Jugendamt und Schulverwaltungsamt inhaltlich vernetzen. Keine Spielwiese für Organisationsexperimente
Das Thema Eigenbetrieb Bildung und Betreuung (EBB) ist mit dem Antrag
321/2008 der beiden Fraktionen von CDU und Grünen vom Tisch. Und das ist gut so. Offenbar haben die beiden Fraktionen gerade noch rechtzeitig erkannt, dass ihr Vorschlag weder die Akzeptanz der betroffenen Beschäftigten noch der Fachwelt gefunden hat. Man könnte auch sagen, die beiden Fraktionen sind mit ihrem Vorschlag "als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet".
Wir erinnern: Die SPD-Fraktion hatte sich in den Haushaltsplanberatungen gegen diese Organisationsänderung ausgesprochen, weil wir einem solchen Eingriff nicht ohne gründliche und fachliche Untersuchung des Für und Wider zustimmen wollten. Auch hatten wir die Befürchtung, dass mehr Schaden als Nutzen gestiftet wird. Leider hat es nun fast acht Monate gedauert bis auch bei CDU und Grünen die Erkenntnis reifte, dass sie mit ihrem Vorschlag auf dem "Holzweg "sind.
Nun soll zur Gesichtswahrung der Antragsteller innerhalb des Jugendamts ein "Regiebetrieb" gegründet werden. Was aber ist ein Regiebetrieb? Die Befürworter dieser Idee seien darauf hingewiesen, dass der Regiebetrieb eine Organisationsform kommunaler wirtschaftlicher Betätigung darstellt. Es stellt sich die Frage: Sind die Antragsteller der Meinung, dass die Erfüllung der Aufgaben der Kindererziehung eine wirtschaftliche Betätigung der Stadt darstellt? Ein Regiebetrieb ist zudem vollständig in die Stadtverwaltung eingegliedert. Seine Einnahmen und Ausgaben sind wie der jedes Amtes im Haushaltsplan integriert und werden mit diesem beschlossen. Es handelt sich praktisch um eine Abteilung eines Amtes. Der Regiebetrieb tut niemand weh. Ob er nützt ist eine andere Frage. Der vorgeschlagene hochtrabende Name ist damit nichts anderes als die gestrichenen Häuser des Herrn Potjemkin unter Katharina der Großen. Oder anders ausgedrückt: KiBiS blendet.
Den Antragstellern geht es inhaltlich um Budgetierung und Flexibilität.
Dies ist eine richtige Fragestellung. Wir sind der Auffassung, dass dies keine Frage der Rechtsform ist, sondern es ausschliesslich vom Gemeinderat abhängt, wieviel Selbständigkeit er der Verwaltung bei der Disposition über die Haushaltsmittel einräumt. Darüber ist zu diskutieren. (Von der Verwaltung haben wir indes noch nie die Klage gehört, der Gemeinderat hätte ihr zu wenig Flexibilität bei der Mittelverwendung eingeräumt.)Nein, es mangelt an ausreichend Personal und Sachmitteln, gerade im Bereich der Erziehung in unseren Kindertagesstätten und Schulen. Damit kommen wir zum (ernst zu nehmenden) Kern des Vorschlags der beiden Fraktionen: Ihre Absicht die sog. "verlässliche Grundschule" als Aufgabe dem Jugendamt zu übertragen. Wir meinen: Wenn es der "verlässlichen Grundschule" an etwas mangelt, dann an Geld für die Einstellung qualifizierten Personals. Die Gleichstellung der "verlässliche Grundschule" mit der Ausstattung von Kindertagesstätten in personeller und sachlicher Hinsicht ist aus pädagogischen Gründen dringend geboten.
Eine Übertragung dieser Aufgabe des Schulverwaltungsamt an das Jugendamt ändert überhaupt nichts an den vorhandenen Ressourcen. Stattdessen besteht die Gefahr, dass weitere Probleme geschaffen werden: Es wird die einheitliche Identität der Stadt als Schulträger in Frage gestellt. Aber gerade dies ist angesichts der Schulpolitik des Landes mehr denn je erforderlich. Wir brauchen ein starkes Schulverwaltungsamt, in dem alle Funktionen die sich auf die Schulen beziehen gebündelt sind.
Andererseits ist die optimale Vernetzung von Schulverwaltung und Jugendamt genauso wichtig. Hier sind offenkundig erhebliche Defizite erkennbar.
Das waren auch die Gründe warum vom Gemeinderat der Unterausschuss "Stuttgarter Bildungspartnerschaft" und das dazugehörige Kompetenzzentrum beschlossen wurden. Hier sind alle zum Handeln berufenen Stellen und Personen gebündelt. Unsere Kraft sollte sich darauf richten, diese Institution "zum Laufen" zu bringen.
Deshalb sollte die Verwaltung ihre Arbeit auf die Inhalte konzentrieren. Auf keinen Fall darf wieder mit einem "Schnellschuß" vielfältige Verwirrung, unproduktives Tun und wilder Aktionismus erzeugt werden.
Damit nicht die Verwaltung - in Loyalität dem von CDU und Grünen gestellten Antrag gegenüber - diesem ohne weitere Diskussionen folgt, beantragen wir:
Die Verwaltung untersucht unter Beteiligung der Fachämter die Vor- und Nachteile einer Übertragung von Aufgaben des Schulverwaltungsamtes an das Jugendamt und berichtet schriftlich, bevor an einer Umsetzung gearbeitet wird. Dabei wird besonders die Rolle der Stadt als Schulträger gegenüber den Schulen und der staatlichen Schulverwaltung beleuchtet.
Es wird dargestellt welche Vor- bzw. Nachteile ein Regiebetrieb im Jugendamt hätte bzw. welche Möglichkeiten zur Flexibilisierung entstehen, die nicht auch durch andere Entscheidungen des Gemeinderats umsetzbar sind.
Es wird unter den gleichen Vorgaben untersucht, welche Vor- und Nachteile die Bündelung aller städtischen Aufgaben die sich an der Schule abspielen, z.B. Hort an der Schule, beim Schulverwaltungsamt hätte. Dabei ist zu beachten, dass die Zahl der Ganztagesschulen und damit auch die unmittelbare Verantwortung des Landes bzw. der Schulleitungen für das pädagogische Geschehen zunimmt. Im Gegenzug wird die Institution "verlässliche Grundschule" längerfristig eher kleiner werden. Umso wichtiger ist es daher, den kommunalen Verantwortungsbereich intern optimal zu vernetzen. Die beantragten Untersuchungen erfolgen deshalb unter Berücksichtigung der künftigen Aufgabenstellung des Kompetenzteams "Stuttgarter Bildungspartnerschaft". Dessen Aufgabe als Stabsstelle des OB besteht bekanntlich darin, die Koordination und Vernetzung der Aufgaben der beteiligten Fachämter und Referate voranzubringen.