Anfrage vom 01/24/2008
Nr. 22/2008

Anfrage
Stadträtinnen / Stadträte - Fraktionen

CDU-Gemeinderatsfraktion
Betreff

Änderung der Wirtschaftlichkeitsprüfung öffentlicher Ausschreibung durch die GPA

Das Vergaberecht verpflichtet die öffentlichen Auftraggeber zur Einhaltung der für alle Verdingungsordnungen verbindlichen Vergabegrundsätze. Aufgrund des Transparenz- und Gleichbehandlungsgebots haben alle Gebietskörperschaften ihre Aufforderung zur Abgabe eines Angebots öffentlich auszuschreiben. Ausnahmen können nur aus besonderen auftragsbezogenen Gründen zulässig sein. Eine solche Ausnahme findet sich in § 3 Nr. 2 Abs. 1 a VOB/A und § 3 Nr. 3 b VOL/A. Eine beschränkte Ausschreibung ist dann zulässig, wenn die öffentliche Ausschreibung für den Auftraggeber oder die Bewerber einen Aufwand verursachen würde, der zu dem erreichbaren Vorteil oder dem Wert der Leistung im Missverhältnis stehen würde. Es bleibt den Kommunen im Rahmen ihres Selbstverwaltungsrechts überlassen, diesen unbestimmten Rechtsbegriff „Missverhältnis“ festzulegen. Das wird auch künftig so sein.

Die Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) hält bislang durch eine restriktive Kontrollpraxis die Kommunen dazu an, auch bei relativ niedrigen Auftragsvolumina das Vergaberecht anzuwenden. Um unwirtschaftliche Kosten einer öffentlichen Ausschreibung im Sinne in § 3 Nr. 2 Abs. 1 a VOB/A und § 3 Nr. 3 b VOL/A zu vermeiden, konnte nach der Ansicht der GPA Gewerke bei Rohbau, Tiefbau und Verkehrswegebau mit einem Auftragsvolumen von 25.000,- bis 35.000,- Euro, bei Hochbau-Ausbaugewerken sowie Garten- und Landschaftsbau von 10.000,- bis 20.000,- Euro auch eine beschränkte Ausschreibung gewählt werden. Noch einschränkender war die Praxis der GPA bei der freihändigen Vergabe mit einem Auftragvolumen von 8.000,- bis 10.000,-. Euro.

Das Innenministerium hat jetzt der GPA empfohlen, ihre Kontrollpraxis bei der Frage der Wirtschaftlichkeit und des Missverhältnis des Aufwands bei der Ausschreibung öffentlicher Aufträge zu ändern. Gestützt auf die Ergebnisse einer Arbeitsgruppe Vergabepraxis schlug das Innenministerium folgende nicht rechtsverbindliche Orientierungswerte bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung vor:

VOB-Bereich (kommunale Bauaufträge)
Freihändige Vergabe 20.000,- Euro
Beschränkte Ausschreibung
- Ausbaugewerke 40.000,- Euro
- Rohbau, Verkehrswegebau, Tiefbau 75.000,- Euro
- mit vorgeschaltetem überregionalen Teilnahmewettbewerb 100.000,- Euro


VOL-Bereich (kommunale Liefer- und Dienstverträge)
Freihändige Vergabe 10.000,- Euro
Beschränkte Ausschreibung 40.000,- Euro


Wir fragen die Verwaltung:

1. Welche Auswirkungen werden die neuen Orientierungswerte auf die Ausschreibungspraxis haben?

2. Wie wird die Verwaltung diese neuen Orientierungswerte im Interesse der Chancengleichheit des örtlichen Handwerks und des Mittelstand umsetzen?

3. Befürchtet die Verwaltung das Handwerk und Mittelstand aus strukturschwachen Gebieten künftig nicht mehr zum Zuge kommen, weil sich ein regionaler Stadtmarkt entwickeln wird?

4. Wie gewährleistet die Verwaltung, dass die Grundprinzipien des EU-Primärrechts (diskriminierungsfreier Zugang zu öffentlichen Aufträgen, Transparenz- und Gleichbehandlung) auch im unterschwelligen Bereich verwirklicht werden?

5. Welche präventiven Maßnahmen wird die Verwaltung ergreifen, der durch höhere Orientierungswerte entstehenden Gefahr von Preisabsprachen und andere manipulierenden Aktivitäten entgegenzuwirken?

6. Wie wird die Verwaltung, soweit sie oberhalb der Orientierungswerte für eine beschränkte Ausschreibung entscheidet, diese Entscheidung transparent machen?



Reinhold Uhl Dr. Reinhard Löffler Alexander Kotz
Fraktionsvorsitzender




Joachim Rudolf Prof. Dr. Dorit Loos