Antrag
vom
05/18/2000
Nr.
411/2000
Antrag
Stadträtinnen / Stadträte - Fraktionen
Reißig Andreas (SPD)
Betreff
Scientology – Narrenfreiheit in Stuttgart?
Die Scientology-Organisation (SO) ist nach übereinstimmender Meinung von Experten, politischen Akteuren sowie der Ständigen Konferenz der Innenminister keine Religionsgemeinschaft oder Sekte, sondern vor allem im Bereich der Wirtschaftskriminalität tätig. Durch die engagierte Aufklärungsarbeit vieler Wissenschaftler und Aussteiger konnte in den vergangenen Jahren ein kritisches Bewusstsein in der Öffentlichkeit gegenüber diesem Konzern mit totalitär-autoritärem Gedankengut erzeugt werden. In Baden-Württemberg wird Scientology darüber hinaus vom Verfassungsschutz überwacht.
Nach wie vor ist es das vorrangige Ziel dieser Vereinigung, durch das Anwerben neuer Mitglieder die Finanzkraft des Unternehmens zu stärken. Aus den genannten Gründen ist Werbung für die SO in der Öffentlichkeit jedoch in Stuttgart – wie in vielen anderen Kommunen – nach einem Urteil des Amtsgerichts verboten. Das Unternehmen hat daher in den letzten Monaten im Rahmen einer als Offensive angelegten Imagekampagne in der Landeshauptstadt trickreich nicht unter dem Organisationsnamen, sondern für eine Ausstellung seines Gründers, L. Ron Hubbard, in der Theodor-Heuss-Straße geworben. Wie in der Presse berichtet, hatte die Stadtverwaltung in diesem Fall keine Eingriffsmöglichkeiten.
Inzwischen mehren sich aber Aussagen, dass die SO in letzter Zeit regelmäßig auch unter ihrem Organisationsnamen in der Innenstadt – vor allem großräumig in der Königstraße – für sich Werbung betreibt, ohne dass dies von städtischer Seite unterbunden wird. An diese Beobachtungen schließt sich ein Vorgang an, der neben persönlicher Betroffenheit auch politischen und ggf. ordnungs- und strafrechtlichen Handlungszwang auslöst.
Ich
frage
die Stadtverwaltung:
Mit welchen Mitteln und mit welcher Intensität hat die SO bzw. haben ihre Untergliederungen in den letzten Wochen und Monaten in Stuttgart für sich bzw. für mit Scientology zusammenhängende Veranstaltungen geworben?
Welche ordnungsrechtlichen Möglichkeiten hat die Stadt, die unterschiedlichen Werbemaßnahmen der SO zu unterbinden? Welche Handlungen sind durch die bisherige Rechtslage ausgeschlossen und wie wird deren Einhaltung überprüft? Welche Änderungen in der Nutzungsordnung sind nötig, um die bisher legalen Werbeaktionen untersagen zu können?
Ist es richtig, dass in letzter Zeit nicht nur für die Ausstellung über L. Ron Hubbard in der Theodor-Heuss-Straße, sondern mehrmals großflächig auf der Königsstraße durch große Ballons mit der Aufschrift ”Scientology” Propaganda betrieben worden ist, dies aber nicht verhindert wurde?
Ist der Stadtverwaltung bekannt, dass ein Mitglied von Scientology am 25. März 2000 bei einer dieser Aktionen auf dem Schlossplatz ein vorbeikommendes Mädchen, das einen der Ballons beschädigte, tätlich angegriffen – geschlagen – hat; dass inzwischen Anzeige wegen Körperverletzung gestellt wurde und der Vorgang bei der Staatsanwaltschaft liegt?
Ich
beantrage
:
Die Stadt ergreift vor dem Hintergrund des Werbeverbots für die Scientology-Organisation in Stuttgart alle Maßnahmen, die o. g. Vorgänge in der Landeshauptstadt zukünftig zu verhindern,
insbesondere durch einen klaren Auftrag an die Polizei zu strikter Kontrolle der ordnungsrechtlichen Vorgaben vor allem im Innenstadtbereich.
ggf. durch die Änderung satzungsrechtlicher Bestimmungen.
Andreas Reißig