Antrag vom 07/04/2007
Nr. 291/2007

Antrag
Stadträtinnen / Stadträte - Fraktionen

Küstler Ulrike (DIE LINKE.PDS), DIE LINKE.PDS im Stuttgarter Gemeinderat
Betreff

Erhöhung des Sozialhilferegelsatzes

Erhöhung des Sozialhilferegelsatzes


Antrag:

1. Die Stadt Stuttgart zahlt als freiwillige Leistung den Berechtigten nach SGB XII einen erhöhten Sozialhilfesatz. Das ist möglich auf der Grundlage eines wissenschaftliches Gutachtens, mit dessen Hilfe die Angemessenheit des im SGB XII maßgeblichen Regelsatzes für die Situation in Stuttgart beurteilt wird.

2. Die Stadtverwaltung lässt ein derartiges Gutachten erstellen.

3. Die Stadtverwaltung wirkt im Deutschen Städtetag darauf hin, dass dieser energische Schritte unternimmt, um die Bundesregierung zu einer zügigen Erhöhung des Regelsatzes im SGB II und im SGB XII zu bewegen.


Begründung:

Der Sozialhilferegelsatz von 345 Euro pro Monat für einen Haushaltsvorstand, von 311 Euro für jeden weiteren Erwachsenen im Haushalt, von 276 Euro für einen Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen und von 207 Euro für ein Kind unter 14 Jahre ist augenscheinlich und nach der Berechnung von Experten völlig unzureichend.

Wie auch die Sozial- und Jugendbürgermeisterin in einer Ausschusssitzung beklagte, sind diese Regelsätze seit elf Jahren nicht mehr den gestiegenen Kosten der Lebenshaltung angepasst worden.


Nach Auskunft der Sozialverbände sind in den Regelsätze u.a. folgende Beträge vorgesehen:

Geltende Regelleistung Beurteilung
Ausgaben für Bildung 0,00 Euro, sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern (2003 waren es noch 5,98 Euro monatlich für Erwachsene).Erhalten der Qualifikation oder Weiterbildung ist ausgeschlossen. Damit ist auch weder Nachhilfeunterricht noch das Erlernen eines Instrumentes möglich. Eine völlige NICHT-Deckung des Bedarfs.
Energiekosten: 21,75 Euro im Eckregelsatz.
Davon werden pauschal für den Warmwasseranteil an den Unterkunftskosten noch 6 Euro abgezogen. Es verbleiben 15 Euro.
Nach aktuellen Berechnungen liegt der Durchschnittsverbrauch für Alleinstehende monatlich bei 149 KWH, die ca. 28 € bis 32 € kosten. Die Unterdeckung liegt bei 50 %.
Nach dem Urteil LSG Sachsen L 3 AS 101/06 vom 29.03.2007 ist der Abzug der 6 Euro für den Warmwasseranteil bei den Kosten für die Unterkunft nicht verfassungskonform.
Gesundheitsausgaben / Praxisgebühr:
Im Regelsatz sind 12,67 Euro enthalten, notwendig sind mindestens 18,77 Euro (Durchschnitt).
Die Hilfebedürftigen sind nach wissenschaftlichen Untersuchungen häufiger, schwerer und mehrfach krank. Die Unterdeckung beträgt ein Drittel.
Ernährungsanteil für Kinder:
Für unter 14-Jährige sind 58,49 Euro monatlich = 1,92 Euro täglich für Essen und 6,93 Euro monatlich = 23 Cent täglich für Getränke vorgesehen.
Analog zu Genussmitteln für Erwachsene gibt es für Kinder 10,97 Euro monatlich = 36 Cent täglich.

Bei Gaststättenbesuchen sind für Kinder 4,90 Euro monatlich = 16 Cent täglich vorgesehen.
4,90 Euro
Für diese Beträge ist eine gesunde Ernährung nicht gewährleistet.


Dieser Betrag ist leicht für Süßigkeiten weg, reicht jedoch keinesfalls für außerhäußige Ausgaben (Schulausflüge).
Reicht nicht für Essens- und Getränkekauf an der Schule.
Ausgabengruppe Verkehr:
Für Kinder unter 14 sind monatlich 40 Cent für das Ansparen eines Fahrrades veranschlagt, für einen Erwachsenen 67 Cent, für einen Jugendlichen 54 Cent.
Für den Nahverkehr haben Kinder monatlich 6,62 Euro, Jugendliche 8,83 Euro und Erwachsene 11,04 Euro. Wenn sie aufs Fahrrad verzichten, kommen die Cent-Beträge dazu.
Ein Kind könnte so theoretisch in einem Jahr 5 Euro sparen und nach 30 Jahren ein sehr billiges Fahrrad kaufen.

Öffentlicher Nahverkehr lässt sich auch mit der Stuttgarter Bonuscard damit nicht bezahlen!
ÖNVP ist aber Voraussetzung für den Zugang zur Bewerbung, zu Ämtern, zur Vesperkirche, zu den Tafelläden etc. Sport ist Fehlanzeige!

Diese Auflistung enthält nur Schlaglichter, die die Lage beleuchten sollen. Die komplette Tabelle "Zusammensetzung der Regelleistung Alg II ab 1.1.2007" ist bei den Sozialverbänden erhältlich, ebenso eine Tabelle "Neubestimmung der Kosten zur Gesundheitspflege".

In einer reichen Stadt ist Armut besonders hart. Hier ist auch das Leben besonders teuer. Mit den geltenden Regelleistungen des SGB IIX bzw. SGB II lassen sich die Grundbedürfnisse nicht decken. Eine Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ist be- oder verhindert. Deshalb muss die Stadt ihre Hilfe verstärken, und sie kann das auch.



Ulrike Küstler