Antrag vom 11/20/2009
Nr. 690/2009

Antrag
Stadträtinnen / Stadträte - Fraktionen

Bündnis 90/DIE GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion
Betreff

ÖPNV engagiert und vernetzt weiterentwickeln
Nahverkehrsplan

„Der Nahverkehrsplan dient den ÖPNV-Aufgabenträgern als Instrument zur Formulierung ihrer Zielvorstellungen“ (Nahverkehrsplan Landeshauptstadt Stuttgart, 1. Fortschreibung, S.1). Dieser Funktion wird der nach umfangreichen Beratungen nun in geänderter Fassung dem Gemeinderat zum Beschluss vorliegende Nahverkehrsplan nicht gerecht.
So dokumentieren zahlreiche andere städtische Planungen und Veröffentlichungen mit verkehrspolitischen Bezügen (Luftreinhalte- und Aktionsplan, Lärmaktionsplan, Stadtkernziele, Klimaschutzziele usw.), dass der Aufgabenträger Landeshauptstadt Stuttgart wesentlich weitergehende verkehrs-, umwelt- und klimapolitische Zielvorstellungen hat, als dies im vorliegenden Nahverkehrsplan zum Ausdruck kommt.
Nicht zuletzt die große Zahl konstruktiver und ebenso qualifizierter wie engagierter Stellungnahmen aus den Bezirksbeiräten und von den Trägern öffentlicher Belange zeigt, dass Ausbau und qualitative Weiterentwicklung des ÖPNV für die Stuttgarterinnen und Stuttgarter von größter Bedeutung sind. Leider wird in der nun vorliegenden Version des Nahverkehrsplans nur ein sehr kleiner Teil dieser Anregungen aufgegriffen.



I Busbeschleunigung

Um den Modal Split tatsächlich deutlich zu verändern und den Anteil des ÖPNVs signifikant zu steigern, müssen die Wettbewerbsbedingungen des ÖPNV in der Konkurrenz mit dem MIV deutlich verbessert werden. Hier ist der Nahverkehrsplan viel zu wenig ambitioniert und zu sehr am Erhalt des Status quo orientiert. Konkrete Maßnahmen zur Förderung des ÖPNV können im Plan nicht mit dem Hinweis auf verkehrliche Hindernisse zurückgewiesen werden: Eine Entscheidung, ob die mit den entsprechenden Maßnahmen verbundenen Eingriffe in den MIV vertretbar sind, darf jedenfalls nicht im Nahverkehrsplan vorweggenommen werden.

Wir fordern:

1. Im Nahverkehrsplan wird eine an den Erfordernissen des Busverkehrs orientierte Liste konkreter Maßnahmen zur Busbeschleunigung (Buskaps, busfreundliche Ampelschaltungen, Busspuren) als Zielliste aufgenommen.



II Barrierefreiheit

Trotz entsprechender gesetzlicher Vorgaben konnte das Ziel der flächendeckenden Barrierefreiheit von Haltestellen und Fahrzeugen noch immer nicht erreicht werden. Wichtige Haltestellen wie die S-Bahn-Stationen „Feuerbach“, „Nordbahnhof“ und „Nürnberger Straße (Neckarpark)“ sowie die Stadtbahnhaltestelle „Österreichischer Platz“ sind nach wie vor nicht barrierefrei. Die im Nahverkehrsplan dazu auf den Seiten 142 f. gemachten Angaben sind zu unkonkret.

Wir fordern:

2. Im S-Bahn- und Stadtbahnverkehr müssen alle Haltestellen ab 2012 barrierefrei sein.



III Intermodale Vernetzung

Die Zukunft der Mobilität ist multimodal. Erst durch eine intermodale Vernetzung unterschiedlicher Verkehrsmittel lassen sich die hohen Mobilitätsbedürfnisse der Bevölkerung mit den verkehrs- und umweltpolitischen Zielvorstellungen der Stadt Stuttgart verbinden. Intermodalität bedeutet, dass unterschiedliche Verkehrsmittel so kombiniert werden, dass ihre spezifischen Vorzüge effektiv genutzt werden.

Wir fordern:

3. Der Ausbau von B&R (Bike & Ride) und P&R (Park&Ride) muss im Nahverkehrsplan konkretisiert und durch eine Prioritätenliste aufbereitet werden.
4. Die Möglichkeit der Fahrradmitnahme muss auf den Busverkehr ausgeweitet werden. Dies muss im Nahverkehrsplan dadurch konkretisiert werden, dass erste geeignete Buslinien benannt werden, auf denen im Jahr 2010 in die Fahrradmitnahme eingestiegen werden kann.
5. Der Ausbau von Carsharing-Standorten an stark frequentierten Haltestellen des ÖPNV (S-Bahn, Stadtbahn, etc.) und die Erarbeitung eines entsprechenden Konzeptes bis Ende 2010 muss als Ziel in den Nahverkehrsplan aufgenommen werden.



IV Spät- und Nachtbusverkehr

Insbesondere im Spätverkehr und Nachtbusverkehr müssen die Taktzeiten an die gestiegene Nachfrage angepasst und verbessert werden.

Wir fordern deshalb:

6. 15-Minuten-Takt bei den innerstädtischen Buslinien 40, 43 und 44 in den Abendstunden.
7. Schließung der Lücken zwischen Nachtbusverkehr und Frühverkehr in den Nächten von Donnerstag auf Freitag, Freitag auf Samstag und Samstag auf Sonntag sowie in den Nächten vor allen Feiertagen unter der Woche.



V Freizeitverkehr

Ziele des Freizeitverkehrs müssen genauso wie Ziele des Berufsverkehrs behandelt werden, denn auch dort gibt es auf einigen Linien einen hohen Bedarf bzw. ein hohes Potenzial, den Modal Split zugunsten des ÖPNV zu verändern, allerdings entgegengesetzt zum Berufsverkehr eher an den Wochenenden und in den Abendstunden.

Wir fordern:

8. Der Freizeitverkehr zu den Parkseen und zum Schloss Solitude ist in der Zeit zwischen 9:00 und 21:00 Uhr auszubauen, beispielsweise dadurch, dass jeder zweite oder dritte Bus der Linie 44 bis zur Solitude weiterfährt oder die Frequenz der Buslinie 92 erhöht wird.
9. Die Einrichtung einer direkten Busverbindung zwischen Stuttgart-Nord und Botnang zumindest im Testbetrieb ist als Ziel in den Nahverkehrsplan aufzunehmen.



VI Für die nächste Fortschreibung des Nahverkehrsplans beantragen wir:

1. Die Vorlage und Verabschiedung des Entwurfs des nächsten Nahverkehrsplans muss an den fünfjährigen Zeithorizont des Plans angepasst werden. Der nächste Entwurf des Nahverkehrsplans muss deshalb im Jahr 2014 vorgelegt und beraten werden.
2. Um die verkehrs- und umweltpolitischen Ziele der Stadt Stuttgart erreichen zu können, dürfen die diesbezüglichen Planungen nicht isoliert betrachtet werden. Vielmehr muss der Nahverkehrsplan auf die Ziele und geforderten Maßnahmen des Verkehrsentwicklungskonzeptes, des Luftreinhalte – und Aktionsplans, des Lärmaktionsplans und entsprechender anderer Planungen mit verkehrs- und umweltpolitischen Inhalten Bezug nehmen.
3. Der Nahverkehrsplan muss eine Auflistung aller umgesetzten und nicht umgesetzten Maßnahmen des vorangegangenen Nahverkehrsplans enthalten und begründen, warum Maßnahmen nicht umgesetzt und Ziele nicht erreicht wurden.
4. Angesichts der demografischen Entwicklung müssen im kommenden Nahverkehrsplan die Vorgaben zu Zu- und Abgangswege zu den Haltestellen (Einzugsradien der Haltestellen) so verändert werden, dass in den Hanglagen des Stuttgarter Talkessels kürzere Wege vorgeschrieben werden.


Jochen Stopper Michael Kienzle Werner Wölfle