Protokoll: Gemeinderat der Landeshauptstadt StuttgartNiederschrift Nr.
TOP:
204
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VerhandlungDrucksache:
780/2001
GZ:
OB 0300-06
Sitzungstermin: 09/20/2001
Sitzungsart: öffentlich
Vorsitz: OB Dr. Schuster
Berichterstattung:-
Protokollführung: Frau Haasis kr
Betreff: Ausscheiden von Herrn Stadtrat Gregor Maihöfer (CDU) aus dem Gemeinderat der Landeshauptstadt Stuttgart
Vorgang:

Verwaltungsausschuss vom 19.09.2001,
nichtöffentlich, Nr. 457

Ergebnis: einmütige Zustimmung


Beratungsunterlage ist die Vorlage des Herrn Oberbürgermeisters vom 27.08.2001, GRDrs 780/2001, mit folgendem

Beschlussantrag:

Der Gemeinderat stellt fest, dass ein wichtiger Grund für das Ausscheiden des Stadtrats Gregor Maihöfer aus dem Gemeinderat vorliegt.


OB Dr. Schuster stellt fest:

Der Gemeinderat beschließt ohne Aussprache einstimmig wie beantragt.


OB Dr. Schuster dankt Herrn Maihöfer für seine mit großem persönlichen Engagement geleistete Arbeit im Gemeinderat und seine konstruktiven, kritischen Beiträge vor allem in den Bereichen, die sich mit Wirtschaftsfragen beschäftigten, aber auch im Personalbeirat. Für die neue berufliche Herausforderung wünsche er Herrn Maihöfer alles Gute und ein ebenso erfolgreiches Wirken wie in Stuttgart. Als Zeichen des Dankes für eine insgesamt fünfjährige Tätigkeit im Stuttgarter Gemeinderat überreicht OB Dr. Schuster Herrn Maihöfer die Erinnerungsmedaille in Bronze.

Die Abschiedsrede von Herr Maihöfer wird nachfolgend im Wortlaut (leicht gekürzt) wiedergegeben:

"Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren,

nur wenigen ist es vergönnt, die mehr oder weniger ungeteilte – oder manche würden sagen 'nachhaltige' – Aufmerksamkeit der hier Anwesenden zu erzielen, zumal dann, wenn man hier vor Ihnen steht. Sehr gerne hätte ich die Chance genutzt, diesen Auftritt etwas humoristischer zu gestalten, die aktuellen Ereignisse verbieten jedoch leider weitgehend entsprechende Äußerungen.

Da ich seit Beginn des Jahres schon wusste, dass ich heute trotz meines für die CDU jugendlichen Alters in den mehr oder weniger honorigen Status des Altstadtrats eintrete, schossen mir auch immer wieder bedeutungsvolle und tiefsinnige Gedanken durch den Kopf. Fehler war nur, dass beim selbstkritischen Nachdenken immer wieder die Erkenntnis kam, dass ich diese heroischen Äußerungen a) schon öfters gehört habe, b) sofort wieder vergessen habe und - schlimmer noch - c) mehrfach darüber gelacht habe. Außerdem gilt nach wie vor der kluge und von vielen leider zu wenig beachtete und respektierte Spruch von Papst Johannes XXIII.: 'Giovanni, nimm dich nicht so wichtig!' Die Richtigkeit dieser Äußerung einer der Lichtgestalten des 20. Jahrhunderts kann jeder von uns unschwer nachvollziehen, wenn er – in der Regel unerkannt – den Marktplatz überquert oder sich sonstwo in der Innenstadt aufhält. Im Bewusstsein dieser aus meiner Sicht notwendigen Anmerkung über unsere relativ zu sehende Publicity als Volksvertreter in der breiten Öffentlichkeit bekenne ich trotzdem gerne, dass es mir angesichts der beruflichen Herausforderung in Hamburg schwer gefallen ist, von meiner Heimatstadt Stuttgart wegzugehen, insbesondere natürlich deshalb, weil mir die Arbeit hier im Gemeinderat 'saumäßig Spaß gemacht hat'.

Gestatten Sie mir aber ein ernstes Wort im Hinblick auf die volkswirtschaftliche Bedeutung des Faktors Tourismus, die in Deutschland – egal ob Hamburg, Berlin oder Stuttgart – vielfach von den politisch Verantwortlichen gleich welcher Ebene immer wieder unterschätzt wird. Was für Stuttgart und Baden-Württemberg die Automobilzuliefererindustrie ist, entspricht im Groben der Hafen- und Werftindustrie in Hamburg. Beiden Bereichen ist aber sicher eines gemeinsam: der Tourismus und die Sparten Hotellerie und Gastronomie bieten erheblich mehr Arbeitsplätze, tragen erheblich mehr zum Bruttosozialprodukt bei und sind zudem ein harter und zugleich weicher Standortfaktor gerade für die einheimische Bevölkerung, die nach wie vor der beste Multiplikator für das Tourismusmarketing ist.

Mir bleibt hier und heute eigentlich nur der ausdrückliche Dank an all diejenigen, die dazu beigetragen haben, dass ich vielleicht den einen oder anderen positiven Akzent setzen konnte. In erster Linie gilt dieser Dank natürlich dem Fraktionsvorsitzenden, der manche meiner Initiativen mitgetragen hat, auch wenn Inhalt und Sinn sich nicht auf den ersten Blick erschließen ließen, sondern erst beim Hinterfragen von juristisch verklausulierten Formulierungen. Dank aber genauso an meine Fraktion für das Abhalten von unklugen oder falschen Anträgen oder Initiativen.

Danken möchte ich allen Mitgliedern des Gemeinderats, auch aus den anderen Fraktionen, zum einen für ihren Langmut, zum anderen für die Aufgeschlossenheit für Sachargumente. Es gehört zu meinen wichtigsten Erfahrungen, dass insbesondere Kommunalpolitik zuerst sachorientiert ist und erst dann - nicht nur in der Theorie - parteipolitische Erwägungen eine Rolle spielen. Dies gilt für viele Bereiche: die Aufgeschlossenheit für Sachargumente und den vertraulich bleibenden Dialog, gilt aber insbesondere für den Bereich der Personalfragen, für den ich relativ lange auch für meine Fraktion federführend tätig war. Im Dank nicht vergessen möchte ich die Mitglieder der Stadtverwaltung, deren Leistungsfähigkeit und Loyalität mich immer überzeugt haben, und insbesondere war es für mich wertvoll, dass sie immer für neue Ideen aufgeschlossen waren.

Wenn ich im Eifer des politischen Gefechts oder der aus dem Moment geborenen pointierten Äußerung jemanden verletzt hätte, täte es mir wirklich leid. Eine persönliche Verunglimpfung jedenfalls war nie meine Absicht, sondern ausschließlich Ausfluss der Überzeugung, für eine als richtig erachtete Position zu kämpfen.

Wenn ich an das Ende meiner Ausführungen ein Gedicht stelle, das zum Schmunzeln einerseits anregt und andererseits auch uns Hobby-Politiker ein wenig karikiert, dann auch deshalb, weil das Lachen im Berufsleben und hier beim ernsten Tagesgeschäft leider immer wieder viel zu kurz kommt, obwohl manch spaßige Bemerkung Situationen auflösen kann und eine geradezu befreiende Wirkung entfaltet. Deshalb kann ich es mir nicht verkneifen, dieses Gedicht von Wilhelm Busch zu zitieren, der tiefsinnig, humoristisch, aber völlig treffend, folgende Zeilen verfasste: