Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
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VerhandlungDrucksache:
1465/2005
GZ:
OB 0334-10
Sitzungstermin: 02.02.2006
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Schuster
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Huber-Erdtmann
Betreff: Änderung der Entschädigungssatzung
(Stadtrecht 0/8) und der Fraktionsfinanzierungssatzung (Stadtrecht 0/12)

Vorgang: Verwaltungsausschuss vom 01.02.2006, nichtöffentlich, Nr. 27

Ergebnis: einmütige Zustimmung mit Maßgabe


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 25.01.2006, GRDrs 1465/2005, mit folgendem

Beschlussantrag:

1. Die Satzung zur Änderung der Satzung der Landeshauptstadt Stuttgart über die Entschädigung für ehrenamtliche Tätigkeit vom 14.12.1978, zuletzt geändert am 28.10.2004, wird entsprechend der Anlage 1 beschlossen.

2. Die Satzung zur Änderung der Satzung der Landeshauptstadt Stuttgart über die Finanzierung der Arbeit der Fraktionen, Gruppierungen und Einzelmitglieder des Gemeinderats vom 25.04.1996, zuletzt geändert am 28.10.2004, wird entsprechend der Anlage 2 beschlossen.

3. In den Verwaltungshaushalten 2006 und 2007 werden überplanmäßige Ausgaben von jährlich insgesamt 299.000 € zugelassen, die bei der Finanzposition 1.9140.8500.000, Deckungsreserve, gedeckt werden.


Zu diesem Tagesordnungspunkt liegen der Änderungsantrag der Gruppe DIE REPUBLIKANER laut Schreiben an OB Dr. Schuster vom 01.02.2006 sowie die Anfrage Nr. 20/2006 von StR Rockenbauch (SÖS) vor. Sie sind der Niederschrift beigefügt.


BM Murawski bittet, entsprechend der Beschlusslage des Verwaltungsausschusses den Beschluss mit der Maßgabe zu fassen, dass in § 2 Abs. 3 der Satzungsneufassung die in Klammern befindliche Passage "(z. B. Theaterbeirat)" gestrichen wird.


Die Ausführungen der Mitglieder des Gemeinderats sind nachstehend im leicht gekürzten und redigierten Wortlaut wiedergegeben.


StR Uhl (CDU):

"Aufgrund der Diskussionen der letzten Wochen und Monate waren über alle Parteien hinweg Fraktionen und OB Dr. Schuster sich einig, dass dringend eine Veränderung in der Entschädigungssatzung durchzuführen ist, denn die Auslegungs- und Nachweisprobleme waren deutlich geworden. Ich verhehle nicht, dass es auch in der CDU-Fraktion eine Diskussion darüber gab, dass sich durch die neue Entschädigungssatzung die Selbstständigen künftig schlechter stellen werden. Trotzdem gab es in unserer Fraktion eine große Mehrheit für die neue Regelung. Im Vergleich zu anderen Städten ist das, was wir jetzt beschließen werden, angemessen. Insgesamt ist die Satzung wesentlich vereinfacht und gestrafft worden, sodass keine Interpretationen mehr möglich sind. Ein Ehrenamt soll keinen Vorteil ermöglichen, aber es sollte auch demjenigen keinen Nachteil bringen, der sich für das Ehrenamt zur Verfügung stellt.

Unter diesen Gesichtspunkten ist die CDU-Fraktion der Meinung, dass wir mit der heutigen Vorlage eine gute Satzung auf den Weg bringen. Wir werden ihr deshalb zustimmen. Wir haben Verständnis für die Kollegen, die dies nicht tun können, weil sie es als ungerecht ansehen, dass vielleicht der eine oder andere am Ende doch einen gewissen Nachteil hat, aber ich darf schließen mit einem Satz von John F. Kennedy, der gesagt hat: 'Das Leben ist ungerecht, aber denke daran, nicht immer zu deinen Ungunsten.' In diesem Sinne hoffe ich, dass wir jetzt eine große Mehrheit für diese Satzung zustande bekommen und die unsägliche Diskussion, die in den letzten Wochen geführt worden ist, abschließen können."


StR Kanzleiter (SPD):

"Es gab schon lange kein Thema mehr, das die Öffentlichkeit und auch den Gemeinderat so intensiv und nachhaltig beschäftigt hat wie das Thema der Anpassung bzw. Änderung der Struktur der Aufwandsentschädigung und des Sitzungsgeldes für den Gemeinderat. Ganz neu ist diese Diskussion allerdings nicht, denn auch in der Vergangenheit gab es immer eine öffentliche Debatte, wenn Änderungen anstanden.

Ich darf namens der SPD-Fraktion feststellen, dass wir unsere Freizeit und unsere berufliche Arbeitszeit zu einem nicht unerheblichen Umfang für das Mandat im Gemeinderat zur Verfügung stellen. Wir bemühen uns um die Formulierung und Umsetzung einer guten Politik für unsere Stadt. Dies ist uns, so glaube ich sagen zu können, bisher gelungen, und es soll auch in Zukunft so bleiben.

Bei der Aufwandsentschädigung und beim Sitzungsgeld handelt es sich um einen Teilausgleich für den Gesamtaufwand, den wir als Gemeinderätinnen und Gemeinderäte für unsere Bürgerschaft in Stuttgart erbringen. Dieser Ausgleich sollte so ausgestaltet sein, dass auch künftig qualifizierte Bürgerinnen und Bürger bereit sind, die Aufgabe als Gemeinderat wahrzunehmen. Ich sage dies auch mit einem gewissen Selbstbewusstsein, und ich sage auch, dass wir insgesamt kein schlechtes Gewissen haben. Die jetzt vorgesehene Anpassung halten wir insoweit für vertretbar. Wir stimmen ihr deshalb mit breiter Mehrheit zu und hoffen, dass damit das Thema für längere Zeit erledigt ist.

Die Struktur der Vergütung und des Sitzungsgeldes wird diesmal grundlegend verändert. Wir als SPD-Fraktion hätten sehr gut und gerne mit der bisherigen Grundstruktur leben können. Wir bedauern, dass wir sie aufgeben und eine Neuregelung vornehmen müssen, aber wir geben zu, dass sehr viele unbestimmte Rechtsbegriffe eine Strukturveränderung rechtfertigen, zumal ja auch die Rechtsaufsichtsbehörde dieser Auffassung ist. Insoweit spricht sehr viel für die Veränderung der Struktur des Sitzungsgeldes und der Aufwandsentschädigung. Wir sollten uns jetzt wieder auf unsere Aufgabe als Gemeinderäte konzentrieren, denn es gibt genügend zu tun für unsere Stadt."


StR Wölfle (90/GRÜNE):

"Die Hoffnung, dass das Thema für die nächste Zeit erledigt ist, hege ich leider nicht. Es gehört ja schon seit geraumer Zeit in der Presse zum guten Ton, dass man über Politiker, und seien es ehrenamtliche wie wir, erst einmal einen Kübel ausschüttet. Ich lade alle ein, die eine ähnliche Transparenz über ihre Entschädigungen für ein Ehrenamt in der Zeitung nachlesen möchten, bei uns mitzuwirken.

Die Tätigkeit eines Stadtrates macht manchmal Spaß, es gibt aber auch viele Dinge, die alles andere als vergnüglich sind. Dass die Medien so umfangreich über dieses an sich nicht bedeutsame Thema berichten, ist bedauerlich, aber das scheint zur Zeit üblich zu sein. Wir bewegen in dieser Stadt andere Dinge, die für weitaus mehr Menschen von Belang sind als die Frage, ob wir jetzt 60 € oder 90 € Sitzungsgeld bekommen.

Der heutige Vorschlag bewirkt eine Vereinheitlichung, und so wie das Leben an sich ungerecht ist, bleibt es das auch in dieser Frage. Das Engagement der Einzelnen ist unterschiedlich, aber das gehört auch dazu. Kümmern wir uns weiterhin wie bisher auch um das Geschäft zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger!"


StR J. Zeeb (FW):

"Die Freien Wähler begrüßen natürlich den Wunsch der Verwaltung und des Regierungspräsidiums, die noch offenen Zweifelsfälle bezüglich der rechtmäßigen Gewährung von erhöhten Sitzungsgeldern aufzuklären. Wir fragen uns aber dennoch, was das für eine verdrehte Welt ist, dass Firmenbesitzer, Handwerksmeister, Freiberufler, die tagsüber, während der besten Arbeitszeit, ihr Ehrenamt im Gemeinderat ausüben, gegenüber Staatsanwaltschaft und Regierungspräsidium keinen Verdientsausfall rechtssicher geltend machen können.

Für uns steht das politische Ehrenamt und nicht die Aufwandsentschädigung im Vordergrund, aber der Berufsgruppe der Selbstständigen und Freiberufler sollten dadurch keine großen Nachteile entstehen, denn sonst wird unser Stadtparlament beruflich immer unausgewogener besetzt und keinen repräsentativen Querschnitt durch die Bevölkerung mehr darstellen. Da sich im Moment jedoch keine praktikablere Lösung anbietet, um echten Verdienstausfall rechtssicher nachzuweisen, wird die Fraktion der Freien Wähler der neuen Entschädigungssatzung zustimmen. Jedoch sollte unserer Meinung nach der § 19 der Gemeindeordnung, der die Entschädigungssatzung behandelt, vom dafür zuständigen Landtag überarbeitet und an heutige Verhältnisse angepasst werden. Wir bitten OB Dr. Schuster, dieses Anliegen zu unterstützen."


StR R. Zeeb (FDP):

"Im heutigen Amtsblatt lautet die Überschrift 'Einfache und klare Lösung'. Das ist richtig. Unsere Fraktion wird der heutigen Drucksache auch zustimmen, doch es stellt sich die Frage, ob uns nichts Besseres einfällt, als eine einfache und klare Lösung zu beschließen, denn die bisherigen Grundlagen waren - wenn sie richtig angewandt worden sind - gerecht, und sie werden in vielen anderen deutschen Städten nach wie vor so gehandhabt.

Nun entsteht eine Satzung zum Nachteil der Selbstständigen. Aber man geht ja nicht in den Gemeinderat, um Geld zu verdienen, sondern es soll nur ein ganz kleiner, bescheidener Aufwandsersatz sein. Der Gemeinderat will eine einfache und klare Lösung; dem stimmen wir zu. Dies ist aber eine Haltung, die alle gleichstellt - und ich möchte anmerken, dass das keine liberale Haltung ist."


StR Schlierer (REP):

"Die Diskussion um Ehrenamt und mögliche Nachteile, die Frage, was gerecht ist, wird sicherlich nie ein für alle befriedigendes und von allen akzeptiertes Ergebnis bringen können. Es ist auch nur ein Teil von Nachteilen ausgleichsfähig. Aber eines sollten wir uns bei der Diskussion um Satzungen oder auch um Gesetze, die sich mit solchen Ausgleichszahlungen jedweder Art beschäftigen, im Auge behalten: Als Politiker steht man dann unter ganz besonderer Wahrnehmung, und das zu Recht, denn das Selbstbewusstsein als Politiker kann nur bedeuten, auch dann eine sehr ausgeprägte Sensibilität zu besitzen, wenn es darum geht, für sich selbst etwas zu entscheiden, und zwar durchaus auch zu eigenen Gunsten, während man gleichzeitig auch ständig in der Pflicht steht, zum Nachteil anderer Entscheidungen treffen zu müssen.

Bei dieser Neuregelung ist ja der Ausgangspunkt, dass die Regelung beim Sitzungsgeld verändert werden muss, und auch die bisherige Ausgleichsregelung im Bereich Sozialversicherungen ist sicherlich etwas, das geändert werden musste. Die vorgeschlagene Vereinfachung führt bei einigen zu Einbußen. Insoweit vertreten wir Republikaner die Auffassung, dass dort, wo Einbußen die Folge dieser klareren und einfacheren Regelung sind, ein Ausgleich geschaffen werden muss. Für nicht vertretbar halten wir es jedoch, wenn bei dieser Gelegenheit insgesamt ein deutlicher Zuschlag für alle herauskommt, der einen erheblichen Mehraufwand für den Steuerzahler bedeutet. Man darf sich als Politiker nicht beklagen, wenn man einmal kritisiert wird, sondern man muss sich bewusst machen, was das bedeutet, anderen zuzumuten, den Gürtel enger zu schnallen, und dann selbst relativ großzügig im Bewusstsein um die eigene Bedeutung auf der Position zu beharren, es müsse dann schon mehr sein, weil man ja so gut ist. Daraus entsteht Politikerverdruss.

Wir Republikaner haben uns diese Satzungsänderung sehr genau angesehen und stellen deshalb heute den Ihnen vorliegenden Änderungsantrag, denn wir wollen im § 2 Abs. 2 und 5 der Anlage 1 die vorgeschlagenen Erhöhungen maßvoller haben. Wir sind der Ansicht, dass es auch dann nicht zu erheblichen Einbußen kommen würde. Im Vergleich zur Vorlage könnten wir fast 95.000 € Mehrausgaben einsparen. Das wäre das richtige Signal an die Öffentlichkeit, und es wäre künftig sicher sehr viel einfacher, in kritischer Haushaltslage allen möglichen Betroffenen etwas zuzumuten. Wir müssen uns auch selber etwas zumuten. Wir bitten daher, unserem Änderungsantrag zuzustimmen."


StRin Küstler (DIE LINKE.PDS):

"Der Gemeinderat will jetzt 300.000 € pro Jahr in die Hand nehmen, und es ist schon etwas absurd, dass das mögliche oder mutmaßliche Fehlverhalten eines Mitgliedes des Gemeinderates dazu führen soll, dass eine Erhöhung der Ausgaben um insgesamt 30 % stattfindet. Das ist ein Verhalten nach dem Motto: 'Wer mehr bekommt, kommt nicht in Versuchung' - oder wie soll man das verstehen? Für mich ist auch nicht nachvollziehbar, dass es nicht möglich gewesen wäre, nach der alten Regelung die jeweilige Berechtigung zu kontrollieren.

Ich halte die Neuregelung auch deswegen für falsch, weil sie Selbstständige benachteiligt. Auch hier hätte es möglich sein sollen, korrekt nachzuvollziehen, wo tatsächlich eine Einbuße entsteht. Freizeit kann meiner Ansicht nach überhaupt nicht entschädigt werden, jedenfalls nicht mit Geld.

Dann wird argumentiert, in anderen Städten bekämen Gemeinderatsmitglieder mehr Geld als in Stuttgart. Das ist in meinen Augen gar keine Begründung; man könnte ja auch sagen, dass die Münchner zuviel bekommen. In den gerade abgeschlossenen Haushaltsplanberatungen ging es um wesentlich kleinere Beträge in sozialen und in kulturellen Bereichen - ich erwähne als Beispiel das SALZ oder die Kultursäulen. Mit den 300.000 € pro Jahr hätte man diese Anliegen auf mehrere Jahre hinaus finanzieren können. Es macht sich meiner Ansicht nach auch nicht gut, wenn Sie den städtischen Beschäftigten durch Arbeitszeitverlängerung das Arbeitsentgelt kürzen und sich selbst gleichzeitig 30 % mehr genehmigen. Das ist keine Neiddebatte, es ist eine Debatte darum, was angemessen und was nötig ist und was denen am meisten nützt, die es am dringendsten brauchen. Meines Erachtens sollte die Aufwandsentschädigung an die Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst gekoppelt werden.

Aus all diesen Gründen lehne ich die vorgeschlagene Erhöhung der Aufwandsentschädigung und der Sitzungsgelder ab."


StR Rockenbauch (SÖS):

"Schon bevor ich diesem Gremium angehörte, war mir klar, dass hier einige nicht genug bekommen können. Nun bin ich hier Mitglied und stelle fest, dass die Mehrheit sich selber bedient. Man kann von Selbstbedienung reden, wenn wir jetzt in den Haushalt fast 300.000 € mehr einstellen. Es hat schon ein 'Geschmäckle', dass wir das gerade in diesen Zeiten tun und z. B. für das SALZ kein Geld haben, uns selbst aber 300.000 € mehr zur Verfügung stellen. Das kann nicht sein. Ich werde nicht akzeptieren, dass ich jetzt davon auch noch profitieren soll, und werde das Geld, das ich jetzt mehr bekomme, in fortschrittliche bürgerschaftliche Projekte spenden. Ich lehne die Vorlage ab. Und wenn wir es hier richtig machen wollten, sollten wir eigentlich alle wegen Befangenheit den Saal verlassen."


Abschließend stellt OB Dr. Schuster zur Abstimmung:

1. Antrag der Gruppe DIE REPUBLIKANER auf Änderung in § 1 Ziffer 2 der Anlage 1 zur GRDrs 1465/2005 bei 2 Ja-Stimmen mehrheitlich abgelehnt

2. GRDrs 1465/2005 einschließlich der im Verwaltungsausschuss beschlossenen Maßgabe, in § 2 Abs. 3 der Satzungsneufassung die in Klammern befindliche Passage "(z. B. Theaterbeirat)" zu streichen

bei 4 Nein-Stimmen mehrheitlich beschlossen