Landeshauptstadt Stuttgart
Referat Soziales/Jugend und Gesundheit
Gz:
SJG
GRDrs
808/2002
Stuttgart,
09/25/2002
Städtische Förderung der Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen e.V. (KISS), Marienstraße 3, 70178 Stuttgart, im Jahr 2003 und ab dem Jahr 2004
Beschlußvorlage
Vorlage an
zur
Sitzungsart
Sitzungstermin
Gesundheitsausschuss
Verwaltungsausschuß
Vorberatung
Beschlußfassung
öffentlich
öffentlich
11.10.2002
23.10.2002
Beschlußantrag:
Die Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen e.V. (KISS), Marienstraße 9, 70178 Stuttgart, wird im Jahr 2003 entsprechend der bestehenden Beschlüsse gefördert.
Der Aufwand ist aus Mitteln des Verwaltungshaushalts 2003, Finanzposition 1.5000.7001.000 - Förderung sonstiger Selbsthilfegruppen - zu decken.
Der Bewilligung liegen die Allgemeinen Bewilligungsbedingungen zu Grunde.
Über die Förderung von KISS ab dem Jahr 2004 wird im Rahmen der Beratungen zum Doppelhaushalt 2004/2005 entschieden. Die Gesundheitsverwaltung informiert den Gesundheitsausschuss im ersten Halbjahr 2003 durch eine Mitteilungsvorlage.
Begründung:
Die Bedeutung von Selbsthilfegruppen und die Aufgaben der Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen (KISS)
Selbsthilfegruppen sind freiwillige, meist lose Zusammenschlüsse von Menschen, deren Aktivitäten sich auf die gemeinsame Bewältigung von Krankheiten oder Behinderungen, psychischen oder sozialen Problemen richtet, von denen sie oder ihre Angehörigen betroffen sind. In Stuttgart engagieren sich nach Schätzungen von KISS etwa 20.000 Menschen in über 500 Selbsthilfegruppen. Bei etwa 1/3 der Gruppen stehen chronische Krankheiten oder Behinderungen im Vordergrund, bei jeweils etwa 20% der Gruppen Suchtprobleme bzw. soziale und psychosoziale Probleme, weitere wichtige Themenbereiche sind: familienbezogene Selbsthilfegruppen, Frauen- und Männergruppen, Initiativen. Im Sozial- und Gesundheitswesen werden Selbsthilfegruppen zwischenzeitlich als wichtige Ergänzung der sozialen, psychosozialen und gesundheitlichen Versorgung betrachtet, vor allem wenn es um die Bewältigung von Krankheitsfolgen und um die Verbesserung der sozialen Infrastruktur geht.
Selbsthilfegruppen stellen damit einen erheblichen Anteil an ehrenamtlichem oder bürgerschaftlichem Engagement dar.
Unterstützt werden diese Selbsthilfegruppen seit 1989 in Stuttgart durch die Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen (KISS). Im Einzelnen hat KISS folgende Aufgaben:
Information und Beratung von Selbsthilfeinteressierten, Selbsthilfegruppen und Fachleuten
Infrastrukturelle, organisatorische und technische Unterstützung von Selbsthilfegruppen
Förderung der Vernetzung von Selbsthilfegruppen
Verankerung der Selbsthilfe in der gesundheitlichen und sozialen Versorgung und im Gemeinwesen, Interessenvertretung für die allgemeinen Belange von Selbsthilfegruppen
Dokumentation der Aktivitäten von Selbsthilfegruppen und der selbsthilferelevanten Entscheidungen und Entwicklungen in der Stadt
In den letzten 13 Jahren sind sowohl die Zahl der Interessenten wie der Selbsthilfegruppen in Stuttgart stark gestiegen. Auch die gesellschaftliche Anerkennung und Bedeutung der Selbsthilfegruppen hat erheblich zugenommen. KISS hat dazu einen wesentlichen Anteil beigetragen. Dies hat dazu geführt, dass die Kapazitäten von KISS voll ausgelastet sind und Betroffene wie Gruppen häufig auch längere Wartezeiten in Kauf nehmen müssen, bis ihre Anliegen bedient werden können.
Städtische Förderung und Finanzierung der Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen
Aufgrund des Beschlusses des Verwaltungsausschusses vom 23.02.2000 (GRDrs 85/2000) wurde KISS in den Jahren 2000 bis 2002 wie folgt gefördert:
1. Raumkosten für Selbsthilfegruppen
KISS erhält für Raumkosten des Gruppenzentrums für anonyme Selbsthilfegruppen in der Metzstraße 11 seit 1991 einen jährlichen Zuschuss von bis zu 75 % der Raum- und Raumnebenkosten. Diese Förderpraxis erscheint nach wie vor angemessen und sollte so bestehen bleiben.
2. Laufender Betrieb
66 2/3 % Personalkosten (2 Stellen für Fachkräfte, 1 Stelle Verwaltungspersonal)
75 % Raum-und Raumnebenkosten
50 % Sachkosten
Förderfähige Ausgaben ./. Einnahmen (mind. 30 % Eigenmittel) ./. Regelzuschuss = städtischer Sonderzuschuss
Auf dieser Basis wurden im Jahr 2002 für Raumkosten für anonyme Selbsthilfegruppen ein Zuschuss von 2.950 € und für den laufenden Betrieb ein Zuschuss von 128.667 € bewilligt.
Einzelheiten zur städtischen Förderung 2001 und 2002 sind aus Anlage 1 ersichtlich.
Ab dem Jahr 2003 ist über die städtische Förderung neu zu beschließen.
Aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre meldete der Träger folgenden Bedarf zur Sicherstellung der künftigen laufenden Arbeit an:
Erhöhung des Fachpersonals um eine 0,5 Stelle
Reduzierung des Eigenmittelanteils von bisher 30 % auf 25 % der förderfähigen Ausgaben
Ausführungen hierzu sind aus Anlage 2 ersichtlich.
Die Gesundheitsverwaltung teilt die Einschätzungen des Trägers und befürwortet eine entsprechende erhöhte städtische Förderung.
Mit dem Träger wurde verabredet, dass aus folgenden Gründen hierüber erst im Rahmen der Beratungen zum nächsten Doppelhaushalt beraten und beschlossen werden soll:
1. Anpassung an den Rhythmus der städt. Doppelhaushalte
2. Klarheit der Landesförderung
3. Erarbeitung einer Leistungsbeschreibung als Bestandteil einer künftigen Zuwendungsvereinbarung
Vorgesehen ist die Umstellung der bisherigen städtischen Förderung auf pauschale Fördersätze auf der Grundlage der Pauschalen für die Kosten eines Arbeitsplatzes.
Über die noch ausführlich zu erarbeitenden Teile der Zuwendungsvereinbarung und den Vorschlag zur Förderung von KISS ab dem Jahr 2004 wird dem Gesundheitsausschuss im ersten Halbjahr 2003 eine Mitteilungsvorlage vorgelegt werden, so dass der Fachausschuss vor den Beratungen des Haushaltsplans 2004/2005 hinreichend informiert ist.
Beteiligte Stellen
Das Finanzreferat hat der Vorlage zugestimmt.
Gabriele Müller-Trimbusch
Bürgermeisterin
Anlagen
Anlage 1: Städtische Förderung 2001 und 2002
Anlage 2: Bedarfsbegründung des Trägers
Anlage 2
zur GRDrs. 808/2002
Bedarfsbegründung des Trägers
A. Erweiterung der
Fachstellen
für Selbsthilfeunterstützung
um eine halbe Stelle
für die Bereiche ”Information und Beratung” (1) und ”Öffentlichkeitsarbeit
”(2)
Zu 1:
Information und Beratung
von Selbsthilfeinteressierten
Mit der erhöhten Fachkapazität sollen weitere Sprechstunden eingerichtet werden, bzw. einige Sprechstunden doppelt besetzt werden.
Aufgrund der gestiegenen Anfragen hat KISS in den vergangenen Jahren immer wieder geprüft, ob nicht der Bereich der Information (z.B. über bestehende Gruppen in Stuttgart, Treffzeiten/-orte von Selbsthilfegruppen, Grundvoraussetzungen für eine Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe) herausgenommen werden kann aus den Sprechstunden der Fachkräfte und z.B. durch ehrenamtliche MitarbeiterInnen in Form von gesonderten Informationssprechstunden abgedeckt werden kann oder etwa durch die Vorschaltung des Sekretariats.
Folgende fachlichen Gründe haben dagegen gesprochen:
Informations- und Beratungsbedarf lassen sich ganz häufig nicht eindeutig von vorn herein trennen: Informationsanfragen führen in der Mehrzahl der Fälle bei genauerem Nachfragen zu
Beratungsbedarf:
Was genau ist mein Problem? Wo will ich ansetzen? Für welche Bereiche meiner Situation ist eine Selbsthilfegruppe geeignet, für welche brauche ich fachliche Unterstützung, wo finde ich die? Soll ich das mit der Selbsthilfegruppe wirklich mal probieren, ich traue mich nicht richtig, das habe ich noch nie gemacht? Ich habe noch nie eine Gruppe gegründet, das kann ich doch nicht? Es gibt ja verschiedene Gruppen für meine Situation: wie unterscheiden die sich denn und welche ist für mich die Richtige?, usw.
Eine wichtige Aufgabe von KISS ist es, Menschen die Möglichkeiten zu erschließen, die im Austausch mit Gleichbetroffenen liegen - dazu gehört, sie zu unterstützen, ihre Situation und ihren Unterstützungsbedarf genauer wahrzunehmen, sie beratend zu begleiten bei der Suche nach geeigneter Unterstützung und sie zu ermutigen, den Austausch mit Gleichbetroffenen als eine mögliche Form der Unterstützung - nicht selten in Ergänzung zu anderen Formen der Unterstützung - auszuprobieren. Dies ist Aufgabe von Fachkräften der Selbsthilfeunterstützung.
Die Gespräche dauern in ca. 88% der Fälle bis zu jeweils 15 Minuten, bei ca. 12% liegt die Dauer zwischen 15 und (insbesondere bei Gründungsberatungen) 60 Minuten.
entsprechend der Struktur von Selbsthilfegruppen (informell, häufig wenig organisiert, selbstorganisiert, unprofessionell) müssen Selbsthilfeinformation und -beratung niederschwellige
Angebote sein
, d.h. Interessierte sollen auf möglichst einfache, überschaubare Unterstützungsstrukturen treffen. Aus diesem Grund sollen Information und Beratung möglichst in einer Hand liegen, Sprechzeiten Angebote für
alle
Fragen sein.
Seit Anfang 2002 ist KISS im Internet präsent: u.a. mit der Liste der bestehenden Gruppen in Stuttgart und Verweisen auf homepages der jeweiligen Gruppen (soweit vorhanden). So kann ein großer Teil der Informationsanfragen im voraus beantwortet werden. Tatsache ist jedoch auch, dass die Beratungsanfragen seitdem ansteigen.
Kontakt zu den bestehenden Selbsthilfegruppen zu halten und zu pflegen ist Aufgabe der
Fachkräfte
, d.h. sie sind diejenigen, die über die einzelnen Gruppen am besten informiert sind - besonders über die kleineren unorganisierten Gruppen (ca. 40 - 50% ohne Landesverband, ohne Anlaufstelle, ohne viel Informationsmaterial, z.T. sogar ohne Kontaktpersonen). Unterstützung bei der Frage ”welche Gruppe ist geeignet?” ist daher Aufgabe der Fachkräfte.
Information und Beratung
von Selbsthilfegruppen
Mehr Fachkapazität soll die Wartezeiten verkürzen und eine intensivere Anfangsbegleitung ermöglichen und so dazu beitragen, dass Gruppen weiterarbeiten können, anstatt sich wegen fehlender zeitnaher Unterstützung aufzulösen.
Fachliche Information und Beratung von Gruppen
(über Förderung/Unterstützung, Öffentlichkeits-,
Gruppenarbeit, in der Anfangsphase, bei Gruppenproblemen)
gehören zu den Aufgaben der Fachkräfte.
Die Wartezeiten für Gruppen bei derartigen Anfragen sind gestiegen (bis zu 8 Wochen) und behindern teilweise die Gruppenarbeit gravierend - besonders bei Gruppen, die sich wöchentlich treffen und in der Anfangsphase neuer Gruppen.
Zu 2 (Öffentlichkeitsarbeit):
Unterstützung der Öffentlichkeitsarbeit von Selbsthilfegruppen
Mehr Fachkapazität in diesem Bereich soll auch hier die Wartezeiten der Selbsthilfegruppen verkürzen - besonders bei der Gründung neuer Gruppen, eine intensivere Pflege der Internetseite ermöglichen (in Zusammenarbeit mit dem ehrenamtlichen Mitarbeiter) und sicherstellen, dass die Selbsthilfezeitung bzw. das KISS-Blättle regelmäßig erscheint.
B. Reduzierung des Eigenmittelanteils auf 25 % der förderfähigen Gesamtausgaben
Das Angebot von KISS kann weiterhin nur dann im gewohnten Umfang aufrecht erhalten werden, wenn die Reduzierung auf einen Eigenmittelanteil von 25 % erfolgt
Der für die Jahre 2000 bis 2002 vereinbarte Eigenmittelanteil von 30 % der förderfähigen Gesamtausgaben kann dauerhaft nicht erbracht werden. Gründe hierfür sind:
Bußgelder und Spenden sind zunehmend schwerer bei hohem zeitlichen Aufwand zu akquirieren.
Landesförderung bleibt bei steigenden Ausgaben konstant bzw. war im Jahr 2002 leicht rückläufig.
Krankenkassenzuschüsse haben sich zwar aufgrund der Änderungen des § 20 SGB V erhöht, werden jedoch nur gewährt für die Unterstützung von im engeren Sinne gesundheitsbezogenen Selbsthilfegruppen (ca. 60 - 65 % aller Stuttgarter Selbsthilfegruppen). Die Krankenkassenzuschüsse können nur ca. zur Hälfte zur Deckung der laufenden Kosten verwendet werden, bei der anderen Hälfte handelt es sich um projektbezogene Mittel.
Laufende Ausgaben steigen in höherem Umfang, als es bei der Förderung durch die Begrenzung auf die jährlich möglichen Steigerungsraten des Stadthaushaltsplans möglich sind.