Antrag vom 07/17/2003
Nr. 182/2003

Antrag
Stadträtinnen / Stadträte - Fraktionen

Küstler Ulrike (PDS), PDS im Stuttgarter Gemeinderat
Betreff

Erhöhung der Gewerbe- und Grundsteuer

Gewerbe- und Grundsteuer erhöhen

Antrag zu den Eckdaten Doppelhaushalt 2004/2005, GRDrs 694/2003

Die Hebesätze für die Gewerbesteuer und Grundsteuer sollen auf den Stand von 1998 angehoben werden, das ist bei der Gewerbesteuer eine Erhöhung von derzeit 420 Punkten auf 445 (Erhöhung um 6 Prozent) und bei der Grundsteuer von 420 auf 470 Punkte (Erhöhung um 12 Prozent). Eventuell kann diese Erhöhung auch in zwei Stufen 2004 und 2005 erfolgen.

Die erzielten Mehreinnahmen von grob geschätzt jährlich ca. 24 Mio. Euro bei der Gewerbesteuer und ca. 13 Mio. Euro bei der Grundsteuer werden in ein Sondervermögen „Sozialinvestitionen“ eingestellt, aus dem Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und Verbesserung der Kinder- und Schülerbetreuung finanziert werden.

Die Eckdaten zum Doppelhaushalt 2004/2005 werden entsprechend überarbeitet.

Begründung:

1. Es ist nicht einzusehen, dass die eingetretenen und absehbaren Verschlechterungen bei den Einnahmen ausschließlich durch Kürzungen beim Personal und Einschränkung der städtischen Leistungen für die Daseinsvorsorge aufgefangen werden sollen. Die Verwaltung soll in die Eckdatenplanung für den Doppelhaushalt eine moderate Erhöhung von Gewerbe- und Grundsteuer aufnehmen, das ist sozial gerecht. Damit die Steuererhöhung nicht zum „Löcher Stopfen“ versickert und so auf dann berechtigten öffentlichen Unmut stößt, ist eine erklärte Zwecksetzung für die erzielten Mehreinnahmen sinnvoll.

2. Ein Standortnachteil erwächst Stuttgart aus einer solchen Erhöhung nicht. Abgesehen davon, dass eine solch moderate Erhöhung keine Firma zum Wegzug bewegt, lag und liegt Stuttgart im Vergleich der Großstädte mit diesen beiden Kommunalsteuern im unteren Bereich (Gewerbesteuer: Frankfurt: 500, München 490, Hannover, Düsseldorf 460 usw., siehe den lobenswerten Bericht des Steueramtes über die Realsteuern vom April 2001). Die Erhöhung der Gewerbesteuer belastet die Firmen nicht im vollen Umfang, da sie mit der Körperschaftssteuer verrechnet werden kann. Diese Verrechnung belastet die Kommune nicht nennenswert.

3. Eine negative Auswirkung auf die Konjunktur ist durch die moderate Erhöhung der Gewerbesteuer nicht zu erwarten. Eventuelle Gewinneinbußen bei den steuerpflichtigen Unternehmen werden ausgeglichen durch die dann möglichen Mehrausgaben der Stadt bzw. der ärmsten Schichten der Bevölkerung. Dadurch ist ein positiver konjunktureller Effekt zu erwarten, da der größte Teil dieser Ausgaben dem örtlichen Gewerbe und Handel zugute kommt und somit den Nachfrageeinbruch der letzten Zeit ausgleichen hilft.

4. Bei der Struktur des Grundbesitzes in Stuttgart – die Hälfte etwa Geschäftsgrundstücke, viele Eigentumswohnungen und -häuser, relativ wenig Mietwohnungen – ist nicht einzusehen, dass der in den vergangenen Jahren überproportionale Wertzuwachs ausschließlich den Eigentümern zu gute kommt. Schließlich hat die Attraktivität der Stadt erheblich zu diesem Wertzuwachs beigetragen. Und die Attraktivität der Stadt ist zu erheblichen Teilen durch öffentliche Leistungen und Ausgaben entstanden. Ein Solidarbeitrag der Grundeigentümer durch eine erhöhte Grundsteuer ist also angebracht. Eine Auswirkung auf die Mieten ist zwar vorhanden, kann aber in Kauf genommen werden, da zum einen der Anteil der Grundsteuer an der Gesamtmiete nicht sehr hoch ist, zum anderen bei den ärmsten Bevölkerungsschichten ein Ausgleich durch Sozialhilfe und/oder Wohngeld erfolgen kann.

5. Die verbindliche Zwecksetzung für die Verwendung der Mittel aus einer solchen Steuererhöhung in einen Haushalt Sozialinvestitionen ist angebracht, auch im Sinne eines „Bürgerhaushaltes“, der Transparenz schafft, wofür die von der Stadt eingenommen Mittel verwandt werden. Nachdem auch die IHK Region Stuttgart mehrfach beklagt hat, dass die mangelnde Kinderbetreuung ein Standortnachteil darstellt, wird die Akzeptanz bei Handel und Gewerbe für eine zweckgebundene Steuererhöhung vermutlich größer sein als eine allgemein mit der schlechten Haushaltlage begründete.

Die Einrichtung eines Sondervermögens kann in der Form einer Bürgerstiftung erfolgen, in der Einwohnerinnen und Einwohner durch (geringe) Einlagen ein Mitspracherecht bzw. einen Sitz im Aufsichtsrat erhalten können.

Welche Projekte im einzelnen aus einem solchen Sondervermögen „Sozialinvestitionen“ zu finanzieren sind, kann im Rahmen der Haushaltsberatungen festgeschrieben werden. Die Eckdaten dafür wären: Einnahmenseite: jährlich ca. 37 Mio. Euro (entspricht dem Betrag, der aus der Erhöhung der Realsteuern fließt); Ausgabenseite: Finanzierung einer erweiterten Armutsbekämpfung sowie gezielte Förderung der Schüler- und Kinderbetreuung mit besonderem Schwerpunkt Integration und Förderung der zugewanderten Einwohnerinnen und Einwohner.

Die PDS offene Liste beantragt also, dass die Verwaltung möglichst bald eine Neufassung der Eckdaten zum Doppelhaushalt vorlegt, die eine Erhöhung der Hebesätze auf die genannten Beträge beinhalten. Als mögliche Alternative sollte auch eine stufenweise Anhebung jeweils 2004 und 2005 berechnet werden.

Ulrike Küstler