Antrag vom 03/30/2009
Nr. 142/2009

Antrag
Stadträtinnen / Stadträte - Fraktionen

Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion
Betreff

Goldene Wasserhähne für die EnBW?

Die „Grundsatzvereinbarung mit der EnBW Regional AG (REG) zur Neuordnung der Stuttgarter Wasserversorgung“ (GRDrs 185/2009) ist aus unserer Sicht ein Schnellschuss mit schwammig formulierten Absichtserklärungen. Sie schadet dem Ziel der Gründung eigener, ökologischen Zielen verpflichteter Stadtwerke sogar. Sie beinhaltet keine klare Aussage über den Rückkauf des Wasser- und später weiterer Netze von der EnBW. Die Unterstellung, sie sei zu dem Zweck geschrieben, der SPD die Zustimmung zur Kapitalerhöhung bei der LBBW abzuluchsen, ist nahe liegend. Diesen Zweck hat sie voll erfüllt.

Dient diese Vorlage dem Ziel einer kommunalen Hoheit über die Wasserversorgung? Wir Grünen sind der Auffassung, dass die in der Vorlage beschriebene Neuordnung der Stuttgarter Wasserversorgung nicht vorrangig den Interessen der Stuttgarter Bürgerschaft dient. Wir wollen nicht nur die Wasserrohre, sondern auch „das Wasser zurück’ – und zwar ganz. Wir wollen künftig in eigener Regie ökologisch ausgerichtete Wasser- und Energiepolitik betreiben können.

Die Wasserversorgung ist wie die Versorgung mit Strom und Gas eine Aufgabe der kommunalen Daseinsvorsorge. Sie lässt sich wirtschaftlich betreiben, sie rentiert sich sogar. Warum soll dieser Ertrag nicht in die Kommunalen Haushalte fließen? Dass sich eigene Stadtwerke rechnen, sagt sogar die Verwaltung „Dies entspricht der durchschnittlichen Rendite der Spezialfonds, ohne dass dabei Risiken aus der Entwicklung der Finanzmärkte gegeben sind.“ (GRDrs 185/2009). Im Unterschied zur Kapitalerhöhung für die LBBW sind eigene Stadtwerke krisen- und ertragssicher.

Mit dieser Vorlage sichert sich die EnBW ihr Geschäftsfeld mit der Stadt für die nahe Ewigkeit und mindert die Gefahr des Verlustes der Konzessionen bei Gas und Strom. Wenn jetzt vorab der Konzessionsvertrag für Wasser mit der EnBW mit einer Laufzeit bis 2024 verlängert werden soll, erübrigt sich die Frage, welchem Betreiber ab dem Jahr 2014 die Konzessionen für Strom und Gas zugeschlagen werden. Wer das Wassernetz bis 2024 betreibt, kann Synergien – die der derzeitige Betreiber wiederholt beschrieben hat – nutzen, die sich aus der gemeinsamen Bewirtschaftung der Versorgungsnetze für Wasser, Gas, Strom und Fernwärme ergeben.

Die in der Vorlage 185/2009 beschriebene Neuordnung der Stuttgarter Wasserversorgung nimmt somit die Konzessionsvergaben bei Strom und Gas vorweg. Der Aufbau eigener Stadtwerke oder auch nur die anspruchsvollere Fassung des Konzessionsvertrags für eine ökologische, nachhaltige und kostengünstige Grundversorgung wird damit erschwert bzw. verunmöglicht.

Leider ziemlich durchsichtig ist die Maxime der Verwaltung ‚Je komplexer und wichtiger eine Fragestellung, desto schneller wird sie durch die Ausschüsse gepeitscht’. Wie auch in der Frage der Kapitalerhöhung bei der LBBW darf die Fragestellung über eines der zentralen Stuttgarter Versorgungsnetze nicht übers Knie gebrochen werden. Die Eile, mit der die Drucksache noch vor der Kommunalwahl verabschiedet werden soll, nährt unseren Verdacht, dass die Dynamik des Wahlkampfs geschickt ausgenutzt werden soll. Mit dem Slogan ‚Wir holen unser Wasser zurück’ wird die EnBW geschickt platziert, dass es ihr für goldene Wasserhähne reicht. Die geplante Änderung der Tarifstruktur, was nichts anderes als eine Erhöhung des Wasserpreises bedeutet, lässt sich unter Beteiligung der Stadt sicher leichter durchsetzen, denkt sich die EnBW.

Nicht unerwähnt lassen möchten wir, dass diese Vorlage unserer Auffassung nach nicht mit europäischem Recht kompatibel ist. Diese Auffassung teilen Europaabgeordnete von CDU, SPD und Grünen.


I Wir beantragen:

Der Gemeinderat beschließt aus den folgenden Gründen nicht über die Vorlage 185/2009:
– Die Beschlussfassung wäre eine Entscheidung gegen die Gründung Stuttgarter Energie-Stadtwerke.
– Sie bindet die Stadt auch bei der Konzessionsvergabe Strom und Gas ab 2014 an die EnBW.
– Sie ist wahrscheinlich nicht mit EU-Recht kompatibel.


II Stattdessen wollen wir folgende Grundsatzbeschlüsse erreichen. Wir beantragen:

1. Die früher von der Stadt gehaltenen Mitgliedschaften einschließlich der Wasserbezugsrechte und –pflichten in den Wasserzweckverbänden (Bodenseewasserversorgung, Landeswasserversorgung, Filderwasserversorgung und Strohgäuwasserversorgung) werden wieder zu 100 Prozent von der Stadt übernommen.
2. Die Verwaltung wird beauftragt, frühzeitig vor der spätestens Ende 2011 erforderlichen Veröffentlichung der Neuausschreibung der Konzessionen von Wasser, Gas und Strom die für eine Grundsatzentscheidung ‚Eigene Stuttgarter Stadtwerke’ oder ‚Ausschreibung der Konzessionen’ erforderlichen Informationen zusammenzutragen. Dabei wird auch dargestellt, wie die Stuttgarter Versorgungsnetze von Wasser, Gas und Strom in einem sich zu 100 Prozent im Besitz der Stadt befindlichen Stadtwerk gebündelt werden können.


III Wird eine Neuordnung der Stuttgarter Wasserversorgung unabhängig von den anderen Versorgungsnetzen von der Mehrheit durchgesetzt, beantragen wir: 1. Der Wert des Stuttgarter Wassernetzes wird von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer ermittelt. Die Wertermittlung erfolgt auf der Basis des Ertragswerts, auf dessen Basis auch der Verkaufspreis des Wassernetzes an die EnBW im Jahr 2002 erfolgte – und nicht wie in der Vorlage vorgeschlagen, mit dem Substanzwertverfahren.
2. Die Konzession für Wasser wird nicht über 2013 verlängert, sondern mit den Laufzeiten der Konzessionen von Strom und Gas synchronisiert.
3. Es wird eine verbindliche Stellungnahme in Brüssel darüber eingeholt, a) ob die vorgeschlagene Neuordnung der Stuttgarter Wasserversorgung mit europäischem Recht vereinbar ist; denn es ist weiterhin ein privater Partner dabei; b) sie nicht ein Vertragsverletzungsverfahren nach sich zieht; und c) nicht eine europaweite Ausschreibung erforderlich machen würde.
4. Es wird dargestellt, wie eine unabhängige Konzessionsvergabe für Strom und Gas erfolgen kann, wenn das Wasser schon bei der EnBW ist. Um wie viel teurer würde das Wasser werden, wenn die Synergieeffekte durch Wasser, Strom und Gas aus einer Hand wegfallen würden.


Werner Wölfle Muhterem Aras


Roland Kugler Peter Pätzold