Protokoll:
Gemeinderat
der Landeshauptstadt Stuttgart
Niederschrift Nr.
TOP:
245
-
Verhandlung
Drucksache:
-
GZ:
OB
Sitzungstermin:
11/14/2002
Sitzungsart:
öffentlich
Vorsitz:
OB Dr. Schuster
Berichterstattung:
-
Protokollführung:
Frau Haasis
hr
Betreff:
Resolution des Stuttgarter Gemeinderats
zur Wohnungsbauförderung
Die im Betreff genannte Resolution ist dieser Niederschrift angeheftet.
Gegen die Bitte von OB
Dr. Schuster
, das im Betreff genannte Thema in die Tagesordnung aufzunehmen, erheben sich keine Einwendungen.
OB Dr. Schuster verweist auf die den Mitgliedern des Gemeinderats vorliegende Resolution <siehe Anlage>. Die Stadt wende sich an den Bund mit dem Ziel, dass Ballungsräume mit erhöhtem Wohnungsbedarf nach wie vor auch vom Bund gefördert würden bzw. es durch Abschreibungsmöglichkeiten leichter werde, den Wohnungsbau zu finanzieren.
StR
Föll
(CDU), StRin
Hollay
(SPD), StRin
Fischer
(90/GRÜNE), StR
Kauderer
(FW), StR
R. Zeeb
(FDP/DVP) und StR
Lieberwirth
(REP) bringen ihre Zustimmung zu dieser Resolution zum Ausdruck. Die jeweiligen Stellungnahmen werden nachstehend im gekürzten Wortlaut <leicht bereinigt> wiedergegeben:
StR
Föll
:
"Wir können dieser Resolution zustimmen. Ich will zwei Bemerkungen machen:
- Zur Eigenheimzulage, die für diese Stadt eine hohe Bedeutung hat, weil sie die Schwelle zur Eigentumsbildung deutlich absenkt: Es gibt eine aktuelle Untersuchung der Bauminister der Länder über die Wirkungsweisen, und dort wird ganz eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass die Argumentation, die Eigenheimzulage sei zu reduzieren, weil man damit die Zersiedelung der Landschaft verhindern wolle, nicht richtig ist. Immerhin haben 50 % der in der Vergangenheit über die Eigenheimzulage geförderten Haushalte eine Wohnung oder ein Haus im Altbestand in der Stadt erworben und lediglich 44 % einen Neubau in einem Neubaugebiet. Diese deutliche Reduzierung der Eigenheimzulage hat offensichtlich nicht nur finanzielle Gründe, sondern sie hat vor allem ideologische Gründe, weil man damit die Eigentumsbildung, insbesondere auch für Haushalte, die nicht so üppig bedient sind, reduziert. Es gibt in dem Expertengutachten der Bauminister der Länder auch die Aussage, dass ein für die Eigenheimzulage eingesetzter Euro 50 € an Investitionssumme auslöst und damit natürlich auch Umsatzsteuer und andere Steuern in die Kasse des Bundes spült.
- Zum Zweiten sind wir sehr wohl der Meinung, dass wir auch in Stuttgart etwas tun können. Wenn wir das Landeswohnungsbauprogramm 2003 lesen, dann stellen wir fest, dass in Stuttgart im Jahr 2001 1,45 Wohnungen je 1000 Einwohner genehmigt wurden. In den anderen baden-württembergischen Stadtkreisen waren es 2,0 Wohneinheiten je 1000 Einwohner, im ganzen Land Baden-Württemberg waren es fast 3 1/2 Wohneinheiten. Und warum es ein solch schlechtes Ergebnis gibt, liegt schlicht an der Tatsache, dass es in diesem Gemeinderat politische Gruppierungen gibt, die die Ausweisung von Neubaugebieten blockieren. Die Bauverwaltung trägt ihr Übriges dazu bei, indem sie die Umsetzung von Flächenplannutzungsänderungen und Bebauungsplänen auf die lange Bank schiebt. Ich kann nur sagen, wir müssen auch in Stuttgart etwas tun und entsprechendes Bauland anbieten, damit die Menschen die Wohnungen und die Häuser bauen können, die sie benötigen."
StRin
Hollay
:
"Auch wir werden dieser Resolution zustimmen, und zwar deshalb, weil wir zutiefst davon überzeugt sind, dass das Thema Wohnungsversorgung in Großstädten wichtig ist. Wir haben dieses Thema immer hoch gehalten und werden das auch weiterhin tun. Es kann nicht nur ein Thema der Kommunen sein, sondern es wird auch zukünftig ein Thema von Kommunen, Land und Bund sein. Nur so können wir - gerade in Großstädten - vernünftige Politik machen. Deshalb finden wir es ausgesprochen positiv, dass sich die Großstädte zu Wort melden.
Wir sind der Meinung, dass nicht nur die Kommune, sondern auch Bund und Land dafür verantwortlich sind, dass in Ballungsräumen entsprechender Wohnungsbau stattfindet. Ich weiß, dass die Länder zunächst einmal analog zur Bundesförderung ihre Mittel im Wohnungsbauprogramm ausweisen. Dies hindert die Länder aber nicht daran, mehr zu tun für ihre Ballungsräume. Und wenn wir schon eine Resolution der Großstadt München nehmen, dann muss man auch darauf hinweisen, dass das Land Baden-Württemberg insgesamt im vergangenen Jahr 37 Mio. € für den Wohnungsbau ausgegeben hat und das Land Bayern 280 Mio. €. Von Nordrhein-Westfalen mit 950 Mio. € will ich gar nicht reden. Im vergangenen Jahr hat die Bundesregierung ein Ballungsraumprogramm aufgelegt, von dem auch das Land Baden-Württemberg profitiert hat.
Wir sind uns einig, dass wir auf kommunaler Seite auch etwas tun müssen. Ich behaupte, allein durch die Ausweisung von Bauland ist keine einzige Wohnung zusätzlich gebaut worden, es müssen auch die anderen Rahmenbedingungen stimmen. Es ist wesentlich, wie die Kommune ihre Programme ausgestaltet, und wieder kann ich hier München als Vorbild nehmen. Wenn wir so flexibel wären und so ausgabefreudig wie die Münchner, die ein ausgesprochen differenziertes und auf Zielgruppen abgestimmtes Wohnungsbauprogramm haben, könnten wir uns auch wieder entsprechend vergleichen. Ich will als ein letztes Beispiel einfach sagen, wenn man hier im Gemeinderat noch Mehrheiten dafür hat, bei der SWSG eine Kapitalherabsetzung zu machen, wenn man die Zweckentfremdung aufhebt, dann sind das Grundlagen, die eben genau dem Wohnungsbau und der Wohnungsversorgung in dieser Großstadt entgegensprechen."
StRin
Fischer
:
"Es macht keinen Sinn, Wohnungsbaufördermittel mit der Gießkanne auszuschütten. Die Versorgung mit Wohnraum ist in der Republik zu unterschiedlich, und es ist richtig, die Förderung dort zu begrenzen, wo durch Leerstände belegt ist, dass das Angebot die Nachfrage übersteigt. In Stuttgart ist es genau umgekehrt, deswegen unterstützen wir diese Resolution.
Wir haben mit unseren Anträgen zur Neugestaltung des städtischen Förderprogramms deutlich gemacht, dass uns die Förderung im Altbau besonders wichtig ist, und wir wollen weiterhin den Fokus mehr auf Kinder gelegt haben. Es ist das Ziel, Wohnungsbauförderung zu betreiben. Wenn es hier heißt, 'es gibt Fraktionen, die den Neubau blockieren', kann es wohl sein, dass Sie auch uns damit meinen. Wir sagen aber, dass es sich um eine Gratwanderung handelt, wie weit ich in einer Kommune wie Stuttgart, in einem Ballungsraum, die letzten Freiräume zubaue und in Landschaftsschutzgebiete mich hineinbegebe, und ob ich damit nicht vielleicht sogar bewirke, dass wieder mehr Leute sich draußen im Grünen Eigentum erwerben und der Stadt den Rücken kehren.
Am Land kritisieren wir, dass es seine Wohnungsförderung zurückgefahren hat und dass insbesondere zu wenig für den sozialen Wohnungsbau getan wird. Über 90 % der Gesamtfördermittel gehen in die Eigenheimförderung und nicht in den sozialen Wohnungsbau."
StR
Kauderer
:
"Wir werden selbstverständlich dieser Resolution zustimmen, aber sie geht uns bei weitem nicht weit genug. Endlich müssten Abschreibungen auf alle Investitionen genehmigt werden. Das würde die Schwarzarbeit eindämmen, das Gewerbe fördern und die erhofften Steuern bringen, die sonst einfach verloren gehen. Nicht mit mehr Abgaben wird die Steuerkraft erhöht und die Wirtschaft angekurbelt: Steuerermäßigungen und erhöhte Abschreibungen würden den notwendigen Schwung bringen."
StR
R. Zeeb
:
"Alles Richtige ist gesagt worden, und ich bin froh, dass wir eine gemeinsame Resolution verabschieden können. Es muss doch jedem klar sein, dass, wenn man diese bescheidenen Förderungen und Impulse, auf die die Leute gebaut haben, ersatzlos streicht, man gerade die kleinen Leute ins Mark trifft. Das hat mit Subventionsabbau überhaupt nichts zu tun. Hier hat man geplant und gespart, und diese Ansparzeiten sind zehn, fünfzehn Jahre lang, gerade bei den Bausparkassen - das kann man doch nicht ersatzlos streichen! Ich hoffe, dass diese Resolution an richtiger Stelle wahrgenommen wird."
StR
Lieberwirth
:
"Was in den Städten fehlt, sind Mietwohnungen, und es ist natürlich fatal, wenn man jetzt versucht, degressive Gebäudeabschreibungen auf Mietwohnungen zu reduzieren oder ganz abzuschaffen. Es sind die starren Regeln abzubauen, die den Mietwohnungsbau behindern, damit z. B. auch Versicherungsunternehmen wieder Mietwohnungen bauen, wie das in der Vergangenheit in großem Stil der Fall war. Es kann nur gut tun, mehr Freiraum zu schaffen. Das Zweite ist die Reduzierung der Zuschüsse für Familien mit Kindern. Auch das ist eine Entwicklung, die kontraproduktiv ist, was Familienplanung und was Kinder anbelangt. Das ist eher familienunfreundlich.
Was die Bebauung anbelangt, sind wir natürlich auch dagegen, dass man in Landschaftsschutzgebiete hineinbaut, dass Streuobstwiesen und die letzten Reste einer gesunden Umgebung einer Stadt vernichtet werden. Wir sind der Auffassung, dass es genügend Bauplätze gibt, gerade zur Lückenbebauung, um Mietwohnungen zu schaffen. Wir werden der Resolution zustimmen."
OB
Dr. Schuster
stellt abschließend fest:
Der Gemeinderat
beschließt
die Resolution einstimmig.