes mehr Verständnis erwartet hätte, nachdem gerade sie die Auswirkungen der wirtschaftlichen Situation im Allgemeinen im Alltag erlebten und wüssten, was dort den Menschen zugemutet werde. Im Bereich der Stadtverwaltung verliere kein Einziger seine Stelle. Das Haushaltssicherungskonzept werde verabschiedet auch in Verantwortung gegenüber den Beschäftigten und nicht gegen sie. Eingehend auf den Einsatz von ver.di bemängelt StR Wölfle den unverantwortlichen Umgang mit dem Geld der Steuerzahler, indem ver.di in bester Lage ein riesiges Gebäude leerstehen lasse.
Weil es ihr wichtig sei, die Lasten auf mehrere Schultern zu verteilen, habe sich die Gemeinderatsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN schon zu Beginn der Verhandlungen um eigene Vorschläge bemüht. Sollte seine Fraktion den einen oder anderen Sachbeschluss der Verwaltung nicht mittragen können, arbeite sie dieses Bonusguthaben damit ab. Dies werde notwendig sein, weil die Beschlüsse derzeit sehr pauschal seien und man sie sich im Konkreten anschauen müsse. Auch seine Fraktion schätze selbstwusste Amtsleiter und solidarische Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und hoffe, dass es gelinge, ein Klima herzustellen, das es ermögliche, auch über Alternativvorschläge zu sprechen. An der Vorgabe an sich gebe es keine Zweifel. Die im Antrag der SPD-Gemeinderatsfraktion ausgedrückte Hoffnung auf bessere Zeiten teile seine Fraktion nicht, sondern vertrete eine völlig andere Auffassung.
StR Wölfle bringt abschließend seine Hoffnung zum Ausdruck, dass der Prozess der Haushaltskonsolidierung gemeinsam bestritten werden kann.
StR
J. Zeeb
(FW) führt aus, die nach den Haushaltskonsoliderungsrunden in den 90er-Jahren erneut anstehende Sparrunde sei schmerzlich und bremse manch tatkräftigen Elan. Andererseits sehe er in der Sparrunde auch eine Herausforderung an den Gemeinderat und an alle Mitarbeiter der Stadtverwaltung. Sparvorschläge zu erarbeiten sei immer weitaus schwieriger, als das Geld unter die Leute zu bringen. Der eingeschlagene Weg sei seiner Ansicht nach der richtige, und diese Aufgabe sei gemeinsam von den Fraktionen bis zum Bürgermeisteramt zu bewältigen, dann werde das Vorgehen auch von den Bürgerinnen und Bürgern verstanden. Nur so schaffe man Handlungsspielraum für arbeitsplatzschaffende Investitionen und bürgerfreundliche Lebensbedingungen.
Angesichts der Aktivitäten der Gewerkschaft ver.di rät StR J. Zeeb, sich um die Arbeitslosenzahlen und um die Konkurse zu kümmern; mit "Gepfeife" schaffe man nicht einen einzigen Arbeitsplatz.
In Stuttgart stehe der Konjunkturzug noch nicht still. Die Gemeinderatsfraktion der Freien Wähler wolle dazu beitragen, dass der Zug nach der im Moment langsamen Fahrt wieder beschleunige. Sie trage dieses Haushaltssicherungskonzept mit.
StR
R. Zeeb
(FDP/DVP) beginnt seine Ausführungen mit einem Zitat von Johann Wolfgang von Goethe: "Wir wollen alle Tage sparen und brauchen alle Tage mehr." Es könne nicht immer nur vom Sparen geredet werden, vielmehr erfordere die Wirtschaftslage Handeln.
Ihr besonderes Augenmerk habe die FDP/DVP-Gemeinderatsfraktion darauf gerichtet, was mit den Verkaufserlösen der EnBW geschehe. Das Vermögen dürfe "nicht vervespert" werden. Dem Vorschlag der Verwaltung, diese Summe als inneres Darlehen zur Vermeidung von Kreditaufnahmen zu benutzen, stimme sie sachbedingt mit schwerem Herzen zu. Man dürfe nicht mehr wie in der vergangenen Zeit von der Hand in den Mund leben oder gar versuchen, immer neue Wünsche, auch wenn sie verständlich seien, zu erfüllen, sondern man müsse an die Zukunft Stuttgarts denken. Die FDP/DVP-Gemeinderatsfraktion sei bereit, das ihre beizutragen.
Die zu fassenden Zielbeschlüsse bedeuteten schwere und schmerzliche Einschnitte. Jedoch sollte man in jeder Krise auch Chancen erkennen und seine Aufgabe darin sehen, sie zu meistern. Trotz eisernen Sparens seien positive Beschlüsse für die Zukunft zu fassen. Einige nicht dringliche Projekte empfehle die FDP/DVP-Gemeinderatsfraktion jedoch im Jahr 2003 umzuleiten, erstens, weil die politische und wirtschaftliche Lage in der Bundesrepublik Deutschland im Moment schwer einzuschätzen und - so sehe er es - fast hoffnungslos sei. Zweitens wolle die FDP/DVP-Gemeinderatsfraktion keine größere Neuverschuldung eingehen.
Die Landeshauptstadt Stuttgart müsse sich auf die Erfüllung der Pflichtaufgaben besinnen und diese gewährleisten. Auch müsse sich die Stadt - so StR R. Zeeb - von unnötigen Lasten befreien. Einige Tochterunternehmen oder Teilbereiche der Stadt sollten weiter privatisiert werden, um die Abmangelzahlen seitens der Stadt zu mindern. Hoheitliche Aufgaben hätten Vorrang. Auch den Mitarbeitern der Stadtverwaltung werde einiges abverlangt, daran änderten auch Demonstrationen, wie man sie heute erlebt habe, nichts.
StR R. Zeeb rät, das Haushaltssicherungskonzept mit dem Mut für unliebsame Entscheidungen anzupacken.
StR
Lieberwirth
(REP) erklärt, die Stadt habe zwar ein gutes finanzielles Polster, aber es gebe auch laufende Einnahmen, die wegbrächen. Der Wegbruch dieser Einnahmen sei schon lange vorhersehbar gewesen, man habe dies missachtet. DIE REPUBLIKANER seien die Einzigen gewesen, die gegen den Doppelhaushalt gestimmt hätten. Die Finanzierung des Verwaltungshaushaltes, wie geplant aus Sonderrücklagen, sei zwar gesetzlich zulässig, aber man müsse doch fragen, wie es mit der Rückzahlung aufgrund interner Kredite aussehe. Auch gegen die Großprojekte hätten DIE REPUBLIKANER gestimmt und gesagt, die Stadt übernehme sich. Kritisiert hätten sie auch, dass Ende der 90er-Jahre, als man einen Anstieg der Einnahmen zu verzeichnen gehabt habe, sofort die Ausgaben gestiegen seien. Gerade in dieser Zeit wäre es notwendig gewesen, Rücklagen zu bilden.
Die Einwohnerentwicklung, d. h. die Überalterung der Bevölkerung, und auch die Wirtschaftskraft würden in den nächsten Jahren zu keinen Einnahmenverbesserungen führen. Um das strukturelle Defizit des Haushalts zu bewältigen und zu einem Gleichgewicht zu kommen, müssten auf der Ausgabenseite wirklich revolutionäre Maßnahmen durchgeführt werden. Zu machen sei dies zum einen über die Verwaltungsreform, durch die allerdings nur mit kleinen Beträgen ein Beitrag geleistet werde. Auch mit ehrenamtlichem Engagement oder Leistungen Dritter könne man keine großen Einsparungen erzielen. Wenn man alle Aufgabenfelder der Stadt auf den Prüfstand stelle, gebe es deutliche Grenzen. Bedeutende Einschnitte seien in Zukunft erforderlich bei der Sozialhilfe, der Jugendhilfe, den Eingliederungskosten und auch bei den Einwanderungskosten. Dies seien "die größten Brocken" nach den Personalausgaben. Aber auch dem seien Grenzen gesetzt durch Wahlen und durch Gesetze. Ein konjukturgerechtes Verhalten sei einer Kommune nicht ohne weiteres möglich, denn sie müsse die vorgegebenen Aufgaben erfüllen.
StR Lieberwirth bittet um getrennte Abstimmung über die Ziff. 2 des Beschlussantrags. Die Ziff. 2 enthalte zwar einige Maßnahmen, die auch im Interesse der Gruppe DIE REPUBLIKANER lägen, aber es gebe auch einige Personalmaßnahmen, denen sie nicht zustimme. Die Belastung des Personals könne nicht ohne weiteres mitgetragen werden. Der Haushaltskonsolidierung stimme die Gruppe DIE REPUBLIKANER im Prinzip zu.
BM
Murawski
nimmt zur Aufforderung von ver.di Stellung, er möge sich als Personaldezernent vor das Personal stellen: Die Stadt Stuttgart habe die vergleichsweise höchsten Aufwendungen für die Fort- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Gerade bei den Haushaltsplanberatungen zum jetzt geltenden Doppelhaushalt habe sie - wie bisher noch nie - Mittel hinzugelegt, um Personalentwicklung zu betreiben. Die Stadt Stuttgart sei bezüglich der so genannten Wohlfahrtseinrichtungen, also der sozialen Einrichtungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, seit langer Zeit an der Spitze vergleichbarer Großstädte in der Bundesrepublik. Darüber hinaus sei mit Zustimmung des Gemeinderats beschlossen worden, die langjährige Forderung des Gesamtpersonalrats zu erfüllen, nach der Einführung des Komponentenessens im Schwabenzentrum dieses in Zukunft auch im Rathaus anzubieten. In Zeiten, in denen andere Verwaltungen von Betriebskindergärten nicht einmal zu träumen wagten, habe die Stadt Stuttgart einen solchen im Bau und werde ihn mitten in der Finanzkrise eröffnen. Dies belege, dass die Stadtverwaltung ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schätze.
Die Ansicht von StR
Kanzleiter
, die Stadtverwaltung solle sich ihrer Amtleiterinnen und Amtsleiter bewusst sein und sich deren Kompetenz vergewissern, wird von BM
Murawski
geteilt. Vor dem Hintergrund der notwendigen Tiefe des zu erarbeitenden Konzepts und der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Zeit habe die von Herrn Schaible geleitete Arbeitsgruppe des Referats Allgemeine Verwaltung und des Finanz- und Beteiligungsreferats ein höchstmögliches Maß an Kommunikation mit den betroffenen Ämtern entfaltet. Dazu sei der Vergleich der Verwaltungsabteilungen in Auftrag gegeben worden, und es seien in allen Fällen ausführliche Gespräche geführt worden. Nun gehe es darum, die Maßnahmen zur Umsetzung dieser Zielbeschlüsse zu diskutieren, und auch da würden selbstverständlich die Amtsleiterinnen und Amtsleiter einbezogen. Zitieren wolle er aus einem Schreiben der Amtsleiter/der Amtsleiterin des Sozialamtes, des Jugendamtes und des Gesundheitsamtes vom 27. November 2002 an den Leiter der Arbeitsgruppe, Herrn Schaible: "Im Nachgang zur heutigen Diskussion im Verwaltungsausschuss bezüglich der Diskussionskultur mit den Fachämtern ist es uns ein Anliegen, ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass die von der Fachebene geäußerten Bedenken und Hinweise von Ihnen und den Mitarbeitern der Finanzverwaltung stets sachlich und ausführlich gewürdigt wurden. Wir werden uns weiterhin bemühen, die schwierige Zeit der Haushaltskonsolidierung miteinander zielführend und im fairen Umgang zu bewerkstelligen."
Hinsichtlich der Beteiligung des Gesamtpersonalrats geht BM Murawski davon aus, dass dessen Mitglieder wüssten, welch großes Anliegen es für ihn sei, den Personalrat angemessen, ausführlich und auf einer breiten argumentativen Basis zu beteiligen. Bevor jedoch in Gespräche hätte eingetreten werden können, sei die Haltung der Verwaltung zu erarbeiten gewesen, und es sei natürlich nicht einfach, die heterogenen Interessen der Verwaltung auf eine zielführende Linie zu bringen. Sobald dies durch Entscheidung des Herrn Oberbürgermeisters erreicht worden sei, habe die Verwaltung ihre Bereitschaft, mit dem Gesamtpersonalrat zu reden, erklärt, und sie werde dies in den kommenden Monaten auch unter Beweis stellen.
Abschließend merkt BM Murawski an, auch die Amtsleiter der Stadtkämmerei und des Haupt- und Personalamts seien Mitarbeiter, die es zu schützen gelte, sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Querschnittsdezernaten, die die belastende und schwere Aufgabe gehabt hätten, vernünftige Vorschläge für den Oberbürgermeister und den Gemeinderat in relativ kurzer Zeit zu erarbeiten. Er bitte, sich auch hinter diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu stellen. StR
Kanzleiter
betont, selbstverständlich habe der Leiter der Arbeitsgruppe seinen höchsten Respekt. Er wisse, dass dort gute und engagierte Arbeit geleistet werde, und seine Fraktion habe sich der Kompetenz dieser Arbeitsgruppe auch bedient. Dennoch bleibe festzuhalten, dass Amtsleiterinnen und Amtsleiter der Stadtverwaltung sich in diesem Prozess nicht ausreichend beteiligt und nicht ausreichend ernst genommen gefühlt hätten. Er verweise auf die Stuttgarter Nachrichten vom 4. Dezember 2002. Neben den dort genannten Vorgängen gebe es weitere. Seiner Ansicht nach sollte man den Betroffenen auch einmal zuhören, und nicht nur sagen, wie es weitergehe.
EBM
Dr. Lang
verweist auf die entsprechend der Vorgabe des Verwaltungsausschusses in der Übersicht des Finanz- und Beteiligungsreferats zum aktuellen Stand des Haushaltssicherungskonzepts 2002 vorgeschlagene Neufassung der Ziff. 4 des Beschlussantrags:
"4. Die Verwaltung wird beauftragt, die im Konzept zur Wiedererlangung kommunaler Gestaltungsfähigkeit enthaltenen Maßnahmen zu konkretisieren, die flächendeckende Aufgabenkritik zu intensivieren und ein verbindliches Finanzziel bis 30.06.2003 vorzuschlagen."
<Wie von EBM Dr. Lang vorgetragen, wurde der in der Übersicht aufgeführte Text wie folgt korrigiert: statt "begonnene Aufgabenkritik" heißt es "flächendeckende Aufgabenkritik".>
Dem Antrag von StR Lieberwirth folgend stellt OB
Dr. Schuster
die Ziff. 2 des Beschlussantrags gesondert zur Abstimmung:
Gegen die Ziff. 2 erheben sich 3 Stimmen.
Der Gemeinderat spricht sich damit mehrheitlich für die Umsetzung der in Ziff. 2 genannten Maßnahmen aus.
OB Dr. Schuster stellt abschließend fest:
Der Gemeinderat
beschließt
einstimmig entsprechend dem Votum des Verwaltungsausschusses - s. Übersicht des Finanz- und Beteiligungsreferats zum aktuellen Stand des Haushaltssicherungskonzepts 2002 einschließlich o. g. Neufassung der Ziff. 4 - wie im nachstehend aufgeführten
Beschlussantrag
der GRDrs 999/2002 beantragt:
1. Den in der Maßnahmenübersicht (Anlage 2) vorgeschlagenen Maßnahmen zur Konsolidierung des Stadthaushalts wird grundsätzlich zugestimmt.
2. Die in der Maßnahmenübersicht mit "S" gekennzeichneten Maßnahmen sind unmittelbar zu vollziehen (Sachentscheidung). Die Verwaltung wird beauftragt, die Maßnahmen zügig umzusetzen.
3. Für die in der Maßnahmenübersicht mit "Z" gekennzeichneten Maßnahmen wird die Verwaltung im Wege des Zielbeschlusses beauftragt, die erforderlichen Sachvorlagen bis spätestens 30.04.2003 in die zuständigen gemeinderätlichen Gremien einzubringen.
4. Die Verwaltung wird beauftragt, die im Konzept zur Wiedererlangung kommunaler Gestaltungsfähigkeit enthaltenen Maßnahmen zu konkretisieren, die flächendeckende Aufgabenkritik zu intensivieren und ein verbindliches Finanzziel bis 30.06.2003 vorzuschlagen.
5. Die Verwaltung berichtet jeweils zum 30.06. über den Stand der Umsetzung des Haushaltssicherungskonzepts 2002. Soweit einzelne Maßnahmen nicht oder nicht in vollem Umfang umgesetzt werden können, sind geeignete Ersatzvorschläge zu unterbreiten.
6. Von der Reinvestition eingesparter Mittel aus der Verwaltungsreform zugunsten der Beschäftigten und für Qualitätsverbesserungen für Bürgerinnen und Bürger wird zustimmend Kenntnis genommen.