Mit beeindruckenden Modellprojekten hat die Stadt Stuttgart gezeigt, dass der Energieverbrauch von Gebäuden durch Sanierungsmaßnahmen drastisch gesenkt werden kann. Auch im Bereich erneuerbarer Energien kann Stuttgart gute Beispiele vorweisen, von Solarabsorbern in Freibädern bis zur energetischen Nutzung von Klärgas. Und doch hat der Bericht zum Klimaschutzkonzept KLIKS (GRDrs 258/2007) gezeigt, dass die Stadt ihre selbstgesteckten Ziele bei weitem verfehlt hat.
Deshalb begrüßen wir es sehr, dass der Oberbürgermeister nun diesem Schicksalsthema den dringend nötigen Schub geben will und eine Fortschreibung des Klimaschutzkonzepts (GRDrs 505/2007) vorgelegt hat. Angesichts der Größe und Dringlichkeit des Problems sind viele seiner Vorschläge allerdings recht unverbindlich und zaghaft. Das Klimaschutzkonzept muss kräftig verbessert und ergänzt werden. Dabei beschränken wir uns bei unseren Ergänzungsvorschlägen zunächst auf solche Maßnahmen, die unmittelbar CO2 reduzieren.
Wir beantragen:
In die Fortschreibung des Klimaschutzkonzepts werden zusätzlich folgende Maßnahmen aufgenommen:
1. Modellstadtbezirk für den Klimaschutz
Die notwendige schnelle Reduzierung des CO2-Ausstoßes kann nur gelingen, wenn sehr viele Bürger mitmachen. Dazu müssen Bedenken überwunden und Hemmschwellen abgebaut werden. Am besten geschieht dies in einem Modellstadtbezirk, wo jeder in unmittelbarer Nachbarschaft erlebt, was in Bezug auf regenerative Energien und energetische Gebäudesanierung alles möglich ist, wo die Stuttgarter Energieberatung offensiv auf die Gebäudeeigentümer zu geht, wo ein Runder Tisch die wichtigsten Akteure vor Ort einbindet, wo man die Erfolge sehen kann. Wie können Menschen besser motiviert werden als durch eine gebündelte Aktion, ein Leuchtturmprojekt, das dann auf die ganze Stadt und weit darüber hinaus ausstrahlt? Wie, wenn nicht so, kann die Herkulesaufgabe erfolgreich angegangen werden?
2. Energiesparprogramm
Große Potenziale zur CO2-Minderung schlummern in den Bestandsgebäuden. Deshalb fordern wir eine Aufstockung der Mittel für das städtische Energiesparprogramm und eine Öffnung auch für größere Eigentümergemeinschaften. Wir erinnern daran, dass es speziell für das Jahr 2006 bereits auf 3 Mio. Euro verdoppelt worden ist (GRDrs 605/2006).
3. "Stuttgarter Standard"
Eine 20%ige Unterschreitung der gesetzlichen Energieeinsparverordnung (EnEV), die bereits heute in allen stadtebaulichen Verträgen mit privaten Bauherren und beim Verkauf von städtischen Grundstücken festgelegt wird, ist nicht mehr ausreichend. Stuttgart muss sich an die Spitze der Bewegung stellen.
Wo es möglich ist, müssen Passivhäuser gebaut werden.
Ansonsten muss ein anspruchsvoller "Stuttgarter Standard" eingeführt werden, der dem Stand der Technik entspricht und sich an KfW-Energiesparhäusern orientiert.
Weil die wirklich großen Potenziale zur CO2-Minderung aber im Bestand liegen, erarbeitet die Verwaltung Vorschläge, wie der "Stuttgarter Standard" auf den Bestand ausgedehnt werden kann.
4. Bauleitplanung
In der Bauleitplanung müssen die Auswirkungen auf die CO2-Bilanz in Zukunft besser berücksichtigt werden.
Dazu muss der im Rahmen der Bauleitplanung zu erstellende Umweltbericht um eine Rubrik "CO2-Bilanz" ergänzt werden. In dieser Rubrik werden Faktoren wie der energetische Standard der Gebäude, die Anbindung an den ÖPNV oder die wohnortnahe Versorgung in ihren Auswirkungen auf den CO2-Ausstoß abgeschätzt.
5. Stadtinternes Contracting
Im Rahmen des stadtinternen Contracting verfügt Stuttgart über einen Fonds, aus dem Investitionen zur Energieeinsparung finanziert werden können. Dieser Fonds muss nicht nur erhöht werden, sondern die eingesparten Energiekosten müssen dauerhaft in den Fonds zurückfließen.
Bisher fließen die eingesparten Energiekosten nur so lange in den Fonds zurück, bis die Investitionssumme gedeckt ist, und anschließend fließen sie in den allgemeinen Haushalt, zur Freude des Kämmerers.
Wären allerdings die eingesparten Energiekosten statt in den allgemeinen Haushalt immer weiter in den Fonds zurück geflossen, so wäre die jährliche Kosteneinsparung bereits heute knapp 20% höher, mit steigender Tendenz - das Ergebnis eines Zinses-Zins-Effektes.
Vor allem aber wäre dann schon deutlich mehr Energie eingespart worden, zum Wohle des Klimas.
6. Städtische Gebäude
Das vom Oberbürgermeister bereits 2004 versprochene Projekt, jährlich 3 Schulen energetisch zu sanieren, muss endlich angegangen werden.
7. Energiecontrolling: LESS
Eine wichtige Rolle beim Energieverbrauch spielen die Nutzer. Deshalb muss das Projekt LESS (Lukratives Energiesparen an Stuttgarter Schulen) wieder gestartet und auch auf andere städtische Einrichtungen wie Kindergärten oder Verwaltungsgebäude übertragen werden.
Dieses Projekt wurde bereits in den Jahren 2001 und 2002 mit deutlichem Erfolg durchgeführt. Es beruht auf der Idee, die Nutzer einer Einrichtung zum Energiesparen zu motivieren, indem ein Teil des eingesparten Geldes an die Einrichtung zurückfließt.
8. Steigerung der Energieeffizienz
Wir erwarten mindestens fünf konkrete Vorschläge der Verwaltung, wo weitere Anlagen zur Kraftwärmekopplung gebaut werden können und sollen.
9. Einsatz erneuerbarer Energien
Der Anteil erneuerbarer Energien bei den städtischen Liegenschaften beträgt bei Heizenergie 6,4%, beim Strom nur 3,2%, ist also äußerst bescheiden. Gerade in diesem Bereich sind satte Steigerungen möglich.
Der städtische Strombezug wurde neu ausgeschrieben. Der Anteil von Ökostrom muss nun so hoch wie irgend wirtschaftlich vertretbar ausfallen, mindestens aber 25%. Bei relativ geringen Mehrkosten werden hohe klimaschonende Effekte erreicht und die Produktion von Ökostrom vorangetrieben.
Bei der Nutzung von Sonnen- und Erdwärme geht die Stadt einschließlich ihrer Eigenbetriebe und Gesellschaften mit gutem Beispiel voran und baut - wo immer möglich - Solar- und Erdwärmesondenanlagen ein. Zur wirksamen Unterstützung bedarf es eines städtischen Fonds, um bei vergleichbaren Vorhaben nicht jedes Mal erneut eine Rentabilitätsberechnung vorlegen zu müssen.
In den städtischen Freibädern wird die Nutzung von Solarabsorbern zur Erwärmung von Duschwasser bzw. Beckenwasser noch erweitert. Es wird geprüft, ob in städtischen Hallenbädern Wärme aus Abwasser wirtschaftlich zurückgewonnen werden kann.
Wir erwarten weitere konkrete Vorschläge zur Verwendung von Abfallprodukten zur Energieerzeugung. So könnten z.B. die im Großmarkt anfallenden Pflanzenreste in einer Biogasanlage energetisch genutzt werden.
An gut sichtbaren Stellen errichtet die Stadt Photovoltaikanlagen als Demonstrationsobjekte. Wer sieht schon die Photovoltaikanlage auf dem Dach der Rathausgarage und lässt sich so von der Problemlosigkeit solcher Anlagen überzeugen?
10. Verkehr: Änderung des modal split
30% des CO2-Ausstoßes eines privaten Haushalts gehen auf das Konto des Verkehrs. Busse fahren im Vergleich zum MIV mit 3 Litern Kraftstoff pro Person je 100 km, Stadtbahnen brauchen sogar nur 1,5 Liter. Deshalb ist zur CO2-Minderung eine spürbare Veränderung des modal split unabdingbar.
Wir erwarten konkrete, wirksame Vorschläge des Oberbürgermeisters zur Änderung des modal split und zu einer neuen Mobilitätskultur. Attraktivitätssteigerung des ÖPNV reicht nicht aus, so wichtig sie als solche auch ist.
Wir wiederholen unsere Forderung nach Einführung eines Mobilitätsbonus, der zum Erwerb von Fahrscheinen eingesetzt werden kann. Wir wissen, dass er rechtlich leider noch nicht möglich ist. Umso mehr verdient er größte politische Anstrengungen.
Eine Offensive zur Steigerung der Pünktlichkeit der Busse, vor allem der Innenstadtbusse, muss gestartet werden.
Die angestrebte Steigerung des Radverkehrs muss endlich in die Gänge kommen. Dazu legt der Oberbürgermeister ein Viel-Punkte-Programm mit den wichtigsten Schwerpunktmaßnahmen zum schnellen Ausbau des Radwegenetzes vor, und außerdem einen Vorschlag für eine drastische Erhöhung des Radverkehrsetats.
Die Integrierte Verkehrsleitzentrale muss auch immissionsabhängig gesteuert werden können.
Bei künftigen Straßenbaumaßnahmen darf es zu keiner Netto-Kapazitätssteigerung mehr kommen.
11. Öffentlichkeitsarbeit
Gerade im Bereich Klimawandel bedarf es einer intensiven Öffentlichkeitsarbeit. Dazu ist eine hinreichende personelle Ausstattung notwendig.
12. Planung und Evaluierung
Es ist wichtig, das Geld effizient einzusetzen. Deshalb erwarten wir, dass die Verwaltung bei der Fortschreibung des Klimaschutzkonzepts für jede einzelne Maßnahme nicht nur die Kosten ermittelt, sondern auch abschätzt, welche CO2-Einsparungen dadurch erreicht werden können.
Umgesetzte Maßnahmen werden evaluiert und die Ergebnisse periodisch bekannt gegeben.