Protokoll:
Gemeinderat
der Landeshauptstadt Stuttgart
Niederschrift Nr.
TOP:
172
2
Verhandlung
Drucksache:
695/2001
GZ:
F 900-2
Sitzungstermin:
07/19/2001
Sitzungsart:
öffentlich
Vorsitz:
OB Dr. Schuster
Berichterstattung:
EBM Dr. Lang
Protokollführung:
Frau Haasis
pö
Betreff:
1. Vorläufiger Rechnungsabschluss 2000
2. Halbjahresbericht zur Finanzlage
(Finanzbericht 2001)
3. Eckdaten zum Doppelhaushalt 2002/2003
Vorgang: Verwaltungsausschuss vom 18.07.2001, nichtöffentlich, Nr. 383
Ergebnis: Vorberatung
Beratungsunterlage ist die Mitteilungsvorlage des Finanz- und Beteiligungsreferats vom 06.07.2001, GRDrs 695/2001.
EBM
Dr. Lang
verweist auf die in der GRDrs 695/2001 enthaltenen Daten und Fakten. Wie in der Vorlage ausgeführt, sei es nicht möglich gewesen, den Rechnungsabschluss des Vorjahres wie in den vergangenen Jahren zusammen mit dem Halbjahresbericht vorzulegen. Ursache für die Verzögerung bei der Fertigstellung des Rechnungsabschlusses 2000 sei die Einführung des neuen Rechnungswesens. Die Finanzverwaltung gehe jedoch davon aus, dass die überwiegend im SAP-Umfeld liegenden Mängel rasch beseitigt würden und der Rechnungsabschluss in wenigen Wochen vorgelegt werden könne.
An der bereits im Februar d. J. abgegebenen Prognose über die Zuführungsrate 2000 in einer Größenordnung von etwa 500 Mio. DM habe sich nichts geändert, wobei die Verbesserungen gegenüber dem Haushaltsplan weitestgehend im Ausgabenbereich zu finden seien. Berücksichtige man allerdings, dass das Gewerbesteuerergebnis wegen der rückwirkenden Vorauszahlungsherabsetzungen zu Beginn dieses Jahres um 100 Mio. DM zu hoch ausgewiesen sei, betrage die Zuführungsrate für das abgelaufene Jahr ca. 400 Mio. DM und liege damit nur unwesentlich über dem Planansatz.
Rückblickend stellt EBM Dr. Lang fest, die Jahre 1997 bis 2000 seien gute Jahre gewesen und hätten Zuführungsraten von 300 Mio. DM und mehr beschert. Trotz Senkung der Hebesätze bei der Gewerbesteuer und bei der Grundsteuer habe in diesem Zeitraum der Schuldenbetrag um ca. 600 Mio. DM abgebaut werden können. Gleichzeitig sei es möglich gewesen, viele neue Investitionen - gerade auch für die Stadtbezirke - zu beschließen und deren Verwirklichung auf den Weg zu bringen. Dies habe bei Gemeinderat und Verwaltung und wahrscheinlich auch in der Bürgerschaft den Eindruck erweckt, es handle sich für einen längeren Zeitraum um den Normalzustand und gehe jetzt letztlich nur darum, ständig neue Wünsche zu artikulieren und Forderungen zu erheben. Der 'Schuss vor den Bug', dass der Haushaltsplan 2001 nur noch eine Zuführungsrate von 113 Mio. DM ausweise, sei nicht ernst genommen und lediglich als 'kleine Delle' in der Aufwärtsentwicklung angesehen worden, zumal die Konjunktur und die Wirtschaftsdaten bei der Haushaltsaufstellung noch absolut auf Aufschwung ausgerichtet gewesen seien.
Zur aktuellen Situation Mitte des Jahres 2001 seien in den letzten Wochen von Banken, Wirtschaftsforschungsinstituten und sonstigen Organisationen negative Trendmeldungen verbreitet worden. Sei zur Jahreswende 2000/2001 noch eine Zunahme des Wirtschaftswachstums um knapp 3 % erzielbar erschienen, rechneten die meisten Experten nur noch mit einem Plus von deutlich unter 2 %. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung erwarte für 2001 sogar nur noch eine um 1 % höhere Wirtschaftsleistung als im Vorjahr. Gleichzeitig habe sich der Anstieg der Verbraucherpreise beschleunigt. Die Inflation habe im Mai mit 3,4 % ihren höchsten Stand seit Beginn der Währungsunion erreicht; erfreulicherweise sei jetzt wieder ein gewisser Abschwung festzustellen.
Grundlage der letzten bundesweiten Mai-Steuerschätzung sei ein Wirtschaftswachstum von 2 % gewesen. Das geringere Wirtschaftswachstum wirke sich negativ auf die Steuereinnahmen aus. Man gehe davon aus, dass 1/10 Prozentpunkt geringeres Wachstum bundesweit zu einer Mindereinnahme im Bereich der Steuern von 1 Mrd. DM führe. Festzustellen sei, dass Bund und Länder im Mai 10,9 % weniger an Steuern eingenommen hätten als im Vorjahr. Dieser Trend habe sich auch im Juni bestätigt, und er gelte in vollem Umfang für die Landeshauptstadt.
EBM Dr. Lang erinnert an seine bereits Ende April d. J. erfolgte Information des Gemeinderats über den tiefen Einbruch der Gewerbesteuereinnahmen. Nach dem bisherigen aktuellen Verlauf der Sollstellungen und der Auswertung der Auskünfte von großen Steuerzahlern werde der Planansatz von 1.075 Mio. DM um voraussichtlich 294 Mio. DM unterschritten. Da sich dadurch auch die Gewerbesteuerumlage reduziere, betrage die Verschlechterung netto 213 Mio. DM, also ziemlich genau 25 % der für die Gewerbesteuer veranschlagten Nettoeinnahmen. Für das Jahr 2002 müsse ebenfalls mit Verschlechterungen bei der Gewerbesteuer von netto 144 Mio. DM gerechnet werden. Summiere man die Jahre 2001 und 2002, ergebe sich ein Gewerbesteuerausfall, der die Investitionssummen für die neue Galerie und die Robert-Bosch-Halle zusammen - um dies als Beispiel zu greifen - deutlich übersteige.
Ein großes Handikap für die Stadt sei auch, dass es wegen der schnell wechselnden Konjunkturdaten und der immer noch nicht greifbaren Auswirkungen der Steuerreform keinerlei längerfristige Planungssicherheit gebe. Er könne nicht sagen, ob die jetzt verwendeten Zahlen Bestand hätten; das gelte sowohl nach oben wie nach unten. Es sei allerdings damit zu rechnen, dass sich die bis jetzt vorgelegten Zahlen weiter verschlechterten. So würde etwa das Vorziehen der Steuerreform - gesamtwirtschaftlich sicherlich von Vorteil und von den verschiedensten Seiten gefordert - seiner Ansicht nach die öffentlichen Haushalte kurzfristig fast unzumutbar belasten. EBM Dr. Lang betont, dies seien keine der üblichen Appelle und Warnungen, sondern schlicht der Hinweis auf eine völlig veränderte Ausgangslage. Die Vorausrechnungen seien auf den jetzt bekannten Daten und Fakten zu erstellen.
Aus der Mitteilungsvorlage sei ersichtlich, dass die Zuführungsraten 2001 und 2002 bei etwa 70 Mio. DM lägen. Für das Jahr 2003 liege die Prognose im Augenblick bei 250 Mio. DM, wobei er hinter diese Zahl zunächst ein Fragezeichen setzen wolle. Damit werde die gesetzlich vorgeschriebene Mindestzuführungsrate im Jahr 2001 um 76 Mio. DM und im Jahr 2002 um 86 Mio. DM unterschritten. Zu berücksichtigen sei dabei - und das mache die Zahlen noch ernüchternder -, dass in den Berechnungen von 2002 und 2003 die Beschlüsse des Gemeinderats aus dem Verkauf einer ersten Tranche der Energiebeteiligungen berücksichtigt worden seien. Es handle sich für das Jahr 2002 um Verbesserungen im Verwaltungshaushalt von 30 Mio. DM und im Jahr 2003 von 60 Mio. DM. Ziehe man die 30 Mio. DM von den 70 Mio. DM ab, dann verblieben für das Jahr 2002 eigentlich nur noch 40 Mio. DM an Zuführungsrate.
Der Einbruch bei den Einnahmen treffe die Stadt zu einem Zeitpunkt, an dem bei Gemeinderat und Verwaltung nach wie vor eine hohe Erwartungshaltung vorhanden sei, dass man sich alles und jedes und zwar möglichst zeitnah und gleichzeitig leisten könne, was sich besonders deutlich bei den Investitionswünschen zeige. Allein für die Fortführung der im Doppelhaushalt 2000/2001 anfinanzierten größeren Vorhaben (Sporthallen, Bürgerhäuser, Rathausumbau, Kinder- und Jugendtheater) seien weitere 90 Mio. DM erforderlich. Wenn man dies in Relation setze zu den Investitionssummen der vergangenen Jahre in den grünen Listen, jährlich etwa 60 bis 70 Mio. DM, so verbleibe für den Doppelhaushalt aus der langen Wunschliste der Ämter nur noch ein vergleichsweise geringer Spielraum.
Die derzeit in der Diskussion stehenden Großprojekte verursachten bei ihrer Realisierung einen Finanzierungsbedarf von über 1,1 Mrd. DM. Er denke dabei - ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben - an den Grunderwerb für die Flächen A2 und A3 für Stuttgart 21 und im Güterbahnhofbereich, an Neubauten im Berufsschulsektor, die Robert-Bosch-Halle, den 3. BA Gottlieb-Daimler-Stadion, den Neubau Olgahospital, die Mehrkosten für Galerie und neue Messe. Weitere Maßnahmen (Filder, Konrad-Adenauer-Straße) oder Aufwendungen für die Olympiabewerbung seien in dieser Summe nicht enthalten. Wie einer französischen Zeitung zu entnehmen gewesen sei, habe Paris habe für seine Olympiabewerbung 60 Mio. DM aufgewendet, und er sei gespannt, ob diejenigen, die jetzt ihrer Begeisterung freien Lauf ließen - nicht so sehr bei der Stadt, als vielmehr in Region und Land - sich auch daran erinnerten, wenn es ans Zahlen gehe.
Bei den laufenden Aufwendungen im Verwaltunghaushalt hätten die Ämter einen Bedarf von 500 Stellen und in den Jahresprogrammen zusätzliche Sachmittel von jährlich etwa 60 Mio. DM geltend gemacht. Würde dies auch nur annähernd berücksichtigt, wäre die Zuführungsrate für das Jahr 2002 im Minus. Dass ein solches Mammutprogramm, sowohl was den Verwaltungshaushalt als auch den Investitionsbereich angehe, im Hinblick auf die nachhaltig verschlechterte Finanzsituation auch im mittelfristigen Planungszeitraum nicht zu bewältigen sei, müsse eigentlich jedem einsichtig sein. Der Gemeinderat könne angesichts des drastischen Einbruchs bei den Gewerbesteuereinnahmen davor nicht die Augen verschließen, und es seien gemeinsam Konsequenzen zu ziehen. EBM Dr. Lang trägt die seiner Ansicht nach erforderlichen Konsequenzen vor <Ausführungen im leicht gekürzten Wortlaut>:
"1. Im Verwaltungshaushalt müssen wir strengste Disziplin einhalten und bei ausgabewirksamen Beschlüssen größte Zurückhaltung üben. Ich darf in diesem Zusammenhang auf das Rundschreiben des Herrn Oberbürgermeisters vom 23.05.2001 verweisen, wo entsprechende Hinweise zum Umgang mit der aktuell verschlechterten Finanzsituation gegeben wurden.
2. Wir müssen uns zuvorderst auf die Aufgaben konzentrieren, für die wir zuständig sind, und uns nicht zum Ausfallbürgen von Bund und Land erklären. Ich meine hier beispielsweise die Filderauffahrt, ich meine aber auch die Ganztagesbetreuung der Kinder und Jugendlichen von 0 bis 14 Jahren. Es sind hier die Verantwortlichkeiten von Bund und Land einzufordern. Diese Verpflichtungen von Bund und Land müssen auch den Bürgern verdeutlicht werden. Es kann für meine Begriffe nicht sein, dass die Kommunen - und damit natürlich auch wir als Stadt Stuttgart als direkter Ansprechpartner der Bevölkerung - alle Aufgaben schultern, bei denen Versäumnisse der 'großen Politik' vorliegen.
3. Die Investitionen, die begonnen sind, müssen zügig und kostengünstig zu Ende geführt werden, wobei besonderer Wert auf die Minimierung der Folgekosten zu legen ist. Unter 'begonnen' sehe ich natürlich auch das, was in der Planung verhältnismäßig weit fortgeschritten ist. Alles andere müssen wir auf den Prüfstand stellen. Man muss versuchen, sich auf Prioritätenlisten zu verständigen und Zeitpläne entsprechend unseren finanziellen Möglichkeiten zu erstellen. Diese Zeitpläne müssen auch über den mittelfristigen Planungshorizont 2005 hinausreichen.
4. Wir sollten uns nicht ständig neue Aufgaben und Projekte ausdenken, sondern das angehen, was auf dem Tisch liegt. Das ist mehr, als wir im Augenblick schultern können.
5. Die Erlöse aus dem Verkauf von Energiebeteiligungen dürfen nicht zum Stopfen von Löchern im Verwaltungshaushalt oder für Investitionswünsche verbraucht werden. Eine Ausnahme stellen für mich die Grundstückskäufe für Stuttgart 21 dar. Die erworbenen Grundstücke stehen nach ihrer Übergabe zur Verwertung an. Aufgrund des abgezinsten Kaufpreises kann von einer nicht unbeträchtlichen Werterhöhung bis zum Verkaufszeitpunkt ausgegangen werden. Und insoweit denke ich, dass es wirklich gerechtfertigt ist, dass man hier langfristiges Vermögen in Form der Energiebeteiligungen transferiert in diese Grundstückswerte. Unter Werterhaltung verstehe ich natürlich 'einschließlich der Inflationsrate'. Deshalb muss im Prinzip der Grundsatz gelten, dass Werterhaltung bedeutet, gleichzeitig den Inflationsanstieg entsprechend abzusichern, und dies war seither, wenn ich es recht sehe, Konsens im Gemeinderat, quer durch alle Fraktionen. Dieser Konsens muss, wie ich meine, auch unter den verschlechterten finanziellen Rahmenbedingungen auf jeden Fall Bestand haben."
Wenn es Gemeinderat und Verwaltung nicht gelinge, bereits jetzt geordnet umzusteuern, stehe mit hoher Wahrscheinlichkeit in zwei Jahren eine neue Konsolidierungsrunde an, die die weitere Entwicklung der Landeshauptstadt nachhaltig negativ beeinflusse. Zum jetzigen Zeitpunkt sei der Gemeinderat noch Herr des Geschehens und könne in eigener Verantwortung festlegen, welche Ressourcen aufgrund der Finanzausstattung in den nächsten Jahren für welche Aufgaben einzusetzen seien. Wenn sich die Stadt finanziell übernehme und zum Konsolidierungsfall werde, verliere sie jeden Handlungsspielraum und könne nur noch mit harten Einschnitten reagieren.
Abschließend merkt EBM Dr. Lang Folgendes an: "An sich könnte ich es mir einfach machen, die Hände in den Schoß legen und alles laufen lassen nach dem Motto: 'Der Nachfolger wird es schon richten'. Wer mich kennt, weiß, dass dies nicht meiner Grundeinstellung entspricht. Deshalb werde ich auch weiterhin engagiert, motiviert und kämpferisch für eine solide Finanz- und Haushaltspolitik in unserer Stadt eintreten, dies zumindest so lange ich den Eindruck habe, dass dies auch dem Gemeinderat - oder zumindest der Mehrheit des Gemeinderats - ein nachhaltig wichtiges Anliegen ist, und zwar nicht nur rein verbal, sondern auch an den Taten gemessen."
Die Stellungnahmen von StR
Föll
(CDU), StR
Kanzleiter
(SPD), StR
Kugler
(90/GRÜNE), StR
J. Zeeb
(FW), StR
R. Zeeb
(FDP/DVP), StR
Lieberwirth
(REP) und StR
Deuschle
(PDS) werden nachstehend entsprechend der Berichterstattung im Amtsblatt Stuttgart, Nr. 30, vom 26.07.2001 wiedergegeben:
"Der Bericht zeige, so StR
Föll
(CDU), 'dass wir auch in Stuttgart nicht das Paradies auf Erden schaffen können. Das mag für manche eine schmerzhafte Erkenntnis sein, aber es ist nun einmal so. Und wir werden auch nicht alles Wünschenswerte gleichzeitig hier in dieser Stadt realisieren können'. Der ordentliche Jahresabschluss 2000 ermögliche, einiges aus dem Überschuss in die allgemeine Rücklage zu überführen und insoweit die einbrechenden Gewerbesteuereinnahmen in den kommenden Jahren etwas abzufedern. 'Wenn wir diese guten Jahresabschlüsse 2000 und auch der davor liegenden Jahre nicht gehabt hätten, dann würde das Umsteuern, das wir jetzt in der Tat vornehmen müssen, ungleich schmerzhafter ausfallen, und wir hätten vor allem das Problem, dass wir begonnene und fest zugesagte Projekte nicht realisieren könnten, so wie wir dieses vorgesehen haben.'
Die Einbrüche bei der Zuführungsrate in den Jahren 2001 und 2002, in denen nicht mehr die gesetzliche Mindestzuführung erreicht werde, mache deutlich, 'dass wir nunmehr sehr vorsichtig agieren müssen, wenn wir nicht provozieren wollen, dass wir uns in wenigen Jahren, sofern es nicht grundlegend veränderte Rahmenbedingungen gibt, einer erneuten Haushaltskonsolidierung stellen müssen', mahnte StR Föll.
Für die CDU-Fraktion gebe es zunächst einmal drei Grundsätze, die auch die kommenden Doppelhaushaltsberatungen bestimmen würden. Aus diesen Grundsätzen könne ein verantwortbarer Finanzrahmen ermittelt werden:
1. Die Veräußerungserlöse sollten unangetastet bleiben. 'Wir wollen das Vermögen, das in Generationen geschaffen wurde, auch an die kommenden Generationen weitergeben'.
2. Soweit möglich solle der Schuldenabbau auch in den kommenden Jahren fortgesetzt werden, da sich aus den abgebauten Schulden der politische Handlungsspielraum der kommenden Jahre ergeben werde.
3. Die Hebesätze der Realsteuern müssten in den kommenden Jahren stabil bleiben.
Diese solide Haushalts- und Finanzpolitik ermögliche dennoch, dass in Stuttgart viele Projekte realisiert werden könnten: 'Das bedeutet aus unserer Sicht keinen Stillstand der Kommunalpolitik. Die Kommunalpolitik ist auch unter Beachtung dieser Grundsätze in den kommenden Jahren handlungsfähig, aber wir werden solide und seriöse Haushalte und Jahresergebnisse erzielen, wenn wir diese Grundsätze beherzigen.'
Diesen Rahmen habe sich seine Fraktion für die Doppelhaushaltsberatungen vorgegeben, erklärte StR Föll. Dabei müssten selbstverständlich Prioritäten gesetzt und gleichzeitig gesagt werden, welche wünschenswerte Projekte nachrangig sind.
Für die SPD-Fraktion nahm StR
Kanzleiter
zum Bericht des Finanzbürgermeisters Stellung: 'Wir haben im Moment die Situation, dass die Gewerbesteuer zurückgeht oder zurückzugehen scheint. Das ist ein Spiegelbild dessen, was wir in der Wirtschaft erleben. Teilweise sind es strukturelle Probleme in einzelnen Branchen, auch in unserer Stadt. Es ist noch abzuwarten, wie sich das in der Zukunft entwickeln wird.' Aus heutiger Sicht gebe es keinen Grund, die Hebesätze der Gewerbesteuer zu erhöhen. 'Wir sehen aber auch keinen Spielraum für die Senkung von Gewerbesteuern', betonte StR Kanzleiter, 'obwohl wir natürlich gerne die Gewerbesteuer senken würden, gerade im Blick auf das, was das Umland tut'.
Bei der großen Zahl der derzeitigen Projekte müsse 'unterschieden werden, was wir tun und was wir betrachten'. Vorhaben, die bereits begonnen sind, seien selbstverständlich zu Ende zu führen. Auch der Neubau der Galerie der Stadt und die Messe am Flughafen sowie die zahlreichen Projekte in den Stadtbezirken stünden für seine Fraktion nicht zur Debatte. Ebenfalls beschlossene Sache sei die Sanierung des Gottlieb-Daimler-Stadions, jedoch nicht die nächste Stufe.
Dazu sei es aber auch notwendig, so StR Kanzleiter, 'dass wir die notwendigen Planungskapazitäten haben, damit wir Projekte, die begonnen und beschlossen worden sind und die auch finanziert sind, wirklich umsetzen können'. Die beantragten Stellen seien ja nicht aus Jux und Tollerei beantragt worden. Ein wesentlicher Teil davon sei notwendig, um die Beschlüsse des Gemeinderats auch wirklich umzusetzen. 'Die Ämter können nicht noch mehr ausgequetscht werden, und wir können nicht noch mehr wollen und beschließen und schließlich und endlich daran verzweifeln, dass die Dinge nicht auf Baustelle kommen, weil die Leute nicht da sind. Das ist unzumutbar.' Die Planungsengpässe dürften zudem nicht zu einer Wachstumsbremse in dieser Stadt werden: 'Das wollen wir vermeiden, denn wir wollen ja auch mit dem, was wir investieren, die Wirtschaft in dieser Stadt beflügeln und wollen sie unterstützen.'
Eine große Herausforderung sei beispielsweise auch der Bereich der Kinderbetreuung: 'Das können wir nicht wegdrücken, das ist eine hoch prioritäre Angelegenheit', forderte StR Kanzleiter.
StR
Kugler
(90/GRÜNE) attestierte dem Stadtkämmerer, geradezu eine 'grüne Rede' gehalten und sich tatsächlich auch für die Nachhaltigkeit ausgesprochen zu haben. 'Und ich sehe eine nachhaltige städtische Finanzpolitik darin, dass man versucht, die Schulden abzubauen und einen ausgewogenen Haushalt zu erreichen.' Auch StR Kugler sprach sich dafür aus, die Realisierung einzelner Großprojekte kritisch zu prüfen. Dazu gehöre die Olympiabewerbung: 'So lange man hier die Finanzen im Rathaus noch nicht in die Waage gebracht hat, wäre es wirklich tollkühn, weiterhin von Olympia zu reden.' Auch der dritte Bauabschnitt des Gottlieb-Daimler-Stadions und die Robert-Bosch-Halle müssten unter dem Primat des finanziell Machbaren auf den Prüfstand.
Insgesamt werde seine Fraktion bei den kommenden Haushaltsberatungen den bisherigen Kurs beibehalten: 'Dort, wo es den Familien, wo es den Kindern in Stuttgart dient, schauen wir nicht auf den Pfennig. Aber dort, wo es darum geht, Großvorhaben auf die Baustelle zu bringen, von denen wir keinen Vorteil für Stuttgart sehen, werden wir sehr kritisch sein.'
StR
J. Zeeb
(FW) sagte, die Investitions- und Beschäftigungspolitik von Stadt und Gemeinderat sei trotz der negativen Prognosen für 2001 und 2002 im Gegensatz zu den guten Ergebnissen im Jahr 2000 nach wie vor richtig. 'Dank der rührigen Arbeit unseres Oberbürgermeisters mit seiner Mannschaft - das muss man auch mal loben - sind wir eine lebendige Stadt, in der sich einiges tut.' Die starke Bautätigkeit, das hohe Investoreninteresse und niedrige Arbeitslosenzahlen zeigten, dass die Gewerbesteuersenkungen richtig gewesen seien.
StR
R. Zeeb
(FDP/DVP) wies darauf hin, dass der Jahresabschluss 2000 mit einer Zuführung des Verwaltungshaushaltes an den Vermögenshaushalt von 500 Millionen Mark nahezu die Höhe des Vorjahres erreiche. Das Ergebnis zeige, dass die Entscheidung der Mehrheit des Gemeinderates richtig gewesen sei, die Gewerbesteuerbelastung der Unternehmen ab 2000 weiterhin zu vermindern.
Zum Thema Investitionen bemerkte StR R. Zeeb: 'Wenn wir auch kein Geld haben, ein bisschen Geld haben wir sicherlich: Die Sanierung des Rathauses ist überfällig.'
StR
Lieberwirth
(REP) lobte den Finanzbürgermeister: 'Sie haben sehr kämpferisch das Damoklesschwert über den Gemeinderat geschwungen'. In dieser Frage stehe auch Stuttgarts guter Ruf auf dem Spiel. Die Stadt sei bekannt dafür, 'dass sie die finanzstärkste Stadt ist und dass sie auch den besten Haushalt, den sichersten, den konsolidiertesten Haushalt in Deutschland hat, und mit zu den Großstädten zählt mit den geringsten Schulden'.
Besorgt zeigte sich StR
Deuschle
(PDS): Die schlechtere Finanzlage dürfe nicht zu Lasten der städtischen Beschäftigten oder der Stuttgarter Sozialpolitik gehen. 'Das sind Felder, an die man nicht heran darf."
StR
Föll
sichert EBM Dr. Lang die Unterstützung der CDU-Gemeinderatsfraktion bei den kommenden Haushaltsplanberatungen zu. Dem Dank von StR
Kanzleiter
an EBM Dr. Lang und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Stadtkämmerei für die gründliche Arbeit schließt sich StR
J. Zeeb
an.
Eingehend auf die Stellungnahme von StR
Kanzleiter
betont EBM
Dr. Lang
,
er lege die gleich kritische Messlatte gegenüber allen Ausgabewünschen an. Als politischer Bürgermeister nehme er sich allerdings die Freiheit, seine eigene Meinung zu äußern. An StR
Kugler
gewandt fährt EBM
Dr. Lang
fort, er wolle klarstellen, dass er weder gegen die Olympiabewerbung noch gegen Großprojekte sei. Zur Verbesserung der Standortqualität im internationalen Wettbewerb bedürfe es zentraler Einrichtungen in dieser Stadt. Wichtig sei es jedoch, eine Gesamtschau vorzunehmen und nicht immer nur das einzelne Projekt zu betrachten.
Die Frage von StR
Lieberwirth
nach dem Grund für sinkende Gewerbesteuereinnahmen beantwortet EBM
Dr. Lang
dahin gehend, dass hierzu in erster Linie die größeren Unternehmen durch eine Anpassung ihrer Vorauszahlungen - und zwar rückwirkend auch für das Jahr 2000 - beigetragen hätten. Bundesweit sei die Entwicklung bei den Gewerbesteuereinnahmen stabil. Aus der Vergangenheit wisse man, dass Gewerbesteuereinnahmen sehr stark örtlich abhängig seien und unterschiedliche Entwicklungen zum Steigen oder Fallen in einer Kommune führten.
OB
Dr. Schuster
stellt abschließend fest:
Der Gemeinderat hat vom vorläufigen Rechnungsabschluss 2000, vom Halbjahresbericht zur Finanzlage (Finanzbericht 2001) und von den Eckdaten zum Doppelhaushalt 2002/2003
Kenntnis genommen.