Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
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VerhandlungDrucksache:
362/2002
GZ:
OB
Sitzungstermin: 04/25/2002
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Schuster
Berichterstattung:Herr Söding
(Büro Auer + Weber + Architekten, Stuttgart)
Protokollführung: Frau Haasis
Betreff: Olympiabewerbung der Landeshauptstadt Stuttgart: Masterplan Cannstatter Wasen/Olympiapark
Vorgang: Ausschuss für Umwelt und Technik vom 23.04.2002,

Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 18.04.2002, GRDrs 362/2002, mit folgendem

Beschlussantrag:

1.Dem Masterplan Stuttgart 2012, erarbeitet vom Planungsbüro Auer + Weber + Architekten, Stuttgart, wird grundsätzlich zugestimmt.
2.Entsprechend des Verlaufes des Bewerbungsverfahrens sind die einzelnen Bestandteile jeweils zu konkretisieren. Dies wird durch Einzelbeschlüsse des Gemeinderates der Landeshauptstadt Stuttgart geschehen.
3.Nach einer Benennung Stuttgarts als deutscher Bewerber für die Olympischen Spiele 2012 ist auf Grundlage dieses Masterplans die internationale Bewerbung vorzubereiten. Dazu sind dann nach Möglichkeit Architekturwettbewerbe auszuschreiben.
4.Bis zur Entscheidung über den deutschen Bewerber bzw. bis zur Vergabe der Olympischen Spiele 2012 werden durch die Landeshauptstadt Stuttgart keine Entscheidungen getroffen, die eine Umsetzung des Masterplanes oder von Teilen des Masterplanes unmöglich machen würden.


Pläne zu der im Betreff genannten Angelegenheit sind im Sitzungssaal ausgehängt.

OB Dr. Schuster begrüßt Herrn Söding vom Büro Auer + Weber + Architekten, Stuttgart. Herr Söding, der maßgeblich an der Erarbeitung des Masterplans beteiligt gewesen sei, werde in die Planungen einführen. Herr Prof. Auer könne wegen eines bereits längerfristig anberaumten Termins an der Präsentation leider nicht teilnehmen.

Herr Söding (Büro Auer + Weber + Architekten) verweist einleitend darauf, dass es sich bei dieser Powerpoint-Präsentation um das Ergebnis einer Anfang dieses Jahres begonnenen Arbeit handelt. In enger Abstimmung und guter Zusammenarbeit sowohl mit der Stuttgart 2012 GmbH als auch mit dem Stadtplanungsamt seien mehrere Werkstattgespräche geführt worden, an denen auch OB Dr. Schuster teilgenommen habe. Man habe versucht, die Planung in einen langfristigen Prozess einzubetten, der eigentlich schon zur IGA 1993 mit der Zusammenführung der Grünflächen Schlossgarten, Rosensteinpark und Killesberg begonnen habe. Neben der Planung für Stuttgart 21 und der Innenstadterweiterung im Talkessel betrachte er die Olympiaplanung als einen folgerichtigen Schritt der Stadt heraus aus dem Talkessel an den Neckar.

Einzigartig sei die Bewerbung Stuttgarts - zumindest was die städtebaulichen Gegebenheiten anbelange - durch die Lage der zentralen Sportstätten am Neckarknie. Die räumliche Fassung dieses Tals ermögliche von den benachbarten Weinbergen und Parks eine 'fünfte Ansicht' auf das Gelände. Zudem sei alles vorhanden, was eine Stadt ausmache: Stadt und Natur, Wasserstraßen, Schienenverkehrswege, Freizeiteinrichtungen, aber auch Industrie und Gewerbe.

Herr Söding hebt folgende Punkte hervor:

Nach einer Darstellung der einzelnen Baustufen nimmt Herr Söding zu den Sportstätten Stellung: das Gottlieb-Daimler-Stadion als Olympiastadion, die große Olympiahalle, die mittlere Olympiahalle (Robert-Bosch-Halle), die kleine Olympiahalle (Hanns-Martin-Schleyer-Halle) und die Schwimmhalle. Ein verbindendes Element zwischen diesen sicher völlig unterschiedlich ausfallenden Sportstätten stellten die olympischen Wege dar. Sie seien aufgeständert und ermöglichten einen Ausblick auf das Gelände und auf die Aktivitäten. Der Vorplatz vor dem Gottlieb-Daimler-Stadion und der großen Olympiahalle als 'festliches Forum' sei ein Bereich für besonders herausgehobene Veranstaltungen während der Olympischen Spiele und werde eingefasst durch den 'Ring der Kulturen'. Damit sei die Möglichkeit gegeben, das zur Bewerbung geforderte Kulturprogramm direkt an die Sportstätten heranzuführen und nicht nur eine Symbiose zwischen Natur, Technik und Sport, sondern auch zwischen Sport und Kultur herzustellen.

Das olympische Dorf stärke das Veielbrunnen-Gebiet, indem dessen Strukturen - wenn auch abgewandelt - aufgenommen würden. Herr Söding beschreibt die Lage der internationalen Zone mit Flaggenhainen und Möglichkeiten zur Begrüßung der Mannschaften. Er macht ferner Ausführungen zu den Entwürfen für die Hotels und das Pressezentrum. Zum Cannstatter Wasen schlägt er vor, die gesamte Fläche als Schotterfläche auszuführen, um das Gelände zwischen den Volksfesten für Freizeitaktivitäten und Erholung nutzbar zu machen. Vorstellen könne er sich auch, einzelne Bereiche als kleine Parks oder kleine Erholungsgebiete auszuführen. Sein Büro habe als einziges Element lineare Baumreihen vorgesehen, um eine Orientierung auf dem großen Gelände zu schaffen. Anhand von Bildern aus der Computerwerkstatt führt Herr Söding die von Herrn Giers, einem Lichtkünstler, entworfenen Illuminationen vor.

Das Büro Auer + Weber + Architekten wolle - so Herr Söding - 'die Flamme an den Neckar tragen' und hoffe, ein bisschen Begeisterung geweckt zu haben, damit in Stadt, Region und Land die 'innere Flamme' entstehe für die Olympischen Spiele.

OB Dr. Schuster dankt Herrn Söding für diese Präsentation und für die dahinter stehende Arbeit. Er freue sich über die seiner Ansicht nach gelungene Masterplanung, die er hiermit gerne zur Diskussion stelle.

StR R. Schmid (CDU) nimmt wie folgt Stellung: Mit der gleichen Begeisterung, mit der die CDU-Gemeinderatsfraktion die Leichtathletik-WM ’93 begleitet habe, wolle sie in einer gemeinsamen Anstrengung mit diesem überzeugenden Konzept die Olympischen Spiele in die Region Stuttgart holen. Seine Fraktion sei sich sicher, dass Stuttgart eine echte Chance habe. Die in den letzten Monaten in einem Masterplan zusammengefügten Gedanken, Ideen und Überlegungen hätten 'Klasse'.

Stuttgart könne durchaus selbstbewusst in diesen Ausscheidungswettbewerb gehen, so StR R. Schmid. Die Stadt biete Spiele der kurzen Wege in einem ansprechenden Ambiente am Fluss, in schöner Landschaft zwischen Wald und Reben und ein sowohl begeistertes als auch faires Publikum. Stuttgart biete Super-Sportanlagen und ein Olympisches Dorf in unmittelbarer Nähe zu diesen Anlagen, nahe des städtischen Lebens. Dies alles seien Punkte, die eigentlich überzeugen müssten.

Die CDU-Gemeinderatsfraktion habe vor allem beeindruckt, dass mit dem olympischen Gedanken ein 'richtiger Ruck' durch die Region gegangen sei. Es zögen alle an einem Strang und eigene Interessen würden zurückgestellt. Seine Fraktion unterstütze die Bewerbung aber auch, weil sie glaube, dass dieses Konzept der Stadt, sei es ohne Olympia oder nach Olympia, beste Perspektiven und Entwicklungschancen biete.

Abschließend betont StR R. Schmid, Olympische Spiele müsse man nicht nur ausrichten wollen, man müsse sie auch ausrichten können. Dass Stuttgart dies wolle und könne, sei heute eindrucksvoll unterstrichen worden. Natürlich benötige man auch ein bisschen Glück bei dieser Entscheidung - und das wünsche er Stuttgart und der Region.

StR Kanzleiter (SPD) sieht in diesem Masterplan eine einmalige Chance für Stuttgart. Er überzeuge in vollem Umfange, und die SPD-Gemeinderatsfraktion sei sich sicher, dass Stuttgart die Bewerbung um die Olympiade mit diesem Plan gewinnen könne. Der Plan zeige auf, welche Entwicklungschancen es hier auf einem engen Raum gebe. Dies darzustellen halte er für eine große Leistung des Architekturbüros Auer + Weber, aber auch des Stadtplanungsamtes, welches mitgeholfen habe, das Projekt so weit zu bringen. Seine Fraktion sei stolz auf beide: auf die Architekten, die das geleistet hätten, und auf die Verwaltung, die zugearbeitet und sicherlich wesentliche Ideen beigetragen habe.

Stuttgart trete an, um zu gewinnen. StR Kanzleiter hebt hervor, dies werde nur möglich sein mit einer möglichst breiten Unterstützung für diese Bewerbung. Das, was er auf verschiedenen Veranstaltungen in den letzten Tagen habe erleben können, lasse hoffen auf eine Unterstützung des Projekts durch die Bevölkerung. An den Sozialdemokraten werde es nicht fehlen, sie seien dabei!

Seine Fraktion halte es für wichtig - so StR Kanzleiter -, noch mehr als bisher die Internationalität dieser Stadt zu betonen. Die Welt müsse sehen, dass Stuttgart eine weltoffene Stadt sei. Vor wenigen Tagen habe der Sprecher der Jugendverbände, der ehemalige Jugendratssprecher in Stuttgart, ausgeführt, Stuttgart solle seine Internationalität, die Vielzahl der ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, positiv sehen und dies für Olympia aufzeigen. Dies sei seiner Ansicht nach eine wesentliche konzeptionelle Aussage, die man sich in der Tagespolitik immer wieder vergegenwärtigen sollte. Er sage das nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern weil es wirklich wahr und wichtig sei, damit Stuttgart eine Chance habe nicht nur mit Projekten in 'konkreter Lyrik', sondern auch im konkreten Umgang mit der Bevölkerung.

Die SPD-Gemeinderatsfraktion stimme zu und trage bei zu einer breiten Mehrheit für dieses Projekt.

StR Wölfle (90/GRÜNE) stellt einleitend fest, 'die olympische Flamme zündle auch schon bei den GRÜNEN'. Von Anfang an habe seine Fraktion ihre Ansicht deutlich gemacht, dass die Region ohne Olympiabewerbung die gleiche Strahlkraft besäße. Die Mehrheit habe anders entschieden. Der Masterplan habe den größten Charme darin, dass er wertvolle Anregungen gebe, womit sich der Gemeinderat zum Vorteil der Stadt beschäften könne, auch wenn die Bewerbung nicht zum Erfolg führe. Das sei sein größter Nutzen, und insofern bekomme er auch die Zustimmung der Gemeinderatsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN.

Sollte Stuttgart gewinnen, werde die Stadt ein nachhaltiges Problem haben. StR Wölfle erinnert an die Diskussion über die Auslastung der Robert-Bosch-Halle. Er sei gespannt, ob ein Investor zu finden sei, der die Hoffnung habe, ohne Olympia sogar noch eine weitere Halle zu füllen.

Konkret wolle er den von der Gemeinderatsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN besonders geschätzten Radweg Neckar ansprechen. Sollte sich im Vorfeld ein NOK-Mitglied in die Gegend verirren und zudem mit dem Fahrrad fortbewegen, müsste es feststellen, 'wie schlampig Stuttgart mit seinem wertvollen Gut Neckar umgehe'. Es wäre ein nettes Beiwerk, wenn dieser Radweg bereits vorab in einen olympiawürdigen Zustand gebracht würde. An OB Dr. Schuster gewandt kündigt StR Wölfle an, er werde gemeinsam mit ihm durch den Neckar schwimmen, wenn es mit Unterstützung von Bund und Land gelinge, die Wasserqualität des Neckars entsprechend zu heben. StR Wölfle plädiert abschließend für eine Nutzung, die insgesamt einen nachhaltigen Sinn und Zweck für Stuttgart hat.

Auch die Gemeinderatsfraktion Freie Wähler begrüße - so StR J. Zeeb (FW) - den Masterplan. Er sei gelungen. Die Planung habe fröhlichen Schwung, sie biete kurze Wege und erweitere die Idee der gut gelungenen IGA von 1993. Die Bewerbung sei schlüssig, und sie sei keine Utopie. Klar sei, dass die Planung nicht in allen Punkten perfekt sein könne, und es seien die Verkehrsprobleme noch genauer zu beleuchten; die Planung zeige jedoch Entwicklungsmöglichkeiten auf im Bereich des Neckarknies, des Gaskessels, des Wasens und der Umgebung der jetzigen Sportstätten, die auf Jahre hinaus richtungsweisend sein könnten - mit oder ohne Olympische Spiele.

StR J. Zeeb unterstreicht als Aufgabe des Gemeinderats, die in diesem Hause geweckte Begeisterung in die Bevölkerung hinauszutragen und die Machbarkeit dieser Bewerbung zu verdeutlichen. Seine Fraktion werde dazu ihren Beitrag leisten. Sein Dank gelte den 'Bearbeitern für das Entzünden der Flamme, die man jetzt auf den Tisch und nicht darunter stellen müsse'.

StR R. Zeeb (FDP/DVP) zeigt sich erfreut über die aufgezeigten Entwicklungsmöglichkeiten auf dem Wasen. Den Planern seien größte Komplimente zu machen. Es seien Fachleute am Werk gewesen, Bilder und Pläne sprächen mehr als tausend Worte. Für Stuttgart werde auf der ganzen Welt ein Anspruch auf Olympia erhoben, freie Architekten im Einklang mit den Fachleuten der Stadt hätten die Zukunft Olympia für Stuttgart vorgestellt. Dies sei gelungen, und seine Fraktion stimme gerne zu.

StR Lieberwirth (REP) legt dar, die Gruppe DIE REPUBLIKANER hätte sich sehr gefreut, die Leichtathletik-Weltmeisterschaft nach Stuttgart zu bekommen, und sehe ein Plus darin, dass Stuttgart Austragsungsort der Fußball-Weltmeisterschaft sei. Dagegen halte sie es neben den finanziellen auch aus topographischen Gründen nicht für realistisch, in Stuttgart Olympische Spiele abzuhalten. In der Enge des Tales, auch wenn es sich öffne, sei die Großzügigkeit einer olympischen Anlage nicht gegeben. Es sei zu berücksichtigen, dass Stuttgart an dieser Stelle einen Verkehrsknotenpunkt habe; der Berufsverkehr fließe nach Westen, nach Osten und nach Süden, über die B 10 und auch von Norden her. Dieses Projekt sei sicher interessant und habe einen gewissen Reiz, aus den genannten Gründen jedoch nicht sinnvoll. Die Gruppe DIE REPUBLIKANER lehne die Vorlage ab.

StR Lieberwirth bringt ferner seine Befürchtung zum Ausdruck, dass sich die aufgrund von Stuttgart 21 zu erwartende Baustelle nicht mit den Olympischen Spielen vereinbaren lässt. OB Dr. Schuster führt aus, Stuttgart 21 werde nach jetziger Planung bis 2012, mit Sicherheit aber bis zur Olympiade fertiggestellt sein. Die Olympischen Spiele seien eine nationale Aufgabe, der sich auch die Bahn, sollte Stuttgart den Zuschlag erhalten, nicht entziehen könne. Wichtig sei dennoch, dass die Olympia-Planungen nicht von der Fertigstellung von Stuttgart 21 abhängig seien und es nicht zu einer Drucksituation durch die Bahn kommen könne.

Zum von StR Lieberwirth angesprochenen Gelände Wasserwerk und Kohlelagerplatz bestätigt OB Dr. Schuster, es handle sich in beiden Fällen tatsächlich um Gelände der NWS, das diese gern verkaufen wolle. Da es Sonderflächen seien, liege die Planungshoheit in beiden Fällen bei der Stadt. Sein Ziel sei es - sollte die Stadt die nächste Runde gewinnen -, Investoren zu finden, die das Gelände kauften.

Auch wenn die Präsentation beeindruckend sei - so StR Deuschle (PDS) -, müsse über das Jahr 2012 hinaus gedacht werden. Dann gebe es eine Konzentration von Sportstätten, zu denen weiterhin die Menschen strömten, und die während der Spiele an den S-Bahn-Haltestellen außerhalb Stuttgarts ausgebremsten Autos drängten hinunter in eine Verkehrssituation, die heute schon für die dort wohnenden Menschen unerträglich sei. Die Neugestaltung des Bereichs Güterbahnhof könne auch ohne Olympia 2012 realisiert werden. Ein gutes Beispiel hierfür sei die Südstadt in Tübingen, wo man wirklich Hervorragendes geleistet habe. Er halte es auch für sinnvoll, die Stadt an den Fluss heranzuführen. Keine Überlegungen gebe es in dem Plan jedoch zu dem Gebiet von der König-Karls-Brücke flussabwärts. Er betrachte dies als sehr wenig nachhaltig; seiner Ansicht nach müsse es darum gehen, für die Menschen, die heute schon dort wohnten, die Verbindung vom Wohngebiet zum Wasser ohne störende Straße zu realisieren.

StR Deuschle teilt abschließend mit, aus den genannten Gründen und weil die Stadt das Geld für viele andere Dinge benötige, gegen die Beschlussvorlage zu stimmen.

OB Dr. Schuster stellt abschließend fest: