Antrag vom 08/23/2005
Nr. 253/2005

Antrag
Stadträtinnen / Stadträte - Fraktionen

SPD-Gemeinderatsfraktion
Betreff

Wohnen in Stuttgart

Wir beantragen:
  1. Die Verwaltung organisiert noch im Herbst d.J. eine Arbeitstagung des Gemeinderats zum Thema "Künftige Wohnungsbaupolitik in Stuttgart". Ziel ist es, eine verbindliche Strategie festzulegen und die dafür maßgeblichen Rahmenbedingungen zu fixieren.
  2. Zu der Tagung sind externe Experten zu den im Zusammenhang stehenden relevanten Themen beizuziehen. (Themen u.a.: Demografische Entwicklung, Arbeitsplätze in Stuttgart, Flächenbedarf für die Wirtschaft, Flächenbedarf für den Wohnungsbau, Wohnungsbau/Wohnbauformen in der Großstadt...)
  3. Vorher nimmt die Verwaltung zu dem in der Anlage beigefügten Papier der SPD-Fraktion Stellung. (Papier und Stellungnahme dienen neben weiteren Positionspapieren (z.B.des OB) als Grundlage für die Diskussion innerhalb der Tagung).

Begründung:

Bisher unwidersprochen, hat die Verwaltung die These aufgestellt, wonach die zu erwartenden Einwohnerverluste bis 2020, durch eine offensive Strategie vermieden werden sollen.

Wenn dies gelingen soll, muss die weitere Vorgehensweise der Stadt gründlich diskutiert und die erforderliche Strategie fixiert werden. Es genügt nicht, immer wieder Meinungen einzelner Mitglieder der Verwaltungsspitze zur Kenntnis zu nehmen. Im Zweifelsfall bleiben solche Äußerungen nämlich ohne politische Konsequenz.

Notwendig ist eine grundlegende Zukunftsdiskussion des Gemeinderats mit verbindlichen Schlussfolgerungen.






Manfred Kanzleiter Annette Sawade Monika Wüst
Fraktionsvorsitzender Stv. Fraktionsvors. Stv. Fraktionsvors.












Anlage zum Antrag:





Wohnen in Stuttgart - Positionen der SPD-Fraktion


Die ausreichende Bereitstellung von Wohnraum entspricht einem Grundbedürfnis der Menschen. Seine Befriedigung ist deshalb eine der wichtigsten Aufgaben der Politik. Auch unter veränderten wirtschaftlichen und demographischen Bedingungen bleibt es Aufgabe der öffentlichen Hand, auf die Entwicklung des Wohnraumbedarfs sachgerecht zu reagieren.

Während es nach dem Krieg und in den Zeiten des wirtschaftlichen Booms der 60er und 70er Jahre primär um die Bewältigung des Wohnraummangels ging, ist es heute Aufgabe der Stadt, Wohnungspolitik auch als Standortpolitik zu begreifen.

Wohnungspolitik geschieht traditionell durch die Setzung von Rahmenbedingungen. Dazu gehören die Stadt- und Baurechtsplanung ebenso wie die gezielte finanzielle Förderung privater und öffentlicher Bautätigkeit. Eine besondere Rolle in der Wohnungsbaupolitik der Stadt Stuttgart spielen traditionell auch die Genossenschaften und die Tätigkeit der städtischen Wohnungsbaugesellschaft SWSG.

Die SPD in Stuttgart steht auch heute zu den genannten Instrumenten. Denn der Markt alleine wird auch künftig nicht in der Lage sein, die vor uns stehenden Aufgaben in der Wohnungs- und Siedlungspolitik zu erfüllen.


Erfüllung des Wohnungsbedarfs als Voraussetzung für eine positive wirtschaftliche und demografische Entwicklung der Stadt Stuttgart.

Die demografische Entwicklung führt auch in Stuttgart zu Einwohnerverlusten. Nach den vorhandenen Prognosen des Statistischen Amts der Stadt wird Stuttgart bis 2020 ca. 30 000 Einwohner verlieren.

Wenn es nicht gelingt, diese Entwicklung zu stoppen, hat dies negative Folgen für die Infrastruktur sowie für die Finanz- und Wirtschaftskraft der Stadt.

Ein wichtiges politisches Ziel muss es deshalb sein, die prognostizierten Einwohnerverluste zu vermeiden. Stuttgart hat dafür gute Chancen. Denn die Veränderung der Einwohnerzahl steht in einem ursächlichen Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Entwicklung und damit mit der Anzahl von Arbeitsplätzen. Es kommt deshalb darauf an, sowohl für die Sicherung und die Ansiedlung von Arbeitsplätzen als auch für den Verbleib und den Zuzug von Einwohnern optimale Bedingungen zu schaffen. Um Fortzüge zu reduzieren, ist eine weitere Stabilisierung der Wohnquartiere notwendig. Wichtig sind Verbesserungen des Wohnumfeldes, Modernisierung des Wohnungsbestands, Ausbau der Infrastruktur und Förderung sozialer Bindungen.

Mit einer gezielten Verbesserung der Attraktivität Stuttgarts, insbesondere für Familien im mittleren Einkommensbereich, muss es zudem gelingen, Einwohnerverluste an das Umland zu vermeiden. Hierzu bedarf es neben konkurrenzfähiger Einrichtungen der Erziehung und Bildung, der Kultur und der Freizeit weiterer, die Qualität des Standorts fördernder Faktoren. Eine hohe Umweltqualität gehört dazu ebenso wie ein gutes und bezahlbares Wohnungsangebot.

Wenn man berücksichtigt, dass der Wohnraumbedarfs pro Einwohner weiterhin steigt und für wegfallenden Wohnraum Ersatz geschaffen werden muss, sind zur Erreichung des Ziels, die Einwohnerzahl auf dem heutigen Niveau zu stabilisieren, nach den vorliegenden Erkenntnissen bis 2020 ca. 25 000 zusätzliche Wohnungen nötig.

Die SPD-Gemeinderatsfraktion bekennt sich zu dem genannten Ziel.

Abhängig von konjunkturbedingten Bedarfsschwankungen ist es u.E. deshalb notwendig, bis zum Jahr 2020 pro Jahr ein- bis zweitausend (im Durchschnitt ca. 1500) neue Wohnungen zu schaffen.

Unterschiedliche Bedarfsgruppen erfordern unterschiedliche Angebote auf dem Wohnungsmarkt

Die SPD-Fraktion möchte erreichen, dass der Wohnraumbedarf aller Bevölkerungsgruppen befriedigt wird. Dies macht auch in der Zukunft die Schaffung von Wohnraum im öffentlich geförderten Wohnungsbau erforderlich.

Stuttgart wird jedoch in Zukunft, noch mehr als seither, auf den Zuzug qualifizierter Arbeitnehmer angewiesen sein. Auch gilt es, möglichst viele Einwohner/innen, die sich mit der Absicht befassen, ins Umland abzuwandern, dazu zu bewegen, auf diesen Schritt zu verzichten bzw. eine solche Entscheidung wieder rückgängig zu machen. Hier Schwerpunkte zu setzen ist auch angesichts der Politik mancher Kommunen im Umland nötig, die gezielt mit günstigen Bauflächen versuchen, Stuttgarter Einwohner zur Abwanderung zu bewegen.

Nach Aufassung der SPD-Fraktion müssen für den Wohnungsbau der nächsten Jahre folgende Kriterien zur Anwendung kommen:

Zum Flächenbedarf

Das Stadtentwicklungskonzept (STEK) geht in seinen Aussagen von einer vom Statistischen Amt prognostizierten sinkenden Einwohnerzahl aus. Auch wenn wir durch eine zielbewusste Politik erreichten wollen, dass die Einwohnerverluste vermieden werden, sind die im STEK entwickelten Kriterien als Grundlage für anstehende politische Entscheidungen geeignet:
  1. Das STEK unterstreicht das politische Ziel, so wenig wie möglich Flächen in neuen Baugebieten zu beanspruchen, denn Freiraum allgemein und hochwertige Grün -und Erholungsflächen sind Teil der Attraktivität unserer Stadt.
  2. D.h. Innenentwicklung muss vor Außenentwicklung stehen. Grundlage für aktuelles politisches Handeln muss nach Aufassung der SPD-Fraktion der gültige Flächennutzungsplan sein.
  3. Ob in einem künftigen Flächennutzungsplan eine weitere Außenentwicklung notwendig ist, hängt davon ab, wie viel Innenentwicklung tatsächlich umgesetzt werden kann.
Vorrang für die Innentwicklung

Aus dem Vorgenannten ergibt sich folgende Konsequenz:


Bestehende Wohngebiete attraktiv gestalten

Wohngebiete, die nach dem Kriege gebaut wurden, sind meist wertvoll. Sie wurden nach modernen Gesichtspunkten der damaligen Zeit geplant und verfügen oft über genügend Freiraum und eine funktionierende Infrastruktur. Allerdings sind sie wegen der fortschreitenden Segregation besonders ins Blickfeld geraten. Stadtteile wie Freiberg, Mönchfeld, Fasanenhof, Giebel, Hallschlag, usw. haben wegen des gleichzeitigen Alterungsprozesses der dortigen Bevölkerung inzwischen viele Einwohner verloren. Wegen der Systematik der Förderprogramme beim Bau der Stadtteile hat sich zudem die Bewohnerstruktur teilweise stark verändert. Insgesamt leiden die Stadtteile deshalb - meist ungerechtfertigt - unter Ansehensverlusten und damit auch Wertverlusten.
  1. Die bisher ergriffenen Maßnahmen im Rahmen des Bund-Länder-Programms ”die soziale Stadt” reichen u.E. nicht aus, diesen Defiziten dauerhaft entgegenzuwirken. Ergänzende Schritte sind nötig.
  2. Ziel der Stadt muss es sein, diese Stadtteile mit zusammengenommen annähernd 100 000 Einwohnern, wie bei ihrem Bezug, für mittlere Einkommensschichten attraktiv zu machen. Nur so ist es möglich, dass sie ihre Potenziale für die gesamtstädtische Wohnraumversorgung wieder besser zur Verfügung stellen können.
  3. Besonderer Wert ist auf eine Verjüngung der Bevölkerung zu legen.
  4. Im Rahmen einer speziellen Untersuchung ist zu klären, mit welchen Einzelmaßnahmen die genannten Ziele zu erreichen und welche Förderprogramme hierfür nötig sind.

Neue Wohnbaugebiete

Innenentwicklung, Nutzung der Neubauflächen im Rahmen des bestehenden Flächennutzungsplans (einschließlich der Potenziale in S 21, Güterbahnhof Bad Cannstatt, Killesberg nach de Messe, usw.) , Steigerung der Attraktivität der Stadtteile...

Alle diese darin enthaltenen Möglichkeiten, Bauflächen zu aktivieren, sind möglicherweise begrenzt. Dazu kommt, dass die Verfügbarkeit von potenziellen Bauflächen ebenfalls eine wichtige Rolle spielt.

Deshalb kann es auch aus Sicht der SPD-Fraktion erforderlich sein, über neue Baugebiete nachzudenken. Für die nächsten Jahre lehnen wir jedoch neue Baugebiete außerhalb des geltenden Flächennutzungsplanes ab, weil dadurch der Druck zur Innenentwicklung gelockert werden könnte. Dies wollen wir vermeiden. Erst wenn sich zeigt, dass die Ziele der Bevölkerungssicherung mit den beschriebenen Maßnahmen nicht erreichbar sind, werden wir uns für eine weitergehende Diskussion öffnen.

Unabdingbar ist es für einen solchen Fall, dass es nicht nur um zusätzlichen Flächenverbrauch gehen kann, sondern gleichzeitig darum, Freiräume dauerhaft zu schützen. Dazu gehören verbindliche Konzepte für Landschaftsparks ebenso wie der Schutz von landwirtschaftlichen Flächen, Biotopen u.ä.


Stuttgart,den 19.8.05