Landeshauptstadt Stuttgart
Oberbürgermeister
Gz: OB
GRDrs 1021/2001
Stuttgart,
10/22/2001


Erarbeitung einer Konzeption für die Präsentation und Vermittlung der Geschichte der Landeshauptstadt Stuttgart sowie für ein Stadtgeschichtliches Museum



Mitteilungsvorlage


Vorlage anzurSitzungsartSitzungstermin
Verwaltungsausschuß
Ausschuss für Kultur und Medien
Verwaltungsausschuß
Gemeinderat
Einbringung
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
Kenntnisnahme
öffentlich
öffentlich
öffentlich
öffentlich
24.10.2001
07.11.2001
14.11.2001
15.11.2001

Bericht:


1.
      Von den Leitlinien für die Einrichtung eines Stadtgeschichtlichen Museums nach dem Stand vom 15.09.2001 (Anlage 1) wird Kenntnis genommen.
2.
      Es wird davon Kenntnis genommen, dass das Kulturamt mit dem Ziel der Weiterentwicklung der Leitlinien im ersten Quartal 2002 ein Expertenhearing zum Thema Stadtmuseum durchführt sowie ein Gremium von Experten aus den Bereichen Stadt- und Landesgeschichte sowie des Museumswesens zur Begleitung des Museumsprojekts einberuft und bis zum Herbst 2002 eine Fortschreibung der Leitlinien unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Hearings sowie des Expertengremiums vorlegt.
3.
      Es wird davon Kenntnis genommen, dass die Durchführung des Hearings sowie die Fortschreibung der Leitlinien einen Aufwand von 25.000 Euro (48.896 DM) erfordern, den die Verwaltung für den Haushaltsplan 2002 anmelden wird.
4.
      Es wird von der Absicht der Verwaltung Kenntnis genommen, bis zur Einrichtung eines Stadtgeschichtlichen Museums durch stadtgeschichtliche Ausstellungen Stadtgeschichte stärker in das öffentliche Bewusstsein zu rücken.
5.
      Es wird davon Kenntnis genommen, dass die Verwaltung für gezielte Erwerbungen für das künftige Stadtgeschichtliche Museum die Anhebung des Erwerbungsetats des Stadtarchivs beabsichtigt. In die Wunschliste für 2002 wurde die Aufstockung des Finanzposition 2.3210.9351.000-0999 - Archivgut - um 50.000 Euro aufgenommen.


Begründung:

Bei der Beratung des Haushalts 2000/2001 wurde die Beschlussfassung über den Antrag, für die Konzeption eines Stadtgeschichtlichen Museums DM 100.000 bereitzustellen, zurückgestellt, um die Entwicklung des Projekts Stuttgart 21 abzuwarten und dann Eckdaten eines Konzepts zu erarbeiten. Diese Voraussetzungen sind bzw. werden mit der Vorlage erfüllt.

Die Landeshauptstadt Stuttgart ist - neben Saarbrücken - wohl die einzige deutsche Großstadt ohne Stadtgeschichtliches Museum. Mit der auch aus diesem Grunde notwendigen Einrichtung eines modernen Stadtgeschichtlichen Museums und einem Gesamtkonzept zur Präsentation und Vermittlung der Stadtgeschichte verfolgt die Verwaltung vor allem folgende Ziele:

Die Bürgerschaft erwartet von der Verwaltung mit Nachdruck die Schaffung einer solchen Einrichtung. Bürgerschaftliche Initiativen haben ihre Bereitschaft zur Unterstützung des Projekts deutlich gemacht.

Einrichtung und Betrieb eines lebendigen, modernen Stadtgeschichtlichen Museums mit Dauerausstellung, Sonderausstellungen, Kindermuseum sowie Veranstaltungsräumen und Gastronomie erfordern, wie der Blick auf andere Städte zeigt, erhebliche Anstrengungen. Sie sind jedoch unverzichtbar, um die genannten Ziele zu erreichen.

Im Konzept müssen die öffentlichen und privaten musealen Einrichtungen in der Stadt ebenso berücksichtigt werden wie die authentischen Geschichtsorte und der Stadtraum. Das museale Zentrum wird deshalb den Mittelpunkt eines Netzwerks zur Präsentation und Vermittlung der Stadtgeschichte insgesamt bilden.

Die Einrichtung eines Stadtgeschichtlichen Museums am Beginn des 21. Jahrhunderts und in der spezifischen Situation Stuttgart stellt eine große Herausforderung dar. Es ist deshalb sinnvoll, die konzeptionelle Arbeit vor Ort im ersten Quartal 2002 durch ein Experten-Hearing vorzubereiten und auf den Prüfstand zu stellen. Außerdem soll das Projekt durch einen hochkarätigen Beraterkreis aus Fachleuten der Bereiche Stadt- und Landesgeschichte sowie des Museumswesens begleitet werden.

Ziel ist also ein umfassendes Gesamtkonzept. Ein erster Schritt hierhin sind die als Anlage 1 beigefügten Leitlinien für die Einrichtung eines Stadtgeschichtlichen Museums. Diese sollen unter Einbeziehung der Erkenntnisse aus dem Hearing und der Fachurteile der Experten bis zum Herbst 2002 fortgeschrieben werden. Weitere Schritte müssen dann folgen: Zum einen die Erarbeitung einer umfassenden inhaltlichen Konzeption zur Stadtgeschichte, zum anderen die Vorarbeiten für die museale Umsetzung. Dazu wiederum sind erforderlich: eine Analyse der Stuttgarter Museumslandschaft sowie Auswertung und Analyse der Konzepte jüngerer Stadtmuseen, der Aufbau eines Netzwerks Stadtgeschichte, die Auswertung der vorhandenen Sammlungen mit Definition der Forschungs- und Bestandslücken, davon ausgehend der systematische und konzeptionelle Ausbau der Sammlungen, Kontakte mit privaten Leihgebern. Auf dieser Basis können die fortgeschriebenen konzeptionellen Leitlinien präzisiert, die Kommunikation und Kooperation mit vorhandenen Einrichtungen ausgebaut sowie die Einordnung in die nationale und internationale Museumsentwicklung geleistet werden.

Das inhaltliche Konzept ist Voraussetzung die für Realisierungs- und Gestaltungsfragen und bildet den Rahmen für die stadtgeschichtlichen Aktivitäten der nächsten Jahre (s.u.). Mit diesem Konzept soll überdies den Bürgerinnen und Bürgern, die über Sachzeugnisse zur Stadtgeschichte verfügen, ein deutliches Zeichen gegeben werden, damit keine weiteren potentiellen Exponate verloren gehen.

In Verbindung mit dem Museumsprojekt soll Stadtgeschichte insgesamt stärker ins öffentliche Bewußtsein gerückt werden. Deshalb soll jährlich eine stadtgeschichtliche Ausstellung mit einem Begleitprogramm veranstaltet werden. Für die Realisierung sollen auch Sponsoren gewonnen werden. Außerdem ist eine Kooperationen mit anderen Institutionen und Einrichtungen angestrebt. Hierfür müssen auf der Basis von Werkverträgen Projektgruppen tätig werden.

Im Jahr 2002 soll zum 50jährigen Landesjubiläum in Zusammenarbeit mit der LBBW eine Ausstellung “StadtBildGeschichte” gezeigt werden. Für die folgenden Jahre sind weitere Themen und Projekte in Aussicht genommen:

2003: Stuttgart in den zwanziger Jahren – in Verbindung mit dem Jubiläum “75 Jahre Stadtarchiv”

2004: Stuttgarts Anfänge – Anlaß 775 Jahre urkundlicher Ersterwähnung

2005: Stuttgart seit 1945 – Anlaß 60 Jahre Kriegsende

Dafür können für die Projekte ab 2003 voraussichtlich die derzeitigen Magazinräume der städtischen Galerie im Gustav-Siegle-Haus genutzt werden, die künftig als Ersatz für die Ausstellungsräume im Tagblattturm dienen sollen. Diese Ausstellungsräume können mit den derzeit vorhandenen Kapazitäten und Ressourcen einmal jährlich für eine stadtgeschichtliche Ausstellung genutzt werden. Gleichwohl sind von Fall zu Fall bei entsprechender Unterstützung auch Projekte in größerem Rahmen denkbar.

Daneben wird das Stadtarchiv selbstverständlich wie bisher Ausstellungen in den vorhandenen musealen Einrichtungen (Städt. Lapidarium, Hegel-Haus, Stadtmuseum Bad Cannstatt) durchführen sowie in Kooperation mit weiteren Partnern Projekte zur Stadtgeschichte realisieren.

Beteiligte Stellen

Keine


Vorliegende Anträge/Anfragen

Erledigte Anfragen/Anträge:
Nr. 485/2000 vom 12.7.2000 (Bündnis 90/Die Grünen)
Nr. 637/2000 vom 13.10.2000 (SPD-Gemeinderatsfraktion)
Nr. 40/2001 vom 25.1.2001 (F.D.P./DVP-Gemeinderatsfraktion)
Nr. 47/2001 vom 31.1.2001 (SPD-Gemeinderatsfraktion)
Nr. 81/2001 vom 16.2.2001 (Bündnis 90/Die Grünen)





Dr. Wolfgang Schuster



Anlage zu GRDrs 1021/2001
Verfasser: Kulturamt/Stadtarchiv

LEITLINIEN
FÜR DIE EINRICHTUNG EINES STADTGESCHICHTLICHEN MUSEUMS

(Stand: 15.9.2001)

Inhaltsverzeichnis


    Seite
1.
    Vorbemerkung und Einordnung
    2
2.
    Chance und Auftrag
    3
3.
    Leitgedanken
    4
4.
    Funktionsbereiche des Museums
    Dauerausstellung
    Sonderausstellungen, Aktionsflächen
    Kindermuseum
    Vortrags- und Veranstaltungsräume
    Shop und Gastronomie
    Zukunftslaboratorium
    6
5.
    Zentralität und Dezentralität
    8
6.
    Stadtmuseum und Stadtraum
    12
7.
    Stadtgeschichtliche Sammlungen, Fundus
    13
8.
    Organisation
    15
9.
    Standort
    15
10.
    Realisierungsskizze
    16


1. Vorbemerkung

Die vorliegenden Leitlinien bilden keine konzeptionelle Ausarbeitung. Mit ihnen soll vielmehr der Rahmen für die Erarbeitung einer Konzeption sowohl für ein Stadthistorisches Museum wie auch für die künftige Auseinandersetzung mit der Stadtgeschichte dargestellt werden. Die Leitlinien bezeichnen die spezifischen Bedingungen für die Schaffung eines Historischen Museums der Landeshauptstadt Stuttgart am Beginn des 21. Jahrhunderts:

Nicht nur deshalb kommt in der ersten Phase der konzeptionellen Arbeit der Frage nach den Inhalten Priorität zu. Ohne einen “roten Faden der Stadtgeschichte” besteht die Gefahr, dass die Inhalte zu Versatzstücken, zu eklektischen Accessoires eines möglicherweise beliebigen Designs werden – eine im öffentlichen Umgang mit Geschichte ohnehin nicht seltene Erfahrung. Mit Blick auf die Zukunftsfähigkeit sind zwei Aspekte von zentraler Bedeutung: Für die äußere Entwicklung der Stadt relevant ist es die Auseinandersetzung mit den Standortfaktoren im weitesten Sinne; anders formuliert: Weshalb ist Stuttgart, das einem Diktum von Otto Borst zufolge “hätte niemals Stadt werden dürfen”, zu dem geworden was es ist (und was kann es werden)? Für die innere, die gesellschaftliche Entwicklung ist auch und gerade in Stuttgart die Frage nach dem Eigenen und dem Fremden (im Eigenen) von eminenter Bedeutung. Die zu verschiedenen Zeiten in Stuttgart lebenden und agierenden Menschen waren von höchst unterschiedlichen sozialen, kulturellen, mentalen “Heimaten” geprägt. Die Geschichte der Stadt im Nesenbachkessel kann deshalb nur als eine Geschichte von Beziehungen und Wechselbeziehungen verstanden und veranschaulicht werden.

Der konzeptionelle Arbeit bedarf angesichts der Komplexität der Aufgabe hoher Professionalität. Dennoch ist, sowohl aufgrund der spezifischen Entwicklung wie auch aus grundsätzlichen Erwägungen, ein solches Projekt als bürgerschaftliche Unternehmung zu verstehen: Deshalb sind, ohne dass der öffentliche Auftrag negiert und die Professionalität ignoriert werden dürfen, angemessene Formen der Partizipation und des öffentlichen Diskurses für den Planungsprozess zu entwickeln.


2. Ziele und Auftrag

Stadtgeschichte ist in Stuttgart erstmals seit der Diskussion um die Aufarbeitung der NS-Geschichte um 1980, die zum “Projekt Zeitgeschichte” führte, wieder ein öffentliches Thema. Hintergrund ist die Schließung der provisorischen Ausstellung zur Stadtgeschichte im Tagblatt-Turm zugunsten eines Kulturpädagogischen Zentrums mit einem Kinder- und Jugendtheater. Vielfach wurde erst jetzt bewusst, daß Stuttgart (neben Saarbrücken) die wohl einzige deutsche Großstadt ohne Stadtgeschichtliches Museum ist. Aus der Bürgerschaft werden inzwischen diesbezüglich nachdrückliche Forderungen erhoben, aber auch Förderung und Unterstützung in Aussicht gestellt. Mittlerweile ist in vielen Gesprächen und öffentlichen Diskussionsrunden deutlich geworden, daß in Bürgerschaft, Politik und Verwaltung ein Grundkonsens besteht, dieses Defizit zu beseitigen und damit eine seit vielen Jahrzehnten immer wieder ohne Ergebnis geführte Debatte auf einen sinnvollen Punkt hin zu orientieren.

Denn immerhin ergeben sich trotz der Verspätung auch viele Chancen. Sie bezeichnen auch den öffentlichen Auftrag der Stadt, nämlich:

Vielfach wird in einer zunehmend globalen Welt mit partikularisierten Lebensverhältnissen darüber geklagt, dass die Bereitschaft der Bürger zur Mitwirkung und zur Übernahme von Mitverantwortung in öffentlichen Dingen abnehme. Die Gründen hierfür werden nicht zuletzt in einer Beziehungslosigkeit zum Lebensraum Gemeinde gesehen. Ein wichtiger Weg, um diese Beziehungslosigkeit zu überwinden, sind die Vertrautheit sowie die Auseinandersetzung und kritische Identität mit der Stadtgeschichte.


3. Leitgedanken

“Das Museum ist ein Laboratorium, ein Ort zum Weiterdenken” (Jan von Hoet). Dieser Satz gilt in mehrfacher Hinsicht. Zum einen haben Ausstellungsmacher das Ausstellen und die Sammlungen selbst zu reflektieren. Zum anderen darf sich die Beschäftigung mit Geschichte nicht in nostalgischer Rückschau erschöpfen, auch bloße “Identitätsgeschichte reicht nicht” (Eric Hobsbawm). Vielmehr sollen die Veränderungen und Brüche sichtbar und erfahrbar, die Historizität der bestehenden Verhältnisse deutlich werden. Schließlich können Besucherinnen und Besucher heute nicht allein durch die Aura eines Exponats bzw. dessen Einmaligkeit und Einzigartigkeit aktiviert werden (wobei im Zeitalter der multimedialen Beliebigkeit auratische Präsentationen wieder an Bedeutung gewonnen haben). Insgesamt jedoch machen erst Bezüge zur eigenen Lebenswirklichkeit und Formen des Er-Lebens aus dem Museum einen Ort zum Weiterdenken. Es geht nicht um ein Museum für die Stadt und ihre Bürger, sondern um ein Museum in der Stadt.

Längst haben Museen (wie in anderem Kontext die Archive) bewiesen, daß sie nicht etwa Sarkophage materialisierter Vergangenheit sind. Neben der Erhaltung und Überlieferung von dinglichen Kulturgütern haben sie sich als Orte der Geschichtsvermittlung, nein: als Orte des aktiven Umgangs mit Geschichte etabliert. Gerade ein stadtgeschichtliches Museum ist nur denkbar als lebendiger Ort, der die Bedeutung der historischen Dimension für Gegenwart und Zukunft auf anschauliche, sinnliche Weise erlebbar, erfahrbar und auch erlernbar macht. Deshalb ist es selbstverständlich, daß bei der Realisierung alle modernen Präsentations- und Kommunikationsformen, die Erfahrungen der verschiedenen Disziplinen wie Architektur, Grafik, Design, Film, Theater, Literatur und Kunst einzubeziehen und insbesondere auf ihre interaktiven Potentiale auszuschöpfen sind. Diese Mittel sind freilich kein Selbstzweck, sondern als Teil eines konzeptionellen Ganzen anzusehen.

Geschichte ist das Kontinuum von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Für ein neu zu gründendes Stadtgeschichtliches Museum wie für die Auseinandersetzung mit Stadtgeschichte insgesamt ist die Trias von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft konstitutiv – nicht als separate, gar konkurrierende Einheiten, sondern als integrale Bestandteile. Einige Themen sollen exemplarisch einige Verbindungslinien aufzeigen:

Das Stadtgeschichtliche Museum ist zugleich eine wichtige Schnittstelle und ein Kommunikationszentrum für stadtgeschichtliche Aktivitäten. Es ist Wegweiser zu den authentischen historischen Orten sowie zu den in Stuttgart für die historische Identität wichtigen, meist im Ehrenamt mit viel Engagement betriebenen dezentralen Einrichtungen.

Auseinandersetzung mit Stadtgeschichte braucht einen konkreten Ort, eine konkrete Anschauung, eine zentrale Anlaufstelle. Auch im digitalen Zeitalter kann nicht von einem “Mythos von der Präsenz” gesprochen werden. Gleichwohl bedarf Stadtgeschichte mehr als nur “museale” Präsentation. Denn nicht zuletzt das “Gesicht der Stadt”, der öffentliche Raum prägt historisches Bewußtsein. In den vergangenen Jahrzehnten sind prägende, identitätsstiftende Akzente gesetzt worden sind (Fernsehturm, Staatsgalerie u.a.m.). Dennoch ist seit dem Zweiten Weltkrieg die historische Identität Stuttgarts auf diesem Felde nachhaltig geschwächt worden. Vergangenes kann nicht ungeschehen, Verlorenes nicht einfach rekonstruiert werden. Statt dessen sollen im öffentlichen Raum Veränderungen sichtbar gemacht, “Stolpersteine” gesetzt werden, damit nicht nur das Museum, sondern auch der Stadtraum zu einem “Ort des Weiterdenkens” wird.


4. Funktionsbereiche des Museums

Diese Leitgedanken implizieren, dass das künftige Museum aus verschiedenen Funktions-elementen besteht. Für ein Stadtgeschichtliches Museum in Stuttgart sind folgende Funktionsbereiche konstitutiv:

Eine sog. Dauerausstellung ist für einen Überblick über die Stadtgeschichte und die Sammlungen sinnvoll und nötig. Allerdings wird auch sie unter verschiedenen Fragestellungen und bei entsprechender Erweiterung der Sammlungen immer wieder neu zu gestalten und zu verändern sein. Sie muss in besonderer Weise unter didaktischen Aspekten konzipiert und von Anfang an museumspädagogisch begleitet werden.

Wie die unflexible Dauer-Präsentation der Stadtgeschichte im Tagblatt-Turm gezeigt hat, ist das Funktionieren bzw. Nichtfunktionieren eines solchen Hauses in hohem Maße von Einzelprojekten und Sonderausstellungen abhängig. Mag eine Dauerausstellung Herzstück eines Stadtmuseums sein, so sind Sonder- und Wechselausstellungen gleichsam Haupt und Glieder von besonderer Wirkung. Hier kann Stadtgeschichte zielgruppenorientiert, unter verschiedenen inhaltlichen und gestalterischen Aspekten präsentiert werden, hier kann die Auseinandersetzung mit Stadtgeschichte aktiv befördert, hier können aktuelle Themen und Anlässe aufgriffen werden.

Eine flexible Raumsituation muss entsprechend vielfältige Projekte erlauben.

Erforderlich sind zudem Aktionsflächen, auf denen sich das Zentrum als Schnittstelle für die stadtgeschichtlichen Aktivitäten sowie als Wegweiser zu Außenstellen, dezentralen Einrichtungen und authentischen Geschichtsorten beweisen kann.

In einem modernen Stadtgeschichtlichen Museum kann der Anspruch, die junge(n) Generation(en) mit Geschichte und Gegenwart der Stadt vertraut zu machen, nicht allein durch “kindgerechte” Führungen in Dauer- und Sonderausstellungen eingelöst werden. Vielmehr ist durch ein integriertes “Kindermuseum” ein genuines Funktions-element zu schaffen, das Kinder auf spielerische Weise aktiviert, ihnen in spezifischer Weise Zugänge zu früheren Lebensverhältnissen ermöglicht und so die Voraussetzungen für ein späteres Engagement in ihrer Stadt schafft. Dazu gehören auch besondere Aktionsangebote wie etwa die Möglichkeit, Kindergeburtstage im Museum zu feiern, schulische Projekttage zu veranstalten etc.

In einem Stadtgeschichtlichen Museum ist ein mit moderner Technik ausgestatteter Film- und Vortragssaal unabdingbar. Auch hier ist flexible Gestaltung nötig, um sowohl größere Veranstaltungen durchführen als auch die Aktivitäten verschiedener “Geschichtsanbieter” in der Stadt ermöglichen zu können. Gerade in diesem Element kann sich das Stadtgeschichtliche Museum als Zentrum für Stadtgeschichte und Mittelpunkt eines historischen Netzwerks von Stadtarchiv, Geschichts- und Bürgervereinen, auch Universität beweisen. Kooperationen sind aber auch über den engeren historischen Bereich hinaus wünschenswert und sinnvoll.

Ein lebendiges Stadtgeschichtliches Museum besitzt eine herausragende Funktion als Treffpunkt und Kommunikationszentrum. Dazu gehören ein gastronomisches Angebot und ein Museumsshop. Entsprechende Öffnungszeiten sind selbstverständlich. Möglichkeiten, die umgebende Stadtlandschaft einzubeziehen und in Aktionen nach außen zu treten, sind wünschenswert.

Neben den Sonderausstellungen soll ein Zukunftslaboratorium die Schnittstellen von Vergangenheit und Gegenwart mit den künftigen Perspektiven der Stadt in besonderer Weise verdeutlichen. Besonders wichtig erscheinen im Zukunftslaboratorium internationale und interkulturelle Aspekte sowie Zukunft des urbanen Lebens. Fragen nach dem Gesicht der Stadt im 21. Jahrhundert, nach sozialen Interaktionen und Lebensformen sollen hier auf innovative, künstlerische, multimediale Weise angedacht und umgesetzt werden. Hier könnten wechselnde Kuratoren verschiedene Präsentationen und Aktionen realisieren.

Mit diesen Elementen kann sich das Historische Museum – ohne Einschränkung und Abstriche an den fachlichen Erfordernisse – zu einem bürgerschaftlichen Treffpunkt entwickeln und auch repräsentative Funktion übernehmen, sei es als Ort der Repräsentation der Stadt selbst, sei es für andere Interessenten. Eine Verbindung von historischer Identität, aktueller Repräsentation und Perspektiven der städtischen Entwicklung ist grundsätzlich nützlich für das Anliegen einer solchen Einrichtung.


5. Zentralität und Dezentralität

Stuttgart ist eine junge Großstadt. Historisches Bewusstsein ist vornehmlich in den zwischen 1901 und 1942 teils zwangsweise mit Stuttgart vereinigten Stadtbezirken und Stadtteilen ausgeprägt. Diese Identität ist partiell deutlich von einem (Gesamt-)Stuttgarter Bewusstsein getrennt, steht zuweilen sogar in Opposition hierzu. Diese Spannung von Zentralität und Dezentralität ist fruchtbar zu machen und konstruktiv zu nutzen; einige Thesen sollen den Ausgangspunkt verdeutlichen:

Es entspricht nicht dem öffentlichen Kultur- und Bildungsauftrag im demokratischen Gemeinwesen, die Inhalte und die Interpretation von Geschichte gleichsam obrigkeitlich zu prägen und zu dominieren. Hingegen ist es Auftrag der Stadt, für eine Grundversorgung an Information zu sorgen, professionelles Know How bereitzustellen, Vernetzung sowie Kommunikation zu ermöglichen, damit Nachhaltigkeit und Dauerhaftigkeit zu gewährleisten und die Auseinandersetzung mit dem kollektiven Gedächtnis zu ermöglichen bzw. dazu beizutragen.

Dezentralität bezieht sich im räumlichen Sinne auf die zahlreichen ehrenamtlichen Aktivitäten zur Stadtgeschichte in den Stadtbezirken, inhaltlich auf die verschiedenen historisch ausgerichteten Spartenmuseen. Diese vielfältige Stuttgarter Museumslandschaft einschließlich der großen Landesmuseen muß bei einem Gesamtkonzept wie auch bei der Realisierung einzelner Projekte berücksichtigt und, soweit möglich, in Kooperationen eingebunden sein.

Sowohl aufgrund bisheriger kommunaler Defizite als auch aufgrund der Eigenschaft als Landeshauptstadt haben sich auch die musealen Einrichtungen des Landes mit der Geschichte Stuttgarts beschäftigt. Dabei handelt es sich jedoch weder um eine durchgängige konzeptionelle Linie noch um eine genuin kommunale Perspektive – sie wäre auch nicht Aufgabe von Landesinstitutionen. Hier bestehen erhebliche Bewußtseinsdefizite in der Stadt; sie finden zuweilen ihren Ausdruck in Vorschlägen, in Landesmuseen auch eine Kammer für die Geschichte der Landeshauptstadt einzurichten.

Die Stadt selbst unterhält eine Reihe von stadtgeschichtlichen musealen Einrichtungen. Der öffentliche Auftrag ist dabei in hohem Maß von der Erhaltung von Baudenkmalen geprägt: Sowohl das Hegel-Haus wie das Stadtmuseum Bad Cannstatt und das Städtische Lapidarium sind selbst Teil der Stadtgeschichte.

Hegel-Haus

Das Geburtshaus des Philosophen Hegel in der Eberhardstraße, in den 1980er Jahren knapp dem Abriss entgangen, wurde 1991 als Gedenkstätte eröffnet. Das Hegel-Haus im Herzen der Stadt besitzt eine große internationale Anziehungskraft. Mit erheblich ausgeweiteten Öffnungszeiten sowie entsprechenden Informationen – noch 2001 erscheint ein zweisprachiger Führer - muss dieser Bedeutung Rechnung getragen werden. Zudem können dem Charakter des Gebäudes und der dortigen Präsentation angemessene, außergewöhnliche, innovative und auch verfremdende Projekte zum Nachdenken anregen.

Stadtmuseum Bad Cannstatt

Auch das Ensemble von Klösterle und Klösterscheuer mit dem Stadtmuseum Bad Cannstatt ist sowohl Teil wie Ort der Beschäftigung mit Stadtgeschichte. Konzeptionell auf eine Dauerausstellung ausgerichtet, wird dennoch im Zusammenwirken von Stadt und Bürgerschaft in Wechselausstellungen die Geschichte des ältesten Stuttgarter Stadtbezirks dargestellt. Das ehrenamtliche Engagement war in Zeiten der Haushaltskonsolidierung Voraussetzung für ein lebendiges Haus. Es ist darüber hinaus auch grundsätzlich ein Vorbild für bürgerschaftliche Aktivitäten zur Stärkung der historischen Identität.

Städtisches Lapidarium

Das Städtische Lapidarium ist zugleich Freilichtmuseum, Baudenkmal und innerstädtisches Erholungsgebiet von hohem Wert. Es ist in seiner Art einzigartig in weitem Umkreis. Auch hier zeigt sich die Initiative und das Engagement von Bürgerinnen und Bürgern in ausgezeichneter Weise. Dennoch besteht ein öffentlicher Auftrag, dieses Denkmal nicht nur zu erhalten bzw. zu restaurieren, sondern auch die Voraussetzungen und die Infrastruktur für eine angemessene Nutzung durch die Bürgerschaft zu schaffen. Hierzu gehört auch die Einbeziehung der umgebenden Stadtlandschaft und Gebäude (Karlshöhe, Mörikestraße) mit einer Fülle von stadtgeschichtlichen relevanten Bezügen. Das auf einige Jahre angelegte Parkpflegewerk eröffnet ebenso wie die Neugestaltung der Karlshöhe eine sinnvolle Perspektive.

Unverzichtbarer Bestandteil der Stadtgeschichte ist die Weißenhof-Siedlung, eine Ikone der Architekturgeschichte von internationalem Rang, die in Stuttgart selbst allzu lange nicht die verdiente Aufmerksamkeit und Würdigung gefunden hat. Das bevorstehende 75-Jahr-Jubiläum hat zu einer angemessenen Betrachtungsweise geführt. Nun besteht die große Chance, im Rahmen eines Public-Private-Partnership-Projekts ein Gebäude hochwertig zu restaurieren. Ein modernes Informations- und Dokumentationszentrum wird ein unverzichtbarer Bestandsteil der städtischen Museumslandschaft im hier vorgestellten Sinn sein. So repräsentiert der Weißenhof geradezu idealtypisch die in diesen Leitlinien entfaltete Kombination von Stadtgeschichte im öffentlichen Raum und gestalteter Information, historischer Aufarbeitung und moderner Präsentation.

Einzubeziehen in die konzeptionellen Überlegungen ist auf längere Sicht auch das ebenfalls in städtischer Verwaltung stehende Weinbaumuseum Uhlbach, dem nicht zuletzt in Verbindung mit Besuchsprogrammen um die Musicals eine erhebliche Bedeutung zugewachsen ist und das künftig sowohl stadtgeschichtlich wie repräsentativ Funktion mehr in der Vordergrund rücken sollte. Die Geschichte des Weinbaus in Stuttgart beleuchtet einen zentralen Aspekt der Stadtgeschichte seit dem Mittelalter; dem Thema kommt auch für Gegenwart und Zukunft Stuttgarts identitätsstiftende Funktion zu.

Neben den öffentlichen Einrichtungen der Stadt und des Landes sind aber auch dezentrale Museen in den Stadtteilen bzw. private Museen für einzelne Aspekte der (Stadt-) Geschichte von besonderer Bedeutung. Sie werden von der Stadt zum Teil finanziell unterstützt (z.B. das Projekt des Museumsverein Ost – MUSE-O in der Alten Schule in Gablenberg, das Feuerwehrmuseum mit Standort Münster).

Eine Vernetzung stadtgeschichtlicher Aktivitäten verschiedener Häuser und Träger soll nur beispielhaft für den Bereich Mobilitäts- und Industrialisierungsgeschichte dargestellt werden. In der Stadt gibt es die bedeutenden Automobilmuseen von DaimlerChrysler und Porsche, aber auch die von Vereinen ehrenamtlich betriebenen Einrichtungen Straßenbahnmuseum und Feuerwehrmuseum. Hier ist nicht nur an gemeinsame Ausstellungsprojekte zu denken, zu denen nicht nur verschiedene Stationen gehören, sondern z.B. auch an Shuttle-Verbindungen. Auf solche Beziehungsgeflechte ist konzeptionell besonderer Wert zu legen.

Gleichwohl bedarf die Geschichte Stuttgarts sowohl für die Bürgerinnen und Bürger wie in ganz besonderem Maße für auswärtige Besucher und Gäste eines Zentrums. Deshalb ist das Stadtgeschichtliche Museum zwar nicht alles, aber ohne dieses Museum ist vieles nichts oder bleibt doch Stückwerk.

Diese Eckdaten haben in verschiedenen Gesprächs- und Diskussionsrunden überwiegend die Unterstützung der IG Stadtgeschichte, der Arbeitsgemeinschaft der Stuttgarter Bürgervereine (ASB) und der Repräsentanten historischer Vereine gefunden. Auch sie befürworten ein Stadtgeschichtliches Museum in seiner Funktion als professionelles Zentrum, als Mittelpunkt des stadtgeschichtlichen Diskurses, als Wegweiser zu den dezentralen Häusern und Geschichtsorten. Dies darf in einer Stadt mit starken zentrifugalen Kräften und Identitäten als bemerkenswert bezeichnet werden, ist ein weiterer Beleg für die Notwendigkeit und auch die Chancen eines solchen Projekts.


6. Stadtmuseum und Stadtraum

Bereits hingewiesen wurde auf die wichtige Funktion des “Gesichts der Stadt” für die historische Identität. So wird z.B. derzeit im München, einer Stadt mit herausragenden kommunalen musealen Einrichtungen und historischen Bezügen auch im Stadtbild, eine stärkere Präsenz historischer Orte in der Stadt diskutiert. Erst recht kann in Stuttgart, wo nur noch wenige unmittelbare Anknüpfungspunkte erkennbar sein, nicht von einer “Über-Musealisierung” des öffentlichen Raums gesprochen werden, wie sie für andere Orte festgestellt und teilweise kritisiert worden ist. In Stuttgart müssen solche Orte vielfach erst wieder entdeckt und ins Bewusstsein gerückt werden, muss dem öffentlichen Raum seine Geschichte zurückgegeben, die Veränderung sichtbar gemacht werden.

Hier geht es zum einen darum, mit den wenigen existierenden Zeugnissen als Träger geschichtlicher Identität sorgsam umzugehen. Geschichte bedeutet Veränderung; bloße Bewahrung ist deshalb nicht grundsätzlich historisches Prinzip. Veränderung muß jedoch aus dem historischen Kontext sinnvoll herzuleiten sein und in ihren historischen Bezügen auch dokumentiert werden. Zum anderen soll bewusst auch an heute nicht mehr sichtbare historische Stätten, an Personen, Ereignisse, Gebäude erinnert werden. Geschichts-Orte sind Teil des kollektiven öffentlichen Gedächtnisses. Sie repräsentieren das Selbstverständnis einer Gemeinschaft. Gedenk-Orte besitzen darüber hinaus auch Appell-Charakter. Bei der Gestaltung von Geschichts-Orte sind die unterschiedlichen Zusammenhänge und Funktionen zu berücksichtigen. So lassen künstlerisch-abstrakte Gestaltungsformen zuweilen die Konkretion vermissen, bei besonders sensiblen Orten schafft dies möglicherweise eine unerwünschte Distanz, ja Beliebigkeit. Traditionelle Gedenktafeln und ähnliche Formen wiederum unterliegen der Gefahr, als Pflichtübung verstanden und übersehen zu werden.

Fazit:
Die Einrichtung eines Stadtmuseums soll nicht Stadtgeschichte hinter die Mauern eines oder auch mehrerer Museen verbannen bei womöglich gleichzeitiger Zerstörung der wenigen noch vorhandenen historischen Bezüge. Diese sollen im Gegenteil ist bewusst hergestellt und sichtbar gemacht werden. Sie sind eine wichtige Voraussetzung für ein historisches Bewusstsein für Gegenwart und mögliche Schritte in die Zukunft dieser Stadt.


7. Stadtgeschichtliche Sammlungen, Fundus

Ein auf ein Stadtgeschichtliches Museum zielender Sammlungsauftrag (samt den nötigen Ressourcen) existierte bisher nicht. Dennoch hat das Archiv seit seiner Gründung 1928 auch Sachzeugnisse zur Stadtgeschichte gesammelt. Nach erheblichen Verlusten im Zweiten Weltkrieg konnte nur eine systematische Bestandserweiterung und Bestandspflege bei der Sammlung von Bildern und Graphik stattfinden. Insgesamt galt das Sammlungsinteresse vornehmlich der bürgerlichen Kultur des 19. Jahrhunderts; sie war fachlicher wie historischer Bezugspunkt und damit Sammlungsschwerpunkt.

Deshalb bestehen deutliche Lücken im Bestand. Sie können auch nicht durch die Einbeziehung der wertvollen und wichtigen archivischen Sammlungen (Fotos, Filme, Plakate, Münzen) geschlossen werden, die sich im Original ohnehin nicht oder nur bedingt für eine museale Nutzung eignen. Hier sind intensive Anstrengungen sowie eine gezielte Sammlungs- und Erwerbungsstrategie erforderlich. Dazu müssen rasch konzeptionelle Fundamente geschaffen werden. In den letzten Jahren sind allzu viele wertvollen Sachzeugnisse der Stadtgeschichte für die Bürgerschaft verloren gegangen. Es sei nur erinnert an das Brauereimuseum in Vaihingen oder an die postgeschichtlichen Sammlungen.

Daraus ergeben sich folgende Konsequenzen

Lücken und Verluste bei den Sammlungen müssen im Rahmen eines Konzepts als Teil der stadtgeschichtlichen Entwicklung selbst begriffen und dargestellt werden.

Die Geschichte des “Residenzdorfs” Stuttgart in der Zeit des Alten Reiches bis um 1800 wird gegenüber der Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert nachrangig bleiben müssen. Dennoch soll auch in dieser früheren Epoche Stuttgart nicht nur als Residenz und damit aus zentralistischer Perspektive erscheinen. Vielmehr sollen das kommunale Leben und die alltäglichen Lebensverhältnisse anschaulich werden, auch gilt es den Linien bis in die Gegenwart nachzuspüren. In Leitthemen muss das Typische der Zeit und das Besondere der lokalen Situation veranschaulicht werden.

Eine mittelfristige Perspektive beim Aufbau des Museums, für die planmäßige Erweiterung der Bestände nach konzeptionellen Schwerpunkten, für die Zusammenarbeit mit bestehenden Einrichtungen sowie für den Umgang mit den Lücken, die nicht mehr geschlossen werden können, ist notwendig. Von großer Bedeutung für das Museum ist die bürgerschaftliche Beteiligung und der intensive Dialog mit Vereinen und Verbänden sowie den interessierten Bürgerinnen und Bürgern. Sie wird nicht zuletzt der Bestands-ergänzung zugute kommen. Damit kann vermieden werden, dass weitere wertvolle Sachzeugnisse der Stadtgeschichte verloren gehen.

Irreparable Lücken im Bestand verweisen darauf, dass ein Stadtgeschichtliches Museum nicht in traditionaler Weise auf die Aura wertvoller Objekte setzen kann. Es müssen deshalb innovative, multimediale Wege der Realisierung entwickelt werden, um ggf. unverzichtbare Inhalte und Themen zu präsentieren.


8. Organisation

Die verspätete Schaffung eines Stadtgeschichtlichen Museums hat zu irreversiblen Bestandslücken geführt. Um so mehr sind spezifische konzeptionelle und gestalterische Ansätze notwendig. Voraussetzung hierfür ist ein integriertes Konzept, d.h. in einem Zentrum für Stadtgeschichte mit zwei Säulen werden sowohl das amtlich-informatorische Gedächtnis von Verwaltung und Bürgerschaft (Archiv) als auch das dingliche Gedächtnis (Museum) verbunden.

Dies entspricht der Entwicklungsgeschichte: Das Archiv hat sich seit seiner späten Gründung als Zentrum für Stadtgeschichte verstanden und frühzeitig mit der historischen Bildungsarbeit, z.B. Ausstellungen und Veröffentlichungen, begonnen. Die überregional bedeutsame Publikationsreihe des Archivs umfaßt inzwischen über 80 Bände, über die Tagungen des Archivs wird überregional berichtet. Daneben hat sich das Archiv auch die Sammlung von Sachzeugnissen und musealen Objekten zur Aufgabe gemacht. Nicht selten haben Bürgerinnen und Bürger dem Archiv Nachlässe übergeben, die sowohl archivalische Quellen als auch historische Sachzeugnisse umfassen.

Eine Einheit von Archiv und Museum als Zentrum für Stadtgeschichte vermeidet die Zerreißung von Beständen, Konflikte um Ressourcen, das Nebeneinander verschiedener Institutionen bei der Geschichtsvermittlung. Statt dessen müssen Synergien geschaffen bzw. genutzt werden. Während im Zuge der Verwaltungsreform anderswo verschiedene Institutionen der Stadtgeschichte wie Archiv, Museen und historische Gedenkstätten in Fachbereichen zusammengeschlossen werden, ist in Stuttgart der direkten Weg zu einer Bündelung der Kräfte bereits beschritten.


9. Der Standort für ein Stadtgeschichtliches Museum

Die Frage des Standorts besitzt in der Phase der Erarbeitung eines umfassenden inhaltlichen Konzepts keine Priorität. Allerdings hat sich praktisch das z.Zt. von der Stadtbücherei genutzte Wilhelmspalais als Standort herauskristallisiert.

Das Wilhelmspalais ist eines der wenigen historischen Gebäude in der Stadt und im Besitz der Stadt und es ist selbst eminenter Teil der Stadtgeschichte:

Das Wilhelmspalais eignet sich deshalb wie kein anderes bestehendes Gebäude für eine Präsentation der Geschichte der Landeshauptstadt Stuttgart.

Die Frage nach unvermeidbaren Umbauten lässt sich erst im Lichte der Gesamtkonzeption beantworten. Realisierungsfragen sind im Moment nachrangig.


10. Realisierungsskizze

Wenngleich zahlreiche Unwägbarkeiten bestehen, so bedarf eine zielgerichtete, effektive sowie redliche Planung als notwendige Voraussetzung einer Ablaufskizze, die wichtigsten Planungs- und Realisierungsschritte in ein zeitliches Verhältnis setzt, Ziele definiert sowie die erforderlichen personellen Ressourcen aufführt.

    Aufgaben
Zeitaufwand
    Personelle Konsequenzen
    Gesamtkonzept
24 Monate
    2 Kuratorenstellen (s.o.)
    Inhaltliche Umsetzung, Vorbereitung für Realisierung;
    Ausstellungsdidaktik
18 Monate
    Zusätzliche Werkverträge;

    Stelle Museumspädagoge/in
    Innenarchitektur, Ausstellungsgestaltung
18 Monate
plus x
(Umbau)
    Fremdvergabe
    (Wettbewerb)
    Abschließende Realisierung (endgültige Objektauswahl, Graphik, Texte, Logistik)
12 Monate
    Kuratorenstelle;
    Werkstatt; Verwaltung;
    Öffentlichkeitsarbeit
    Vorbereitung der ersten Sonderausstellungen
Parallel
    Kuratorenstelle
    Katalog
Parallel
    Kuratorenstelle
    Aufbau, Vorbereitung Eröffnung
3 Monate