Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
169
1a
VerhandlungDrucksache:
-
GZ:
OB
Sitzungstermin: 04.10.2007
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Schuster
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Huber-Erdtmann
Betreff: Stuttgart 21
- Antrag Nr. 379/2007 der Gemeinderatsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN und von StR Rockenbauch (SÖS) vom 12.09.2007 -

<Während der Aussprache zum Tagesordnungspunkt 1a sind auch die Vorlagen der Tagesordnungspunkte 1b und 1c mit erörtert worden. Die Gesamtdiskussion zum Tagesordnungspunkt 1 "Stuttgart 21" ist daher unter dieser Niederschrift wiedergegeben.

Die Beschlussfassung zur GRDrs 790/2007 findet sich unter der Niederschrift Nr. 170, die zur GRDrs 796/2007 unter der Niederschrift Nr. 171.>


Zum Tagesordnungspunkt 1 liegen folgende Anträge (der Niederschrift angeheftet) vor:

- Antrag Nr. 379/2006 der Gemeinderatsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN und von StR Rockenbauch (SÖS) vom 12.09.2007 mit zwei Stellungnahmen des
Herrn Oberbürgermeisters vom 14.09.2007 und vom 04.10.2007

- Antrag Nr. 410/2007 von StR Rockenbauch (SÖS) vom 27.09.2007 mit Stellungnahme des Herrn Oberbürgermeisters vom 04.10.2007

- Antrag Nr. 418/2007 der Gemeinderatsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN vom 04.10.2007

OB Dr. Schuster begrüßt besonders die zahlreichen Bürgerinnen und Bürger und hält das Einverständnis des Gemeinderats zu Fernsehaufnahmen fest.

Zum Tagesordnungsantrag von StR Rockenbauch (SÖS), auch über seinen Antrag Nr. 417/2007 abzustimmen, verweist der Vorsitzende auf die Tagesordnung. Auf die Frage von StRin Küstler (DIE LINKE.), warum der Antrag Nr. 418/2007 nicht aufgerufen worden ist, erklärt der Vorsitzende, dass ihm kein weiterer Antrag, sondern lediglich eine Anfrage zugegangen sei, die wie üblich beantwortet werde. Anschließend bittet OB Dr. Schuster die Antragsteller, ihren Antrag Nr. 379/2007 zu begründen.

StR Wölfle (90/GRÜNE) erläutert zunächst, dass der Antrag Nr. 418/2007 durch ein Büroversehen auch als Anfrage gekennzeichnet wurde. Aus dem Text gehe jedoch klar hervor, dass hier ein Antrag gestellt wird. Unter dem von seiner Fraktion und StR Rockenbauch beantragten Tagesordnungspunkt 1 stelle seine Fraktion nun einen weiteren Antrag, nämlich auf einen Bürgerentscheid zu Stuttgart 21, den er, falls nötig, auch mündlich wiederholen könne.

OB Dr. Schuster legt Wert auf die Feststellung, dass die Frage eines Bürgerentscheids nicht auf der Tagesordnung steht. Der Antrag Nr. 418/2007 sei nicht form- und fristgerecht eingegangen. Er sei daher nicht bereit, in dieser Sitzung darüber abstimmen zu lassen. StR Wölfle bedauert diese Entscheidung, die er akzeptieren müsse.
Die Anwesenheit so vieler Bürgerinnen und Bürger, so der Stadtrat weiter, zeige das große Interesse an der aus Sicht seiner Fraktion bedeutsamsten Entscheidung für Stuttgart seit dem Beschluss des Herzogs von Württemberg, die Stadt zur Residenz zu machen. Stuttgart 21 würde die Stadt in ähnlicher Weise verändern wie die damalige Entscheidung des Herzogs.

Man habe schon oft über Stuttgart 21 debattiert, auch Pläne beschlossen, aber erst mit der jetzt vorliegenden Vereinbarung werde das Projekt konkret und real. Stuttgart 21 sei zwölf Jahre lang nicht aus den Startlöchern gekommen, denn es sei für die Bahn nie wirtschaftlich gewesen. Diese habe sich erst wieder darauf eingelassen, seit Stadt und Land ihre Milliarde "lockermachen" wollen und den größten Teil des Risikos tragen.

Es sei ein Anliegen seiner Fraktion, keine persönliche, sondern eine faire Auseinandersetzung zu führen, in der die Argumente abgewogen werden. Deshalb wolle man auch die Bürger einbeziehen. Seine Fraktion wisse, dass OB Dr. Schuster vielen ihrer Grundüberlegungen positiv gegenüberstehe - Thema Ökologie, Thema Förderung Öffentlicher Nahverkehr usw. - und deshalb verwundert sei, warum ausgerechnet die GRÜNEN gegen Stuttgart 21 sind. Die GRÜNEN seien für eine Förderung des Öffentlichen Nahverkehrs, aber Stuttgart 21 habe nicht die Vorteile, von denen der Oberbürgermeister spreche. Die Bahnreisenden interessiere nicht, wie schnell ihr Zug beschleunigt oder welche Spitzengeschwindigkeit er erreicht, sondern ihnen sei wichtig, ob sie pünktlich zu ihrem Termin kommen, wie oft der Zug fährt und wie viel Wartezeit sie haben. Viele Kritiker des Projektes seien eingefleischte Bahnfans, die die Mängel des Schienenverkehrs in Stadt und Land kennen. Als Begründung für unzureichende Verbindungen müsse das fehlende Geld herhalten. Dieses Geld werde für Stuttgart 21 gebunden, für viel zu wenig Wirkung für die Nutzer des ÖPNV.

Seine Fraktion wende sich auch gegen Stuttgart 21, weil sie ihre Stadt möge. Sie treibe die Sorge vor Riesenbaustellen für zwölf Jahre mit dem entsprechenden Chaos um, denn es werde nicht nur der Individualverkehr betroffen, sondern auch der öffentliche Verkehr werde in den Baustellen stecken bleiben. Die Baustellenlogistik sei ausgesprochen schwierig, und bevor der Aushub für die 66 km Tunnelröhren auf der Schiene abtransportiert werden kann, müsse er zunächst auf Lastwagen dorthin geschafft werden.

Die Aussage von OB Dr. Schuster, mit dieser Vorlage sei Stuttgart 21 durchfinanziert, werde nicht lange zutreffen. Zu fragen sei, wer die Mehrkosten trägt, z. B. bei der SSB und bei der S-Bahn, die zahllose Ersatzverkehre einrichten müssen, oder für die Verlagerung des zentralen Busbahnhofs. Die Bürger in Leinfelden-Echterdingen würden sich dagegen wehren, dass künftig die Fernzüge durch ihre Stadt fahren.

Die Alternativen seien präsentiert worden, und sie seien aus seiner Sicht überzeugend. Die Modernisierung des Kopfbahnhofes sei kostengünstiger und ohne die Verlegung in den Schlosspark möglich. Die Anbindung an die Schnellbahntrasse gehe zwar durch das Neckartal, aber sie lasse sich für die Anwohner verträglich gestalten - mit entsprechendem Lärmschutz, den sie jetzt nicht haben und nach den bestehenden Plänen auch nicht bekommen, obwohl auch mit Stuttgart 21 die Güterzüge durchs Neckartal fahren werden.

All dieses Für und Wider habe man sich mehrfach gegenseitig vorgehalten. Trotz der vielen Hochglanzbroschüren zu Stuttgart 21 sei die Zustimmung zu diesem Projekt bei den Stuttgartern so gering wie noch nie, und zwar zu Recht. Die Verwaltung halte die Bürger für uninformiert und setze auf Marketing, die Gegner würden auf Mitsprache und Mitentscheidung setzen. Gemeinderat und Verwaltung sollten Mut und das Zutrauen zu ihren Argumenten haben und sich dem Votum der Bürger stellen. Damit schaffe man die beste Informationsgrundlage und demokratische Legitimation, denn ein Projekt in dieser Dimension müsse von der Bürgerschaft legitimiert werden. Das fördere die Demokratie. Er gehe davon aus, dass der Gemeinderat sich in dieser Sitzung für einen Bürgerentscheid ausspricht. Sollte das nicht der Fall sein, werde man die entsprechenden Unterschriften sammeln. Spätestens, wenn die Bürger von Stuttgart sich gegen die Weiterführung des Projektes Stuttgart 21 aussprechen, würden sich auch neue Mehrheiten bilden. Er appelliere an die Mitglieder des Gemeinderats, für einen Bürgerentscheid zu stimmen. Für Änderungswünsche hinsichtlich der Formulierung sei man offen. Von OB Dr. Schuster erwarte er, mit der Unterschrift unter die Ergänzungsvereinbarung zu warten, bis klar ist, ob es zu einem Bürgerentscheid kommt.

Er beantrage hiermit nun mündlich, dass die Stadt Stuttgart zum Projekt Stuttgart 21 einen Bürgerentscheid durchführt. Als Fragestellung schlage seine Fraktion vor:

"Sind Sie dafür,

- dass die Stadt Stuttgart aus dem Projekt Stuttgart 21 aussteigt,
- dass sie keine Ergänzungsvereinbarung mit den Projektpartnern abschließt, die u. a. von der Stadt abzusichernde Risiken in Höhe von 206,94 Mio. € vorsieht,
- dass sie keine Änderung des Kaufvertrags mit der Deutschen Bahn für die Teilgebiete A2, A3, B, C und D, insbesondere nicht unter der Erklärung des Verzichtes auf Verzugszinsen aus dem Grundstücksgeschäft vornimmt und
- dies den Vertragspartnern mit dem Ziel des Abschlusses einer Aufhebungsvereinbarung mitteilt?"
Mit dem "Memorandum of Understanding" ist laut StR Rockenbauch allen klar geworden, dass Stuttgart 21 nicht 3, sondern 4 Mrd. € kosten werde. Ein solcher "Größenwahnsinn" sei nur noch durch die Bürger aufzuhalten, da die Politik hier blind sei.

Er wolle seine Ablehnung von Stuttgart 21 noch grundsätzlicher begründen. Das Projekt werde von den Befürwortern als Schicksalsprojekt der Landeshauptstadt oder gar des ganzen Bundeslandes bezeichnet; das seien seiner Ansicht nach aber andere drängende Themen wie z. B. der demografische Wandel, der Klimawandel oder globale Gerechtigkeitsfragen.

Stuttgart 21 könne man nur verstehen, wenn man es in einen Gesamtkontext zur Neuen Messe und zur Flughafenerweiterung und dem permanent betriebenen Straßenbau in Stuttgart sehe. Hinter diesem gesamtgesellschaftlichen Entwicklungskonzept stehe die Herrichtung des Raumes für die steigenden Kapitalverwertungs- und Profitinteressen der Gesellschaft. Die regionalen Raumbeziehungen würden aufgelöst, und mit schnellen Transportwegen werde versucht, ein Netzwerk europäischer Metropolregionen zu schaffen, um im globalen Wettkampf bestehen zu können. Eine Entwicklungsperspektive, die nur auf einen solchen Wettkampf setze, sei wenig zukunftsfähig ausgerichtet. Diese strategische Ausrichtung, die weder Nachhaltigkeitsgrenzen des Wachstums noch Gerechtigkeit akzeptiere, zeige auch, dass Stuttgart 21 nie ein Projekt der Stuttgarter war, sondern vielmehr ein Projekt der Banken, der Bauwirtschaft und einer in Zukunft vielleicht auch privatisierten Bahn.

Das Eisenbahnbundesamt habe feststellt, dass auch die Alternative das Betriebsszenario von Stuttgart 21 bewältigen würde und sie nur ökologisch besser sei. Und um Ökologisches gehe es ihm.

Gegen Stuttgart 21 und für einen Bürgerentscheid gebe es fünf konkrete Hauptpunkte: Erstens seien mit dem Projekt immense ökologische Risiken verbunden (Gefährdung des Mineralwassers, Absenkung des Grundwasserspiegels), große Flächenversiegelungen, die nicht nur Lebensraum zerstören, sondern auch klimarelevante Fläche versiegeln. Es würde ein immenser Umweltverbrauch betrieben für eine Infrastruktur, die man eigentlich jetzt schon oberirdisch habe und die man nur erneuern müsste, statt 66 Kilometer Tunnel zu graben. Täglich würden nicht ein paar hundert LKWs mehr fahren, sondern es werde ein paar tausend zusätzliche LKW-Fahrten pro Tag in der Innenstadt geben, die weiteren Feinstaub, Lärm und Schmutz bedeuten, und das für mindestens zehn Jahre. Aber auch danach werde das Verkehrsaufkommen erheblich steigen. Er frage sich, wie sich dann noch die Aktionspläne der Stadt Stuttgart zur Einhaltung der Feinstaubgrenzen einhalten lassen sollen.

Die Alternative wäre ohne die genannten Risiken möglich, und sie wäre vor allem in kürzerer Bauzeit und etappenweise realisierbar, sodass sie am Bürger unbemerkt vorbeigehen würde, aber die nötigen Verbesserungen für den Bahnverkehr brächte.

Oft würden die Befürworter das enorme städtebauliche Potenzial von Stuttgart 21 anführen. Wenn man jedoch das Projekt mit dem Verkauf des Bodens finanzieren wolle, bekomme man Bodenpreise, die so hoch sind, dass darauf keine nachhaltige und sinnvolle Stadtentwicklung möglich ist. Er erinnere an die Rahmenvereinbarung, die den Investoren ein solches Maß an Bebauung erlaube, dass ihre Profite garantiert sind. Stuttgart 21 werde nicht die Wohnungen bringen, die in Stuttgart fehlen, nämlich vor allem für sozial Schwache, sondern es werde ein Luxusprojekt für Gutverdienende. Es würden keine lebendigen Städte entstehen, wie sie die Bürgerbeteiligung gefordert habe, sondern tote. Daran würden auch Projekte wie eine Bibliothek des 21. Jahrhunderts nichts ändern.

Auch die Alternative habe städtebauliche Potenziale. Man könne die bereits vorhandenen Brachflächen nutzen, und zwar zu einem viel geringeren Preis, und so eine Stadtentwicklung realisieren, die urban, kompakt, sozial und kulturell durchmischt ist und Wohnen und Arbeiten gemeinsam ermöglicht.

Der dritte Punkt sei die Finanzierung. Das Projekt werde mit enormen Steuermitteln "gedopt", die man besser z. B. in Krankenhäuser, Schulen oder das dringend benötigte städtische Personal investieren könnte. Man könnte mit diesen Summen auch Stuttgart auf eine erneuerbare Ressourcen- und Energiebasis stellen, regionale Wirtschaftskreisläufe fördern und sich so unabhängig vom globalen Wettkampf machen. Dass die Alternative viel billiger ist, verstehe sich von selber, wenn man den Aufwand betrachtet, der allein für die Tunnel erforderlich ist.

Ein weiterer interessanter Punkt sei die Verkehrstechnik. Stuttgart 21 sei zwar ein Bahnprojekt, aber ein Bahnprojekt für eine privatisierte Bahn, eine Börsenbahn, die auf wenige profitable Hochgeschwindigkeitsstrecken setzt und nicht auf den Verkehr in der Fläche, den Verkehr für die Region, den Verkehr, bei dem in Stuttgart umgestiegen und nicht durch die Stadt "durchgerauscht" wird. Für den Fernverkehr würden sogar Regionalisierungsmittel verwendet. Man müsse sich für den Kopfbahnhof 21 einsetzen, weil er verkehrstechnisch besser ist. Mit wenig Geld und Renovierungsmaßnahmen könnte man das bestehende System optimieren und die letzten Kreuzungspunkte entknoten; man hätte dann einen Bahnhof, in dem auch ein integraler Taktfahrplan verwirklicht werden könnte.

Nun gehe es darum, die Bürgerinnen und Bürger mitentscheiden zu lassen. Ihm stelle sich die Frage nach dem Demokratieverständnis des Gemeinderats, der meint, machen zu können, was er will, egal was die Umfragen bringen. Es sei auch kein Ausdruck von Demokratie, wenn das Stadtoberhaupt mehr auf Rankings hört statt auf die Bürger. Deshalb müsse jetzt Schluss sein mit Alibiveranstaltungen - man brauche keine Bürgerbeteiligung, sondern einen Bürgerentscheid. Wenn die Befürworter von Stuttgart 21 glauben, die besseren Argumente zu haben, müssten sie den Bürgerentscheid eigentlich nicht fürchten. Er appelliere an den Gemeinderat, dieses Projekt nicht zu seinem eigenen Schicksalsprojekt werden zu lassen und jetzt für einen Bürgerentscheid zu stimmen; andernfalls würden die Bürger ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen.

Auf der Tagesordnung, so OB Dr. Schuster, stehe ordnungsgemäß der Antrag Nr. 379/2007, über mögliche neue städtebauliche und verkehrliche Fragen zu Stuttgart 21 zu diskutieren, verbunden mit der Aufforderung, der Gemeinderat solle einen erneuten Grundsatzbeschluss über dieses Projekt fassen.

Die Frage eines Bürgerentscheids müsste seines Erachtens ebenfalls erst einmal korrekt auf die Tagesordnung des Gemeinderats gesetzt werden. Dazu würde auch die Frage gehören, worüber die Bürger konkret entscheiden sollen. Die Gemeindeordnung lasse Bürgerentscheide nur unter bestimmten Voraussetzungen zu. Es habe also keinen Sinn, einen Bürgerentscheid herbeizuführen, bei dem die Bürger zwar eine Meinung abgeben können und meinen, sie hätten entschieden, wenn dies gar nicht der Fall ist. Es sei auch eine Frage der Ehrlichkeit, zunächst die rechtliche Zulässigkeit für einen Bürgerentscheid zu prüfen und festzustellen, worüber zu entscheiden ist und welche Konsequenzen das haben würde. Er werde die Zulässigkeit prüfen lassen. Bei einem positiven Bescheid und unter der Voraussetzung, dass die 20.000 Unterschriften von wahlberechtigten Stuttgarter Bürgerinnen und Bürgern vorliegen, werde die Stadt Stuttgart selbstverständlich einen solchen Bürgerentscheid durchführen lassen. Wenn der Gemeinderat jetzt einem Bürgerentscheid zustimmen würde, müsste ebenfalls geprüft werden, ob die formalen Voraussetzungen zutreffen. Über den von StR Wölfle vorgetragenen Antrag könne aber nicht abgestimmt werden, weil er nicht auf der Tagesordnung stehe. Würde man das dennoch tun, wäre der Beschluss wegen rechtlicher Mängel anfechtbar.

Der Antrag Nr. 379/2007 suggeriere, man habe im Gemeinderat noch nie über Grundsätzliches zu Stuttgart 21 gesprochen. Das Gegenteil sei der Fall (siehe Stellungnahme zum Antrag Nr. 379/2007 vom 04.10.2007). Der Gemeinderat habe sich also sehr intensiv mit den Themen beschäftigt, und er habe für alle Bereiche unabhängige Gutachter eingeschaltet. Der gesamte Abwägungsprozess sei bekanntlich in zwei Gerichtsinstanzen nochmals von den Gerichten durchgearbeitet, diskutiert und mit weiteren Gutachten versehen worden. Diejenigen, die das Projekt der Bahn verhindern wollten, hätten in allen Gerichtsinstanzen verloren; somit habe die Bahn ein rechtskräftiges Planfeststellungsverfahren, also eine Baugenehmigung. Die Bahn wolle das Projekt Stuttgart 21, weil sie die Alternativen unter verschiedensten Aspekten als weniger günstig empfindet. Es wäre eine Illusion, zu glauben, die Stadt Stuttgart könne jetzt der Bahn sagen, dass sie Stuttgart 21 eigentlich nicht will, und dass die Bahn dann einen sanierten Bahnhof bauen würde, oder dass die für Stuttgart 21 vorgesehenen Mittel dann automatisch in Kindergärten, Schulen oder anderes hineinfließen würden. Die Bahn würde das Geld vielmehr für Investitionsvorhaben in anderen Teilen der Bundesrepublik ausgeben.

Abzustimmen sei in dieser Gemeinderatssitzung über die beiden Teile des Antrags Nr. 379/2007, nämlich darüber, erstens die neuen Fragen zu diskutieren und zweitens einen erneuten Grundsatzbeschluss herbeiführen. Er verweise hierzu auf seine Stellungnahme. Soweit es neue Fragen gebe, würden diese in den jeweiligen Fachausschüssen und im Gemeinderat behandelt. Eine erneute Grundsatzbeschlussfassung halte er weder für sinnvoll noch für notwendig.

StR Uhl (CDU) appelliert an die Zuhörer, im Sinne einer demokratischen Diskussionskultur alle Redner ungestört zu Wort kommen zu lassen.

Er bitte, jetzt über den Antrag Nr. 379/2007 abzustimmen. Der Antrag Nr. 418/2007 zum Thema Bürgerentscheid jedoch, der an diesem Morgen um 11:30 Uhr bei den Fraktionen eingegangen sei, könne auch nach Ansicht seiner Fraktion nicht behandelt werden, da er nicht auf der Tagesordnung stehe. Dies schreibe die Geschäftsordnung des Gemeinderates vor. Die Antragsteller könnten ihn auf die Tagesordnung der nächsten Gemeinderatssitzung setzen lassen.

StR Kanzleiter (SPD) ist seitens seiner Fraktion damit einverstanden, dass - wie von OB Dr. Schuster vorgeschlagen - die städtebaulichen und verkehrlichen Fragen in die zuständigen Ausschüsse verwiesen werden. Den Antrag auf eine erneute Grundsatzdebatte zum Thema Stuttgart 21 im Gemeinderat lehne seine Fraktion jedoch ab. Diese Debatte sei bereits geführt worden. Man könne deshalb darüber abstimmen und dann zum weiteren Verfahren übergehen.
Auch StR J. Zeeb (FW) lehnt eine Befassung mit den Antrag Nr. 418/2007 ab, da er nicht auf der Tagesordnung stehe und seiner Fraktion erst zu Sitzungsbeginn vorgelegen habe. Generell wolle er anmerken, dass man beim Projekt Stuttgart 21 auch über Stuttgart hinausblicken müsse. Die Beiträge von StR Wölfle und StR Rockenbauch hätten gezeigt, dass hier Aufklärung not tue und man einiges aufarbeiten müsse. Seine Fraktion wolle jetzt über die auf der Tagesordnung stehenden Punkte abstimmen, und zwar so schnell wie möglich.

StR Dr. Schlierer (REP) unterstreicht, dass es trotz der vielen Sitzungen über Fragen im Zusammenhang mit Stuttgart 21 nach wie vor eine hohe Betroffenheit bei all jenen gebe, die sich als Stuttgarter Bürger mit diesem Projekt konfrontiert sehen. Daher könne man jetzt nicht erklären, es sei lange genug geredet worden, die Entscheidung sei gefallen und die Dinge sollten nun ihren Lauf nehmen.

Mit der Rahmenvereinbarung im Jahr 1995 habe es eine relativ frühe Festlegung der Entscheidungsträger in der Stadt gegeben. Der Umgang mit der Skepsis der Bürger habe nach dem Motto stattgefunden, "wir Entscheidungsträger wissen besser als die Bürger, was gut für die Stadt ist". Entscheidungen über Projekte dieser Dimension könnten aber nur mit den Bürgern und nicht gegen sie getroffen werden.

Die finanziellen Risiken dieses Projektes seien trotz einer über anderthalb Jahrzehnte laufenden Diskussion immer noch nicht mit Sicherheit abschätzbar. Die Stadt habe sich großzügig bereit erklärt, auf Zinsen zu verzichten, während den finanziellen Verpflichtungen Hoffnungen und Erwartungen gegengerechnet würden, deren Erfüllung keiner mit Sicherheit voraussagen könne. Und es gebe nach wie vor auch im technischen Bereich Risken, z. B. bei den Tunnelbauten.

Man stehe also in den nächsten beiden Jahrzehnten vor enormen Belastungen. Wenn die Bürger hier mitgenommen werden sollen, dann reiche es nicht, eine Propagandaaktion finanziell zu unterfüttern, sondern es gehe darum, ganz ehrlich zu sagen, was die Bürger dieser Stadt bewegen können. Im Vorfeld dieser Gemeinderatssitzung sei verschiedentlich geschrieben worden, dass die Stadt - die ja nicht Bauherr sei und die nur zu einem kleineren Teil an der Finanzierung mit in die Pflicht genommen werde - alleine gar nichts bewegen könne und somit auch die Bürger von Stuttgart nichts gegen den Bauherrn Bahn unternehmen können. Er glaube aber nicht, dass Bahn, Land und Region dieses Projekt ohne die Landeshauptstadt Stuttgart realisieren würden.

Es sei daher richtig, dass jetzt über diese Fragen zunächst einmal ansatzweise gesprochen wurde. Allerdings räume er auch ein, dass laut GOG über den Antrag Nr. 418/2007 in dieser Sitzung nicht entschieden werden könne. Da der Antrag aber auch in der nächsten Sitzung - wenn er ordnungsgemäß auf der Tagesordnung stünde - abgelehnt würde, bleibe nur der Weg über ein Bürgerbegehren. Seine Gruppierung werde ein Bürgerbegehren und einen Bürgerentscheid mit Nachdruck unterstützen.

StRin Küstler hielte es für undemokratisch, die Debatte abzubrechen, bevor allen Gruppierungen im Gemeinderat die Gelegenheit gegeben wurde, sich zu äußern.

Ihrer Meinung nach würden OB Dr. Schuster und die Mehrheit des Gemeinderats der grundlegenden Diskussion über die Frage der städtebaulichen und verkehrsrechtlichen Lage 13 Jahre nach dem Grundsatzbeschluss zu Stuttgart 21 ausweichen wollen sowie der Frage, ob es für den Anschluss der großen Eisenbahnmagistrale von Paris nach Budapest eine Alternative zum Tiefbahnhof geben könne. Andere Verkehrsführungen seien nicht zur Kenntnis genommen und ernsthaft diskutiert worden. Deshalb hätten die GRÜNEN und StR Rockenbauch Recht mit ihrer Forderung, noch einmal eine Grund-satzdebatte zu führen. Werde diese Debatte verweigert, stelle sich die Frage nach dem Demokratieverständnis.

OB Dr. Schuster habe im Wahlkampf einen Bürgerentscheid versprochen, wenn sich für Stuttgart erhebliche Mehrkosten ergäben. Mit Blick auf die Haushaltsplanberatungen, in denen mit Sicherheit wieder ausdauernd über Beträge in vier- oder fünfstelliger Höhe gestritten werde, stelle sie fest, dass es bei Stuttgart 21 im Zusammenhang mit dem Risiko und den Grundstücksgeschäften um hunderte von Millionen geht. Weitere Millionen, die auch dazugehören, würden erst gar nicht angeführt. Neben dem Aufwand, der von der Verwaltung getrieben werden müsse, führe sie nur ein paar wenige Punkte an: Neubau oder Verlegung von U-Bahnhöfen, Einrichtung und Betreibung von Ausweichverkehren, Verlegung des zentralen Busbahnhofes, Ausweichmaßnahmen für die Schulen, an denen der Schulbetrieb nicht nur beeinträchtigt, sondern z. T. unmöglich wird, Auswirkungen für die Stadtentwässerung, auf den Straßenverkehr usw. Überall müsse städtisches Personal eingesetzt werden, das städtisches Geld koste. Das alles werde aber zumindest öffentlich nicht in Rechnung gestellt. OB Dr. Schuster stehe deshalb im Wort, den Bürgerentscheid durchzuführen.

Sie kritisiere auch, dass OB Dr. Schuster die Ablehnung eines Bürgerentscheids damit begründet, dass die Wahrnehmung dieses demokratischen Mittels die Bevölkerung auf Jahre hinaus spalten würde. Eine Spaltung werde vielmehr durch diejenigen bewirkt, die eine offene Diskussion und die Entscheidung durch die Bürgerinnen und Bürger verweigern. Wenn nach offener und fairer Diskussion eine Entscheidung fällt, könne man diesen demokratischen Vorgang akzeptieren. Verweigere OB Dr. Schuster den Bürgerentscheid, so werde auf alle Zeit im Raum stehen, dass die Mächtigen ihren Willen mit allen Tricks durchgesetzt haben.

Der Ergänzungsvereinbarung - GRDrs 790/2007 - werde sie nicht zustimmen, weil sie das Projekt in dieser Form ablehne, und sie fordere OB Dr. Schuster auf, diese Vereinbarung nicht zu unterschreiben, bevor nicht der Bürgerentscheid stattgefunden hat.

Bei der GRDrs 796/2007 werde sie sich enthalten, da die Punkte Kostenkontrolle und Öffentlichkeitsarbeit in dieser Vorlage vermischt sind. Zwar sei eine Kostenkontrolle unbedingt richtig, wenn das Projekt durchgeführt wird. Sie sei aber dagegen, dass 1 Mio. € für die Öffentlichkeitsarbeit ausgegeben wird, denn einerseits werde den Bürgerinnen und Bürgern die Mitsprache verweigert, andererseits soll mit viel Geld die öffentliche Meinung beeinflusst werden.

Zum Antrag der GRÜNEN auf Bürgerentscheid erinnere sie daran, dass in anderen Fällen durchaus Anträge aus der Mitte des Gemeinderats und auch mitten aus der Sitzung heraus beraten und beschlossen wurden. Dass dies hier abgelehnt werde, halte sie für sehr unklug. Letztlich werde das aber die Sache in ihrem Gang nicht aufhalten. Sie werde auf jeden Fall einen Bürgerentscheid mit allen Kräften unterstützen.

StR R. Zeeb (FDP) erklärt, er würde den Protest verstehen, wenn die Argumente neu wären. Es sei allerdings bedauerlich, dass es versäumt wurde - und diesen Vorwurf mache er auch seiner Fraktion -, in den letzten Jahren breite Schichten der Bevölkerung noch mehr vom Sinn und Zweck dieses Vorhabens zu überzeugen und nicht rechtzeitig auf die vielen Vorteile hingewiesen zu haben, die Stuttgart 21 für die Landeshauptstadt und die Region bringt. Die anwesenden Bürgerinnen und Bürger würden allerdings nicht die Mehrheit der Stuttgarter repräsentieren.

Mit einer attraktiven Bahn werde man die Bürgerinnen und Bürger dazu bringen, weniger häufig das Auto zu nutzen, was den CO2-Ausstoß verringere. Mit Stuttgart 21 werde es in der City auch 150 ha mehr Grün- und Baufläche geben, die Zubetonierung von freien Flächen auf der grünen Wiese werde dadurch vermieden. All dies sollten sich die Gegner von Stuttgart 21 in Erinnerung rufen.

Zur Geschäftsordnung bringt StR Kugler (90/GRÜNE) vor, dass es ein Verstoß gegen die Gemeindeordnung wäre, die Abstimmung über den Bürgerentscheid nicht zuzulassen. Seine Fraktion und StR Rockenbauch hätten ja beantragt, das Projekt Stuttgart 21 auf die Tagesordnung zu setzen, was auch geschehen sei. Nach § 23 GOG dürften
aber Anträge zu einem Verhandlungsgegenstand gestellt werden, solange die Beratung über ihn nicht abgeschlossen ist. Das sei sie nicht, der Antrag beziehe sich auf das Thema, und er bedürfe auch keiner weiteren Vorberatung in den Ausschüssen. Hintergrund des Antrags sei, dem Gemeinderat noch einmal die Möglichkeit zu geben, seine bisher mehrheitlich ablehnende Haltung zu diesem Bürgerentscheid zu überdenken. Wenn unter Verstoß gegen die GOG jetzt nicht über den Antrag abgestimmt würde, werde man ein Bürgerbegehren in Gang setzen. Er hätte es fair gefunden, wenn man sich an die Geschäftsordnung gehalten hätte. Die Abstimmung auf diese Art zu verhindern, sei seiner Meinung nach kein guter Stil.

Für OB Dr. Schuster zeigt sich die Sachlage anders. Im Antrag Nr. 369/2007 sei an keiner Stelle von einem Bürgerentscheid die Rede. Dieser sei eine wichtige Entscheidung, die durch den Gemeinderat oder durch ein Bürgerbegehren von den Bürgern initiiert werde; deshalb wäre es ein eindeutiger Verstoß gegen die GOG, jetzt darüber abzustimmen. Zu prüfen sei ja auch noch, ob die Fragestellung des Bürgerentscheids rechtlich zulässig ist. Wenn die Antragsteller es wünschen, könne der Antrag auf die Tagesordnung der nächsten oder übernächsten Sitzung des Gemeinderats genommen werden.

Zum Antrag Nr. 379/2007 stellt OB Dr. Schuster fest, dass mit TOP 1a dieser Sitzung dem ersten Spiegelstrich entsprochen worden ist. Falls neue Fragen zu diskutieren seien, würden sie in den Fachausschüssen vorberaten und dem Gemeinderat vorgelegt. Die Notwendigkeit eines erneuten Grundsatzbeschlusses, wie im zweiten Spiegelstrich beantragt, sehe er nicht.

Der Vorsitzende schlägt vor, keinen erneuten Grundsatzbeschluss zu fassen. Er stellt diesen Vorschlag zur Abstimmung und hält fest:

Der Gemeinderat stimmt bei 15 Nein-Stimmen mehrheitlich zu.


TOP 1b

OB Dr. Schuster konstatiert, dass es bei der Ergänzungsvereinbarung mit dem Land und der Änderung des Kaufvertrags auch um mögliche Baukostenrisiken gehe, die die Stadt Stuttgart bis zum Jahr 2020 zu übernehmen hätte. In Relation zum städtischen Gesamthaushalt gesetzt, gehe es dabei um 0,3 %. Aus einer Mehrbelastung in dieser Höhe stelle sich also die Frage eines Bürgerentscheids nicht. Es sei daher nicht korrekt, zu behaupten, er würde sein seinerzeit gegebenes Versprechen nicht einhalten, und er erwarte, dass StRin Küstler eine solche Behauptung künftig nicht wiederholt.

Der zweite Teil dieser Vorlage resultiere aus der Tatsache, dass das Projekt faktisch zehn Jahre in Verzug ist. Die Stadt Stuttgart habe die Grundstücke auf dem Gelände von Stuttgart 21 gekauft, damit nicht das eintritt, was StR Rockenbauch als städtebauliche Zukunft befürchtet, nämlich dass sich Investoren in der Hoffnung auf Gewinnmaximierung dort "ausleben" können. Der Gemeinderat habe dies damals mit großer Mehrheit beschlossen, auch mit Zustimmung der GRÜNEN, damit die Stadt künftig die Verfügungsbefugnisse über diese Grundstücke hat. Teil der Planung sei, 20 ha zusätzliche Parkanlagenfläche zu realisieren mit dem Ziel, die klimatischen Bedingungen und die Naherholungsqualität in der Stadt zu verbessern.

Zu TOP 1c wolle er anmerken, dass Stuttgart 21 in der Tat ein großes Projekt ist, das viele Veränderungen mit sich bringen werde. Das Gleiche würde aber auch für ein K21-Projekt gelten. Für die damit verbundenen Aufgaben benötige man zusätzlich einige wenige Mitarbeiter. Es gehöre zu einer Demokratie, dass man die Bürger über das, was in der Stadt geschieht, informiert und sie auf diesem Weg mitnimmt. Dafür brauche man auch gewisse Finanzmittel. Die Verwaltung schlage vor, 1 Mio. € einzustellen, um mit den Bürgern dieses Projekt intensiv zu diskutieren, statt für dieselbe Summe einen Bürgerentscheid durchzuführen.

Die Vorlagen unter den TOPs 1b und 1c sind nach Ansicht von StR Uhl ein konsequenter Schritt, dem die CDU zustimmen werde. Der Gemeinderat habe sich seit 1995 für alle wesentlichen in der GRDrs 790/2007 benannten Vereinbarungen ausgesprochen. Insgesamt bestünden somit derzeit für die Stadt Stuttgart - und das sei den Unterlagen in aller Deutlichkeit zu entnehmen - finanzielle Verpflichtungen in einer Größenordnung von 78,06 Mio. €.

Das Projekt Stuttgart 21 habe aber auch herausragende Stadtentwicklungspotenziale und -chancen. Durch Stuttgart 21 würden in den folgenden Jahren Tausende von Arbeitsplätzen entstehen und dem Stadthaushalt weit über 300 Mio. € Einnahmen über Steuern und Finanzzuweisungen zufließen. Stuttgart 21 müsse durch eine bessere Öffentlichkeitsarbeit und eine Beteiligung der Bürger begleitet werden. Man wolle die Bürgerinnen und Bürger an diesem Projekt teilhaben lassen und sie in die Entscheidungen und Abläufe der nächsten Jahre einbeziehen. Deshalb stimme seine Fraktion zu, 1 Mio. € für diese Maßnahmen bereitzustellen. Vor allem die junge Generation müsse erfahren, welche Jahrhundertchance in dem Projekt Stuttgart 21 steckt. Wenn den Bürgerinnen und Bürgern das Projekt in seinen Details und seinen Auswirkungen und Chancen für Stuttgart nahegebracht wird, werde es - da sei er sich sicher - eine große Zustimmung für Stuttgart 21 geben. Er appelliere an die GRÜNEN, nicht dazu beizutragen, dass die Bürgerschaft in den nächsten Jahren gespalten wird. Er fordere sie auf, die Verantwortung für die Stadt und für die Zukunft der jungen Generation wahrzunehmen, denn es gebe keine Alternative zu Stuttgart 21. Die CDU-Fraktion sei sich ihrer Verantwortung für diese Stadt und für ihre Bürger sehr bewusst. Deswegen werde sie den beiden Vorlagen einmütig zustimmen.

StR Kanzleiter konstatiert, dass nach nunmehr 15 Jahren Diskussion über das Projekt Stuttgart 21 diejenigen, die am Anfang dagegen waren, auch jetzt immer noch dagegen sind. Mehr habe sich offensichtlich nicht bewegt, obwohl in der Zwischenzeit ja sehr viel passiert sei. Allerdings habe sich der Planungsprozess sehr lange hingezogen. Nun sei endlich der Zeitpunkt gekommen, dass man aus der Phase der Planung in die Phase der Realisierung gelangt. Mit den beiden jetzt zur Entscheidung anstehenden Vorlagen würden die dafür notwendigen weiteren Schritte möglich.

Seine Fraktion begrüße dies, denn Stuttgart 21 sei für die langfristige Entwicklung Stuttgarts von allergrößter Bedeutung, für die Anbindung der Region an die internationalen Schienennetze, für den regionalen Verkehr und für die Stadtentwicklung in Stuttgart. Trotz der Bedeutung des Projekts für die Stadt sei es aber ein Vorhaben des Bundes und der Deutschen Bahn AG und nicht der Stadt Stuttgart. Viele Kommunen im Land Baden-Württemberg bis nach Ulm hinauf seien von diesem Projekt betroffen. Die Frage, ob Stuttgart 21 realisiert wird, könne nicht vom Gemeinderat entschieden werden, sondern sie sei von der Bundespolitik entschieden worden. Seine Fraktion sei froh, dass die Zeit des Zauderns vorbei ist und dass im vergangenen Sommer die abschließende Finanzierungsvereinbarung zwischen den Vertragspartnern Bund, Bahn, Land, Region Stuttgart und Stadt Stuttgart getroffen wurde, und man sei überzeugt, dass es sich hierbei um gute, wohlausgewogene Vereinbarungen handelt, die zum Vorteil der Stadt Stuttgart sind.

Der Bundesverkehrsminister habe die Wirtschaftlichkeit des Gesamtprojekts Stuttgart-Ulm überaus gründlich geprüft, um denkbare finanzielle Risiken soweit wie möglich zu minimieren. Seine Fraktion sei erfreut, dass das Land Baden-Württemberg sich so stark engagiert, auch finanziell. Eventuelle Kostensteigerungen würden zwischen Bahn und Land geteilt. Es sei angemessen, dass die Stadt Stuttgart sich mit einem geringen Anteil an der Übernahme von Kostenrisiken beteiligt. Die weiteren finanziellen Verpflichtungen der Stadt würden auf bereits seit langer Zeit bestehenden Vereinbarungen beruhen.

In den Vorlagen sei nochmals dokumentiert, dass der Gemeinderat zu Stuttgart 21 bereits in der Vergangenheit zahlreiche verbindliche Entscheidungen getroffen hat. Wer einen anderen Eindruck vermitteln wolle, mache sich der Täuschung der Bevölkerung schuldig.

Obwohl Stuttgart 21 ein Projekt des Bundes und der Bahn ist, sei die Stadt an dem Vorhaben wegen der bereits mehrfach genannten Vorteile für ihre weitere Entwicklung sehr stark interessiert. So müssten ohne Stuttgart 21 z. B. große zusätzliche Wohnbauflächen im Außenbereich ausgewiesen werden - er nenne hier nur das Birkacher Feld -, um dem Wohnraumbedarf zu entsprechen. Aus all diesen Gründen habe sich die SPD auf allen Ebenen - der des Bundes, des Landes, der Region und der Stadt - von Anfang an für die Realisierung von Stuttgart 21 eingesetzt. Seiner Fraktion sei es unverständlich, weshalb sich die GRÜNEN wider besseres Wissen immer noch gegen das größte ökologische Projekt in Stuttgart wenden.

Die Protagonisten des aktuellen Bürgerprotestes würden sehr genau wissen, dass die zahlreichen Entscheidungen und Vereinbarungen auch durch einen Bürgerentscheid nicht mehr im Grundsatz verändert werden können. Wer etwas anderes behauptet, sei ein Populist. Deshalb sei es bedauerlich, dass von den Gegnern des Projektes ein gegenteiliger Eindruck verbreitet wird. Dies halte er für unverantwortlich.

Dennoch müsse er kritisch anmerken, dass OB Dr. Schuster an der etwas diffusen Diskussion nicht ganz unschuldig ist, denn dieser habe mit dem "Deal" anlässlich der
Oberbürgermeisterwahl mit Herrn Palmer die Verantwortung auf sich geladen. Auch wenn sich die damalige Vereinbarung nicht auf das Projekt Stuttgart 21 insgesamt bezogen habe, sondern lediglich auf einen eventuellen finanziellen Beitrag der Stadt Stuttgart, so sei die Wirkung mehr als ärgerlich. Selbst wenn Herr Palmer mittlerweile eingeräumt habe, dass die jetzt vorliegenden Vereinbarungsentwürfe kein Grund für einen Bürgerentscheid sind, habe sich dies in vielen Köpfen anders festgesetzt.

Umso mehr sei es jetzt erforderlich, die Menschen in Stuttgart erneut mit den Tatsachen vertraut zu machen und ein Gegengewicht zu einer verunsichernden Propaganda zu setzen. Man brauche aber auch wieder eine wirksame Bürgerbeteiligung an den zahlreichen noch offenen Fragen im weiteren Planungsprozess. Dabei müsse es sich jedoch um eine echte Beratung dem Gemeinderat gegenüber handeln. Man könne an die Planungsworkshops anknüpfen, die anlässlich der Erstellung des städtebaulichen Rahmenplans durchgeführt wurden.

Der Beginn der Bauarbeiten für Stuttgart 21 sei für das Jahr 2008 geplant. Es sei deshalb eine grobe Irreführung der Öffentlichkeit, wenn so getan werde, als ob ein Bürgerentscheid daran etwas ändern könnte. Seine Fraktion setze sich sehr für die Erweiterung demokratischer Rechte ein und würde einen Bürgerentscheid z. B. unterstützen, wenn irgendjemand auf die Idee kommen sollte, die Müllabfuhr zu privatisieren, die städtischen Krankenhäuser zu verkaufen oder die SSB zu zerschlagen. Wer aber Bürgerentscheide propagiere, die letztlich nicht durchführbar oder wirkungslos sind, leiste keinen Beitrag zu mehr Demokratie, sondern zur Politikverdrossenheit. Die SPD werde sich daran nicht beteiligen. Sie stimme deshalb den beiden Vorlagen zu.

StR Wölfle unterstreicht, dass Bund und Bahn das Projekt Stuttgart 21 erst dann als wirtschaftlich betrachtet hätten, als Land und Stadt sich bereit erklärt hatten, dieses Bundesprojekt zu finanzieren. Auch sei die Aussage, Stuttgart 21 bringe der Stadt
finanziell mehr, als es koste, falsch.

Da die Argumente schon vielfach ausgetauscht worden sind, wolle er nur noch zwei Punkte vorbringen. Seine Fraktion nehme ihre Verantwortung in dieser Stadt und gerade auch bei dem Thema Stuttgart 21 - und besonders in Bezug auf die junge Generation - sehr ernst. Es sei aber zu beobachten, dass seit dem Zeitpunkt, als die Realisierungschancen von Stuttgart 21 greifbar geworden sind und es sich nicht mehr um Pläne und Absichtserklärungen gehandelt habe und die Medien intensiv auch über die Details und tatsächlichen Ausmaße dieses Projektes berichtet haben, die Zustimmung in der Bevölkerung weiter gesunken ist.

Seine Fraktion sei der Überzeugung, dass Stuttgart 21 die schlechtere Alternative ist zu dem, was sie sich vorstelle, und sie sei davon überzeugt, dass ein erfolgreicher Bürgerentscheid die Wirkung auch bei den Befürwortern im Gemeinderat nicht verfehlen werde. Die Gelegenheit, sich mit den Alternativen zu beschäftigen, werde noch kommen.

StR J. Zeeb ist froh, dass nach den Jahren der Planung, nach unzähligen Entscheidungsprozessen und positiven Gerichtsentscheidungen das Projekt begonnen werden kann. Da aber in der gegenwärtigen Diskussion sachliche und fachliche Argumente nicht zählen, sondern nur noch ideologische Wahlpropaganda verbreitet werde, verzichte er auf weitere Aufklärungsarbeit zu diesem Projekt. Wenn bestimmte Teile des Gemeinderats jetzt gegen die Vorlage stimmen, müsse er daraus schließen, dass sie keine Aufklärung für die Bürger wollen.

Seine Fraktion werde die Vorlage befürworten; sie habe allerdings den Wunsch, dass die geplanten Stellenschaffungen nicht erst mit den Haushaltsplanberatungen wirksam werden, sondern sofort. Man habe die Sorge, dass aufgrund der großen Nachfrage in diesem Bereich der Stellenmarkt sonst leergefegt ist.

StR R. Zeeb sieht in den beiden Vorlagen alles Notwendige so klar beschrieben, dass es leicht falle, ihnen zuzustimmen. Er würde es begrüßen, wenn sich die vielen im Saal anwesenden Gegner einmal die Mühe machen würden, sich im Internet die öffentlichen Vorlagen sowie die hunderte von Seiten mit Diskussionsbeiträgen und Beschlüssen herunterzuladen und in Ruhe zu lesen, anstatt hier nur ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen. Mit der Vereinbarung zu Stuttgart 21, die für die Stadt ein "Schnäppchen" sei, bekomme man viel Neues und Gutes für die Region. Diese Chance müsse man ergreifen, denn sie komme nicht wieder.

StR Dr. Schlierer bezieht sich auf die Äußerung eines seiner Vorredner, dass sich im Diskussionsprozess seit 1995 eines nicht geändert habe, nämlich dass die damaligen Gegner auch jetzt noch dagegen seien. Das könne er nur so deuten, dass es die Befürworter bisher nicht geschafft haben, die Skepsis und die Einwände gegen dieses Projekt zu widerlegen. Aus dem Ratschlag, die Gegner müssten sich nur mit den Vorlagen und Diskussionsbeiträgen befassen, dann würden sie ebenfalls zu überzeugten Befürwortern, spreche eine unerträgliche Arroganz. Als Mitglied des Gemeinderates wisse man nicht automatisch so viel mehr als diejenigen Bürger, die sich mit Sachkunde seit vielen Jahren mit den Problemen um Stuttgart 21 beschäftigt haben. Der Hinweis, Stuttgart 21 habe auch etwas Gutes für die Region und das Land, stehe im Widerspruch zur Verpflichtung, sich als Mitglied des Gemeinderats für das Wohl der Stadt Stuttgart einzusetzen.

In seiner Kommentierung zur GRDrs 790/2007 habe OB Dr. Schuster ausgeführt, dass die Mehrbelastung durch Stuttgart 21, gemessen am Stadthaushalt, nicht ausreichend für einen Bürgerentscheid sei. Er sei der Ansicht, dass in dieser Vorlage die Risiken gezielt heruntergeredet werden. Würde man es einmal realistisch hochrechnen, könne man jetzt schon absehen, dass bei all den Unwägbarkeiten, die ja selbst Befürworter von Stuttgart 21 einräumen, mit Sicherheit auch die Risikostufe 3 eintreten werde. Von diesen Zahlen müsse man ausgehen und auch noch den Zinsverzicht dazuaddieren. Dann komme man in der Gesamtrechnung auf einen erheblichen Betrag, selbst wenn man als Maßstab den Stadthaushalt nimmt.

Seine Gruppierung lehne die Ergänzungsvereinbarung konsequenterweise ab, ebenso den Beschlussantrag der GRDrs 796/2007. Es sei zwar richtig, die Bürger zu informieren, doch Information heiße nicht einseitige Propaganda, sondern Aufklärung mit Darstellung von Pro und Contra. Die Auswahl der bisherigen Informationen in der GRDrs 790/2007 lasse nicht erwarten, dass vonseiten der Verwaltung eine wirklich objektive Information der Bevölkerung geschieht.

Nach Ansicht von StR Rockenbauch könne ein Bürger nicht nachvollziehen, dass die Beträge für die Risikoabsicherung und den Zinserlass nicht erheblich sind. Die Vorlagen würden einerseits das Projekt als eines von Bahn und Bund bezeichnen, andererseits habe Stuttgart bis zum jetzigen Zeitpunkt sehr viel Geld in Stuttgart 21 investiert. Er würde gerne wissen, wie viel Geld dafür bereits geflossen ist.

StR Kanzleiter habe auf die vielen Entscheidungen zu Stuttgart 21 hingewiesen. Dort sei aber nie ein Bürger dabei gewesen. Auch die Bürgerbeteiligung sei mehr oder weniger eine Alibiveranstaltung gewesen, denn im Rahmenplan sei genau das Gegenteil von dem, was die Bürgerbeteiligung damals beschlossen hatte, festgehalten worden. Das fördere die Politikverdrossenheit. Wer jetzt der Ergänzungsvereinbarung zustimme, beschließe wieder über die Köpfe der Bürger hinweg, und es würden Fakten geschaffen, ohne den Bürgerentscheid abzuwarten. Er werde die GRDrs 790/20007 nicht nur aus finanziellen Gründen ablehnen, sondern auch, weil er Stuttgart 21 für eine konsequente Fehlentwicklung halte.

Zuletzt wolle er noch seine Anfrage Nr. 410/2007 hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Vorfinanzierung von Stuttgart 21 ansprechen. Die Stellungnahme des Herrn Oberbürgermeisters habe ihn nicht befriedigt. Er bitte ihn deshalb, sich noch einmal dazu zu äußern.

Die GRDrs 796/2007 lehne er ebenfalls ab. Die Bürgerschaft sei über Stuttgart 21 genügend informiert und habe sich ein Urteil gebildet. Die 1 Mio. € sollte lieber für den Bürgerentscheid eingestellt werden statt für die weitere Propaganda. Er fordere die Bürgerinnen und Bürger auf, nach dem Beschluss der Vorlagen mit dem Bürgerbegehren zu beginnen.

Zur Höhe der bisherigen Ausgaben für Stuttgart 21 teilt OB Dr. Schuster mit, dass die Stadt für das Turmforum, dessen Kosten zu zwei Dritteln von der Bahn übernommen werden, pro Jahr ca. 200.000 bis 250.000 € bezahlt habe. Die genauen Zahlen könne man im Haushaltsplan nachlesen. Es sei möglich, einmal eine Aufstellung der gesamten Kosten zu machen.

Zum Antrag Nr. 410/2007 von StR Rockenbauch verweise er auf seine schriftliche Stellungnahme. Weitere Erkenntnisse habe er nicht. Man könne die Dinge politisch unterschiedlich werten, so wie das jetzt geschehen sei. Seiner Meinung nach sei es aber keine Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit oder Nichtzulässigkeit.


Abschließend stellt OB Dr. Schuster die GRDrsn 790/2007 und 796/2007 zur Abstimmung (siehe dazu Niederschriften Nr. 170 und Nr. 171).

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