Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
1285/2005 Neufassung
GZ:
OB
Sitzungstermin: 08.12.2005
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Schuster
Berichterstattung:der Vorsitzende
Protokollführung: Frau Huber-Erdtmann hr
Betreff: Überdeckelung der Portalbereiche am Charlottenplatz vor dem Wilhelmspalais und am Gebhard-Müller-Platz
- Baubeschluss -

Vorgang: Ausschuss für Umwelt und Technik vom 06.12.2005, öffentlich, Nr. 697

Ergebnis: Ablehnung der Vorlage, Zustimmung zur Überdeckelung vor dem Wilhelmspalais

Verwaltungsausschuss vom 07.12.2005, öffentlich, Nr. 550

Ergebnis: Zustimmung zur Überdeckelung vor dem Wilhelmspalais


Beratungsunterlage ist die dieser Niederschrift angeheftete Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 30.11.2005, GRDrs 1285/2005 Neufassung. Der Niederschrift ebenfalls beigefügt ist der Antrag Nr. 563/2005 vom 23.11.2005 von StRin Küstler (DIE LINKE.PDS) und StR Rockenbauch (SÖS).


OB Dr. Schuster weist darauf hin, dass aufgrund der Vorberatungen der Beschlussantrag neu gefasst worden ist. Zwar sei mittlerweile der Euphorie eine gewisse Ernüchterung gefolgt - im Übrigen würden die Erfahrungen mit dieser relativ kleinen Maßnahme auch deutlich machen, dass bei einer Untertunnelung der gesamten Kulturmeile in Bezug auf die Bausubstanz und den Untergrund große Vorsicht geboten sei und mit Risiken gerechnet werden müsse -, es sei aber trotzdem richtig, diese zentrale städtebauliche Verbesserung vorzunehmen. Die jetzt zur Beschlussfassung vorgelegte Überdeckelung vor dem Wilhelmspalais wäre auch bei der Verwirklichung der großen Lösung keine verlorene Investition und sei insoweit ein erster und wichtiger Schritt. Er bitte daher, dem neuen Beschlussantrag zuzustimmen.

Es sei richtig, die beiden anderen Überdeckelungen wegen der technischen Schwierigkeiten zurückzustellen. Man werde sich mit dem Deckel vor dem Alten Waisenhaus erneut im Kontext einer städtebaulichen Analyse und Diskussion der Weiterentwicklung der Hauptstätter Straße bis zum Österreichischen Platz befassen und prüfen, ob er doch noch gebaut werden sollte. Die Zurückstellung der Überdeckelung des Bereichs vor der Staatsgalerie halte er für ebenfalls vertretbar, da auf der gegenüberliegenden Straßenseite die Anlieferung für die Staatstheater realisiert werde und man in diesem Zusammenhang die Frage des Deckels nochmals aufrufen sollte.


Die Stellungnahmen der Sprecherinnen und Sprecher der Fraktionen und Gruppen des Gemeinderats folgen nachstehend im gekürzten und redigierten Wortlaut.

StR Uhl (CDU):

"In der Tat ist die erste Euphorie bei allen gewichen. Dennoch wollen wir unsere Begeisterung für den Deckel vor dem Wilhelmspalais beibehalten, und wir hoffen, dass wir mit den im Verwaltungsausschuss genannten 4,9 Mio. € das Projekt auch verwirklichen können. Es ist aber für alle eine Lehre, wie man künftig solche Themen angehen muss. Nicht alles ist so leicht zu verwirklichen, wie es anfänglich erscheint. Trotzdem glauben wir, dass wir mit diesem Deckel städtebaulich eine gute Lösung gefunden haben, auch hinsichtlich der Anbindung in Richtung Schlosspark.

Richtig ist, sich mit den beiden anderen Deckeln in Ruhe nach der Weltmeisterschaft zu befassen und auch andere Lösungen zu prüfen. Die CDU-Fraktion wird der geänderten Vorlage zustimmen, und wir hoffen natürlich, dass inklusive Abbruch des Hoffmann-Stegs das Projekt vor der Fußball-WM 2006 fertiggestellt ist."

StR Kanzleiter (SPD):

"Wir sollten zu dem stehen, was wir hier verwirklichen wollen. Das Einzige, was man kritisch sagen muss, ist, dass eine Euphorie entstanden ist, man würde eine Superlösung fast zum Nulltarif bekommen. In der Debatte mussten dann einige Rahmenbedingungen festgelegt werden. Für meine Fraktion war ganz wesentlich, dass das Projekt Teil einer Gesamtlösung ist, auch wenn diese vielleicht erst wesentlich später kommen wird, dass also keine Investition in den Sand gesetzt wird. Was wir heute beschließen, soll Teil eines Gesamtkonzepts werden, das längerfristige Elemente enthält, aber auch kurzfristige wie z. B. die Überwege an der Sophienstraße und an der Leonhardskirche, den Kreisverkehr am Wilhelmsplatz, die Entwicklung von grünen Wellen vom Marienplatz bis zum Charlottenplatz und vom Gebhard-Müller-Platz bis zum Schwanenplatz. Dieses sind bereits beratene, für gut befundene und in die konkrete Planung aufgenommene Ziele. Das Thema Kulturmeile reiht sich insoweit ein, als wir hier Qualitätsverbesserungen bewirken wollen und auch bewirken werden.

Dass das Projekt teurer geworden ist, ist sehr ärgerlich und muss uns zum Nachdenken veranlassen, damit etwas Derartiges nicht wieder passiert. Leider haben wir auch in der Vergangenheit schon ähnliche Erfahrungen gemacht, dass nämlich zunächst der Wunsch der Vater des Gedankens war und die Realität dann die wahren Zahlen auf den Tisch gebracht hat. Der Zeitdruck der WM hat Auswirkungen, aber ohne die WM würde man es gar nicht hinbekommen.

Ich möchte festhalten, dass zugesagt wurde, den Hoffmann-Steg im Zuge der Baumaßnahme abzubauen. Wir gehen davon aus, dass das geschieht, sobald der Überweg benutzt werden kann, und zwar vor der WM.

Wenn alles gut gelaufen ist, wird dieser Deckel eine Dynamik für die weitere Entwicklung bewirken, über die wir dann sehr realistisch unter Berücksichtigung der vorliegenden Planung beraten und entscheiden wollen. Wir hoffen, dass wir hier in der Zukunft vorankommen, um diese Narbe in der Stadt zumindest teilweise zu schließen. Wir stimmen heute der veränderten Vorlage zu."

StR Dr. Kienzle (90/GRÜNE):

"Nichts ist so schwierig, wie in Stuttgart über die B 14 zu kommen. Wir haben überlegt, ob wir Überwege einrichten oder ob wir Deckel gestalten - und jetzt sieht es so aus, als ob der Status der Ernüchterung dazu geführt hat, dass man mit einer großen zusammenhängenden Fläche den Tunnelmund verdeckt, somit auch dem Wilhelmspalais seine Referenz erweist und ein Bezug zum Akademiegarten und zum Schlossplatz hergestellt wird. Das ist städtebaulich von großer Bedeutung. Wir hätten uns zwar vorstellen können, dass es umfassendere Lösungen gibt. Viele Architekten würden gerne systematischer vorgehen und die ganze B 14 in diesem Bereich beplanen, aber das geht derzeit finanziell nicht, und es fänden sich auch keine politischen Mehrheiten für Lösungen, die den Autoverkehr gravierend verändern würden.

Auch wenn der Deckel nun keine grundlegende Veränderung ist, so bewirkt er doch eine teilweise Humanisierung dieser Straße; man kann sagen, der Deckel ist 'ein kleiner Schritt in der Stadtplanung, aber ein großer Schritt für Stuttgart'. Aus diesem Grund und auch, weil wir hoffen, dass wir die schon genannten weiteren Maßnahmen an der B 14 nicht aus dem Auge verlieren, sind wir optimistisch. Wir stimmen daher der Vorlage zu."

StR Fahrion (FW):

"Mit großer Euphorie sind wir in die Diskussion um die drei Deckel gegangen, mit einer ersten Kostenschätzung, die erheblich niedriger lag als das, was jetzt an Kosten vorliegt. Nun konzentriert sich alles auf die WM, und wir sagen deshalb Ja zur Vorlage, die heute in der Neufassung vorliegt. Der eine Deckel vor dem Wilhelmspalais ermöglicht eine städtebauliche Aufwertung. Gegen den Abbruch des Hoffmann-Stegs hat sich Kritik erhoben, aber die Berechnungen haben gezeigt, dass in Zukunft Fußgänger und Radfahrer durch die Überdeckelung mindestens genauso schnell über die Straße kommen wie über den Steg, der marode ist und teuer saniert werden müsste. Nach der WM müssen wir über die beiden bis dahin fertig untersuchten Deckel weiterdiskutieren. Damit wäre auch ein Teil der Vorplanungskosten nicht verloren."

StR Dr. Werwigk (FDP):

"Die FDP-Fraktion hatte am 02.12.2005 bereits beantragt, dass wir uns auf den Deckel vor dem Wilhelmspalais konzentrieren und auf die beiden Deckel am Gebhardt-Müller-Platz und vor dem Alten Waisenhaus verzichten, weil dort die technischen Probleme zu groß sind und die Kosten in keinem Verhältnis zu dem stehen, was damit erzielt wird. Wenn ich auf die Diskussion zurückblicke, muss ich feststellen, dass die im Ausschuss gezeigten Bilder eigentlich zu schön waren und die Realität nicht abgebildet haben. Das Büro Karajan hat dann gewarnt, dass es auch mit nur einem Deckel zu Staus kommen kann. Das verdrängen wir auch jetzt noch ein bisschen. Ich hoffe, dass die Verwaltung es in den Griff bekommt, dass dort nicht noch mehr Stau entsteht.

Und last but not least ist es auch etwas unbefriedigend, dass von einem so renommierten internationalen Büro wie N. N. (Name wurde aus Datenschutzgründen gelöscht) bei der ersten Vorstellung der drei Deckel bei den Kosten so daneben gegriffen wurde. Das darf eigentlich nicht passieren.

In den letzten Tagen kamen auch Ideen auf, wie man ohne Beton die Tunnelmünder kaschieren könnte. Ich rege an, dass wir an der Straße mit mehr gestalterischen Elementen und weniger Beton versuchen sollten, die trennende Wirkung zu verhindern, und ich bitte darum, dass wir die Langfristlösung - den Tunnel - nach wie vor nicht aus den Augen verlieren.

Wir stimmen der Vorlage zu und würden es begrüßen, wenn wir zu Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft den ersten Deckel fertiggestellt hätten."

StR Lieberwirth (REP):

"Wir waren schon immer für die Untertunnelung der B 14. Es ist aber unserer Meinung nach falsch, sich von der Fußball-WM unter Druck setzen zu lassen und den Deckel unbedingt davor über die Bühne zu bringen. Für Fußgänger bringt dieser Deckel keine Vorteile, insbesondere wenn es beim Abbruch des Fußgängersteges bleibt. Die Abwicklung des Verkehrs am Charlottenplatz wird wesentlich komplizierter, denn schon heute haben wir bei bestimmten Veranstaltungen und auch im Berufsverkehr erhebliche Staus auf der B 14, vor allem was die Abbieger Richtung Charlottenstraße anbelangt. Es stellt sich auch die Frage, ob jetzt in der kalten Jahreszeit dieser Deckel in so kurzer Zeit bis zur WM fertiggestellt werden kann. Computer-Visualisierungen sehen immer sehr schön aus, aber in der Realität ist die Sache dann doch wieder anders.

Für die B 14 sollte man endlich eine Gesamtlösung anstreben. Diese wird aber mit der Überdeckelung, die nur eine Teillösung ist, verhindert. Wir werden deshalb der Vorlage nicht zustimmen."

StRin Küstler (PDS):

"Wie viele Menschen in der Stadt finde ich es grauenhaft, wie die Stadt durch die Stadtautobahnen zerstückelt und belastet wird, und auch ich wünsche mir, ebenen Fußes über diese Straßen hinüberzukommen. Der Planung für die zunächst vorgesehenen drei Deckel habe ich deshalb zustimmt. Wie es sich aber nun zeigt, ist die Überdeckelung viel schwieriger und vor allem viel teurer als zuerst dargestellt. Jetzt sollen allein für einen einzigen Deckel fast 5 Mio. € gezahlt werden. Für die damit erzielbare Verbesserung ist mir das zu viel. Vor allem aber möchte ich nichts unterstützen, was die große Lösung, die tatsächliche Überdeckelung der Konrad-Adenauer-Straße, gefährden könnte. Deshalb bin ich der Meinung, dass man die Planungskosten besser als Teil der Voruntersuchung für die große, zukunftsfähige Lösung nimmt und das dann noch vorhandene Geld in notwendige, aber nicht oder unterfinanzierte Aufgaben im Kinder-, Jugend- und sozialen Bereich steckt.

Bei der Diskussion über den Wilhelm-Hoffmann-Steg hoffe ich, dass er zumindest bis zum Ende der Baumaßnahmen erhalten bleibt. Besser wäre es aber, ihn zu erhalten."

StR Rockenbauch (SÖS):

"Ich möchte dem Büro N. N. (Name wurde aus Datenschutzgründen gelöscht) danken für seine visionäre Zukunftsbeschreibung, und zwar nicht wegen der Lampen mit New York-Flair oder den genialen Heckenkonzepten auf dem Deckel, sondern wegen der zwei Autos, die da noch auf der Kreuzung fahren - wobei sich dann die Frage stellt, ob das Ganze überhaupt noch notwendig ist, wenn dort wirklich nur noch zwei Autos fahren.

Einige wollen hier über die große Lösung diskutieren - warum tun wir es dann nicht und verlieren uns jetzt wieder in einer kosmetischen Detaillösung, die uns sehr teuer kommt? Warum schütten wir diese Tunnel nicht zu, pflanzen große Bäume darauf und unterhalten uns - wie ich das schon in mehreren Anträgen gefordert habe - darüber, wie wir das Problem in den Griff kriegen, dass wir in Stuttgart zu viele Autos haben?

Wenn man überzeugt ist, dass der Deckel so gut ist, könnte man den Steg zunächst ein Jahr lang stehen lassen und dann vergleichen, was besser angenommen wird. Ich verweise hierzu auf unseren Antrag."


OB Dr. Schuster stellt zur Abstimmung:


2. GRDrs 1285/2005 Neufassung